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Full text of "Steiner, Felix - Die Armee der Geaechten (1963, 184 Doppels, Text)"

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Felix Steiner 


Die Armee 
der 

Geàchteten 


P L E S S E VERLAG GÒTTINGEN 





DEN GEFALLENEN! 


Aber die Geschichte 
wird schon zu ihrer Zeit auferstehen 
und reden. 


Und wenn sie geredet hat, 
so koinmt alles vorangegangene Geschwatz 
nicht mehr in Betracht. 


FRIEDRICH KLOPSTOCK 


Copyright 1963 by Plesse Verlag Gòttingen 
Printed in Germany 

Gesamtherstellung: Erich Glotze K.G.; Gòttingm 



INHALTSVERZEICHNIS 


Vorwort. 9 

I. TEIL Dic Vorgeschichte 13 

1. Kapitel: Anmarsch der Militàrischen Revolution. 14 

Flandern 1917. — Der Ungeist der Zermurbungsstrategie. — Das 
Gesicht der Massenheere im ersten Weltkrieg. — Das neue Soldaten- 
tum der Sturmformationen an der Westfront von 1918 

2. Kapitel: Das Pendel schwingt zuriick. 27 

Die Unterdriickung fortschrittlichen Soldatentums zwischen den Welt- 
kriegen. — Reichswehr im Banne der Reaktion. — Hitlers Wehrbild. — 
Rohm und die Militàrhierarchie. — Der Zusammenstofi vom 30. Juni 
1934. —DieArmee von 1935. 

3. Kapitel: Wehrpolitik im Zwiespalt. 51 

Hitler zwischen militàrischem Konventionalismus und soldatischem 
Fortschritt. — Der militàrische und politische Begriff der Garde. — 
Die Idee der SS-Verfugungstruppe. — Himmlers Wehrauftrag. — Or- 
densideologie. Soldatentum und Polizei. — Argwòhnische Heereslei- 
tung. — Wehrmacht oder Streitkràfte. — Politik und Kriegfìihrung im 
Dritten Reich. — Experimente mit der SS-Verfùgungstruppe. — Himm- 
lers mifiratener Elitebegriff. — Himmler und die Kommandeure der 
SS- Verfiigungstruppe. 


II. TEIL: Soldaten zwischen zwei Wehrepochen 85 

4. Kapitel: Um das Erbe des 1. Weltkrieges. 86 

Soziologische Struktur der SS-Verfùgungstruppe. — Ihre Vielfalt und 
Einheit. — Vorbild der Sturmformationen von 1918. — Charakter und 
Leistung. — Die einheitliche Linie. 

5. Kapitel: Durchbruch zum operativen Soldatentum und zu neuen Auf- 

gaben .103 

Erste Korrektur des Hitlerschen Wehrbildes. — Erweiterung der Ver- 
fùgungstruppe zur Waffen-SS. — Die Mentalitàt der auslàndischen 
Freiwilligen. — Der Geist der Volksdeutschen Soldaten. — Erziehungs- 
prinzipien eines supranationalen Offìziernachwuchses. — Waffen-SS 
und Technik. — Optimale Menschenfiihrung. 









6. Kapitel: Die bitteren Erkenntnisse des Ostfeldzuges.140 

Die operative Bewàhrung der Eliten. — Zahlenmàfiige und operative 
Irrtùmer des Rufilandfeldzuges. — Riickfall in die konventionelle Stra- 
tegie. — 1942 letzte Chance. — Wiedergeburt der Zermurbungsstrate- 
gie. — Die militàrische Rolle der Waffen-SS. — Der Soldat im Massen- 
krieg. — Zu spàte Erkenntnisse. 

7. Kapitel: Die letzte Runde .183 

Die junge Mannschaft der WaJfen-SS und der 20. Juli. — Arnheim. — 
Waffen-SS und Humanitàt. — Werturteile ciuslàndischer Kriegshisto- 
riker. — Letzte Selbsttàuschung der obersten Fuhrung. 

8. Kapitel: Das Ende .214 

Waffen-SS gegen Katastrophenlòsung. — Das Phantom der Schlacht 
um Berlin. 

9. Kapitel: Der Verrat an der Waffen-SS.230 

Himmlers Hafiliebe zur Waffen-SS. — Sein Doppelgesicht. — Seine 
heimlichen Fàlschungsversuche und der Verrat an der Waffen-SS. 

III. TEIL Die Folgen 241 

10. Kapitel: Dcr Kampf gegen die Entrechtung.242 

Totaler Krieg fùhrt zu totaler Vernichtung. — Rachejustiz und Kollek- 
tivurteile. — Kollektivbelastete und die Barriefen im bùrgerlichen Le- 
ben. — Verdammt in alle Ewigkeit. — Die Irrtùmer der zeitgeschicht- 
lichen Forschung. 

11. Kapitel: Das Fazit. 268 

Wesen der Zeit. — Das menschliche und militàrìsche Fazit. — Der 
Weg in die Zukunft. 

IV. TEIL Dokumentation 279 

A) Truppengliederung der Waffen-SS bis zu den Rcgimentern und Ab- 

teilungen .281 

B) Eidliche Aussagen der Zeugen der Waffen-SS im Niimberger ProzeB 298 

C) Eidesstattliche Erklàrungen militàrischer Sachverstàndiger zum Rechts- 
status der Waffen-SS und Auszùge aus den fùr diese gùltigen Gesetzen 


und Verordnungen.304 

D) Auszùge aus Personaldokumenten .308 

E) Denkschriften zur Rechtsstellung der Waffen-SS.323 

Namensregister.346 

Lebenslauf des Verfassers 


Vorwort 

Mehr als eine Million Soldaten haben im zweiten Weltkriege 
in der Waffen-SS gedient und als Panzerschiitzen, Grenadiere, 
Gebirgsjàger - und bei welchen andern Waffengattungen auch 
immer - in ihren Reihen am Feinde gestanden. Dreihunderttau- 
send sind im Kampf gefallen. Eine unbekannte Zahl ist in der 
Gefangenschaft umgekommen. Andere sind vermifit oder ein- 
fach verschollen, etwa sechshunderttausend in das biirgerliche 
Leben zurùckgekehrt. 

1935 war diese Waffen-SS noch eine kleine Schar junger Sol- 
daten, die in einer bemerkenswerten Truppe - der SS-Verfli- 
gungstruppe - Wehrdienst taten. Damals wufite noch keiner 
von ihnen, dafi sie einmal dazu berufen sein wiirden, Kerntrup- 
pen einer schwerringenden Front zu sein. Zu diesen gehòrten 
schliefilich 38 Divisionen der Waffen-SS, die aus diesen beschei- 
denen Anfàngen entstanden waren. Ein Fleer also, das gròfier 
war, als alle heutigen Streitkràfte der NATO zusammen. 

Diese Panzer- und Panzergrenadier-Divisionen, Grenadier- 
und Gebirgsjàgerverbànde, Kavallerie- und Artillerieeinheiten 
waren zu einem gewichtigen Bestandteil der deutschen Streitkràf- 
te geworden. Ihr kàmpferischer Ruf war bei Freund und Feind 
fast legendàr. Selbst der erbittertste Feind hat ihre kriegerischen 
Leistungen anerkannt. Im deutschen Feldheer kàmpfend, haben 
sie sich an allen Fronten verdient gemacht. 

In der Nachkriegszeit haben dessen Repràsentanten die Solda- 
ten der Waffen-SS jedoch mit leichter Fland aus den Reihen des 
deutschen Soldatentums gestrichen. Dariiber hinaus hat man sie 
vielfach verleumdet und zu Deutschen zweiter Klasse herabzu- 
wiirdigen versucht. Allzu eifrig war man auch bemiiht, sie mit 


9 














den Untaten im Dritten Reich zu belasten und sie mit dessen 
Ubeltatern in einem Atem zu nennen, obwohl langst erwiesen 
war, dafi sie damit ebenso wenig zu tun hatten, wie andere Sol- 
daten. Sie konnten sich dagegen nicht wehren, da man ihre 
Proteste nicht hòren wollte. Sie hatten keine Presse, die von Be- 
deutung war und ihnen helfen konnte. Und sie hatten kein 
Geld, um das Recht anzumfen. 

Zwar sind maBgebliche Politiker - an ihrer Spitze Bundes- 
kanzler Dr. Adenauer - fur sie eingetreten. Aber bisher hat es 
noch niemand gewagt, sie von Amtswegen als gleichberechtigte 
Soldaten òffentlich anzuerkennen. Das politische Verdammungs- 
urteil von Niirnberg lastet wie ein Albdmck auf ihnen und ihren 
Sippen. 

Einstmals waren sie bewahrte und hochgeschatzte Kampfge- 
fàhrten. Heute hat man versucht, sie zu soldatischen Parias zu 
machen. Einstmals allgemein geachtet, mòchten manche heute 
nichts mehr mit ihnen zu tun haben und sie am liebsten nicht 
mehr kennen. Fiir sie gilt bei Vielen das alte Wort: »Griifi mich 
nicht Unter den Linden ... « 

Eine solche Herabwiirdigung ehrenhafter Soldaten zu Priigel- 
knaben der Vergangenheit hat ihr wahres Gesicht in der òffent- 
lichen Meinung der Gegenwart verfàlscht. Wenn es ihnen nicht 
gelingt, eine solche bewufite oder unbewufite Geschichtsfàlschung 
bald zu verhindern, dann wird es morgen dazu vielleicht schon 
zu spàt sein. Dann sind Soldaten ohne Fehl in der Geschichte 
auf einmal zu »fanatischen Vorkàmpfern verbrecherischer Cli- 
quen« geworden. Und die Kinder dieser Million deutscher Sol- 
daten werden schamhaft erròten, wenn von ihnen die Rede ist. 

So ist dieses Buch ein Akt zeitlich und geschichtlich bedingter 
Notwehr. Es will sich bemiihen, der Gegenwart und Zukunft das 
treffende Bild der ehemaligen Waffen-SS zu vermitteln. 

In diesem Streben mufiten auch einstige Geschehnisse inner- 
halb des Wehrsektors zur Sprache gebracht werden, die dem Ge- 
riicht Vorschub leisten kònnten, Heer und Waffen-SS hàtten 
sich unversòhnlich gegeniiber gestanden. Die Frontsoldaten bei- 


der Kategorien wissen, dafi das eine Liige ist! Sie haben nicht 
daran gedacht, im Kampfe Unterschiede oder gar Gegensàtze 
untereinander aufkommen zu lassen. Niemand diinkte sich bes- 
ser als der andere. Niemand dachte egoistisch. Alle standen in 
einer Front in der gemeinsamen Pflicht, die teuere Heimat zu 
schiitzen. 

Niemals ist die Waffen-SS als Institution nur eine zeitpoliti- 
sche und zeitbedingte Schòpfung gewesen. Sie war kein Ersatz 
flir eine bewàhrte Armee und sollte dieses auch nicht sein oder 
werden. Aber sie war dennoch ein wehrgeschichtliches Phàno- 
men, das wehrnotwendig war und deshalb grundsàtzlichen und 
geschichtsbedingten Charakter tràgt. 

Wer sich mit diesem Buch ernsthaft auseinanderzusetzen be- 
reit ist, wird erkennen, dafi die darin dargestellte Tragòdie nicht 
allein die Waffen-SS betrifft, sondern schon seit 1914 fùr das 
ganze deutsche Soldatentum gilt, das vom 1. August 1914 ab ei- 
nem tragischen Schicksal ausgeliefert gewesen ist. 

Fast alle Persònlichkeiten, die in diesem Buch geschildert 
werden, sind dem Verfasser so genau bekannt gewesen, dafi er 
ein verantwortungsbewufites Urteil iiber sie abzugeben vermag. 
Auch sind die hier geàufierten Ansichten und Kritiken kein Er- 
gebnis spàter Erkenntnisse des Zeitgeistes, sondern langjàhrige 
und stets unverhiillt geàufierte Uberzeugungen des Verfassers, 
fiir die es zahlreiche Zeugen gibt. Dennoch kònnen es immer nur 
subjektive Meinungen sein. Zeitgeschichtliche Darstellungen be- 
ruhen auf dem eigenen Erlebnis oder stehen so stark unter dem 
unmittelbaren Einflufi des nahen Geschehens, dafi sie nur sub- 
jektiv eingeschàtzt werden kònnen. Erst die Geschichte vermag 
spàter objektiv zu urteilen und zu werten. 

Kriegserlebnisse sind infolge der um Ganzheit bemiihten 
Thematik nur spàrlich in diesem Buch verzeichnet. Sie sind nur 
dann darin aufgenommen, wenn sie das dargebotene, wehrge- 
schichtliche Bild am Beispiel noch schàrfer profilieren konnten. 

Zahlreiche Persònlichkeiten, insbesondere der General der 
Waffen-SS Wilhelm Bittrich haben durch Riicksprachen und Be- 


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richte an der Abfassung des Buches mitgeholfen. Ihnen sei hier- 
mit der Dank des Verfassers gesagt. 

Da sie einmal selbst durch ihre personliche Leistung an dem 
Werk beteiligt gewesen sind, das hier geschildert wird, wàre es 
vermessen, wollte ein Einzelner ihnen daflir danken. 

Man kann und wird behaupten, dieses Buch solle der »Reha- 
bilitiemng« der ehemaligen Waffen-SS dienen. Dazu sei gleich 
hier gesagt, dafi diese Truppe keiner nachtràglichen Rehabilitie- 
mng bedarf. Mit reinem Gewissen kann sie vor den Richterstuhl 
der Geschichte treten und deren Urteilsspmch getrost entgegen- 
sehen. Ihr dabei zu helfen, ist der alleinige Zweck dieses Buches. 
Denn es strebt nach einem zeitlosen Ziel, dem der geschichtlichen 
Wahrheit und Gerechtigkeit. 

Miinchen, imAugust 1963 

Der Verfasser 


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I.Teil 

Die Vorgeschichte 



1. Kapitel 

Anmarsch der militàrischen Revolution 


Tief erschòpft schlofi der Unteroffizier Lenau von der zwei- 
ten Kompanie des Res. Inf. Rgts. 225 die Augen. Das grelle 
Licht einer hochzischenden Leuchtkugel hatte ihn geblendet. Ei- 
nen Augenblick drohten seine Nerven zu versagen. Dann rifi er 
sich hoch und spàhte wieder in die Nacht. 

Der Kampf war eingeschlafen. Nur ab und zu unterbrachen 
ein halblautes Klappern von Waffen, das Stòhnen von Verwun- 
deten aus dem Trichterfeld im Vorgelànde und ein paar engli- 
sche Wortfetzen die Stille der abklingenden Schlacht. Die Tom- 
mies waren wohl gerade dabei, ihre Verwundeten zu bergen, re- 
gistrierte Lenau's Gehirn automatisch. 

Hin und wieder rauschte eine Granate iiber seinen Kopf hin- 
weg um kurz danach mit grellem Feuerschein zu detonieren. Ein 
Maschinengewehr kleckerte nervòs in der Ferne. 

Lenaus Gmppe duckte sich im Trichtergelànde und verhielt 
sich màuschenstill. Die Jungen schienen zu dòsen. Nur im Nach- 
barloch wisperte sein alter Kumpel Fritz mit seinem Rottenka- 
meraden. Daran erkannte Lenau, dafi man auch dort wachsam 
geblieben war. 

Es war ein heifier Kampftag, dieser 22. Oktober des Jahres 
1917 hier oben in der flanderischen Schlammwiiste. Den gan- 
zen Tag iiber hatten die Englànder angegriffen, waren aber im 
deutschen Abwehrfeuer liegen geblieben. 

Denn auch die Tommies waren làngst nicht mehr die alten. 
Was die 2. Kompanie in letzter Zeit an Gefangenen gemacht 
hatte, waren wenig ansehnliche Soldaten von schwàchlicher Sta- 


tur, mit schmalen Schultern, grauen, abgezehrten Gesichtern und 
ohne grofie Kampfbereitschaft. Auch er, Unteroffizier Franz Le- 
nau, hatte Miihe gehabt, seine eigenen Leute in der Stellung zu 
halten, als das feindliche Trommelfeuer begann. 

Wie ein Schiefihund hatte er aufpassen miissen, dafi sie nicht 
kopflos nach hinten fortliefen und damit in den sicheren Tod 
gerannt wàren, anstatt sich, an die Erde gekauert, tief in den 
Lòchern zu ducken, wie er es ihnen eingeschàrft hatte. Aber 
konnte man von ihnen noch viel verlangen, die ja alle doch nur 
Soldaten geworden waren, weil sie mufiten? Moral, Kamerad- 
schaft und Kampfwillen? Wo sollten sie im 4. Kriegsjahr bei 
diesem letzten Aufgebot noch zu finden sein! 

Unwillkiirlich mufite Lenau daran denken, wie es damals 
war, als er sich vor 4 Jahren freiwillig gemeldet hatte! Damals 
konnten sie es kaum erwarten, ins Feld zu kommen. Schon nach 
sechs Wochen hatten die Kiiegsfreiwilligen den Garnisonsdienst 
so satt, dafi sie sich alle freiwillig zum Regiment meldeten. 

Als sie an die Front gekommen waren, hatten sie noch dem 
ersten Gefecht entgegengefiebert. 

Doch bald mufiten sie den Krieg in seiner ganzen Hàrte spii- 
ren. Zwei-, dreimal hatten sie bei Langemarck angegriffen, in 
langen Schiitzenlinien mit zwei Schritt Zwischenraum, wie da- 
heim auf dem Exerzierplatz. Damals hatten sie noch das 
Deutschlandlied gesungen. Aber dann war es aus damit, als ihnen 
das englische MG-Feuer entgegenschlug und sie zuriick mufiten. 
Damals hatten sie gemerkt, dafi das Siegen nicht so leicht sein 
wiirde. Aber schliefilich hatten sie sich wieder gefangen und wa- 
ren feste Kerle geworden. Anders als die heute! 

»Verflucht nochmal« knurrte er halblaut, als er auf seine Uhr 
sah. »Schon halbacht! - Berger und Otto, raus zum Essenho- 
len!«, gab er halblaut durch. Was es heute wohl wieder zu fres- 
sen geben mag! Sicher wieder Dòrrgemùse, dachte er iibellaunig. 

Tapp-lapp, tapp-lapp, hòrte er noch, und das Scheppern von 
Kochgeschirren sagte ihm, dafi sie schon unterwegs seien. »Wie 
fix die noch sein kònnen, wenn es was zu fressen gibt« murmelte 


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er halblaut. »So! Jetzt wollen wir mal sehen, was der Tommy 
macht.« 

Vorn, vor seiner Front war zwar alles ruhig. Doch driiben, 
beim linken Nachbarn, war der Teufel los. Da schofi es noch aus 
allen Rohren. Eine Leuchtkugel nach der anderen zischte hoch. 
»Verdammt«, knirschte Lenau durch die Zahne, »das ist ja zum 
Kotzen.« Das links von ihm waren ja englische Leuchtkugeln 
und erst dort hinten ein paar deutsche! 

Mein Gott, die Verbindung zu den 227ern, schofi es ihm 
durch den Kopf. Abgerissen! »Fritz« rief er zum Nachbarloch 
hiniiber, »scharf nach links beobachten. Wir haben keinen An- 
schlufi mehr!« 

»Ehmer, lauf schnell zur Kompanie und mach Meldung. Du 
hast ja mitgehòrt. Lauf, Mann, so schnell du kannst. Sonst kann 
es hier ins Auge gehen.« 

Ein Schatten huschte davon. Gott sei Dank! Vielleicht kann's 
noch klappen, wenn der Stofitrupp kommt. Der Stofitrupp! 

Eine halbe Stunde spater hòrte er leises Knacken und Ra- 
scheln hinter sich. Englander? Hcifi schoss ihm das Blut zum 
Fierzen. In der stillen Nacht ahnte er sie mehr, als dafi er sie 
hòrte: Wispernde Stimmen, Schatten, - Deutsche! Der Ehmer 
mit dem Stofitrupp! 

Nervòs horchte Lenau in die Dunkelheit. Als eine Leuchtku- 
gel hoch stieg, sah er gerade noch, wie sie zu Boden glitten. Es 
war, als hatte sie der Erdboden verschluckt. Kein Laut war zu 
hòren. Das waren noch Kerle, dachte er bewundemd. Fixe Jun- 
gens. Immer wenn es brannte, sind sie da, schneidig, verdammt 
schneidig, wie wir damals. Nur schlauer und gerissener, als wir 
es waren. 

Einer sprang zu ihm ins Loch. »Du, Lenau? N'Abend«, he- 
chelte Leutnant Bertram. »Was ist bei Euch los? Was hast Du 
beobachtet? Wo ist der Tommy« Mit wenigen Worten orientierte 
Lenau. 

»Na schòn. Mein Jung'!« flusterte Bertram, »wollen mal 


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SloBlrupp im GegensloB — Flandern 1917 




Erste, von deutscher Sturmartillerie abgeschossene englische Panzer 1917 


Eingreil-Regimenl aul dem Marsch in die Bereitstellung — Argonnerwald 1916 



sehen, was wir machen kònnen. Wenn's klappt, bringen wir Dir 
ein paar Tommies mit.« 

»Players wàren mir lieber«, hauchte Lenau, als Bertram schon 
làngst wieder verschwunden war. 

Nun sah er sie, einer hinter dem andern an sich voriiberschlei- 
chen. Geduckt wie Panther. In der rechten Faust den messerschar- 
fen Spaten, glitten sie vorbei, lautlos wie witternde Raubtiere, 
die auf nàchtlichen Raub ausgingen. Eine lange Kette von Schat- 
ten, bis sie sich im Dunkel der Nacht verloren. 

Leises Neidgefùhl packte Lenau. Was hàtte man mit denen 
alles anfangen kònnen, wenn man sie nur ein biBchen friiher 
gehabt hàtte, dachte er. 

Keiner kannte sie besser als der Tommy. Wie oft hatte er 
nicht ihre iiberraschenden Uberfàlle und blitzschnelle GegenstòBe 
zu spiiren bekommen. Mehr als einmal hatten sie seine Gràben 
geràumt, regelrecht ausgeràumt und sie mit Handgranatensalven 
von Schulterwehr zu Schulterwehr getrieben. 

Im letzten Jahr waren sie auch bei ihrem Bataillon einfach 
unentbehrlich geworden. Alle riefen nach ihnen, wenn es irgend- 
wo brannte. Dann waren sie auch immer zur Stelle, jeder von 
ihnen ein ganzes Dutzend Anderer wert. 

In der Ferne heftiges MG-Duell. Wildes kurzes SchieBen. 
Laute Detonationen. Da, eine Explosion mit heller Stichflamme! 
Dann nervòses Ballern der Artillerie. Das war sicher der Bert- 
ram, der schon bei den Tommies aufràumte. 

Als sie bei der Gruppe Lenau eine Stunde spàter gerade da- 
bei waren, ihre kalte Erbsensuppe uber dem abgedeckten Hin- 
denburglicht warm zu machen, kam der StoBtrupp zuruck, ein 
halbes Dutzend Tommies mit ihnen. 

»Ging glatter als ich dachte, Lenau«, fliisterte Bertram. Die 
Tommies rissen aus, wie Schafsleder. Hier 'ne Packung Player's 
und 'ne Dose Cornedbeaf. Good bey, »sleep you very well...« 

* 


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Was sich hier in der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 1917 
bei Steenbeke zugetragen hatte, war in den letzten Jahren des 
ersten Weltkrieges an der Westfront vom Kanal bis zu den Al- 
pen langst zur Regel geworden. 

1914 waren die Heere auf beiden Seiten noch wie aus einem 
Ciul.i gewesen. In schwungvollem Angriff hatten die deutschen 
Armeen die Grenzbefestigungen der Franzosen durchbrochen und 
im siegreichen Vorgehen die Marne erreicht. Allerdings waren 
die Verluste schon damals hoch und hatten das erwartete Mal.ì 
weit uberschritten. Wenn beispielsweise das Inf. Regt. »Kaiser 
Wilhelm« (2. Hess.) No. 116 am 22. August 1914 bei Anloy in- 
nerhalb weniger Stunden die Halfte seines Offiziersbestandes 
und 1100 Mann verlor 1 , wobei noch nicht einmal besondere Ver- 
haltnisse vorgelegen hatten, dann war das zwar das tragische 
Kennzeichen des hohen Angriffsgeistes, der damals die ganze 
deutsche Armee beseelte, doch mehr noch ein Beweis fur die be- 
stiirzende Tatsache, dafi es an fiihrender Stelle an der richtigen 
Beurteilung der Waffenwirkung der Maschinenwaffen fehlte und 
man mit Kampf formen in den Krieg gezogen war, die das feind- 
liche Massenfeuer mit dem Einsatz von Menschen zu iiberwin- 
den gehofft hatten. Deshalb konnte es auch nicht ausbleiben, dafi 
es schon damals Paniken in der Angriffstruppe gab, die keines- 
wegs eine vereinzelte Erscheinung waren und deren sich jeder 
Mitkampfer des ersten Weltkrieges noch erinnern wird. 

Was in den ersten Wochen des Krieges sich immerhin noch in 
engen Grenzen gehalten hatte, nahm gròBere AusmaBe an, als 
man den Bewegungskrieg nach seiner Erstarrung noch mit Ge- 
walt in FluB halten wollte. Dennoch gelang dies nicht. 

Die Fronten erstarrten. Die Heere muBten sich eingraben. An 
allen Fronten begann ein zahes Ringen um jedes Grabenstiick, 
jedes Gehòft und jedes noch so unbedeutende Dorf, bis selbst der 
einfache Frontsoldat begriff, daB eine Entscheidung auf diese 
Weise niemals erreicht werden konnte. 

1 s. George Soldan »Der Mensch und die Schlacht der Zukunft«. 


Die Strategen auf beiden Seiten begannen nach neuen Me- 
thoden zu suchen, um die festgefahrenen Operationen wieder 
in Gang zu bringen. Nun wollte man den Gegner durch einen 
Munitionseinsatz starksten Umfanges, durch tagelanges Trom- 
melfeuer der Artillerie so zerschlagen, daB man iiber seine zer- 
stòrten Stellungen hinweg wieder zur freien Operation gelangen 
konnte. So wuchsen die Zahlen der Maschinengewehre, Minen- 
werfer und Geschiitze auf beiden Seiten ins Ungemessene. Die 
kriegfùhrenden Lander - bisher vom Kriege verschonte Hei- 
mat - wurden zu Riistungswerkstatten und ihre Bevòlkemng 
zu Riistungsarbeitern. 

* 

An der Somme begann dieser bmtale und geistlose Material- 
krieg, der Maschine gegen Maschine, Masse gegen Masse setzte. 
In Verdun steigerte er sich zur Ekstase und flihrte zum WeiB- 
bluten ganzer Armeen. 

In Flandern blieb er in Blut und Schlamm stecken. Aber er 
brachte keine Entscheidung. Die Veranderungen, die seine 
Schlachten schufen, waren so geringfligig, daB die Erfolge im- 
mer sinnloser wurden. Denn auch das Mittel der trommelnden 
Artilleriemassen versagte. Jedes Hindernis und jeden Graben 
konnte man damit eben nicht zerstòren. Schon wenige Wider- 
standsnester und einige beherzte Manner mit Maschinenwaffen 
geniigten, um die Sturmtruppen des Gegners zu Boden zu zwin- 
gen. Weitverzweigte und tiefe, neu entstandene Grabensysteme 
fingen jeden feindlichen Angriff in ihrer zweiten oder dritten 
Linie wieder auf, falls die erste zerstòrt war. 

Von der Nordsee bis zum Alpenrand regierte die Zahl der 
Kanonen und Maschinenwaffen, die Zahl der Soldaten und Be- 
fehle, die Strategie der Zermiirbungsschlachten. Vorne an der 
Front blieb nur ein Trichterfeld iibrig, in dem einzelne Manner 
kauerten, kampflen, hungerten, froren und fluchten. 

Von beiden Seiten eilten Reserven herbei, um die bald gelich- 
teten Reihen aufzufùllen. Wenige Stunden spater waren dann 


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auch sie im Grol.ìkampf dahingeschmolzen, wie Schnee in der 
Sonne. Gràben wechselten dann zwar den Besitzer, manchmal 
zwei-, dreimal an einem Tage; hin und wieder wurde auch ein 
Dorf genommen oder verloren. Doch alles wertlose Trummer 
ohne Bedeutung. An der ganzen Front aber blieb alles beim al- 
ten. Nutzlos verbluteten die Offensiven und hinterliel.ìen im 
Laufe der Wochen und Monate nur einen breiten Todesstreifen 
vom Kanal bis Beifort. 

Aber eines erreichten diese erfolglosen Materialschlachten 
doch, und zwar in stàndig steigendem Ausmafi: Sie frafien die 
langangesammelten, kostbaren Friedensreserven und dezimierten 
die in langer Friedensausbildung sorgfàltig geschulten Offizier- 
und Unteroffizierbestànde mit rasender Schnelligkeit. Die brei- 
ten Liicken, die sie rissen, konnten spàter weder mit Soldaten 
noch mit Chargen gleicher Qualitàt wie einst geschlossen werden. 

Der stàndige Aderlafi der Front zwang die Kriegsminister 
auf beiden Seiten dazu, fluchtig ausgebildete Ersatzmannschaf- 
ten und junge, unfertige Offiziere an die Front herauszuschicken, 
ehe sie ihr schweres Flandwerk sicher beherrschten. In steigen- 
dem Mafie mufiten sie auf kurz ausgebildete Ersatzreservisten, 
die man im Frieden aus geringfligigen Giùnden vom Wehrdienst 
befreit hatte, zurùckgreifen 2 , oder auf junge Rekmten, die gera- 
de dem Kindesalter entwachsen waren. 

Keine der kàmpfenden Armeen jener Zeit hatte mit einem 
Materialkriege von mehrjàhriger Dauer gerechnet. Obwohl er 
sich in der Vergangenheit schon mehrmals angekiindigt hatte, be- 
safien die Generalstàbe noch keine Vorstellung von seinem We- 
sen und seinen Gesetzen. Niemand hatte Bedarf und Verluste an 
Menschen richtig einzuschàtzen gewufit. So war auch keine Ar- 
mee auf ihn vorbereitet. Keine hatte ihre Wehr- und Ausbil- 

2 Am 1. 8. 1914 sind in Deutschland ca. 5 Millionen kriegstauglicher 
deutscher Mànner nicht ausgebildet gewesen und im ersten Jahr des Krieges 
nicht verwendet worden. Spàter mufiten sie dann nach fluchtiger Ausbil- 
dung in der Front eingesetzt werden. Am Anfang des Krieges betrug die 
franzòsisch-russische Ùberlegenheit an Soldaten schon 3 Millionen Soldaten. 


dungsformen seinem enormen Verschleifi an Menschen rechtzei- 
tig anzupassen verstanden: Denn mit den auf begrenzte natio- 
nale Kriege eingerichteten, konventionellen Wehrpflichtmetho- 
den konnte man niemals soviel Menschen ausbilden, wie der Ma- 
terialkrieg sie forderte. 

Was im Frieden aber nicht vorbereitet war, konnte man im 
Kriege nicht mehr improvisieren. Dazu fehlte es an einem ge- 
schulten Lehrpersonal fùr eine rationelle Kurzausbildung ab- 
seits der iiblichen Ausbildungsschemata, noch hatte man die ge- 
eigneten Ausbildungsmethoden rechtzeitig erprobt. So kam es, 
wie es kommen mufite: Zwangslàufig wurden die Leistungen des 
Ersatzes immer schwàcher, zumal die Ausbildungszeiten immer 
kiirzer sein mufiten. Làngst lag es nicht mehr in der Hand der 
Kommandostellen, deren Dauer planend zu bestimmen, weil die 
blutende Front sie einfach diktierte. 

So erhielten die kàmpfenden Heere ein neues Gesicht. Aus 
den auf den Krieg sorgfàltig vorbereiteten Cadrearmeen wurden 
in kurzer Zeit fliichtig ausgebildete Milizheere von sinkender 
Qualitàt, labiler Haltung und geringer Standfestigkeit. Je làn- 
ger der Krieg dauerte, umsomehr schritt diese Entwicklung fort, 
umso unbeweglicher wurden die Heeresmassen, umso weniger 
waren sie dazu fàhig, den Krieg zu entscheiden. »Die fureur du 
nombre«, so schildert ein so hervorragender Soldat wie der Ge- 
neral Hanns v. Seeckt diesen Zustand, »steht am Ende. Die Mas- 
se kann nicht mehr manòverieren, also siegen. Sie kann nur noch 
erdriicken.« 

Auch die wenigen, auf einer besonders festen landsmann- 
schaftlichen Bindung bemhenden Eingreifdivisionen, die von ei- 
nem Brennpunkt der Front zum andern geworfen wurden, konn- 
ten auf die Dauer das Kampfgeschehen nicht mehr meistern, da 
sie nach mehrmaligem Einsatz wie ausgebrannte Schlacke aus 
den Feuern der Schlacht zumckkehiten. 


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Der Gedanke, aus Millionenvòlkern auch Millionenheere 
und aus Massenindustrien zugleich Materialmassen zu schaffen, 
um den Gegner mit ihnen zu zerschlagen, war zutreffend, solange 
der jeweilige Gegner darin unterlegen blieb. Er wurde aber zum 
flirchterlichen Irrtum, wenn es dem Gegner gelang, gleichzuzie- 
hen und Zahlen mit Zahlen, Massen mit Massen und Waffen 
mit Waffen zu parieren. 

Zwangslàufig muBte dann der Wettlauf um das Gleichge- 
wicht der Massenheeere und Massenvernichtungsmittel in einem 
hoffnungslosen Remis enden. Diese Vorstellung konnte nur dann 
zur Uberwindung des Gegners tlihren. wenn man ihn mit einer 
Uberlegenheit erdriicken oder mit neuen Kampfmitteln und 
Kampfmethoden, mit denen er nicht gerechnet hatte, iiberraschen 
konnte. 

Damals starb der nationale Krieg mit seinen iiberholten 
Kampfformen, seinen fiir den totalen Krieg unzulànglichen 
Wehrformen und seiner Menschenverschwendung. Das Wehrzeit- 
alter der nationalen Kriege begann sich in den Materialschlach- 
ten des angebrochenen Massenzeitalters seinem Ende zuzunei- 
gen. 

Die Generalstàbe waren ratlos. Da griflf die Front in ihrer 
stàndigen Not zur Selbsthilfe. Bataillone und Regimenter hol- 
ten sich ihre alten, kampferprobten Soldaten aus den Schiitzen- 
gràben und stellten sie zu StoBtrupps zusammen. Bald gab es 
von Flandern bis zu den Vogesen kein Stellungsbataillon, kein 
Stellungsregiment mehr, die sich nicht einen eigenen StoBtmpp 
geschaffen hàtten. Man gab ihm die nòtige Ruhe und Zeit zur 
Ausbildung im Graben - und Nahkampf; man kratzte an Waf- 
fen zusammen, was zu finden war; man gab ihm Flammenwer- 
fer, Nebeltòpfe, Maschinenwaffen in gròBerer Zahl, Handgra- 
naten iibergenug, Pistolen und geschliffene Spaten. Man trainier- 
te sie Tag fiir Tag an besonderen Grabenmodellen; man bildete 
sie im Sprengen von Hindernissen aus. 

All das war zunàchst reine Improvisation im kleineren Rah- 
men, jedoch aus der Erfahrung heraus entstanden und damit 


richtig. Mit kleinen Eliten suchte man die weichen Massen zu 
stiitzen. Und das Experiment gelang. 

»Diesen Menschen«, so schildert es Herbert Blank 3 , »wach- 
sen auch neue Kampfformen zu. Ein kleines Hàuflein saust iiber 
das Feld, schnellt zwischen den Trichtern hindurch auf den feind- 
lichen Graben zu. Tarnt sich vielleicht durch Nebel oder die 
Rauchfahne eines Flammenwerfers, stiirzt im »Hui« aus den 
Qualmfetzen heraus auf den iiberraschten Gegner. Hinter ihnen 
rast - zu spàt - das Sperrfeuergitter des Gegners nieder. So 
jagt die Schar durch die Trichterwiiste. Schar? Nein! Diese haben 
einen anderen, einen bedeutungsvolleren Namen: StoBtrupp! 

Schnelligkeit ist alles. Jeder muB auf den andern bis ins letzte 
eingespielt sein. Jeder hat seine bestimmte Aufgabe und alle zu- 
sammen sind eine Einheit, ein Gefechtskòrper, ein Organismus 
der Schlacht. Das ist keine Gmppe mehr. in der der Einzelne 
zielte, schoB und beim Sturm wieder locker in die Einheit aufge- 
nommen wurde. Hier darf keiner eine nutzlose Bewegung ma- 
chen. Hier im StoBtrupp.« - 

Und sie hatten Erfolg. Sie unterliefen das Feuer des Feindes. 
Sie trieben den Gegner zuriick. Sie - eine Minderheit - schlu- 
gen mit Kiihnheit, Entschlossenheit, List und Routine auch einen 
weit iiberlegenen Feind in die Flucht. Ihnen voran ihr Fiihrer. 
Vorbild und Kamerad zugleich. Bester Offizier des Bataillons, 
des Regiments. Kurz und gut, eine soldatische Persònlichkeit. 


Nun griffen auch die hohen Stàbe nach dem Rettungsanker. 
Junge, fronterfahrene Offiziere wurden aufeinmal von den ober- 
sten Stellen des Generalstabes angehòrt und durften ihre Gedan- 
ken verwirklichen. Die Majore v. Brandis Lind v. Rohr schufen 

8 s. Herbert Blank »Soldaten, PreuBisches Fuhrertum von Waterloo bis 
Ypern«. S. 457. 


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die Sturmbataillone, Major Furbach und Hauptmann de l'Hom- 
me de Courbiere die MG-Scharfschùtzenabteilungen 4 . 

In ihnen versammelte sich der beste und erfahrenste Soldat, 
den die Front eriibrigen konnte. Und sie bewahrten sich. Sie ver- 
wirklichten die in den Stofitrupps geformte Idee der Spontani- 
tat, des schnellen Angriffs, des automatischen Hand in Handar- 
beitens der kleinen Stofitrupps nunmehr im Rahmen ganzer Ver- 
bande. Sie waren aus einem andern Geist heraus entstanden als 
dem der mobilisierten Massen. Denn sie waren eine enge Gemein- 
schaft geworden und wufiten, dafi jeder sich auf den andern ver- 
lassen konnte. An die Stelle der Masse haben sie die Elite gesetzt. 

Was der Massentechnik und den kampfenden Soldatenmas- 
sen versagt geblieben war, das gelang nunmehr einem kleinen, 
kampferischen Eliteverband, der sich die Technik voll zu eigen 
machte. In der Welt des normierten Soldatentums hatte er den 
Beweis daflir erbracht, dafi bestausgebildete und ausgesuchte Sol- 
daten im Bunde mit der von ihnen beherrschten Technik einer 
zahlenmafiig weit iiberlegenen Masse von Soldatenkollektiven 
nicht nur gewachsen, sondern iiberlegen waren. Denn die Dyna- 
mik ihrer Taktik und die Schnelligkeit ihrer Kampf technik hatte 
schon bei den ersten Proben die schwerfàlligen feindlichen Mas- 
sen in Krisen versetzt, die sie im Durcheinander des Kampfge- 
schehens dann einfach nicht mehr zu meistern vermochten. Eine 
Ungleichheit an Zahl konnte so durch menschliche Qualitàt und 
Dynamik und eine bessere Kampf technik kompensiert werden. 

So wurden die Sturmbataillone in den Krisen des Jahres 
1918 zu Bahnbrechern der Gegenstòfie, die Maschinen-Gewehr- 
Scharfschùtzenabteilungen zu Wellenbrechern der Angriffe eines 
in Massen anstiirmenden Gegners. Doch zu einer grofien Lòsung 
war es zu spàt. Eine auf den Stofitmpps aufgebaute, breitere 
Wehrorganisation konnte nicht mehr geschaffen werden. Sie liefi 
sich auch nicht improvisieren. 

4 Der Verfasser war damals selbst Komp.-Fuhrer in einer Mg.-Scharf- 
schutzen-Abtl. und hat diese Entwicklung persònlich erlebt. 


Aber die Idee blieb lebendig und erlebte 17 Jahre spàter ihre 
Wiedergeburt. Was jedoch ihren Kiindern und ersten Gestaltern 
versagt geblieben war, blieb auch ihren Nachfolgem verwehrt, 
weil es ihnen, den Sturmsoldaten der Waffen-SS, an EinfluB 
fehlte, einem neuen Wehrdenken zum Durchbmch zu verhelfen. 
So wurden auch sie, wenn auch in gròfieren Verhàltnissen, zu 
Lùckenbùfiern einer schwankenden Front. In der Welt des wie- 
dererwachten, restaurativen Wehrdenkens hatten sie sich nicht 
durchsetzen kònnen. 

* 

Die stehenden Heere auf der Basis der allgemeinen Wehr- 
pflicht, an deren dogmatischer Giiltigkeit schon ein Moltke Zwei- 
fel hegte, als er 1871 zu dem imponierenden und teilweise auch 
gelungenen Versuch Gambettas, Frankreich mit improvisierten 
Milizarmeen zu retten, sagte: 

»Wir leben jetzt in einer sehr interessanten Zeit, wo die Fra- 
ge praktisch gelòst wird, was vorzuziehen ist, geschulte Heere 
oder Milizen. Gelingt es den Franzosen, uns aus Frankreich her- 
auszuwerfen, dann flihren alle Màchte das Milizsystem ein. Blei- 
ben wir Sieger, dann werden uns alle Staaten die allgemeine 
Wehipflicht bei stehenden Heeren nachmachen«. Sie hatten 
dann 1918 zwangslàufig jenen milizàhnlichen Charakter ange- 
nommen, ohne dafi daran gedacht worden war, hierflir geeignete 
Ausbildungsmethoden und Organisationsformen zu schaffen. 18 
Jahre spàter waren sie vorhanden und in der Praxis erprobt 5 . 
Jetzt waren alle Voraussetzungen dafur gegeben, um moderne 
Massenheere auch in einen modernen Massenrahmen einzufligen, 
sie konzentriert auszubilden und zu brauchbaren Defensivinstm- 
menten zu machen, ohne sie - wie im ersten Weltkrieg - der 

5 Die Reichswehr hatte 1932 und 33 in den Grenzbezirken gelungene 
Versuche mit einer konzentrierten Kurzausbildung gemacht. Sie bildeten 
die Grundlage fur die Ausbildungsplane des Chefs des Ausbildungswesens 
im Jahre 1934, die unter dem Namen eines fmgierten Herausgebers erschie- 
nen sind und vom Verfasser dieses Buches geschaffen waren. 


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Materialschlacht unzulànglich ausgebildet auszuliefem. Aller- 
dings hàtten die Offensivaufgaben dann von besonders geschul- 
ten Angriffstmppen ubernommen werden miissen, deren Vorbil- 
der 1918 schon die Bewàhmngsprobe bestanden und die in der 
gleichzeitig entstandenen Panzerwaffe eine entscheidende Berei- 
chemng erfahren hatten. Sturm- und Panzerteam waren damals 
zwar auf zwei gegnerischen Fronten, aber aus dem gleichen Geist 
und in gleicher Absicht entstanden. Was hàtte also nàher gelegen, 
sie miteinander zu einer Einheit zu verschmelzen, dynamisches 
Soldatentum und dynamische Technik miteinander engstens zu 
verzahnen und mit ihnen die Operation aus einer sich planmàfiig 
vollziehenden langsamen Bewegung mit sich anschliefiend ent- 
wickelnder Schlacht zu einem reibend schnellen, iiberraschenden 
Sprnng in den Gegner herein umzugestalten und seine Massen 
zu iibermmpeln, aufzuspalten und einzeln zu schlagen, die ganze 
Strategie also von Gmndauf zu revolutionieren und damit dem 
stàndig drohenden totalen Kiieg durch einen schnellen Waffen- 
gang den Garaus zu machen! 

♦ 

Der Frankreichfeldzug von 1940 war ein vielversprechender 
Anfang. Auch der RuBlandfeldzug begann unter giinstigen, àu- 
fieren Aspekten, wenn auch unter anderen operativen Vorzei- 
chen. 

Flatte man im Frankreichfeldzug den motorisierten, schnel- 
len Eliten die Ziigel frei gegeben, in einem kiihnen Plan ihre 
Schnelligkeit ausgenutzt und damit eine Operation ausgelòst, 
welche die langsamen Feindkràfte iiberraschen und einkesseln 
konnte, ehe sie zu wirksamen Gegenmafinahmen Zeit gehabt 
hatten, so marschierten 1941 wieder unbewegliche grofie Infan- 
terieheere auf breiter Front in Rufiland ein, genau so wie es 
seinerzeit im Jahre 1914 die Marschsàulen des kaiserlichen Hee- 
res in Frankreich schon getan haben. 

Den Infanteriearmeen unterstellt, wurden die schnellen Tmp- 
pen des deutschen Heeres gewissermafien zu grofien Vorausab- 


teilungen oder schnellen Vorhuten und schliefilich zu Fliigelkràf- 
ten, die - auf drei Heeresgmppen aufgeteilt - zwar zur Um- 
fassung der feindlichen Kontingente angesetzt wurden und sie 
auch vollzogen, zu einer selbstàndigen Operation aber nicht ver- 
wendet wurden und damm ihre operativen Fàhigkeiten auch nur 
im begrenzten Rahmen entfalten konnten. Das System der Halb- 
heiten triumphierte also iiber mòglichen grofien, operativen Lò- 
sungen 6 . 

Nach grofien Erfolgen kamen diese Operationen ebenso zum 
Stillstand, wie die deutschen des Jahres 1914. Die Eliten gingen 
in die Schiitzengràben und niitzten sich dabei im Stellungskampf 
so ab, dafi sie spàter ihre alte operative Durchschlagskraft nicht 
mehr zumckgewinnen konnten. Mehr und mehr wurden sie zu 
Eingreiftmppen und verbrauchten sich erneut in taktischen Ge- 
genstòfien und operativen Gegenschlàgen, ohne noch einmal nach 
dem Lorbeer des Sieges greifen zu kònnen. Denn jetzt schrieb 
ihnen der Feind mehr und mehr das Gesetz des Handelns vor. 
Erneut feierte die Zermiirbungsstrategie mit ihren Massen an 
Menschen und Material schauerliche Triumpfe. Politisch und mi- 
litàrisch begann die Zermiirbungsstrategie einem neuen Hòhe- 
punkt zuzustreben. 

2. Kapitel 

Das Pendeì schwingt zuruck 

Die Kriegswissenschaftler der napoleonischen und der folgen- 
den Zeit hatten sich griindlich mit der Strategie des Kaisers der 
Franzosen und seiner Wehrauffassung auseinandergesetzt. Sie 
hatten seine Fiihrungsmethoden studiert, aus ihnen gelernt und 
sie fùr die eigenen Zwecke verwendet, ohne diese etwa zu kopie- 
ren. Sie waren den Spuren seines Geistes gefolgt und hatten ei- 
nen scharfen Strich unter die Wehrbegriffe gezogen, in denen sie 
aufgewachsen und die damals bei allen Militàrmàchten Mittel- 

8 Operation »Sichelschnitt«. 


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europas iiblich gewesen waren. Die verlorenen Kricgc hatten sie 
dazu veranlaf.it. danach zu forschen, was falsch gewesen war und 
was sie in Zukunft bei sich selbst zu àndern hàtten, um eine mo- 
derne militàrische Form zu gewinnen. 

Eine solche geistige Auseinandersetzung zwischen dem Ge- 
stern und dem Fleute ist nach dem ersten Weltkrieg im wesent- 
lichen ausgeblieben. In der zeitgeschichtlichen Wehrliteratur be- 
gniigte man sich vorzugsweise mit der Darstellung des operati- 
ven Kriegsverlaufs und der Kritik der operativen Entschliisse 
und MaBnahmen. Es kam den Autoren gar nicht in den Sinn, 
dafi an der ganzen Wehrmaschinerie an sich vielleicht etwas falsch 
gewesen sein kònnte und selbst die besten operativen Ideen des- 
halb den Sieg auch nicht hàtten bringen kònnen. Gewifi, es gab 
Schriftsteller, die sich mit dem totalen Kiieg auseinandergesetzt 
haben. Aber sie blieben im àufierlichen stecken und sind in sein 
inneres Wesen gar nicht eingedrangen. 

Nicht einmal Ludendorff hat damals nach schòpferischen 
Mòglichkeiten gesucht, um ihn zu beherrschen, noch weniger, um 
ihn zu vermeiden. Er und mancher andere, wie z. B. der Major 
Ritter oder Oberst Marx waren brillante Militàrschriftsteller 
und geistreiche Kòpfe. Aber in dieser Beziehung lassen alle ihre 
Schriften die grofie schòpferische Ader vermissen. Sie nahmen 
das Phànomen des totalen Krieges einfach als eine unumstòfili- 
che Gegebenheit hin, ohne sich an seine geistige Uberwindung 
heranzuwagen. Darin dachten sie alle rein fachmànnisch und da- 
ram unpolitisch. Das vom totalen Krieg erstmals in aller Klar- 
heit aufgeworfene Problem von Masse und Elite war ihnen in 
ihren kausalen Zusammenhàngen und wechselseitigen Beziehun- 
gen jedoch nicht offenbar geworden. 

Viel weniger noch hatten sie den geistigen Umbruch verstan- 
den, der die damaligen Frontgenerationen tief bewegt hatte. 
Schon die Kriegsfreiwilligen waren ein Phànomen gewesen, das 
in das Schema ihres iiberkommenen Wehrdenkens nicht hinein- 
pafite. Waren sie doch ohne Gestellungsbefehl gekommen und 
hatten weder der aktiven Trappe, noch der Reserve, nicht ein- 


mal der Ersatzreserve angehòrt. Sie stellten also etwas Neues, ja 
Unerwartetes dar, mit dem man nicht fertig werden konnte, 
weil man sie einfach nicht begriff. Dafi sich diese jungen Men- 
schen im Schmelztiegel des Krieges und angesichts des ihnen stets 
gegenwàrtigen Todes eigene Gedanken iiber die militàrischen und 
politischen Vorgànge ihrer Zeit und deren Sinn im Ablauf der 
Geschichte zu machen begonnen hatten, war fiir die àltere mili- 
tàrische Fiihrergeneration etwas Unerhòrtes und widersprach al- 
len Regeln des bisherigen militàrischen Erziehungssystems. Und 
dafi sie sich obendrein noch innerhalb ihrer Frontkameradschaft 
iiber alle Standes- und Bildungsunterschiede kurzerhand hinweg- 
setzten und die Menschen allein nach ihrem Charakter und ihren 
Leistungen gewertet wissen wollten, ohne die alten sozialen 
Schranken anzuerkennen, das war etwas, was in die Kòpfe der 
àlteren Offiziergeneration nicht hineinging. 

Diese Jungen hatten aber nun einmal damit begonnen, nach 
ihrer eigenen Wesenheit zu forschen und in der scheinbaren Sinn- 
losigkeit dieses Krieges nach einem hòheren Sinn des Lebens zu 
suchen. Und diese Gedanken Ilihrten sie in eine andere Richtung, 
als in die liberal-konservative der Heeresfiihning. Sie hatten das 
Wesen des totalen Krieges begriffen, wàhrend die gelehrten 
Kriegswissenschaftler wàhrend und nach dem Kriege noch immer 
an einzelnen Symptomen heramdokterten und es somit den jun- 
gen Frontsoldaten iiberliefien, sich mit der Problematik des to- 
talen Kiieges im Massenzeitalter geistig auseinanderzusetzen. So 
blieb es dann auch den Jungen allein vorbehalten, ihn in seiner 
letzten, wahren Gestalt zu schildern, eben weil sie ihn weit schàr- 
fer erlebt und klarer gesehen hatten als die àltere Generation. 

Ernst Jiinger, Franz Schauwecker, Werner Beumelburg und 
manche andere haben den Krieg und das Soldatentum des ersten 
Weltkrieges so dargestellt, wie der Frontsoldat sie erlebt hatte. 
Sie haben der Nachwelt das Portràt jenes Soldatentums hinter- 
lassen, das die Materialschlacht geboren hatte. 

Es ist jener Stofitruppmann, mit dem abgezehrten, kantigen 
Gesicht unter dem wuchtigen Stahlhelm, jener Sturmsoldat mit 


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dem trainierten, sehnigen Kòrper, der in einer verschossenen Uni- 
formbluse steckte und vor seiner Brust zwei Sàcke mit Hand- 
granaten trug. Sie zeichneten der Nachwelt jenen Grabenkàmp- 
fer mit den scharfen und hellen Augen, die wachsam und priifend 
in die Ferne blickten, als spàhten sie nach dem Feinde; jenen 
kiihlen Techniker der Schlacht, dem man es ansah, dafi er seine 
Chancen abzuwàgen verstand, um sie im nàchsten Augenblick 
iiberraschend und blitzschnell wahrzunehmen. 

Solche Darstellung war zwar hòchst eindmcksvoll und iibte 
in Buch und Bild auf Leser und Beschauer eine tiefe Wirkung 
aus, ohne jedoch den Rahmen des eigenen Erlebnisses zu spren- 
gen und wehrpolitische Gmndsàtzlichkeit zu gewinnen. 

Am meisten gelang dies vielleicht noch Herbert Blank, der in 
seinem Buch »Soldaten - preuBisches Fiihrertum von Waterloo 
bis Ypern« die geistige Entwicklung des deutschen Offizierskorps 
durch das 19. Jahrhundert hòchst eindmcksvoll begleitet und 
iiber der Schildemng des Geisteskampfes der preufiischen Mili- 
tàrreaktion unter den Yorcks und Marwitz' mit ihren Gegnern, 
den Wehrrevolutionàren Scharnhorst und Gneisenau in den Jah- 
ren 1807/12 sowie eine tiefschiirfende Darstellung der Persòn- 
lichkeit und des Schaffens Moltkes die im Wehrwesen des 19. 
Jahrhunderts wirksam gewesenen und im 20. Jahrhundert neu 
entfachten Auseinandersetzungen zwischen militàrischem Libera- 
lismus und Konservativismus schildert und in einem visionàren 
Ausblick Wesen und Charakter eines neuen Soldatentums kenn- 
zeichnet: 

»Kleine motorisierte Armeen, viel Tanks und Kavallerie 
(besser berittene Infanterie) jagen durch das Land 7 . Geschlossene 
geballte Kòrper. Kostbar sind ihre Menschen. Keine Massen- 
schlachten mehr. Keine Aufmàrsche, keine zu entwickelnden Ge- 
fechte. Schnelle, entscheidende Stòfie. Die Technik gegeniiber dem 
Heute wenig veràndert. Denn die Erfinderkraft ist erschòpft, 
weil auch der Wille zur Technik es ist s . Die Maschine ist wieder 

7 s. H. Blank »Soldaten« S. 468. 

s Hier irrte der genannte Verfasser. 


Mittel, nicht Selbstzweck. Kleine Gmppen fechten die Entschei- 
dung iiber Europa aus, wàhrend das Volk, durch die totale 
Mobilmachung erfafit, das Hinterland schiitzt oder betreut.« 

Drei Jahre nach dem Erscheinen seines Buches safi Herbert 
Blank in einem nationalsozialistischen KZ. Und sieben Jahre 
spàter marschierte ein Massenheer von 102 Inf. Divisionen und 
nur eine schwache Elite von 33 schnellen Divisionen in RuBland 
ein. Seine visionàre Schau, deren Traum eine Entwicklung wohl 
flinfzig Jahre zu friih gesehen hatte, war in der rauhen Wirk- 
lichkeit schnell verflogen. 

* 


Jene Kiinder eines neuen Wehrzeitalters in den 20er Jahren 
teilten alle das gleiche Schicksal, ob in Deutschland, in England 
oder in Frankreich. Und sie blieben trotz aller Erfahmngen die 
ewigen Prediger in der Wiiste. Wohl vernahm man ihre Worte 
und las ihre Schriften. Doch legte man sie auch bald wieder zur 
Seite, weil man sie einfach nicht hòren wollte. 

Englands brillanter Kriegswissenschaftler Liddell Hart 9 , der 
schon kurz nach dem ersten Weltkriege fiir Eliten aus moderner 
Infanterie und operativen Panzertmppen eingetreten war, wur- 
de als Vertreter der damaligen jungen Kriegsgeneration von den 
mafigeblichen Fachleuten seines Landes ignoriert. Sein geistiger 
Partner, der General Fiiller, hatte mehr Gliick als er die Aufstel- 
lung einer schnellen, kleinen Versuchstmppe innerhalb der eng- 
lischen Armee erreichte, ohne aber mit ihren Leistungen und sei- 
nen Ideen von einer beweglichen Operation die dogmatischen 
Kriegslehren der àlteren Generation widerlegen zu kònnen. Auch 
in Frankreich der 20er Jahre, in dem General de Gaulle fìir die 
gleichen Ansichten kàmpfte 10 und mit pràzisen Vorschlàgen auf- 

9 s. Liddell Hart — a) The future of infantery, b) Science of Inf. Tactics, 
c) Dynamic Defense. 

10 s. Liddell Hart »Die Verteidigimg des Westens« S. 237. 


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warten konnte, wurden dessen moderne Theorien von der ent- 
scheidenden Stelle verworfen. Mehr noch als in England setzten 
sich hier die Gedanken der operativen Statik, der klassischen 
Defensive durch. Die Maginot-Linie entstand. Frankreich war 
in die Schiitzengràben des ersten Weltkrieges zurùckgegangen. 
Die Erlebnisse des ersten Weltkrieges hatten die Geister so in 
ihren Bann geschlagen, dafi sie unfàhig wurden, die Kriegfùh- 
rung aus der eingetretenen Erstarrung zu befreien. 

* 


Nicht viel anders war es in Deutschland. Zwar hatte die neu 
entstandene Reichswehr das seltene Glùck, in dem General v. 
Seeckt eine iiberragende Persònlichkeit an ihrer Spitze zu haben, 
der sich von dem in der damaligen Militàrhierarchie herrschen- 
den Defensivgeist nicht hatte beeindrucken lassen, sondern sei- 
ne Offiziere und Soldaten - trotz der politischen Ohnmacht 
Deutschlands - im offensiven Geist erzog. Er sah zwar die Pro- 
bleme, die der erste Weltkrieg neu aufgeworfen hatte; aber er 
verfligte nicht iiber die Mòglichkeit, sie in dem unmodemen Be- 
rufsheer von hunderttausend Mann so zu lòsen, daB daraus hàtte 
etwas Neues entstehen kònnen. Seeckt bejahte ein Kernheer und 
forderte nach seiner Entlassung aus dem Dienst auch eine zusàtz- 
liche, territoriale Verteidigung. Aber er lebte viel zu sehr in den 
Gedanken des Generalstabes, als daB er das Wesen und die Be- 
deutung der Eliten gerade im Massenzeitalter klar genug erkannt 
hàtte. So gelang es ihm zwar, ein diszipliniertes und routiniertes 
Berufsheer zu schmieden. Aber eine kàmpferische Auslese im 
Sinne der Sturmverbànde der Westfront von 1918 ist diese Ar- 
mee niemals geworden. Dazu waren die MaBstàbe fur die An- 
nahme ihrer Freiwilligen zu durchschnittlich und ihr Mann- 
schaftsbestand daher auch nur von durchschnittlicher Qualitàt. 

Bei den Offizieren war zwar die Auslese schàrfer, aber mehr 
auf die Normen gescllschaftlicher und wissenschaftlicher Vorbil- 
dung ausgerichtet, denn auf soldatische Schwungkraft und milità- 


32 



Die Wehrerben von 1914 


Bund der Frontsoldaten »Slahlhelm« 


Reichswehr 1931 

Feldmarschall v. Hindenburg, General v. Schleicher, v. Hammerstein, 

v. Fritsch 






Hauptmann a. D. Ernst Ròhm, 
Stabschel der SA, forderte eine 
zusàtzliche Milizorganisalion liir 
die Reichsverleidigung. 


Ceneralleutnant Gròner hatte 
als deulscher Reichswehrminister 
1932 eine lerritoriale Wehrorga- 
nisation mit 6monatiger Dienst- 
zeit neben der Reichswehr ge- 
lordert. 



rischen Elan. In den hòheren Kommandostellen - schon vom 
Bataillonskommandeur aufwàrts - war der Typus des General- 
stabsoffiziers vorherrschend. Das kam wohl der theoretischen 
und wissenschaftlichen Ausbildung des Offizierskorps zu gute, 
hatte aber den Nachteil fehlender Frontnàhe und voll erlebter 
Frontwirklichkeit des grofien Krieges in seinen entscheidenden, 
letzten Jahren. 

In der jiingsten Offiziergeneration waren in den Aufbaujah- 
ren der Reichswehr manche fronterfahrenen Offiziere aus den 
Sturmformationen der Westfront anzutreffen, die sich bemiih- 
ten, den in den grofien Materialschlachten geformten Geist in der 
jungen Mannschaft zu wecken, ilrre wehrsoziologischen Erfah- 
rungen in den Frieden mit heriiberzunehmen und daraus einen 
Soldatentyp zu formen, dessen innere und àuBere Disziplin 
weniger formalistisch sein, der doch umso mehr zu einem selb- 
stàndigen und mitverantwortlichen Kàmpfer erzogen werden 
sollte. Aber schon nach wenigen Jahren kehrten sie der jungen 
Truppe meist den Riicken. Enttàuscht von dem wiederkehren- 
den Schematismus der Vorkriegszeit, suchten sie im Zivilleben 
ihren Wirkungskreis, da sie erkannt hatten, daB in der Reichs- 
wehr fùr die Entfaltung solcher Persònlichkeiten kein Raum 
vorhanden war. 

Es ist wahrlich kein Fehlurteil, wenn Kurt Flesse 11 in seinem 
Buch »Wandlung des Soldaten« iiber die Reichswehr erklàrt: 
»Betrachten wir unter diesen Zweifeln einmal die Reichswehr. 
llir Bild ist nicht einheitlich. Deutlich zeichnen sich Persònlich- 
keiten unter den Hunderten von Kompanie-Eskadron- und Bat- 
teriechefs ab. Sie hatten sich in ihrer Arbeit ihre eigene Welt auf- 
gebaut. Sie haben vielleicht 'auch andere mitgerissen. Sie sind 
aber auch oft genug auf Widerstand gestofien, weil man sie nicht 
verstanden hat. Die fachliche, konventionelle Einstellung des 
Soldaten erklàrt vieles dabei. Es ist aber auch etwas anderes zu 
sehen. Die Reichswehr war zwar in einer neuen Form, aber doch 

"Kurt Hesse »Die Wandlung des Soldaten« S. 92 und folg. 


33 


in enger, innerer Anlehnung an das System der alten Armee ent- 
standen.« 

Trotz aller Bemiihungen, der jungen Tmppe eine »modeme« 
Form zu geben, siegte in ihr schlieBlich doch die Vergangenheit, 
siegte der Liniengrenadier iiber den Sturmsoldaten, der sich im 
Schmelztiegel der Materialschlachten aus der Soldatenmasse her- 
auskristallisiert hatte und sich im Massenkriege nur allein noch 
hatte durchsetzen kònnen. Bei aller Zuverlassigkeit, Biederkeit 
und Pflichttreue des durchschnittlichen Reichswehrsoldaten fehlte 
diesem letztlich der Schwung, die blitzschnelle Reaktionsfàhig- 
keit und die kiihne Initiative, die jenen einmal ausgezeichnet 
hatten und die bei anderen Erziehungs- und Ausbildungsmetho- 
den vielleicht auch erreichbar gewesen wàren. Die groBe Chance, 
in einem Freiwilligenheer mit zwòlijàhriger Dienstzeit einen 
neuen Soldatentypus heranzubilden, wurde nicht erkannt! Statt 
dessen bildete man nach dem Abgang des Generals v. Seeckt die 
Reichswehr mehr und mehr zu einem Cadreheer um, hoffte auf 
eine gliickhafte Stunde, wie sie einmal dem General v. Scharn- 
horst in der preuBischen Wehrgeschichte beschert war und sah in 
zunehmendem MaBe das Wehrideal in einem neuen Volksheer 
der allgemeinen Wehipflicht, wie es 1914 existierte und 1917 
untergegangen war. 

»Die alte Fuhrerschicht« so schreibt General Waldemar Er- 
furth 12 in seiner Geschichte des deutschen Generalstabes »die 
dem Generalstabe der Kriegs- und Vorkriegszeit entstammte, 
blieb wàhrend der Reichswehrzeit an der Macht und bekam in 
zunehmenden MaBe konservative Ziige. Unter dem EinfluB der 
vom Triumvirat 13 ausgeiibten Personalpolitik blieb auch der Ge- 

12 S. W. Erfurth »Die Geschichte des Deutschen Generalstabes von 
1918—1945«. Erfùrth war selbst langjàhriger Angehòriger des Deutschen 
Generalstabes und im zweiten Wcltkrieg deutscher Verbindungsgeneral 
beim Finnischen Oberkommando. 

13 Nach dem Abgang des Generalobersten v. Seeckt manòverieiten sich 
die Obersten v. Stiilpnagel, v. d. Bussche und v. Schleicher in die ent- 
scheidenden Schliisselstellungen der Reichswehr hinein und bestimmten 
deren personelles und fachliches Geflige. 


neralstab nicht ganz frei von einer Beharrung in der Tradition 
der alten preuBischen Armee.« 

* 

Die Sorge um die Sicherheit der Reichsgrenzen, deren Vertei- 
digung die Kraft der Reichswehr iiberstieg, brachte diese schon 
friihzeitig mit einem anderen, inzwischen ohne ihr Zutun und 
allein aus dem Kameradschaftsgeist der ehemaligen Frontsolda- 
ten entstandenen und aus ihm zu begreifenden Wehrfaktor in 
Verbindung, den Wehrverbànden, die als Protest gegen die mili- 
tàrische Knebelung Deutschlands entstanden waren. 

Diese fLihlten sich neben der Reichswehr als die bemfenen 
Erben deutschen Soldatengeistes und als die Sachwalter der 1918 
untergegangenen deutschen Frontarmee. Dariibcr hinaus hofften 
sie insgeheim, das geistige Testament ihrer gefallenen Kameraden 
und deren politische Sehnsucht nach einem Staatswesen, in dem 
sich ein gesundes Nationalgefiihl mit dem Gemeinschaftsgeist 
der Front paaren wiirde, zu verwirklichen, ohne daB sie damit 
konkrete, politische Ziele verfolgt hàtten. In ihnen erblickte die 
Reichswehr eine willkommene Wehrreserve fur ihre schwachen 
Reihen, ohne daB sie infolge der Fesseln des Versailler Vertrages 
in der Lage gewesen wàre, solche Wiinsche auch ernsthaft zu rea- 
lisieren. Erst der EntschluB des Reichswehrministers Groener, die 
unhaltbare Wehrlage des Reiches durch die Schaffung einer ver- 
kappten, territorialen Ausbildungsorganisation 14 , die neben der 
Reichswehr entstand, zu beseitigen, bot eine Chance, solche 
Wiinsche zu verwirklichen, zumal die alliierten Feindmàchte be- 
reit zu sein schienen, die Deutschland auferlegten Wehifesseln 
zu lockern. Damals - im Jahre 1932 - hatte Groener dem 
Reichskanzler Briining vorgeschlagen, bei der kommenden Ab- 
rùstungskonferenz ein gewisses MaB der Wiederaufmstung fur 
Deutschland zu fordern und ihm das Recht einzuràumen, die 

14 Im »Reichskuratorium fur Jugendertuchtigung« waren die ersten An- 
sàtze dafur bereits erkennbar. 


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Reichswehr durch eine Miliz zu erweitern, die er auf der Gmnd- 
lage der allgemeinen Wehrpflicht mit sechsmonatlicher Ausbil- 
dungszeit bis zu einer Stàrke von 200 000 Mann aufzustellen 
gedachte 13 . 

Als Hitler im Jahre 1933 die Regiemng des Reiches iiber- 
nahm, fand er gedanklich und schon in sichtbaren Umrissen er- 
kennbar ein neues Wehrgefiige vor, das nicht etwa aus grnnd- 
sàtzlichen Wehriiberlegungen geschaffen, sondern aus der Not 
heraus entstanden war. Es entsprach nicht dem Wehrideal der 
Militàrhierarchie der Reichswehr, sondern war das Ergebnis der 
vorhandenen politischen Mòglichkeiten im Spiel und Gegenspiel 
der auBenpolitischen Kràfìe. Dennoch wies es schon die beiden 
Sàulen eines modernen Wehrgefiiges auf, weil es in den langge- 
schulten Einheiten der Reichswehr sowohl iiber das operative 
Kernelement verfiigte als auch im Ausbildungskòiper des Reichs- 
kuratoriums fùr Jugendertiichtigung - dem spàteren »Chef des 
Ausbildungswesens« - die Anfànge und die zukiinftigen Ausbil- 
dungsstàmme eines territorialen Cadreheeres besaB, das in den 
bestehenden, territorial bereits geordneten, wenn auch unvoll- 
kommen geschulten Wehrverbànden iiber eine Wehrreserve in 
Millionenzahl verfiigen konnte. 

Die Stunde schien reif, um das Wehrbild, das sich 1918 in 
seinen Umrissen gezeigt hatte, zu verwirklichen! 

Als Politiker hatte Hitler das Wesen der Massengesellschaft 
begriffen. Nach seiner ganzen Veranlagung selbst ein Mann 
der Masse, verstand er es meisterhaft, an die Masseninstinkte 
zu appellieren. Als Massenpsychologe und -demagoge besaB 
er die seltene Gabe, Massen zu faszinieren und zu fanatisie- 
ren. Seine starke Begabung flir eine Massentheatralik und seine 
mitreifiende Rednergabe ermòglichten es ihm, mit starken Wor- 
ten und iiberzeugenden Redewendungen den damals von den Po- 
litikern ihrer Zeit tief enttàuschten Menschen eine neues Zeital- 
ter auszumalen, das sie von der Not der Gegenwart befreien und 

15 s. Wheeler — Bennett »Die Nemesis der Macht« S. 294. 


einer Zeit der sozialen Aussòhnung und sozialen Sicherheit ent- 
gegenfiihren wiirde. 

Manche seiner politischen Ideen wirkten damals so originell, 
daB sie stark beeindmckten und viele an ihn und seine Sendung 
glauben lieBen. Doch auf dem Gebiet des Wehrdenkens war auch 
bei Hitler kein neuer Hauch zu verspiiren. Bei allen Auseinan- 
dersetzungen um die Neugestaltung des Wehrinstmments, in de- 
nen junge, militàrische Kràt'te mit den konservativen rangen, 
stand Hitler mit seinen spàteren Entscheidungen stets auf der 
Seite der alten Militàrgeneration, die er innerlich verehrte. Sein 
Wehrbild trug im wesentlichen traditionelle Ziige. Gewifi begriff 
er die Bedeutung der dynamischen Technik und der operativen 
Mòglichkeiten der schnellen Tmppen, ihres legitimen Kindes. 
Doch traute er dem Neuen damals noch zu wenig, als dafi er sich 
bei der Wehrerneuemng von dem grofiziigigen Gedanken hàtte 
leiten lassen, diese zum Kern eines neuen Heeres zu machen. An- 
dererseits mifitraute er den breiten Wehrmassen wieder zu sehr, 
als dafi er bereit gewesen wàre, ihnen einen eigenen Platz in sei- 
nem Wehrbild einzuràumen. 

Dagegen hatte ihm das stehende Heer der Kaiserzeit und die 
preufiische Zucht und Ordnung stets als Vorbild gegolten. An 
ihnen bewunderte er die Pràzision seiner Maschinerie, die Zu- 
verlàssigkeit seines Fiihmngsapparates und die Disziplin seiner 
Soldaten. Von einem solchen Instrument erwartete er, dafi es 
ihm einmal als Hilfsmittel dazu dienen kònne, ein zerfallenes 
Volk wieder zum Ordnungsprinzip zu erziehen und in seiner 
Jugend eine Staatsgesinnung einzupflanzen, die den Gehorsam 
gegeniiber dem Staat zum obersten Gesetz erhob. 

So trug Hitlers Wehrideal im wesentlichen die Merkmale des 
vergangenen Militàrstaates. Wenn er aber die Sicherheit des Deut- 
schen Volkes im politischen Einzelgang zwischen den Fronten 
auf das eigene Wehrinstrument stiitzen wollte, was bei der isolier- 
ten Stellung des Reiches und seiner unzulànglichen Rohstoff- und 
Ernàhrungsbasis an sich schon problematisch sein mufite, dann 
war es allerdings nicht mehr mòglich, es noch einmal mit jenen 


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Wehrmethoden zu versuchen, die schon im ersten Weltkriege ver- 
sagt hatten 16 . Mit den Wehrauffassungen und den Wehrformen 
des 19. Jahrhunderts, die auf dessen begrenzte nationale Ver- 
haltnisse zugeschnitten waren, konnte der moderne Massenkrieg 
nicht mehr gemeistert werden, zumal das Industrievolumen in 
allen Industriestaaten der Welt um ein Vielfaches gestiegen, die 
Massenvernichtungswaffen weiter entwickelt worden waren und 
die Sowjets als Schrittmacher des sozialistischen Massenstaates 
ein Massenheer geschaffen hatten, in dem Friedrich Engels totale 
Wehridee Wirklichkeit geworden war". 

* 

Sinn und Bewufitsein der Geschehnisse sind bei grofien Um- 
wàlzungen immer nur in wenigen Kòpfen lebendig. Die ersten 
Kiinder kommender, militàrischer Entwicklungen, die jungen 
Frontoffiziere von 1918, spiirten damals erst einen Hauch davon. 
Sie wurden durch die Not der Front dazu gezwungen, nach ei- 
nem Ausweg aus einer aussichtslosen Wehrsituation zu suchen 
und fanden eine Lòsung, von der sie damals noch nicht wufiten, 
dafi sie damit zu Schrittmachern einer echten Wehrrevolution 
geworden waren. Sie standen làngst in einem totalen Massen- 
kriege, erkannten aber damals noch nicht, dafi er andere Wehr- 
formen forderte, als die nationalen Kriege des 19. Jahrhunderts. 
Fast tàglich erlebten sie es, dafi die grofien Wehi'massen auf 
beiden Seiten der Front zu keiner operativen Entscheidung mehr 
fàhig waren. Aber sie sahen noch nicht, dafi das nationale Wehr- 

16 1939 wàre Deutschland nach der Erklàrung des Generalobersten Jodl 
in Niimberg zwar in der Lage gewesen, Polen allein zu schlagen, hàtte sich 
aber gegen Frankreich und Polen zugleich nicht halten kònnen. 

17 »Die wirkliche Aufrustung wurde erst nach Kriegsbeginn durchge- 
fuhrt. Wir traten in diesen Weltkrieg mit etwa 75 Divisionen ein«, so er- 
klàrte Generaloberst Halder in dem Buch von Peter Bor »Gespràche mit 
Haldera auf S. 128. »60 Prozent unserer gesamten welrrfàhigen Bevòlkemng 
waren unausgebildet«. 


Zeitalter sich damit seinem Ende zuneigte und dasjenige der in- 
ternationalen - der Weltkriege - begonnen hatte. 

Gewifi hatten sie als erste erkannt, dafi labile Massenar- 
meen im Zustande der Auslaugung durch Massenverluste von 
besonderen Eliten gestiitzt werden mufiten, wie sie diese im klei- 
neren Rahmen damals selbst geschaffen hatten. Doch sie waren 
sich dabei der Tatsache keineswegs bewufit, dafi die Wehrformen 
des totalen Kiieges einerseits nach Massenarmeen verlangten, 
die, nach konzentrierter Schulung und mit technischer Massen- 
ausstattung versehen, fur defensive Operationen wohl brauch- 
bar waren, andererseits aber einer Ergànzung durch schnelle ope- 
rative Heereskòrper hochwertiger Eliten bediirfen, die den Geg- 
ner in blitzschnellen Schlàgen aufspalten und seine zusammen- 
hangslosen Teile zerschlagen konnten, wàhrend jene ihnen zu 
folgen, die zerstreuten Reste zu beseitigen, die gewonnenen Ràu- 
me und das Hinterland zu sichern, damit das Werk zu vollenden 
und der Operation Basis und Riickhalt zu geben hatten. 

Mit dem Gedanken einer Kerntmppe als Teil der Streit- 
kràfte hatte sich Hitler nur am Rande beschàftigt, wie alle Wehr- 
theoretiker in dieser Zeitepoche. Er hielt sie in kleinerem Rah- 
men als Bestandteil eines grofien Volksheeres zwar fìir notwen- 
dig, doch in einer andern Interpretation als deijenigen einer ka- 
tegorischen Zwangslàufigkeit des modernen Wehrgeschehens. Er 
sah in ihr eine Garde innerhalb der normalen Streitkràfte, die 
sich von diesen nur dadurch unterscheiden sollte, dafi sie der Per- 
son des Staatsoberhauptes nàher stand, als jene. Ihm standen da- 
bei jene Eliten vor Augen, welche sich die Souveràne der Vergan- 
genheit einmal zum Schutz ihrer Throne geschaffen hatten. Dar- 
iiber hinaus dachte er sie sich als besondere Stofitruppen in 
den Brennpunkten des Kiieges, wo sie ein Beispiel an Standhaf- 
tigkeit und Tapferkeit geben sollten. Darin folgte er wiedemm 
jener napoleonischen Auffassung von der kriegerischen Bedeu- 
tung der Garde, die einstmals bei allen Militàrstaaten des 19. 
Jahrhunderts Schule gemacht, im ersten Weltkriege aber ein an- 
erkannt mhmvolles Ende gefunden hatte. - 


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Bei solchen Ansichten lag es auf der Hand, daB Hitler - im 
Gegensatz zu dem Schòpfer der Reichswehr, General v. Seeckt, der 
in der Reichswehr immer nur ein Kernheer und niemals ein Ca- 
dreheer hatte sehen wollen, - auch in der Reichswehr ein Rah- 
menheer wiinschte, aus dem er das von ihm vorgesehene, na- 
tionalsozialistische Volksheer entwickeln konnte. Und darin 
stimmte er mit den fiihrenden Generalen der Reichswehi' iiber- 
ein, die immer gefiirchtet hatten, Hitler kònnte einmal aus der 
SA ein groBes Volksheer machen und entweder die Reichswehr 
in dieses eingliedern, oder den Wehrideen Groeners und Schlei- 
chers folgen und damit eine Wehizweigleisigkeit heraufbeschwò- 
ren, die seit jeher allen Berufsmilitars ein Greuel war, weil sie in 
das seit der Roonschen Wehrreform giiltige Wehrbild eines ste- 
henden, nationalen Heeres nicht hineinpaBte. 

* 

Nur einer lehnte es ab, Hitlers iiberholten Wehransichten 
zuzustimmen. Es war der ehemalige Hauptmann im Generalstab 
der Bayerischen Armee und Stabschef der SA, Ernst Ròhm. Die- 
ser war schon im Jahre 1925 mit Hitler iiber wehrpolitische Fra- 
gen zerstritten. Wahrend Hitler in der SA eine rein politische 
Kampffruppe haben wollte, hatte Ròhm aus den dùrftigen An- 
fàngen eines Saalschutzes fur politische Veranstaltungen eine zi- 
vile Wehrorganisation schaffen wollen, in der »Parteipolitik 
nicht geduldet, politische Fiihrer kein Weisungsrecht besitzen und 
die Organisation selbst verpflichtet sein sollte, den Anfordemn- 
gen des Staates und der Reichswehr zu entsprechen, wenn es der 
Schutz des Vaterlandes verlangen sollte 19 «. 

18 Der damals schon in Ruhestand lebende Generaloberst hatte im 
Jahre 1930 die Ergànzung des von ihm stets befurworteten hochqualifizier- 
ten Operationsheeres durch eine Welirorganisation defensiver Art fur nòtig 
erachtet. 

19 s. Emst Ròhm »Die Geschichte eines Hochverràters« S. 314. 


Bei der Unversòhnbarkeit der Standpunkte hatte sich damals 
Ròhm von Hitler getrennt und war nach Bolivien gegangen. 
Nach seiner Riickkehr hatte er die Fùhrung der SA wieder iiber- 
nommen und aus ihr nun doch eine militàrisch organisierte und 
im soldatischen Geist erzogene Organisation geschaffen, die zwar 
nach den Weisungen Hitlers eine politische Aufgabe wahrzuneh- 
men hatte, aber dennoch ernsthafte wehrpolitische Ziele verfolg- 
te. Im Jahre 1933 hatte sich Ròhm des Reichskuratoriums fùr 
Jugendertiichtigung bemàchtigt und aus dieser Groenerschen Ein- 
richtung einen gutgegliederten, stehenden Ausbildungsapparat 
geschaffen, den er einem »Chef des Ausbildungswesens« unter- 
stellt und damit beauftragt hatte, die Masse der Wehrorganisa- 
tionen in den militàrischen Gmndlagen auszubilden. 

Unzweifelhaft verfolgte Ròhm damals das Ziel, aus der SA 
neben der Reichswehi' eine Wehrmiliz nach Schweizer Muster zu 
schaffen. Die Wehrsituation auf der internationalen Ebene kam 
ihm darin entgegen. »Noch immer« so schreibt Walter Gòrlitz 20 , 
»schwebten Abriistungsverhandlungen; noch immer war die end- 
giiltige Beschaffenheit der neuen Heeresverfassung ungelòst. Die 
deutschen Vertreter in Genf erhielten zunàchst die Anweisung, 
ein modernes Freiwilligenheer von 300 000 Mann zur Basis der 
Bedingungen zu machen. Demgegeniiber stand die Idee der Schaf- 
fung einer Miliz, welche Frankreich jetzt aufgriff, indem es plòtz- 
lich fiir die Zerschlagung der alten, kleinen Elitearmee eintrat. Der 
Milizgedanke erhielt indessen einen gewaltigen Auftrieb durch 
die Idee, welche die Revolutionàre der SA unter Fùhrung Ròhms 
vertraten.« 

Allerdings ist Ròhm dann anscheinend durch den spiirbaren 
Argwohn, mit dem die Reichswehr seine Arbeit beobachtete, 
aber auch durch die unverhohlene Abneigung der SA gegeniiber 
der Reichswehr in zunehmenden MaBe in der Absicht bestàrkt 
worden, auch die Reichswehr in seine Wehrplàne einzubeziehen. 
War er ehedem von deren hohem Wert als feste Sàule des Staa- 

20 s. Walter Gòrlitz »Der deutsche Generalstab« S. 401. 


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tes noch iiberzeugt 21 , so deutete jetzt doch alles darauf hin, dafi 
er das richtige AugenmaB fùr die wehrpolitische Wirklichkeit 
verloren und sich in eine MaBlosigkeit in seinen Zielen verirrt 
haben durfte, die ihn zwangslaufig in einen scharfen Gegensatz 
zur Reichswehr und zu den Wehrabsichten Hitlers bringen 
mufiten. 

Rohm war seit je ein gliihender Patriot. Dariiber hinaus war 
er ein verdienter Frontoffizier, der nach schwerer Verwundung 
in den bayerischen Generalstab versetzt worden war und dort 
den Generalstabsdienst griindlich kennengelemt hatte. Trotz sei- 
ner langen Verwendung bei hohen Staben war er dennoch in- 
nerlich immer Frontoffizier geblieben und hatte sich dem hart 
kampfenden und leidenden Frontsoldaten stets enger verbunden 
gefiihlt als der konventionelle Generalstabsoffizier. Seine viel- 
seitigen Erlebnisse und Erfahrungen hatten ihn wohl dazu befà- 
higt, innerhalb der Reichswehr vortreffliche Arbeit zu leisten, 
wenn ihm seine innere Rastlosigkeit und sein leidenschaftlicher 
Nationalismus dazu Zeit gelassen hàtten. Diese trieben ihn je- 
doch in die Politik, auf deren Plattform er mit Hitler zusammen- 
traf. 

Seiner ganzen Natur nach war Rohm jedoch kein profilierter 
Politiker, sondern weit stàrker ein rein soldatischer Mensch. Im 
Aufbau eines modernen Massenheeres erblickte er seine Lebens- 
aufgabe. Allerdings sah er in diesem nicht so sehr ein entschei- 
dendes Problem der Kriegflihrung in einem totalen Kriege, son- 
dern mehr eine wehrsoziale und soziologische Frage, die ihn schon 
als Tmppenflihrer im ersten Weltkriege stark beschàftigt hatte. 

»Dem einfachen Manne« so meinte er einmal, »sollte mein 
Herz und meine Arbeit gehòren. Ich wollte ihm ein getreuer 
Freund, Kamerad und Fiihrer sein, diesem schlichten Mann aus 
dem Volke, der im Felde meine ganze Achtung und Bewundemng 
gefunden hatte.« 

21 s. Emst Ròhm »Geschichte eines Hochverràters« S. 275. 


Aus dieser Einstellung heraus dachte er auch anders iiber das 
Verhàltnis zwischen Offizier und Mann als die mafigeblichen 
Reichswehrgenerale und hatte sich einen neuen Wehraufbau auf 
der Gmndlage einer Disziplin gedacht, die weit mehr auf einem 
stàrkeren Vertrauensverhàltnis innerhalb der einzelnen Dienst- 
grade der Armee als auf àufieren, disziplinaren Mitteln bemhte, 
wie dies in der ehemaligen deutschen Friedensarmee und teilwei- 
se noch in der Reichswehr der Fall gewesen war. Er wollte die 
Schranken des Standes mindern und die Geschlossenheit einer 
Armee weniger durch starren Gehorsam, als durch Mitverant- 
wortung, Gefolgschaftstreue und gegenseitiges Vertrauen errei- 
chen. Mit solchen sozialen, disziplinaren und wehipolitischen 
Ansichten mufite der Stabschef der SA in einen kaum uberbriick- 
baren Gegensatz zu den flihrenden Mànnern der Reichswehr ge- 
raten, zumal diese ihn wegen seiner Verimmgen auf dem Ge- 
biet der Intimsphàre fur jede Aufgabe im Staate als ungeeig- 
net erachteten. So sah man in der Reichswehr Ròhm nicht nur 
als einen Konkurrenten an, sondern witterte in ihm einen inner- 
lich chaotischen Menschen und dazu noch einen militàrischen 
Phantasten, dessen Ideen eine ernste Gefahr fur die traditionelle 
Struktur des Heeres bedeuteten. 

Ob Blomberg oder Fritsch, Beck oder Reichenau: in der Ab- 
lehnung der Wehrziele Ròhms waren sie sich alle einig, so sehr 
sie auch sonst als Menschen und Soldaten verschieden dachten. 
Wàhrend aber die Generale v. Fritsch und Beck die Ideen Ròhms 
rundweg ablehnten, war der Generaloberst v. Blomberg noch am 
ehesten bereit, iiber seine erzieherischen und sozialen Ansichten 
wenigstens zu diskutieren. 

Blomberg hatte sich schon als Wehrkreisbefehlshaber in Kò- 
nigsberg als ein aufgeschlossener und moderner Mann erwiesen. 
Im Militàrischen war er voller Initiative, auf dem Gebiet der 
Politik nicht ohne Erfahrung und Interesse. Voller Verve hatte 
er gleich nach seinem Dienstantritt in Ostpreufien das prekàre 
Landesverteidigungsproblem aufgegriffen, das dort nicht nur ein 
militàrisches, sondern auch ein innen- und aufienpolitisches war. 


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Zunàchst hatte er sich um die Einigung der politischen Parteien 
in dieser Frage bemiiht und versucht, sich der Unterstiitzung der 
fiihrenden Politiker zu vergewissern. Wenn er dabei auch auf 
kiihle Reserve stiel.ì. als der preufiische Ministerpràsident Braun 
ihm auf seine Vorstellungen antwortete: »Mein politisches Ge- 
fiihl sagt mir, daB die Polen keinen Krieg mit uns beginnen wer- 
den«, 22 so blieb er deshalb nicht untàtig und bemiihte sich, wo 
er nur konnte, politische Gegensàtzlichkeiten dennoch zu iiber- 
biiicken, v. Blomberg war eine liberale Natur und hielt zu den 
konservativen Kreisen, mit denen die ostpreuBische Reichswehr 
vorwiegend sympatisierte, eine gewisse Distanz. Das galt auch fìir 
den »Stahlhelm«, der dort eine groBe Rolle spielte. Er war ein 
Anhànger der Bmning'schen Politik und bezeichnete einmal dem 
Verfasser gegeniiber diese als die einzig mògliche, wàhrend er in 
dem gleichen Gespràch den Nationalsozialismus noch mit einer 
Art von »Christusglauben« verglich, dessen Aufbaufàhigkeit er 
stark in Zweifel zog. Dennoch war v. Blomberg bemiiht, auch 
darin sein Urteil abzurunden und zeigte sich bereit, iiber solche 
Probleme zu diskutieren und sich mit ihnen geistig auseinander- 
zusetzen. Im Sommer 1932 hatte er sich mit der NSDAP ein- 
gehender beschàftigt und ihr eine Anzahl positiver Seiten abge- 
wonnen. 

Anders der Chef der Heeresleitung, General Freiherr v. 
Fritsch. Dieser war ganz und gar ein Mann der alten General- 
stabsschule, dessen groBe operative Fàhigkeiten der Verfasser 
bei einer operativen Reise studieren und bewundern konnte. Er 
war ein zuriickhaltender Mensch, schien im gesellschaftlichen Ver- 
kehr fast gehemmt und war am politischen Leben wenig inter- 
essiert, wobei er aus seiner traditionellen, konservativen Einstel- 
lung nicht den geringsten Hehl machte. Umsomehr ging er ganz 
im Soldatischen auf und lebte ausschlieBlich seiner soldatischen 
Aufgabe. Aus dieser ganzen Einstellung heraus konnte er flir 

22 Erzàhlung des Generalobersten gelegentlich eines Zusammenseins mit 
einem Kreise, dem auch der Verfasser angehòrte. 


die Person und die Gedankenwelt Ròhms kein Verstàndnis auf- 
bringen, zumal ihm dessen ganze Persònlichkeit auch menschlich 
nicht lag. Zudem war er ein reiner Pragmatiker, also als solcher 
ein Anhànger bewàhrter Grundsàtze und ein Mann von klaren 
Ansichten und entschlossenen Entscheidungen 2 '. 

Genau so wie er war auch der Chef des Generalstabes, Ge- 
neral der Artillerie Beck, ein besonders profilierter Vertreter des 
Generalstabes, ein Pflichtenmensch von hohen Graden, in seiner 
Generalstabsarbeit aufgehend und vorwiegend militàrischen In- 
teressen zugewandt. lhn schildert 24 der Panzergeneral Guderian, 
der in der nationalsozialistischen Zeit mit ihm wàhrend des Auf- 
baus des Heeres viel zu tun hatte, als »einen vornehmen Charak- 
ter, einen ruhigen, zu ruhigen, ùberlegten Mann der alten Schule, 
als einen Anhànger Moltkes, auf dessen Anschauungen er den 
Generalstab des neuen Heeres im Dritten Reich aufzubauen ge- 
dachte.« »Fiir die moderne Technik hatte er kein Verstàndnis«, 
so schreibt Guderian 25 . »Da er naturgemàB Mànner seiner Gei- 
stesrichtung in die maBgeblichen Stellen des Generalstabes, zu- 
mal in seine Umgebung brachte, errichtete er mit der Zeit - 
ohne es zu wollen - eine Mauer der Reaktion in der Zentrale 
des Heeres, die auBerordentlich schwer zu iiberwinden war.« 

Àufierst drastisch schildert Guderian die Einstellung Becks zu 
den modernen Problemen der Kriegfùhrung in folgendem Zwie- 
gespràch: »Ich schilderte ihm die Vorziige von Panzerverbànden 
in den gliihendsten Farben, insbesondere deren operative Bedeu- 
tung. Er erwiderte nur: »Nein, nein. Ich will euch nicht. Ihr seid 

25 Gelegentlich einer Ùbungsreise erzàhlte v. Fritsch einmal, wie schwer 
es in einer Demokratie sei, von dem zustàndigen parlamentarischen Minister 
sclmelle und klare Entscheidungen zu erhalten, moge eine Sache auch noch 
so dringend sein. Er nalnn hierbei Bezug auf ein Erlebnis, das er in dieser 
Beziehung mit Reichswehnninister Gessler hatte. 

“ 4 Beck war dem Verfasser nur fluchtig bekannt, so daB ihm ein sicheres, 
eigenes Urteil aus persùnlicher Kenntnis fehlt. 

26 s. Heinz Guderian »Erinnerungen eines Soldaten« S. 20 und 26. 


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mir zu schnell.« Mein Vorhalten, dafi die Entwicklung der Fun- 
kerei trotz der groBen Geschwindigkeit der Verbànde deren Fiih- 
rung gewàhrleiste, fand wenig Glauben. »Aber Sie kònnen doch 
nicht ohne Kartentisch und Fernsprecher flihren! Flaben Sie denn 
nicht Schlieffen gelesen?« meinte Beck 28 «. 

Ein solcher Mann konnte aus dieser Grundhaltung heraus gar 
kein Verstàndnis fiir den inneren Umbruch haben, der am Ende 
des ersten Weltkrieges in der ganzen Kriegflihmng begonnen 
hatte. Wahrscheinlich hàtte er nur verwundert aufgeschaut, 
wenn ihm ein Ròhm seine Gedankengànge geschildert hàtte und 
ihm lediglich hòflich zugehòrt, wie es hier bei Guderian ge- 
schehen war. Sicher aber wiirde er mit seinem durchdringenden 
Verstànde die Gefahr erkannt haben, die sich daraus flir sein ei- 
genes Wehrbild ergeben hàtte. Schon deshalb muBte er ein eben- 
so zàher, wie erbitterter Gegner aller revolutionàren, wehrpoloti- 
chen und wehrerzieherischen Absichten anderer sein. - 

Solchen Geistes also waren die Generale, die sich in den obe- 
ren Stellen der Reichswehr jedweder geistigen Erneuemng des 
Wehrdenkens entgegenstellten. Es waren die Konservativen un- 
ter den Fiihrern des Fleeres, die nicht begreifen wollten, daB der 
totale Krieg alle, aber auch alle MaBstàbe der nationalen Kriege 
riber den Flaufen geworfen hatte, daB es nunmehr darauf an- 
kommen mufite, ihn, die letzte Entartung des Kr ieges, durch neue 

26 Ùber die Tatigkeit des Feldherrn àuBerte sich ehedem der deutsche 
Generalstabschef v. Schlieffen: »Kein Napoleon, umgeben von einem glàn- 
zenden Gefolge, hàlt auf einer Anliòhe. Auch mit dem besten Fernglas 
wurde er nicht viel zu sehen bekommen. Sein Schimmel wurde das leicht 
zu treffende Ziel unzàhliger Batterien sein. Der Feldherr befmdet sich 
weiter zurùck, in einem Hause mit geràumigen Schreibstuben, wo Draht 
und Funktelegraf, Femsprech- und Signalapparate zur Hand sind und 
Scharen von Kraftwagen und Motorràdern, fùr die weitesten Fahrten ge- 
rùstet, der Befehle harren. Dort auf einem bequemen Stuhl, vor einem 
breiten Tisch hat der moderne Alexander das gesamte Schlachtfeld vor sich. 
Von dort telefoniert er zùndende Worte«. 


dynamische Ideen zu iiberwinden und durch eine schnelle Kampf- 
flihmng unmòglich zu machen. 

Der einzige politische General in der Wehrmachtsspitze, der 
Generalmajor Walter v. Reichenau, war auch in dieser militàri- 
schen Fiihmngsgmppe nach seinem Denken und Lebensstil ein 
AuBenseiter. War er im Grunde seines Wesens auch ein echter 
Konservativer, so war er doch wesentlich jiinger und in seinen 
Anschauungen weniger dogmatisch. Zudem war er technisch aufs 
hòchste interessiert, selbst ein leidenschaftlicher Autofahrer, ein 
smarter Sportsmann und ein weltoffener Mensch. Er besaB einen 
hellen, wenn auch iiberheblichen Geist und verfligte iiber einen 
starken Ehrgeiz, der aus einem inneren SendungsbewuBtsein 
kam 27 . 

In der Reichswehr hatte sich Reichenau der Schablone zu ent- 
ziehen gewufit und sich zu einem auBergewòhnlichen Manne ent- 
wickelt, der sich in das enge Reichswehrmilieu gar nicht einfligen 
lieB. Dieses AuBenseitertum, verbunden mit seinem Ehrgeiz, ei- 
ner spùrbaren Uberheblichkeit und einem fast snobistischen Le- 
bensstil hatten ihm manchen Feind in der Reichswehr geschaf- 

27 Bezeichnend hierfùr ist folgende Episode, die sich 1932 auf dem 
Truppenùbungsplatz Arys abgespielt hat: In einer kleinen Tafelmnde, 
zu der auch der Verfasser gehòrte, erzàhlte Reichenau, wie er die 
bolschewistische Revolution erlebt hat: »Damals im Jahre 1917 war ich ein 
kleiner Batteriechef im Sùden der Ostfront. Ich interessierte mich besonders 
fùr die Vorgànge bei den deutsch-sowjetischen Waffenstillstandsverhand- 
lungen in Brest-Litowsk. Damals war es mir mit eindringlicher Klarheit 
offenbar geworden, daB die Propagandareden, die Trotzki in Brest-Litowsk 
hielt, nur dem einzigen Zweck dienten, Zeit zu gewinnen, um auch Dcutsch- 
land zu revolutionieren. Ich fiirchtete, die Bolschewisten wùrden ihr Ziel 
erreichen, wenn wir nicht sofort auf Petersburg marschieren und dem 
ganzen Spuk ein Ende bereiten wùrden. Dcr Gedanke lieB mir keine Ruhe, 
so daB ich gar nicht anders konnte, als — trotz meines damals geringen 
Dienstgrades — an den Ersten Generalquartiermeister Ludendorff zu schrei- 
ben und ihm diesen Vorschlag zu machen. Ob Ludendorff meinen Brief je 
erhalten hat, habe ich niemals erfahren. Aber ich konnte nicht anders. Ich 
muBte es tun«. 


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fen 28 und ihm den Ruf eines Karrieristen eingebracht, der er 
beileibe nicht gewesen ist. 

Seine dienstlichen Aufgaben erflillte er ohne grofie Kràfte- 
anspannung und nahm sich trotz seiner umfangreichen Verpflich- 
tungen reichlich Zeit, sich dem Lebensgenufi mit souveràner Selbst- 
verstàndlichkeit hinzugeben. fn der Politik war er zu Hause, wie 
kein anderer General, war darin wendig und schnell konzipierend, 
jedoch ohne echte innere Bindungen an eine Partei oder an eine 
Person. Man geht vielleicht nicht fehl in der Annahme, dafi der 
inhalt seines ganzen politischen Spiels der Wunsch auch einer sou- 
verànen Spitzenstellung gewesen ist, fur die er ohne Zweifel be- 
fàhigt war und sein brennender Wunsch, sich nicht in fachlichen 
Kommandostellen zu verbrauchen, sondern seine Fàhigkeiten im 
grofien Spiel der formenden und gestaltenden Kràfte einzuset- 
zen, um Einflufi und Macht zu gewinnen 29 . 

_s Das Urteil, das der General der fnf. Erfurth auf Seite 166 seines 
Buches »Die Geschichte des Deutschen Generalstabes von 1918 bis 1945« 
uber Reichenau abgibt, ist sicherlich ungerecht und ermangelt jeden 
Verstàndnisses fur eine aus dem Schema des Generalstabes fallende Persòn- 
lichkeit, wenn E. schreibt: »Ein Mann, wie der General v. Reichenau hatte 
schon als Chef des Stabes des Wehrkreiskommandos 1 wegen seiner deutlich 
hertretenden Charakterschwàche und seines ziigellosen Ehrgeizes kaltge- 
stellt werden miissen. General v. Hammerstein hatte es verabsàumt und fìir 
den General v. Fritsch war es bereits zu spàt. Da war Reichenau bereits zu 
màchtig geworden. Unter dem Schutze Hitler's und Blombergs stehend, 
konnte er sich alles erlauben und gegen den Oberbefehlshaber des Heeres 
fntrigen spinnen. Reichenau war, àhnlich wie Blomberg, ein AuBenseiter im 
hòheren Offizierskorps, dabei den meisten seiner Kameraden charakterlich 
suspekt. Klug und ehrgeizig, energisch bis zur Bmtalitàt nòtigenfalls auch 
recht geschmeidig, Blomberg politisch uberlegen, bestimmte er wesentlich 
den Kurs des Ministeriums«. 

29 Noch im Herbst 1932 hatte Reichenau den revolutionàren Charakter 
der SA nicht erkannt. Als ein hoher SA-Fiihrer vor einer Veranstaltung der 
Reichswehr in Kònigsberg bei Reichenau erschien, um sein Fernbleiben zu 
entschuldigen, sagte R. zu dem anwesenden Verfasser »Sehen Sie einmal an. 
Das wollen nun Revolutionàre sein. Ich sage Ihnen, die werden uns noch 
aus der Hand fressen«. 


48 



G eneralobersl der Wallen-SS, Paul Hausser, 
Oberbetehlshaber einer Heeresgruppe. 




Oben rechls: General d. Arl. 
Freìherr v. Fritsch, Oberbelehls- 
haber des Heeres bis 1938. Er 
verlral die konservative Richtung 
in der Hierarchie des Heeres. 


Oben links: Generalleulnanl Kurl 
v. Sdìleicher, der ersle Reichs- 
kanzler der Weimarer Republik, 
war akliver Soldal gewesen, 
der sich vorwiegend aul die 
Reichswehr slutzen wollle. 


Der englische AuDenminisler 
LordSimon (links) erklàrle April 
1935, »Hillers Rùslungswunsche 
belauien sich aul 36 Divisionen, 
davon eine mililarisierler Po- 
lizei-SS«. 

Rechls: Slaalssekrelàr Anlhony 
Eden. 


Reichenau war zu klug, um nicht in Ròhms leidenschaftlicher 
Persònlichkeit und starkem Ehrgeiz den Antipoden zu erfassen. 
Er ahnte die Gefahr, die von ihm ausgehen wiirde, wenn es nicht 
gelang, ihm Fesseln anzulegen. Zudem begegneten sich in Reiche- 
nau und Ròhm zwei gegensàtzliche Welten. Hier der in einem 
traditionellen Milieu aufgewachsene und durch seine eigen- 
willige Persònlichkeit iiber den Rahmen des Generalstabes hin- 
ausgehobene, junge General, der ein halbes Leben in hohen Stà- 
ben verbracht hatte; dort der nicht weniger selbstbewufite Revo- 
lutionàr, der seine militàrische Karriere und seine politische Zu- 
kunft hingeworfen hatte, um seiner eigenen Uberzeugung zu le- 
ben. Hier der geschmeidige Militàrdiplomat, dessen wehrpoliti- 
sche Uberzeugungen noch im traditionellen Rahmen ruhten, aber 
dennoch einen Instinkt flir reformerische Notwendigkeiten in 
sich bargen; dort der Eiferer, der zu neuem entschlossen war und 
ein Carnot werden wollte, aber schon der Massenpsychose selbst 
zu sehr verfallen war und sein im Grunde biirgerliches Wesen 
unter dem Pseudoglanz seiner hohen politischen Stellung verbarg 
und als Fiihrer einer grofien Armee von Biirgerkiiegssoldaten 
gern das Gebahren eines ròmischen Proconsuln zur Schau trug. 
Gegenspieler, wie sie die Weltgeschichte vielleicht schon einmal 
in Sulla und Marius hervorgebracht und ihnen auch ein àhnliches 
Schicksal beschieden hatte. Mànner jedenfalls, die damals um 
das Schicksal Deutschlands wiirfelten, ohne zu wissen, daB dieser 
Einsatz flir sie allein zu hoch war 30 . 

In jenem unheilvollen Friihjahr des Jahres 1934, dessen poli- 
tische und bùrgerliche Atmosphàre ganz von dem hintergriin- 
digen Kampf zwischen Reichswehr und SA ùberschattet war und 
sie bis zur Unertràglichkeit vergiftet hatte, ging es nicht so selir 
um die Macht zwischen Hitler und der SA, sondern um reine 
Wehrbelange, obwohl die SA alinte, dali sie ihre wehrpolitischen 
Absichten wiirde aufgeben miissen und ihrer Erbitterung iiber Hit- 

80 s. hierzu die Aufzeichnungen des Generalobersten a. D. Hcinrici uber 
die Vorbereitungen der Reichswehr zum 30. Juni 1934, mitgeteilt durch 
General a. D. Hermann Fòrtsch in »Schuld und Verhàngnis« S. 51. 


49 



ler Ausdruck gegeben hatte, ohne zu den letzten Konsequenzen 
entschlossen gewesen zu sein. 

Am 30. Juni 1934 hat das Drama dann seinen Hòhepunkt 
erreicht. Der Gordische Knoten war làngst geschiirzt. Es war 
Hitler, der ihn durchschlug und sich damit vor der Geschichte mit 
brutaler Willkiir und Barbarei belastet hat. 

Ob und welchen Anteil die Generale jener Zeit an diesem 
SchluBakt gehabt haben, wird kaum mehr festzustellen sein. Aus 
ihrer ganzen Mentalitàt kann aber geschlossen werden, daB sie 
an diesem barbarischen Ende keinen Anteil gehabt haben und 
Hitler dabei auf eigene Faust gehandelt haben muB 31 . Nun aber 
hatten sie ffeie Bahn fur ihre langgehegten Wehrplàne, flir die 
ihnen die Armee von 1914 mit ihrer Organisation, ihren Erfas- 
sungs-, Ergànzungs- und Mobilmachungsmethoden, iiberhaupt 
mit ihrem ganzen Denken als Vorbild diente 32 . Wàhrend Fritsch 
und Beck nunmehr ihre groBe Arbeitskraft flir die Erfullung die- 
ses Zieles einsetzen konnten und eine vorziigliche, wenn auch ih- 
rem Wesen nach schon veraltete Infanteriearmee mit einigen 
motorisierten Hilfswaffen schufen, stand Reichenau am Ende 
seiner wehipolitischen und am Anfang einer groBen fachlichen 
Laufbahn. Auf der militàrischen Stufenleiter stieg er bis zum 
Feldmarschall auf, hat es aber nicht mehr fertig bekommen, eine 
wehipolitische Schliisselstellung zuriickzugewinnen. An den sà- 
kularen Entscheidungen iiber das Schicksal des Reiches war er 
nicht beteiligt. Auf der Hòhe seiner militàrischen Erfolge starb 
er 1941 einen friihen Tod. 

Auch die Laufbahn des Kriegsministers v. Blomberg hatte 
wenige Jahre nach Ròhms Tod ihren Scheitelpunkt erreicht. Da- 
mals ahnte er noch nicht, daB auch er eines Tages iiber persònli- 
chen Dingen mit Hitler zerfallen und schon nach wenigen 

S1 Allerdings behaupten General a. D. Hennann Fortsch in seinem 
Buch »Schuld und Verhangnis« auf S. 54 und Walter Gorlitz in dem Buch 
»Der Dcutsche Generalstab« S. 419, Reichenau sei die treibende Ki'aft ge- 
wesen. 

32 s. Hermann Fòrtsch »Schuld und Verhangnis« S. 71 (unten). 


Jahren ebenso von der geschichtlichen Biihne abtreten wiirde, 
wie seine beiden Weggefàhrten aus den Reihen des Generalstabes 
des ersten Weltkrieges. Am 16. April 1935 erlebten sie den gròB- 
ten Triumph ihres militàrischen Lebens. Das Heer der allgemeinen 
und gleichen Wehipflicht, dem sie sich seit ihrer militàrischen Ju- 
gend verbunden gefìihlt hatten, fand an diesem Tage seine Auf- 
erstehung. Die junge Frontgeneration von 1918 muBte ihre lang- 
gehegte Hoffhung auf die Erfullung ihrer Fronterfahrungen und 
Wehrgedanken endgiiltig zu Grabe tragen 3s . 


3. Kapitel 

Wehrpolitik im Zwiespalt 

Was sich in jenen Sommertagen 1934 unter dramatischen Um- 
stànden als letzter Akt einer wehrpolitischen Auseinandersetzung 
abgespielt hatte, war nicht etwa nur das Werk eines Mannes, der 
sich im inneren Widerstreit mit sich selbst befand, noch weniger 
die Erfullung langgehegter Wunsche einiger Generale. Von hòhe- 
rer geschichtlicher Warte aus betrachtet, war es der Zusammen- 
prall zweier Wehrepochen, die sich hier zum ersten Male mitein- 
ander auseinandersetzten und in zwei gegensàtzlichen Stròmun- 
gen offenbarten, eine alte, die sich seit dem ersten Weltkriege in 
einem Beharrungszustande befand und eine junge, in der noch 
alles gàrte und die noch keine klaren Konturen hatte gewinnen 
kònnen. Solche typischen Ùbergangszeiten dauem lange. Die 
Geschichte miBt nun einmal mit andem ZeitmaBen, als der Geist 
der Menschen. Sie fordert hohe Opfer und fragt nicht nach dem 
Schicksal des Einzelnen. So waren die Opfer des 30. Juni 1934 
nur blutige Meilensteine auf einem Wege, der 10 Jahre spàter 

88 Dcr Verfasser des Buches »Soldaten« Herbert Blank, im 1. Weltkriege 
Angehòriger eines Stunnbataillons, hatte gegeniiber einigen Reichswehr- 
offizieren Hitler damals des Verrates an der modemen Wehridee beschul- 
digt und wurde dieserhalb in das KZ gesperrt. 


50 


51 



durch ein Meer von Blut und Trànen hindurchfuhrte und in der 
Niederlage und Auflòsung einer tapferen Armee sein vorlàufiges 
Ende fand. 

Die Mànner, die damals an der Spitze der Reichswehr stan- 
den, waren keineswegs riickschrittliche Militàrs, die man nur mit 
Unrecht Reaktionàre nennen wiirde. Sie waren begabte und tiich- 
tige Persònlichkeiten, die von dem Wunsche beseelt waren, ein 
modernes Wehrinstmment zu schaffen. Aber sie bcsal.ìen noch 
keine klaren Vorstellungen von den Anfordemngen des inzwi- 
schen fortgeschrittenen Wehrzeitalters. »Es waren in der straff 
organisierten Hierarchie des Generalstabes immer nur Einzelne, 
die - so wie sie die Dinge sahen - fur neue Ideen sich einsetzen 
zu mùssen glaubten und diese mit Ausdauer und Geschicklichkeit 
nach und nach hoffàhig zu machen versuchten« so schreibt Gene- 
ral Waldemar Erfurtlr ” a . »Sie gerieten dabei gelegentlich in Wider- 
spmch zum Chef des Generalstabes und seinen mal.lgcblichen Ge- 
hilfen, da es nach der Tradition des preuBischen Generalstabes 
unvorstellbar war, dafi die Autoritàt des Grofien Chefs nicht re- 
spektiert wurde und General Beck nicht daran dachte, sich auf 
einen Weg dràngen zu lassen, den er nicht fùr richtig hielt.« 

Obwohl der erste Weltkrieg und die inzwischen weiterfortge- 
schrittene Technik neue Wege gewiesen hatte, meinten die àlteren 
Generale auf Altbewàhrtes nicht verzichten zu kònnen. Neues 
aber wollten sie noch nicht verantworten. Auch konnten sie sich 
noch nicht von Standesbegriffen trennen, die das Massenzeitalter 
làngst in Zweifel gezogen hatte. Zwar waren sie bereit zu ver- 
bessern und zu reformieren. Aber sie wollten keine grundsàtzli- 
chen Neuemngen. Am wenigsten verstanden sie es, mit den Ideen 
und den Menschen, die ihnen in dieser Zeit des politischen Um- 
brnches bereitwillig ihre Herzen òffneten, etwas anzufangen und 
sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Der ùberschàumende Elan 
undogmatischen Wehrdenkens pal.ìte in ihre Welt des kiihlen 

33 a s. W. Erfurth: »Geschichte des Deutschen Generalstabes von 1918— 
1945« S. 128. 


Rechnens nicht hinein. So verstanden sie es nicht, sie sich nutzbar 
zu machen. 

Neben ihnen aber stand der Politiker Hitler, der den Schritt 
an ihre Seite zunàchst mit Unbehagen vollzogen hatte, weil er 
sich in ihrer Geisteswelt nicht zurecht fand. Ein Mann, der in 
echter Bewundemng vor der operativen und organisatorischen 
Leistung des deutschen Generalstabes lebte und sich deshalb zu- 
nàchst seinem fachmànnischen Rat beugte, bis er spàter erkannte, 
dafi er es auch hier mit Menschen und Schwàchen zu tun hatte und 
daraus wiedemm den falschen SchluB zog, er kònne sich auch auf 
ihrem ureigensten Fachgebiet mit ihnen messen. In den Anfàn- 
gen seiner diktatorischen Regiemng wagte Hitler nicht, es mit 
ihnen zu verderben. Lange zwischen ihnen und der SA hin- und 
herschwankend, zerrifi er schlieBlich das Netz, in das er sich selbst 
verstrickt hatte, da er nicht die Kraft aufbrachte, die beiden An- 
tipoden vor einen Wagen zu spannen. Er wuBte es nicht, daB er 
damit aber der Krise nicht Herr geworden war, die nicht allein 
auf sachlichen oder persònlichen Gegensàtzen bemhte, sondern 
nur ein Symptom flir eine lang andauernde, wehrgeistige Entwick- 
lung gewesen war, die mit den Mitteln brutaler Macht weder 
aufzuhalten noch zu verhindern war. 

Zwar versuchte Hitler die am 30. Juni 1934 aufgerissenen 
Gràben wieder zuzuschiitten und die Gegensàtze durch Kompro- 
misse zwischen Reichswehr und Wehrverbànden zu kitten. Zwar 
lòste er die bewaffneten SA-Einheiten auf, wies aber der Ge- 
samtorganisation dennoch die Aufgabe der Wehrertiichtigung der 
SA zu und gestattete ihr in der SA-Standarte Feldherrnhalle eine 
bewaffnete Repràsentation. Der Motor-SA belieB er den Auf- 
trag zu vormilitàrischer Krattfahrausbildung und iibertmg dem 
neuentstandenen Reichsarbeitsdienst neben seinen Arbeitsaufga- 
ben diejenige einer Wehrerziehung der Arbeitsdienstpflichtigen 
als Vorstufe flir ihre spàtere Wehrausbildung im Rahmen der 
Streitkràfte. Doch alles das war ja nur Flickwerk und diente letzt- 
lich der Befriedigung der Fordemng seiner militanten politischen 
Kampfgefàhrten. Schon vor der Schaffung eines neuen Volks- 


52 


53 



heeres hatte er dessen erhofftes Wehrmonopol durchbrochen und 
einer Entwicklung Vorschub geleistet, die seine zukunftige Armee 
auf die waffendienstlichen Aufgaben beschrankte, die erziehe- 
rische aber auf zahlreiche verschiedenartige Organisationen seiner 
Partei verteilte. Zwar steuerte das Wehrsystem damit auf die 
Wehrtotalitat zu, ohne aber das Wehrgeflige fur eine solche zu 
besitzen. Die hierfur notwendige Zweigleisigkeit war durch eine 
unorganische Vielgleisigkeit ersetzt worden, die das Heer lieber 
in Kauf nahm, als jene, weil sie die militarische Monopolstel- 
lung des Heeres nicht bedrohte 84 . 

Argwòhnisch wurde man erst wieder, als Hitler entgegen sei- 
ner Erklarung »Die Wehrmacht sei die einzige Waffentragerin 
der Nation« nunmehr auch die SS damit beauftragte, eine zwar 
kleine, aber dem Heere gleichgestellte Bemfstmppe aufzustellen 35 . 

Wàhrend die Vorarbeiten zur Umwandlung der Reichswehr 
in ein Volksheer mit allgemeiner Wehrpflicht bereits begannen, 
hatte Hitler bald nach dem 30. Juni 1934 ein Memorandum ver- 
fassen lassen, in dem er die Notwendigkeit der Aufstellung einer 
besonderen Verfugimgstruppe begriindete. Man geht wohl kaum 
fehl in der Annahme, dafi er in der projektierten Tmppe eine 
Garde sah, die er im Gefìige eines grol.ìen Volksheeres fiir unent- 
behrlich hielt. Jedenfalls hat er immer wieder im engsten Kreise 86 

84 s. hierzu Hermann Fòrtsch. »Schuld und Verhangnis« S. 70. An der 
Wehrarbeit waren schlieBlich folgende Organisationen, teils als Welirhelfer, 
teils als Wehnnachtsgefolge beteiligt: Die HJ, Der Reichsarbeitsdienst, Die 
Mot. Sportschulen der SA, die Organisation Todt, die Feuerschutzpolizei, die 
Technische Nothilfe, die mobilen Polizeitruppen, die Rcichsverteid. Kommis- 
sare, die Wehrwirtschaftsfuhrer. 

85 s. hierzu die Aufzeichnungen des Generalobersten Heinrici, mitgeteilt 
von General Fòrtsch in seinem Buche »Schuld und Verhàngnis« S. 57. Da- 
nach hat der Reichskriegsminister v. Blomberg nach dem 30. Juni erklàrt, 
die SS erhalte Waffen im Rahmen einer Division. 

36 So z. B. in der zweiten Màrzhàlfte des Jahres 1938 nach dem Òster- 
reich-Einmarsch in einem Kamingespràch zu seiner nàchsten milit. Umge- 
bung, bei dem sein persònlicher Adjutant Schulze-Kossens und der Heeres- 
Adjutant Engel zuhòrten. 


davon gesprochen, dal.ì »starke Vòlker und starke Regiemngen 
sich stets eine Garde geschaffen hàtten, auf die sie sich hàtten be- 
dingugnslos verlassen kònnen. Die napoleonische und die preu- 
Bische Garde seien hierin beispielhaft und nicht nur ihren Monar- 
chen treu ergeben, sondern auch die Eckpfeiler ihrer Schlachten 
gewesen.« 

Wie sehr diese Ansicht damals auch in den Kreisen des Heeres 
diskutiert wurde, zeigt ein etwas unvermitteltes Gespràch, das 
der Reichskriegsminister v. Blomberg gelegentlich einer Ubersetz- 
iibung von Ausbildungsschulen des Chefs AW im September 
1934 bei Polle a.d. Weser in einem kleinen Kreise begann 87 , in 
dem er sich bei einer Unterhaltung iiber die zukunftigen Aufstel- 
lungen gegen eine Garde aussprach. Mit ihr - so fiihrte er im 
Plaudertone aus - errege man nur MiBvergniigen in den Rei- 
hen der Linie. 

Ein nunmehr so festgefiigtes Staatsgebilde, wie das neue 
Deutschland bediirfe neben der vorhandenen starken Polizei und 
einer grofien Armee keines besonderen Schutzes nach innen mehr 
und nach aufien sei eine Garde genau so iiberfliissig, da sie dem 
Verschleifi des Krieges noch schneller ausgesetzt sei, als normale 
Kontingente, zumal sie mit gròfierem Ehrgeiz und stàrkerer 
Einsatzbereitschaft in den Kampf zu gehen pflege. Unter solchen 
Umstànden sei er nach sorgfàltiger Prùfung des Problems zu der 
Ansicht gekommen, es sei besser, die Elite der Wehijugend nicht 
in besonderen Verbànden zusammenzufassen, sondern sie auf die 
normalen Kontingente aufzuteilen und dort fur Unterfiihrerstel- 
len vorzusehen. Damals kam niemand aus dem Zuhòrerkreise 
auf den Gedanken, dafi diese Worte an die Adresse des anwesen- 
den Heinrich Himmler gerichtet sein kònnten, dessen vorgesehe- 
ner Wehrauftrag noch unbekannt war. Am 24. September 1934 

37 Dic Unterhaltung fand in Bad Pyrmont statt. Der Verfasser nahm 
daran teil. 


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55 



erging dennoch ein Befehl des Reichskriegsministers, der nachfol- 
gende, im Wortlaut gekiirzte Fassung trug 38 : 

»Nach der gmndsàtzlichen Entscheidung des Fiihrers und 
Reichskanzlers bildet die SS eine bewaffnete, stehende Verfli- 
gungstmppe in Stàrke von drei Regimentern, einer Nachrichten- 
abteilung und einem Pionierbataillon. 

Die Verfligungstmppe untersteht dem Reichsflihrer der SS. 
Ein organisatorischer Zusammenhang mit der Wehrmacht besteht 
im Frieden nicht. 

Fiir den Kriegsfall wird bestimmt: Die SS Verfìigungstmppe 
steht der Wehrmacht zur Verfligung. In welcher Form sie in die- 
se einzugliedern ist, kann erst im A-Falle auf Gmnd der inner- 
politischen Verhàltnisse und der erreichten militàrischen Verwen- 
dungsfàhigkeit ihrer Regimenter bzw. Bataillone entschieden 
werden. 

Die SS-Verfligungstruppe wird im Frieden nach den Wei- 
sungen des Reichskriegsministers auf ihre Kriegsaufgaben vorbe- 
reitet. 

Fiir die Vorbereitung dieser militàrischen Verwendung unter- 
steht die SS Verfùgungstruppe dem Reichskriegsminister.« 

Schon in der Fassung dieser Weisung spiegelt sich die Skepsis 
wider, mit der das federflihrende Reichskriegsministerium diese 
Anordnung begleitet hat, wie man es sich auch gut vorstellen 
kann, dal.ì der am 2. Februar 1935 vom Fiihrer und Reichskanz- 
ler ergangene Zusatzbefehl, wonach der Reichskriegsminister die 
Anordnungen flir die personelle und materielle Ausstattung der 
VT zu erlassen habe 39 , in dem gleichen Kreise Befriedigung aus- 
gelòst und aufgetretene Beflirchtungen iiber einen Eigengang der 
neuen Tmppe zerstreut haben mag. Umso gròBer mul.i aber die 
Uberraschung gewesen sein, als Hitler ohne vorherige dienstliche 

38 Nach den von Dr. Klietmann, Berlin-Charlottenburg, Leibnitzstr. 48, 
aufgezeichneten Auszugen aus dem Aktenmaterial des Rcichskriegsmini- 
sterium's. 

39 s. Anhang Dokumentation Gruppe C »Gesetze und Verordnungen«. 


Orientiemng des Reichskriegsministeriums 40 am 16.3.1935 
dem Volkstrauertag - vor der Deutschen- und der Weltòffent- 
lichkeit die Wehrfesseln des Versailler Vertrages mit der Erklà- 
mng zerbrach: 

»Das Deutsche Heer umfafit 36 Divisionen, damnter 1 Divi- 
sion SS-Verfligungstmppe«. 

Hermann Fòrtsch erklàrt dazu, dafi »die Leichtfertigkeit, mit 
der Hitler den Entschlufi zur plòtzlichen Durchflihmng des lang- 
gehegten Planes gefafit habe, weder den militàrischen Stellen 
noch etwa der Masse des Volkes ganz bewufit geworden war. 
Blomberg, zunàchst gar nicht gefragt, hatte grofie aufienpolitische 
Bedenken. Reichenau erfuhr erst am Tage vor dem 16. Màrz von 
der Absicht. Er hatte zwar mehr Divisionen vorgeschlagen als 
die Heeresleitung, war aber dann unangenehm ùberrascht, als 
er die noch hòhere Zahl Hitlers verkiindet sah.« 

Uber den Inhalt dieser Erklàmng ist nach dem Kriege viel 
gestritten worden. Es gibt jedoch daflir einen unvoreingenomme- 
nen Kronzeugen, den englischen Aufienminister Lord Simon, der 
wenige Wochen spàter vor dem englischen Unterhause sprach 
und in seiner Rede Hitlers Rùstungswiinsche wie folgt erlàuterte: 
»Hitlers Riistungswùnsche belaufen sich auf 35 Divisionen und 
1 Division militarisierter Polizei und SS 41 .« 

In der zeitgeschichtlichen Berichterstattung ist die Behaup- 
tung aufgetaucht, die SS sei eigenmàchtig zur Aufstellung der 
SS-Verf.-Tmppe geschritten. Demgegeniiber kann es gar keinen 
Zweifel geben, dafi die Aufstellung der SS-Verf.-Tmppe im 

40 s. Hermann Fòrtsch. »Schuld und Verhangnis« S. 69. 

41 s. Erich Kordt, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Athen: 
»Wahn und Wirklichkeit« S. 67. und Wolf Keilig, Oberst i. G. des Bundes 
Vert.-Minist. »Das deutschc Heer 1939—1945 S. 141. 

42 Walter Gòrlitz behauptet auf S. 420 seines Buches »Dcr Dcutsche 
Generalstab«: »Die SS sei eigenmàchtig zur Aufstellung gescliritten. Himm- 
ler's Ziel sei der Ausbau der SS zum Waffentràger der Revolution des 20. 
Jahrhunderts gewesen«. Diese Behauptungen sind teils objektiv falsch, teils 
leere Kombinationen. 


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Rahmen der bewaffneten Macht auf die ausschliefiliche Initiative 
Hitlers zuruckzuflihren ist. Wer das Verhàltnis zwischen Hitler 
und Himmler auch nur einigermafien iibersehen kann, weifi, dafi 
Himmler immer nur ein ausfiihrendes Organ Hitlers gewesen 
ist und selbst in den kleinsten Dingen dessen Einverstàndnis ein- 
geholt hat. Ebenso unrichtig ist es, dafi die Griindung dieser 
Trnppe etwa der Ausdruck der Dankbarkeit Hitlers an die SS 
fiir deren zuverlàssige Haltung in seinem Konflikt mit der SA 
gewesen sei. Solche Gefiihle lagen Hitler durchaus fern. In den 
grofien staatspolitischen oder gar in Welufragen liefi er sich nur 
von seinen eigenen Uberzeugungen leiten und dachte gar nicht 
daran, seinen Polizeichef dabei zu Rate zu ziehen. 

Wenn er Himmler dennoch mit der Aufstellung und Orga- 
nisation dieser Tmppe beauftragt hat, dann tat er dies nur unter 
Einschaltung wesentlicher Sichemngen, indem er sich selbst die 
letzte Entscheidung vorbehielt und seine Kommandorechte nur 
delegierte, aber das Kriegsministerium mit der Dienstaufsicht 
iiber Aufstellung und Ausbildung iibertmg und von diesem - 
nicht etwa von Himmler (!) - terminmàfiige Berichte iiber den 
militàrischen Leistungsstand der Verfiigungstmppe verlangte. 

Mit der Einschaltung Himmlers in eine solche Wehraufgabe 
hat er wohl die Uberzeugung verbunden, dafi seine Intentionen 
von diesem peinlich genau ausgefuhrt werden wiirden. Zudem 
wollte er »dieser Truppe ein Eigenleben garantieren, das sicher- 
lich nicht gewàhrleistet gewesen wàre, hàtte er sie dem Heere 
angegliedert. Er wollte die Trennung, um keinen militàrischen 
Schematismus in ihr aufkommen zu lassen, weil er den Geist der 
Reichswehr genau studiert hatte und mit der darin zum Ausdmck 
kommenden Erziehungsarbeit nicht zufrieden war 43 «. In der SS 
sah Hitler hingegen eine Organisation, deren Ausleseprinzip 
er bejahte. Als Katholik hatte er immer die innere Geschlossen- 

43 Wòrtliche Erklàrung des militàr. Adjutanten Hitlers, Schulze-Kossens, 
nach Rùcksprache mit seinem Nachfolger, Oberstleutnant der WSS a. D. 
Giinsche imd dem damaligen Heeresadjutanten, Generalleutnant a. D. Engel. 


heit der Kirche bewundert und in ihr den Jesuitenorden in man- 
cherlei Hinsicht als Vorbild fiir eine zielbewufite Geistesarbeit 
betrachtet. Er flihrte dessen Erfolge auf seine Jahrhunderte hin- 
durch betriebene Menschenauslese und die geùbte geistige Zucht 
zuriick und hoffte, àhnliche Leistungen bei einer parteilichen Elite 
zu erreichen, die er in der Allgemeinen SS erblickte. In Himmler 
schàtzte Hitler einen treuen Gefolgsmann, der sich am 30. Juli 
als eine zuverlàssige Stiitze erwiesen hatte. 

Wie er, so kam auch Himmler aus der katholischen Welt. Er 
war in einem konservativen und streng glàubigen Elternhause 
aufgewachsen und in scharfer, vàterlicher Zucht grofi geworden. 
Dennoch sagte er sich spàter von dem Geist des Elternhauses los 
und schlofi sich nach 1918 einer vòlkischen, nationalistischen Ju- 
gendorganisation an, den Artamanen, deren romantisch ver- 
schwommene Ideen von Rasse, Blut und Boden er tief in sich 
aufnahm. 

Spàter trat er zu einem Wehrverband, der »Reichskriegs- 
flagge«, ùber, der vorwiegend in Miinchen tàtig war und das 
Sammelbecken fur eine Anzahl jiingerer Frontoffiziere bildete, 
die verschworene Gegner der Republik waren. In ihren Reihen 
lernte er Ròhm kennen und traf dort gelegentlich auch Hitler. 

Es mag sein, dafi er schon damals von den Gedankengàngen 
Hitlers und dem Idol der katholischen Orden fasziniert gewesen 
ist. Jedenfalls verbohrte er sich mit dem ihm eigenen Fanatismus 
in diese Ideen und suchte in der katholischen Welt nach einem 
Organisationsvorbilde militanter Art, das er im Deutschen Rit- 
terorden zu finden glaubte. Seitdem war er bemiiht, dessen We- 
sen und Ordensgesetze zu studieren und hat spàter versucht, sie 
zur Grundlage einer kleinen Parteiorganisation - der Schutz- 
staffel - zu machen, die damals in der SA eine wenig bedeu- 
tende Rolle spielte. Neben ausgesprochenen Landsknechtsnaturen 
hat er darin auch mancherlei Schwarmgeister um sich versammelt, 
die von seinen Gedanken ebenso erfùllt waren, wie er selbst. 

Man mòge es sich vorstellen, was aus einer solchen Schwàrme- 
rei jugendlicher Nationalisten damals herauskommen konnte, 


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59 



bedenkt man, dafi Himmler bei der Machtiibernahme im Jahie 
1933 gerade erst 31 Jahre alt gewesen ist. Gewifi hat er sich be- 
miiht, seine kleine Parteiformation in Ordnung zu halten. Aber 
von der ihm vorschwebenden Ordensgemeinschaft hatte er 
weder frùher noch spater klare Vorstellungen und blieb darin in 
romantischen unwirklichen Gedankengangen stecken. 

So iibersah Himmler vòllig, dafi die kirchlichen Orden nur 
auf der Gmndlage einer klòsterlichen Abgeschiedenheit von der 
profanen Welt, in standigen geistigen Exerzitien gedeihen konn- 
ten und nicht nur eine harte Zucht, sondern die missionarische 
Aufgabe der Christianisiemng der heidnischen Welt, das vòl- 
lige Aufgehen in dieser sakularen Sendung und den Verzicht auf 
jedes andere Lebensinteresse zur Voraussetzung gehabt haben. 
Eine solche Gemeinschaft konnte auch nur erfolgreich wirken, 
wenn sie von geistig souveranen und in aristokratischer Selbst- 
zucht lebenden Persònlichkeiten geleitet wurde, iiber die diese 
Orden in reicher Fiille verfligten, die aber eine Parteiorganisa- 
tion naturgemafi niemals besitzen konnte. 

Entgegen den starren Ordensregeln und Riten der ritterli- 
chen Mònchsorden jener Zeit hatte der Deutsche Ritterorden 
nach seiner Beauftragung durch Kurie und Krone mit der Er- 
oberung des Landes Preufiens, dessen Christianisiemng und Ko- 
lonisiemng erst seine besondere Pragung erfahren. Seine vielsei- 
tigen Aufgaben zogen nicht nur Ritter, sondern auch viele ande- 
re, tatendurstige und unternehmungsfreudige Manner aus dem 
Reich - aber auch aus seinen westlichen Nachbarlandern - mag- 
netisch an und gaben dem Orden ein hòchst vielfàltiges und da- 
mit lebendigeres, geistiges und organisatorisches Gepràge. 

Ob Ritter oder Priesterbriider, Verwaltungsorgane oder Fach- 
kràfte, sie unterstanden zwar alle - wenn auch in einer verschie- 
denartigen Klassifiziemng und soziologischen Eingliedemng - 
den Ordensgesetzen und der Oberhoheit des Ordenskapitels. Doch 
waren sie schon durch ihre sehr verschiedenartigen Aufgaben we- 
sentlich freier als die Mònchsritter der iibrigen Orden. Befehl und 
Gehorsam waren zwar auch bei ihnen die Gmndlagen ihres tàg- 


lichen Lebens. Doch Fùhrung, Mitbestimmung und Mitverantwor- 
tung gehòrten auch dazu und gaben den Ordensgliedern einen 
weiten Spielraum flir ihre besonderen Arbeiten. 

So war auch der Staat, der in dem Ordensland Preussen 
entstand, eines der seltsamsten und grofiartigsten Gebilde seiner 
Zeit. Er war kirchlich und weltlich, ritterlich und biirgerlich, 
deutsch und europàisch zugleich. Er war von so starker Lebens- 
kraft, dafi er manche seiner Konturen noch lange Zeit hindurch 
auf seinen weltlichen Nachfolgestaat und dessen Verwaltung 
vererbt hat. Aber er war genau so, wie die Organisation des Or- 
dens, der ihn tmg, das Ergebnis der Zeit, in der er lebendig war 
und erlosch, als seine Aufgaben erflillt waren. 

Eine solche Kopie auf eine andere Zeit iibertragen zu wol- 
len oder sie auf die geistigen und soziologischen Verhàltnisse 
einer Massengesellschaft aufzupfropfen, hàtte sich von selbst ver- 
bieten miissen. 

Damm nimmt sich auch Himmlers Absicht, jene Ordensre- 
geln und das ganze ideologische und organisatorische Geflige auf 
einen willkùrlich zusammengesetzten Wehrverband, der zudem 
nur in gàrenden Zeiten denkbar war, iibertragen zu wollen, selt- 
sam geschichtslos und ebenso geistlos wie blutleer aus. Auf den 
kritischen Betrachter mufite sie umso iiberheblicher, ja geradezu 
naiv wirken, wenn ein Mann vom geistigen und persònlichen 
Format Himmlers sich an eine solche Aufgabe heranzuwagen be- 
absichtigte. Denn dieser Mann war weder eine grofie Persònlich- 
keit noch ein Idol, das Begeistemng zu wecken vermochte. Er 
schwankte stàndig zwischen einer verschwommenen Romantik 
und einem falschen Realismus hin und her, zwischen Weichheit 
und Hàrte, zwischen penibler Gewissenhaftigkeit und leichtferti- 
gen Affekthandlungen, zwischen Unterwiirfigkeit gegeniiber ei- 
nem stàrkeren Willen und mafiloser Uberheblichkeit, ein Mann 
voller Undurchsichtigkeit und Labilitàt, dessen wesentlichste Ei- 
genschaften das Mifitrauen und die Scheu vor einem aufrechten 
Wesen waren. Zudem noch ein Mensch, der sich selbst so beliigen 
konnte, dafi er fest daran glaubte, was ihm eine schmeichlerische 


60 


61 



Umgebung vorgaukelte, namlich, er sei von der Vorsehung zu der 
sàkularen Aufgabe bemfen, einen neuen Adel zu schaffen. 

Tatsàchlich ist Himmler iiber primitive Vorstellungen von 
dem Weg zu einem solchen phantasievollen Ziel niemals hinaus- 
gekommen. Im Endeffekt mufite er mit der »Ordensidee« der SS 
schon deshalb scheitern, weil der moderne Lebensrhythmus ei- 
ner solchen Idee gar keine Mòglichkeiten zur Entwicklung und 
Ausflihmng lassen konnte. So hatten diese Plàne keine reelle 
Chance der Verwirklichung. Damm ist die Allgemeine SS 
auch niemals iiber den Rahmen einer iiblichen, mitunter nur 
etwas iiberheblicheren und anspruchsvolleren Parteigliedemng 
hinausgewachsen, obwohl es Himmler damit erreichte, diese fur 
Kreise des GroBbiirgertums attraktiv zu machen. Es gab in de- 
ren Reihen Menschen genug, die danach strebten, zur Hebung 
ihres sozialen Prestiges in die Allgemeine SS aufgenommen zu 
werden. Selbst Hitler schlofi daraus auf eine hohe, gestaltende 
Begabung Himmlers. Er irrte jedoch gànzlich, wenn er daraus 
schloB, Himmler sei auch fur die Schaffung einer Gardetmppe 
- wie sie ihm urspmnglich in der Verfligungstmppe vorge- 
schwebt zu haben scheint - besonders geeignet. Vielmehr bedeu- 
tete dieser Mann flir eine junge Tmppe von vorneherein eine 
starke tatsàchliche und psychologische Belastung, an der die VT 
und die spàtere Waffen-SS in der ganzen Zeit ihres Bestehens 
und darùber hinaus bis zur Gegenwart zu tragen hatten. 

In seiner Uberheblichkeit, mit jeder Aufgabe fertig werden 
zu kònnen, ahnte Himmler nicht, daB er sich mit dieser eine Biir- 
de auferlegt hatte, die er nach Vorbildung und Charakter nie- 
mals tragen konnte. Deshalb konnte es nicht ausbleiben, daB er 
sehr bald in einen stàndigen, hintergmndigen Konflikt mit der 
sehr bald klare Eigenkonturen gewinnenden Trnppe hineingeriet, 
den er nur durch ein geschicktes Eingehen auf ihr Eigenleben, 
starke Zurùckhaltung in der Ausiibung von Befehlsbefugnissen 
und die Bereitwilligkeit, auf deren schòpferische Ideen einzuge- 
hen, vermieden hat. 

Diese Einstellung half ihm auch iiber manche peinliche Situ- 


ation hinweg, denen er mehr als einmal begegnete, wenn er z. B. 
mit seinen naiven, soldatischen Anregungen auf die Verstàndnis- 
losigkeit ihrer Offiziere stieB oder vor der Front der Trnppe 
spiirte, wie wenig Resonanz er bei ihr fand und bei Reden und 
Ansprachen an seinen soldatischen Zuhòrern offensichtlich vor- 
beiredete. 

Mehr als einmal war Himmler im Begriff, seine Aufgabe an 
Hitler zurùckzugeben und diesen um einen militàrischen Nach- 
folger zu bitten. Doch hat er es niemals fertig bekommen, Hitler 
sein offenkundiges Versagen einzugestehen. So lieB er die Dinge 
einfach treiben und begniigte sich mit gelegentlichen Tmppenbe- 
suchen, verzichtete schlieBlich aber mehr und mehr auf eine Ein- 
wirkung auf die SS-VT, die auch bei ihrem Inspekteur, dem Ge- 
neralleutnant Hausser, in besseren Hànden war 44 . Immerhin un- 
terlieB Himmler es wenigstens, die entstehende Tmppe mit sei- 
ner vielgegliederten Gesamt-SS gleichzuschalten, so gern er dieses 
wohl auch getan hàtte. Er wuBte, daB er mit einem solchen Ex- 
periment jedes gesunde, soldatisches Wachstum erstickt und die 
erst keimende Pflanze ihres jungen Soldatentums zum Verdorren 
gebracht hàtte. 

Ebenso klar hatte Himmler begriffen und es mehr als einmal 
den hòheren Offizieren des Heeres bei Zusammenkùnften er- 
klàrt, daB Polizeiaufgaben und folglich auch die Polizei mit dem 
Soldatentum nichts zu tun hàtten; denn der Polizist habe sich 
immer nur mit den Schattenseiten des Volkslebens auseinander- 
zusetzen, wàhrend der Soldat dem ganzen Volke zu dienen 
hàtte. 

Aber Himmler fehlte der Mut dazu, trotz solcher Einsichten 
auf die ihm einmal zugefallene, militàrische Aufgabe zu verzich- 
ten, obwohl er beflirchtete, daB sich jede der von ihm kontrol- 
lierten, hòchstverschiedenartigen Institutionen nach dem Gesetz 
der Fliehkraft in einer anderen Richtung entwickeln wiirde. Des- 

44 Felix Kersten, Himmlers Busenfreund, schreibt in seinem Buch 
»Totenkopf und Treue« S. 394. »Himmler wàre gem Oberbefehlshaber der 
W-SS geworden« und S. 398 »Himmler hatte Angst vor Hitlera. 


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63 



wegen hat er sich bemiiht, die VT und die spàtere Waffen- 
SS von seinen polizeilichen Einrichtungen sorgfàltig zu trennen 
und seine polizeiliche Aufgabe von der soldatischen klar abzu- 
sondern. 

Zu seinem Freunde und àrztlichen Betreuer, dem finnischen 
Medizinalrat Felix Kersten hat er einmal gesagt, dafi er auf 
eine solche Trennung den allergròfiten Wert legen miisse, woriiber 
Kersten in seinem, auch von der zeitgeschichtlichen Forschung als 
Beweismaterial anerkannten Buch »Totenkopf und Treue« be- 
richtet 45 . 

Dennoch hat Himmler sowohl aus einem verschwommenen 
Traditionsbegriff als auch aus einer beinahe hysterischen Sorge 
vor einer mòglichen Uberheblichkeit des Soldatentums iiber die 
vielen SS- und Parteigliederungen heraus entscheidend dazu bei- 
getragen, dafi diese Trennung der Òffentlichkeit lange Zeit ver- 
borgen geblieben ist. Die Àhnlichkeit der Uniformen und der 
Dienstgrade mufite Verwechslungen ohnehin leicht Vorschub lei- 
sten. 

Durch die Verleihung von zusàtzlichen SS-Dienstgraden an 
die Angehòrigen der Deutschen Polizei wurden solche Mòglich- 
keiten noch vermehrt. Sie haben schliefilich zu einem heillosen Be- 
griffswirrwar geflihrt, der bis heute - trotz inzwischen erfolg- 
ter Klarstellung - erhalten geblieben ist. Das ist kaum verwun- 
derlich. Hat es Himmler doch stets zu vermeiden gewufit, der 
Waffen-SS klare militàrische Dienstgradbezeichnungen zuzubilli- 
gen. Immer wenn diese Forderung an ihn gestellt wurde, ant- 
wortete er stereotyp: »Die Marine bezeichnet ihre Hauptleute ja 
auch als Kapitànleutnants! Warum sollen wir nicht àhnlich ver- 
fahren?« 

Hinweise auf die internationalen Normen militàrischer 
Dienstbezeichnungen nahm er einfach nicht zur Kenntnis, so 
dafi schliefilich innerhalb der Waffen-SS mancherlei ebenso ko- 
mische wie makabre Fàlle nicht ausbleiben konnten. So war es 

45 s. Felix Kersten »Totenkopf und Treue«, Aufzeichnungen aus Shito- 
mirv. 8.42, S. 311. 


64 



Rohms milizionàre SA 1933 


General d. Pz.Tr., Guderian. 

Er verlrat eine dynamische Krieg- 
liihrung und hal hierlùr die 
deulsche Panzerlruppe ge- 
schallen. 












Generalfeldmarschall Walter Reichenau, stàrksler Gegenspieler Ròhms 
in den Fragen des Aulbaus eines neuen Heeres. 


beispielsweise mòglich, dafi ein SS-Brigadeflihrer der Allgemei- 
nen SS mit seinem erworbenen Welirdienstgrad etwa als Unter- 
offizier in der Waffen-SS diente oder gar ein hoher Dienstgrad 
der Allgemeinen SS, der in seinen Wehrdienstgrad Feldwebel, al- 
so SS-Oberscharfiihrer der Waffen-SS und in seinem Zivilberuf 
Diplom-Ingenieur war, als »Technischer Sonderfùhrer« mit dem 
Dienstgrad eines Hauptmanns in der Waffen-SS Verwendung 
fand, also gleich drei verschiedenartige Dienstgradbezeichnungen 
unter dem Sammelbegriff »SS« haben konnte. DaB sich aus einer 
solchen Verworrenheit auch mancherlei Begriffsverwin'ungen und 
psychologische Erschwernisse ergeben mufiten, die manchmal 
nur noch durch das Mittel der militarischen Disziplin ùberwunden 
werden konnten, liegt auf der Hand. 

Mit falschen Rùcksichtnahmen auf die Eitelkeiten anderer 
und sturer Àngstlichkeit vor der soldatischen Geschlossenheit hat 
Himmler der spàteren Kollektivbezeichnung »SS« und der sich 
daraus ergebenden Kollektivbezichtigungen jedenfalls leichtfer- 
tig und gewissenlos Vorschub geleistet. Die Leidtragenden sind 
die an den Verbrechen mancher Sondersparten vòllig unbeteilig- 
ten und diesen nicht weniger wie das Heer fernstehenden Solda- 
ten der Waffen-SS. 

Schon mit Beginn seiner Tàtigkeit als Beauftragter Hitlers 
fùr die Aufstellung der SS-VT lieB es Himmler an der nòtigen 
Zivilcourage gegenùber der Heeresleitung fehlen. Gcwif.ì schuf 
er im Einvernehmen mit dieser die nòtigen gesetzlichen Grundla- 
gen fùr die soldatische Arbeit der jungen Truppe. Die Wehr- 
und Dienstgesetze, alle Wehrverordnungen und das Militàrstraf- 
gesetzbuch bildeten die staatsrechtliche Grundlage fùr ihren Wehr- 
status, wie fùr die ùbrigen Teile der Deutschen Streitkràfte 
auch 46 . Fùr sie galten die gleichen Dienstzeitverpflichtungen 
und -vertràge mit dem Deutschen Reich als Vertragspartner, 
wie bei der Reichswehr und dem national-sozialistischen Volks- 
heer. Die VT und die spàtere Waffen-SS unterlagen auch den 


46 siehe Teil IV Dokumentation, Abs. D u. E. 


65 






gleichen Versorgungs- und Besoldungsbestimmungen wie ihre Ka- 
meraden des Heeres. Andererseits hat es Himmler nicht gewagt, 
ihre haushaltsmàfiige Eingliedemng in den Friedensetat des Hee- 
res zu fordern, obwohl dieses selbst bei Besetzung von Planstel- 
len und allen Geldfragen ein Mitbestimmungsrecht besafi. Statt- 
dessen brachte er sie aus Bequemlichkeitsgmnden einfach im 
Haushalt des Innenministeriums unter, so dafi dieses im Frie- 
den federflihrend fùr alle finanziellen, verwaltungsmàfiigen und 
rechnerischen Belange der VT wurde 47 . 

Zwar hat es solche Fàlle auch schon in der Monarchie gege- 
ben und die bei der VT getroffene Regelung war keinesfalls 
ein Novum in der deutschen Heeresgeschichte. So unterstand 
z. B. die Kaiserlich-deutsche Schutztmppe trotz ihrer Zugehòrig- 
keit zu den deutschen Streitkràften einem zivilen Ministerium, 
dem damaligen Reichskolonialamt, in dem ein »Kommando der 
Schutztruppe« bestand. Dort war diese Regelung jedoch orga- 
nisch bedingt, hier aber lediglich die Folge des Bestrebens, 
Kompetenzschwierigkeiten mit dem Oberkommando des Heeres 
tunlichst aus dem Wege zu gehen. 

Es ist nicht ohne Interesse festzustellen, dafi auch in der 
Bundesrepublik ein àhnlicher Dualismus zwischen Bundeswehr 
und dem Bundesgrenzschutz, der dem Innen-Ministerium unter- 
steht, aufzukeimen scheint. Zwar wird auch im Bundesgrenz- 
schutz die allgemeine Wehrpflicht erflillt. Zwar nimmt auch er 
an den Manòvern der Bundeswehi' als gleichberechtigter, mili- 
tàrischer Partner teil. Nach den Bestimmungen sind seine Ange- 
hòrigen aber keine Soldaten und stehen in keinem dienstlichen 
Verhàltnis zur Bundeswehr. Auch hier werden also Unklarhei- 
ten sichtbar, die hoffentlich nicht zu schlechten Folgen flihren 
mògen, die heute die Angehòrigen der VT erleben miissen. 

Derartige Zwielichtigkeiten waren damals nur zu leicht da- 
zu angetan, die Stellung der jungen Tmppe im deutschen Wehr- 
gefiige unnòtig zu erschweren. Sie haben zu dem haltlosen Ge- 

47 Mit Kriegsbeginn wurde die Waffen-SS im Kriegsetat verrechnet. 


nicht Anlafi gegeben, die SS-VT solle ein politisches Gegenge- 
wicht gegen das Heer bilden und ihm gegeniiber den besonde- 
ren Schutz der Person des Staatsoberhauptes verbiirgen. Solche 
Behauptungen waren schon im Gmndsatz widersinnig. Denn 
wenn das 1935 entstandene starke Heer und die nicht minder 
starke Polizei dies nicht konnten, wàre es einer kleinen Tmppe 
von dem Umfang der SS-Verfìigungstruppe erst recht nicht 
mòglich gewesen! 

Dagegen sprachen allein schon die beiderseitigen Stàrkever- 
hàltnisse. Die preufiische Garde war z. B. ein ganzes Armeekorps 
und eine Kavalleriedivision stark. Sie war in ihrem Personalbe- 
stande iiberkomplett und garnisonierte mit allen Einheiten ent- 
weder in der Reichshauptstadt Berlin oder in deren unmittelba- 
ren Nachbarschaft, Potsdam und Spandau. Die Garde war also 
ein echter Schutz des Thrones und ein starker Sicherheitsfaktor 
flir die Monarchie, wie es auch die in den Landeshauptstàdten 
garnisonierenden Gardetmppen der einzelnen Landeskontingente 
gewesen sind. Die VT aber war mit wenigen Bataillonen iiber 
das Reichsgebiet verstreut und schon deshalb kein ernstlicher Si- 
cherheitsfaktor fur die Regiemng. 

Verstàndlicherweise aber mufite die polizeiliche Schliisselstel- 
lung Himmlers auch die VT dem Heer gegenùber »verdàchtig« 
machen, selbst wenn dieses auch genau wufite, dafi sie weder poli- 
zeiliche, noch andere exekutive Aufgaben erhalten sollte. Das 
Heer besafi zudem jeden nur mòglichen Einblick in die Orga- 
nisation, Ausriistung und Ausbildung der VT, ja bestimmte, 
genehmigte und beaufsichtigte diese sogar. 

In welchem Mafie man aber Himmler ebenso mifitraute wie 
ihn mit der VT in einem Atem nannte, zeigte eine Àufiemng 
des Generalobersten v. Fritsch in einer Betrachtung der Lage 
vom 1. Febrnar 1938, worin er schreibt 48 : »Wenn es in der Fol- 
gezeit gelungen ist, mit allen Parteidienststellen zu einem guten, 
vielfach auch vertrauensvollen Verhàltnis zu gelangen, ist dies 

48 s. Hossbach: »Zwischen Wehnnacht und Hitler« S. 69 und 70. 


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mit der SS nicht gelungen. Es mag dies - von unserer Seite aus 
gesehen - wohl daran liegen, dafi es kaum einen hoheren Offi- 
zier geben durfte, der sich nicht von der SS bespitzelt fiihlte. Im- 
mer wieder wird auch bekannt, dafi entgegen den ausdriicklichen 
Weisungen des Stellvertreters des Fiihiers die im Heer dienenden 
SS-Leute Befehl haben, iiber ihie Vorgesetzten zu berichten. 
Leider kommen diese Dinge nur in einer Form zu meiner Kennt- 
nis, dai3 ich ihnen nicht nachgehen kann. 

Schliefilich ist es die VT, die immer weiter ausgebaut 49 , schon 
allein durch ihr Vorhandensein einen Gegensatz zum Heere 
schaffen mufi. Sie ist der lebendige Mifitrauensbeweis gegen das 
Heer und seine Fuhrang. Wenn auch dem Heere ein gewisses 
Recht zur Uberwachung der Ausbildung bei der SS-VT zusteht 50 , 
so entwickelt sich doch diese Trappe vollig abseits und - wie mir 
scheint - im bewufiten Gegensatz zum Heer. Alle Stellen mel- 
den iibereinstimmend, dafi das Verhaltnis der SS-VT zum Heer 
ein sehr kiihles, wenn nicht ablehnendes sei. Man kann sich des 
Eindracks nicht erwehren, dafi die ablehnende Haltung gegen 
das Heer in der SS-VT geradezu gefdrdert wird 51 . Àufierlich 
findet diese Ablehnung ihren Ausdrack darin, dafi hochstselten 
ein SS-Mann einen Offizier griifit 52 «. 

4M Hierin irrt Generaloberst v. Fritsch. Die SS VT hatte damals noch 
nicht einmal die 1935 vorgesehene Starke erreicht. 

50 Die Kommandierenden Generale des Heeres hatten volles und unein- 
geschrànktes Besichtigungs- und Berichtsrecht, kein »gewisses«. 

51 In der ganzen SS-VT bestanden gute und rege, gesellschaftl. Bezie- 
hungen zu den Truppen des Heeres und der Luftwaffe. Mit der Marine 
war sogar ein kameradschaftliches Kartellverhàltnis zwischen einzelnen 
Truppenteilen der VT und schwimmenden Einheiten der KM geschaffen 
worden. 

52 Auch hier irrt der Generaloberst, das Gegenteil ist richtig. Befehlsge- 
màfi prasentierten alle Posten der SSVT vor jedem Offizier des Heeres, der 
Luftwaffe imd der Marine genau so das Gewehr, wie vor den eigenen Vor- 
gesetzten. Im Gegensatz zu dieser Regelimg standen die Posten des Heeres 
vor den Offizieren der VT nur still und reihten diese damit ostentativ und 
auf Befehl in die Rànge der bestehenden Parteigliederangen ein. 


War dieses Mifitrauen im tàglichen Zusammenleben von 
Heer und VT in gleichen Standorten auch nicht erkennbar und 
seitens der VT sicherlich nicht vorhanden, so begannen nach kur- 
zer Zeit bereits Geriichte innerhalb des Heeres zu kursieren, die 
VT nehme dem Heere den Unteroffizierersatz fort 53 , obwohl 
Luftwaffe und Marine einen ungleich hòheren Anteil am Frei- 
willigenkontingent beansprachten und erhielten, als die damals 
noch kleine VT mit ihrem geringen Ersatzbedarf. 

Selbst ein an sich abseits stehender Mann, wie der Feldmar- 
schall Kesselring, der ja zur Luftwaffe gehòrte, macht sich diese 
unbegriindete Behauptung zu eigen, wenn er in seinem Buch 
»Gedanken zum zweiten Weltkrieg« bei der Kritik der deut- 
schen Kriegsorganisation leichthin behauptet 54 : »Gegeniiber die- 
sen Organisationsfehlern wirkte die Aufstellung von SS-Forma- 
tionen, die vor allem vom Heer mit scheelen Augen angese- 
hen wurden, wie die Spielerei eines eigensinnigen Kindes. Ùb- 
rigens eine Spielerei, die wir in jedem Lande unter den verschie- 
densten Fiihrungsverhàltnissen bald als Garde oder als Haus- 
und Leibformationen sehen. Der schwerste Schaden dieser Auf- 
stellung war die Inansprachnahme hochwertiger Menschen fiir un- 
tergeordnete Dienste und damit der Ausfall von Fiihreranwàr- 
tern fiir das Heer.« 

Dafi aber die kleine SS-VT in Stàrke einer Division aus ih- 
ren urspriinglichem Bestànde die Fiihrer - und Unterfiihrer 
stamme fiir volle 38 Divisionen hat stellen miissen, die an den 
Fronten einen hohen Blutzoll entrichteten, wird von dem Feld- 
marschall leider verschwiegen. Argumente jener Art sind selbst 
mit solchen iiberzeugenden Tatsachen allerdings nur schwer aus 
der Welt zu schaffen, wenn sie einmal Wurzel geschlagen haben. 

So kehrt Kesselrings ebenso unberechtigte wie falsche Behaup- 

53 In der spàteren Entwicklung der SS-VT und Ausweitung zur Waffen- 
SS ist jeder Soldat der VT Unterfuhrer und jeder dritte Offizier geworden. 
Gesamtbestand 1938: 500 Offiziere, 1500 Unteroffiziere, 16000 Mann, 

1945; 18 000 Offiziere, 52 000 Unteroffiziere, 600 000 Mann. 

54 Siehe S. 164 des Buches. 


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tung fast in der gesamten militàrischen Nachkriegsliteratur - 
soweit sie aus der Feder von Fleeresoffizieren stammt - immer 
wieder. Zwar kann sie heute durch die spàteren Tatsachen uber- 
zeugend widerlegt werden. Zunàchst aber war sie geeignet, die 
an sich schon vorhandene reine Eifersucht gegenuber der VT und 
der Waffen-SS noch zu schuren. 

Auch herabsetzende ÀuBerungen uber diese Truppe machten 
die Runde. Ihre zahlreichen, von ihr selbst als làstig empfunde- 
nen militàrischen Repràsentationsaufgaben bei allen nur denk- 
baren auBenpolitischen Besuchen und sonstigen Anlàssen festlicher 
Art trugen ihr die teils spottisch, teils neidisch gemeinte Bezeich- 
nung »Asphalt Soldaten« oder »SS-Vergnùgungstmppe« ein. Sol- 
che herabsetzenden Redensarten waren zwar nicht weiter nach- 
teilig, veràrgerten aber die hiergegen wehrlose Tmppe und er- 
zeugten ùberflùssige Spannungen, die nur durch eine vorbildliche, 
dienstliche und auBerdienstliche Haltung pariert werden konn- 
ten. 

Sachlich denkende Offiziere des Heeres erkannten das auch 
freimùtig an. Aber die immer wieder aufflackemde Eifersucht 
namentlich der Heeresspitze, die ihre Ursache in grundsàtzli- 
chen Besorgnissen hatte, konnte selbst damit nicht behoben wer- 
den. 

Auch Hitler war sie nicht verborgen geblieben. Mit einem als 
»Geheime Kommandosache« und nur in drei Exemplaren her- 
ausgegebenen Schreiben vom 17. 8.1938 versuchte er sie aus 
der Welt zu schaffen und die Stellung der SS-VT innerhalb des 
Staates und die Frage der Kommandogewalt erstmalig klarzu- 
stellen 55 . 

Ùber dieses Schreiben Hitlers, das allerdings niemals Gesetz 
geworden ist und die betroffene Truppe niemals erreicht hat, ist 
in der Nachkriegszeit viel gestritten worden. Je nach dem poli- 
tischen Standpunkt des Betrachters hat es jeder nach eigenen Er- 

55 s. IV. Teil. 


messen ausgelegt, ohne die damaligen Zusammenhànge zu be- 
rùcksichtigen. 

Am sachlichsten urteilt hierùber noch das Institut fiir Zeitge- 
schichte durch die Feder seines Sachexperten Hans Buchheim, der 
dazu schreibt 58 : »Diese Anordnung, die an wesentlichen Stellen 
Unklarheiten und Widersprùche aufweist, spottet jeder exakten, 
juristischen Auslegung und kann im Gmnde nur nach politisch- 
taktischen Gesichtspunkten interpretiert und verstàndlich gemacht 
werden.« 

Damit hat Buchheim die Lage vom 17. August 1938 richtig 
gekennzeichnet. Tatsàchlich bestand damals zwischen Hitler und 
dem Generalstabe ein Spannungsverhàltnis, das sich aus der 
schnoden Verabschiedung des Generalobersten v. Fritsch erge- 
ben hatte. DaB dieser - trotz vielfacher Hilfen 57 , die er selbst 
der VT zuteil werden lieB, dennoch innerlich ihr Gegner 
war, wurde schon angedeutet. Hitler glaubte deshalb bei dem 
neuen Oberbefehlshaber des Heeres mit seinem Schreiben bemhi- 
gend zu wirken. Seine Absicht, das vorhandene MiBtrauen inner- 
halb der Heeresleitung damit zu zerstreuen, hatte aber gerade 
die gegenteilige Wirkung. In der Feststellung, daB die VT dem 
Staatsoberhaupt unmittelbar unterstellt sei, sah man damals 
vielmehr eine emeute, unangebrachte Bevorzugung. »Diesem Hee- 
re« so schreibt resignierend General der Inf. Hermann Fòrtsch 58 , 
»dem nunmehr bewiesen war, daB seiner Arbeit der Schwung 
fehlte und daB seine hòchsten Vertreter moralisch angreifbar wa- 
ren, konnte die stàrker werdende Truppe der SS nicht mehr ùber- 
antwortet werden. Am 17. August 1938 erging ein Befehl ùber 
die Sondemnterstellung im MOB-Falle unter Hitler selbst. Der 

56 s. Vierteljahreshefte fìir Zeitgeschichte Aprilheft 1955 Sonderdrude: 
»Die SS in der Verfassung des dritten Reiches« S. 145 und 146. 

57 Nach Mitteilung des Adjutanten Hitlers. Rieh. Schulze-Kossens hat 
der Kommandeur der Leibstandarte Dietrich in der zweiten Màrzhàlfte 1988 
Hitler gemeldet, daB Fritsch ihm beim Aufbau seines Regiments jede Hilfe 
habe zuteil werden lassen. 

58 s. Hermann Fòrtsch »Schuld und Verhàngnis« S. 164. 


70 


71 



4. Wehrmachtsteil der Waffen-SS darf nicht zu Unrecht ihre 
Sonderrechte auf die Auswirkung des 4. Februar 1938 59 zuriick- 
flihren.« 

Welcher Art diese »Sonderrechte« gewesen sein sollen, ver- 
schweigt Fòrtsch allerdings. Die Feldtmppe hat sie nie erfah- 
ren. Und in der Nachkriegszeit diirften die angeblichen Sonder- 
rechte nur in der Behandlung der Waffen-SS als Soldaten und 
Biirger minderen Rechts verstanden werden. 


In der Monarchie hat es den Begriff Wehrmacht nicht gege- 
ben. Der Deutsche Kaiser war der Oberste Kiiegsherr »aller Deut- 
schen Streitkrafte zu Wasser und zu Lande« und als solcher auch 
ihr Oberster Befehlshaber. Die Armee gliederte sich in Landes- 
kontingente, die eigenen Kriegsministerien unterstellt waren. Die 
Marine unterstand als Reichsinstitution dem Reichsmarineamt, 
dessen Staatssekretar die Kommandogewalt iiber alle schwim- 
menden Einheiten und Landstreitkrafte der Marine besaB. Nur 
die Seebataillone nahmen darin eine Sonderstellung ein. Sie durf- 
ten erst auf unmittelbaren Befehl des Obersten Kriegsherrn ein- 
gesetzt werden, standen also zu dessen unmittelbarer Verfiigung. 
tìber die Sonderstellung der Schutztmppe im damaligen deut- 
schen Wehrgefiige ist schon an anderer Stelle berichtet worden. 

Alle diese Truppenteile und Verbande, - gleichgiiltig, wo 
immer sie auch befehlsmaBig unterstellt und haushaltsmaBig ver- 
ankert waren, unterlagen den gleichen Wehrbestimmungen, den 
gleichen Pflichten und Rechten und standen unter dem gleichen 
Militarstrafgesetz. Selbst wenn die einen den Eid auf den Kònig 
von PreuBen, die andern einen Eid auf den eigenen Landesherrn 
und die Marine schlieBlich auf den Deutschen Kaiser geschworen 
hatten, so waren sie nach Staats- und vòlkerrechtlichen Regeln 
alle dennoch Angehòrige der Deutschen Streitkratte. 

59 Am 4. 2. 1938 wurde Generaloberst v. Fritsch aus dem aktiven 
Dienst entlassen. 


In der Weimarer Republik unterstand die Reichswehr der 
Kommandogewalt des Reichspràsidenten, wàhrend die parlamen- 
tarische Vertretung und die gesamte Verwaltung in der Fland des 
parlamentarischen Ministers lag. Obwohl auch die Marine nur 
ein Teil der Reichswehr war, dachte kein Mensch daran, sie so 
zu bezeichnen. Infolgedessen wurden im Volksmunde, ja selbst 
im òffentlichen und publizistischen Sprachgebrauch Reichswehr 
und Reichsheer miteinander identifiziert. 

Àhnlich ging es mit dem Begriff »Wehrmacht«, den Hitler 
erstmalig in der ganzen Deutschen Wehrgeschichte neu gepràgt 
hat. Auch er wurde vom Volk fast immer auf das Fleer allein 
angewendet. Mit der Einfùhrung des Begriffes Wehrmacht hatte 
Hitler aber keineswegs besonderen Machtanspriichen der Streit- 
kràfte auf dem Gebiet des Wehrwesens Raum geben wollen. Viel- 
mehr entsprach er mehr seinem Sprachgefiihl als der abgenutzte 
Begriff Reichswehr und klang auch wuchtiger und markanter. 
Bald zeigte es sich jedoch, daB man in der Reichswehr mit dem 
neuen Begriff auch besondere Vorstellungen iiber die Eigenstàn- 
digkeit im Staate verbinden wollte und eine militàrische Son- 
derstellung anstrebte. 

Schon in der Monarchie hatte sich das Verhàltnis zwischen 
Politik und Kriegfùhrung zu Gunsten der letzteren verschoben. 
Zwar hatten sich noch alle Kriegsminister der Wilhelminischen 
Àra dem Primat der Politik gebeugt und selbst eine so eigenwil- 
lige und souveràne Persònlichkeit wie der langjàhrige General- 
stabschef Graf v. Schlieffen es gmndsàtzlich anerkannt, wenn er 
auch in seinen Bemiihungen um die Sicherheit des Reiches bei der 
Politik nur geringe Unterstiitzung gefunden hatte. 

Im ersten Weltkriege hat dann die politische Fùhrung des 
Reiches freiwillig auf jede Einflufinahme in der Kriegflihrung 
verzichtet und diese ausschlieBlich den flihrenden Soldaten iiber- 
lassen. 

In der Weimarer Republik hatte sich das rechte Verhàltnis 
zwischen Politik und Kriegflihmng nie mehr ausbalanciert. Die 
damaligen Politiker sahen in der kleinen Reichswehi' oftmals ein 


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73 



làstiges Anhàngsel des Staatsgefliges, die Generale in ihr ihre 
ureigenste Domàne. 

Nach Jahren vòlliger Bedeutungslosigkeit hatte die Reichs- 
wehr am Anfang der dreiBiger Jahre mehr und mehr auch poli- 
tisches Gewicht bekommen. Die beiden letzten Wehrminister wa- 
ren schon keine Parlamentarier mehr, sondern Generale, bis sich 
Schleicher in seiner letzten Stellung als Reichskanzler schlieBlich 
vorwiegend auf die Reichswehr stiitzte. 

Damit war auch das politische SelbstbewuBtsein der Reichs- 
wehr gewachsen, zumal sie in dem Feldmarschall v. Hindenburg 
eine starke Stiitze besaB. Es war deshalb gar nicht abwegig, daB 
sie sich auch unter Hitler diese einmal ermngene Sonderstellung 
erhalten wollte. Derartigen Wiinschen hat Hitler mit dem Be- 
griff »Wehrmacht« aber keineswegs Vorschub leisten wollen. Ge- 
rade er hatte niemals einen Zweifel dariiber gelassen, daB er in 
der Politik den allein ausschlaggebenden Faktor seiner ganzen 
Staatsfiihrung sehen wiirde und sich deshalb auch einen entschei- 
denden EinfluB auf die Wehrpolitik zu sichern wiinschte. 

Demgegeniiber hatten die fiihrenden Generale geglaubt, Wehr- 
politik miisse in erster Linie Sache der Wehrmacht bleiben. Der 
leitende Staatsmann habe sich erst in zweiter Linie mit ihr zu 
befassen. Die Anspriiche gingen so weit, daB der Generalstab des 
Heeres dem Oberkommando der Wehrmacht, also dem Organ 
Hitlers als Staatsoberhaupt und Obersten Befehlshaber, sogar 
das Mitspracherecht bei strategischen Entscheidungen streitig ge- 
macht hat und bestrebt gewesen ist, das OKW aus der planenden 
Vorbereitungsarbeit flir den Kriegsfall auszuschalten und ihm 
das vom Generalstabe hieriiber erarbeitete Gedankengut vorzu- 
enthalten. 

Jahrelang wurde zwischen dem Generalstab des Heeres und 
dem Oberkommando der Wehrmacht dariiber erbittert gemn- 
gen. Der Kampf nahm zeitweilig solche Formen an, daB Gene- 
ral der Art. Beck als Generalstabschef des Heeres seinen Offizie- 
ren den dienstlichen Verkehr mit dem OKW kurzerhand verbot 60 . 

60 s. Peter Bor »Gesprache mit Halder« S. 77. 


Nur aus diesem ungliicklichen Dualismus heraus sind auch 
die stàndigen Kàmpfe um die SS-VT und alle Spiegelfechtereien 
und Winkelziige Hitlers und der Heeresleitung zu begreifen, die 
sich um die VT hemm abgespielt haben. Letzten Endes bestrit- 
ten die fiihrenden Generale des Heeres damit dem fiihrenden 
Staatsmann und Staatsoberhaupt gmndsàtzlich das Recht zu ei- 
genen, wehrorganisatorischen Entscheidungen. 

Dariiber hinaus hatten sie erkannt, daB Hitler mit der Griin- 
dung einer gleichberechtigten Gmppe, die neben dem Heer, der 
Kriegsmarine und Luftwaffe bestand, das von der Heeresfiihrung 
allein beanspruchte Wehrmonopol durchbrochen und damit die 
Wehrmacht selbst zu einem Teil - wenn auch zu dem Haupt- 
bestandteil - der Deutschen Streitkràfte gemacht hatte. Denn 
nach Aufgabenstellung, Organisation, wehrrechtlichen und wehr- 
strafrechtlichen Gmndlagen, sowie den internationalen Wehr- 
rechtsbestimmungen war die SS-VT der andere Teil derselben 
geworden und ist als solche von allen Militàrmàchten internatio- 
nal und ohne jede Einschrànkung anerkannt worden. 

Damit war und ist jedenfalls jeder Streit um ihre Eingliede- 
rung, Unterstellung oder gar Zugehòrigkeit unter die »Wehr- 
macht« miiBig. Denn sie gehòrte nach Recht und Gesetz in das 
deutsche Wehrgefiige genau so hinein, wie die anderen Streit- 
kràfte auch und unterstand wie sie dem gleichen Obersten Be- 
fehlshaber. 

Nach der am 1. September 1939 erfolgten Mobilmachung der 
Deutschen Streitkràfte ist die Diskussion hieriiber umso unver- 
stàndlicher, als von diesem Augenblick an diese Tmppe und ihre 
Nachfolgeverbànde der Waffen-SS ununterbrochen in das Feld- 
heer eingegliedert gewesen sind. 

* 

Der Geheimbefehl vom 17. August 1938, iiber den in der 
Nachkriegszeit so viel Aufhebens gemacht worden ist und der bei 
fast jedem Gerichtsurteil in Versorgungssachen und anderen als 


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entscheidendes Argument gegen die Waffen-SS angeflihrt wird, 
ist damals fur die Tmppe vòllig bedeutungslos gewesen, weil sie 
ihn gar nicht kannte. 

In ihren soldatischen Pflichten und Rechten fand sie sich in 
samtlichen Wehrverordnungen und Weisungen des Oberkomman- 
dos der Wehrmacht standig bestàtigt. Die spàtere Regelung ihrer 
endgiiltigen Stellung im inneren deutschen Wehrgefiige iiberlieB 
sie in gelassener Zuversicht der Zukunft. Der Gedanke, nach voll- 
zogener Profiliemng spàter einmal in das Heer eingegliedert zu 
werden, beschwerte sie ebenso wenig, wie die Mòglichkeit, ne- 
ben dem Heer auch weiterhin als selbstàndiger Teil der Streit- 
kràfte existieren zu miissen, wie es z. B. bei den US-Marines der 
Fall ist. 

Allein die Tatsache, dal.ì die Experimente mit ihr nicht auf- 
hòrten, bedeutete dennoch eine Erschwemng ihrer miihevollen 
Aufbauarbeit. Dal.ì sie auf die Dauer keine FuBtmppe bleiben 
konnte, lag auf der Hand. Im Zeitalter des Motors gliedert man 
Elitetmppen eben nicht dem langsamsten Teil der Streitkràfle ein. 
Es war folglich nur eine logische Weiterentwicklung ihrer Wehr- 
aufgabe, daB sie nach dem Einmarsch in Òsterreich, an dem sie 
im Rahmen des Heeres teilnahm, motorisiert wurde. Kaum war 
sie jedoch mit dieser Umorganisation fertig geworden, als sie im 
Sommer 1938 schon wieder zu einer Fallschirmtmppe umgewan- 
delt werden sollte. 

Im Juni 1938 wurden der Inspekteur der SS-VT zusammen 
mit dem Regimentskommandeur des Rgts. »Deutschland« die- 
serhalb iiberraschend in Himmlers Kommandostelle nach Gmund 
(Tegernsee) bestellt und ihnen dort eròffnet, daB die aufgestell- 
ten VT-Regimenter in Kiirze zu Fallschirmregimentern umge- 
wandelt und mit vier in sie iiberfiihrten Polizeiregimentern zu 
einem operativen Fallschirmjàgerverband zusammengefafit wer- 
den wiirden, dessen Einsatz schon im Herbst mòglich sein 
kònnte. 

Der Verfasser erhielt den Befehl, das Kommando iiber sein 
Regiment an einen Stellvertreter abzugeben und sich mit einem 


kleinen Stabe unverziiglich nach Berlin zu begeben, um die hier- 
fìir erforderlichen Vorarbeiten im Einvernehmen mit dem Fiih- 
rungsstabe des Reichsluftfahrtministeriums in die Wege zu leiten. 

Nach mehrwòchentlichen Vorbesprechungen mit dem Chef 
der Fiihrungsabteilung der Luftwaffe, Oberst Jeschonnek 61 , wur- 
den diese wieder eingestellt, da es sich iiberraschend herausgestellt 
hatte, daB der Oberbefehlshaber der Luftwaffe dem Plan seine 
Zustimmung versagen wiirde. Anscheinend hatte man in der ober- 
sten Reichsfiihrung von dieser Seite keinerlei Schwierigkeiten er- 
wartet. 

Doch der Generalstab der Luftwaffe hatte seine eigenen Plàne 
und beabsichtigte, die bereits aufgestellte kleine Versuchs- und 
Lehrtruppe der Fallschirmwaffe zu operativen Verbànden zu ver- 
gròfiern. Er sah deshalb in der Absicht Hitlers und Himmlers 
eine Stòmng derselben. 

So glaubte sich Hitler bei der nàchsten Verstàrkung der VT im 
Jahre 1940 erneut der Frage gegeniibergestellt zu sehen, wie er 
diese der erneut mifitrauisch gewordenen Heeresleitung schmack- 
haft machen sollte. ln einem neuen Schreiben an das Oberkom- 
mando des Heeres orientierte er dieses iiber die Absichten, die 
er spàter einmal mit der Waffen-SS hege und liefi darin durch- 
blicken, dafi er sie nach dem Kriege vielleicht in eine »Staats- 
truppenpolizei« umwandeln wiirde. Diese »Gedanken des Fiih- 
rers iiber die Entwicklung der Waffen-SS im Frieden« waren 
unzweifelhaft bestenfalls Erwàgungen fiir eine ferne Zukunft, 
diirften aber tatsàchlich ebenso zu den Gaukeleien gegeniiber dem 
Oberkommando des Heeres gehòrt haben, wie alle die friiheren 
Vertròstungen und Erklàmngen. 

Denn schon im Sommer 1942 erklàrte Himmler seinem Ver- 
trauten Felix Kersten 62 , dafi solche Plàne noch vòllig unsicher 

61 Jesdionnek war wahrend des Krieges bis 1943 Chef des Generalstabes 
der Luftwaffe. 

62 s. Felix Kersten »Totenkopf und Treue« Gespràche in Shitomir 1942. 
S. 394—404, s. IV. Teil Dokumentation Abschn. B, Aussage Hausser 


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seien: »Ich beabsichtigte« so flihrte Himmler damals aus »spater 
einmal die Polizei, den Sicherheitsdienst und die Verwaltung der 
SS zu einem Staatsschutzkorps zusammenzufassen. Aber das 
kann natiirlich erst nach dem Kriege geschehen.« 

Er wisse auch jetzt noch nicht, ob er die Waffen-SS hierin ein- 
beziehen werde; das hange ganz und gar davon ab, welche Stel- 
lung die Waffen-SS dann in ihrem Verhaltnis zur Wehrmacht 
einnehmen wiirde. 

Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser 63 antwortete im 
Niirnberger ProzeB auf die Frage des Anklàgers Ellwyn Jones 
iiber die Waffen-SS als »Staatstmppenpolizei«: »Das waren Zu- 
kunftsgedanken, die nicht verwirklicht wurden.« Spàter fiihrte 
er dazu aus: »Ich kenne diese ÀuBerung nur aus miindlicher tìber- 
liefemng. Sie war an Heeresdienststellen gegangen, um anschei- 
nend deren Bedenken iiber das Wachstum der Waffen-SS zu be- 
schwichtigen.« 

Am 3. August 1944 aber scheint das Problem bereits endgiil- 
tig geklàrt zu sein. In seiner Eigenschaft als Befehlshaber des Er- 
satzheeres und Chef der Heeresriistung spricht Himmler in Po- 
sen 64 erstmalig von einer »neuen« Armee. »Die Neue Armee«, so 
fùhrt er aus, »wird 30-40 Panzerdivisionen, eine Anzahl In- 
fanteriedivisionen, 12 SS-Panzerdivisionen und 30 Europàische 
Divisionen besitzen.« 

Die grotesken Spiegelfechtereien, mit denen man bisher den 
Aufbau der Waffen-SS begleitet hatte, gehorten nun der Vergan- 
genheit an. Aus Himmlers Erklàmng ersieht man aber, daB Hit- 
ler sich noch damals an sein Versprechen, die Waffen-SS werde 
niemals mehr als 10 °/o des Heeres stark sein, auch weiterhin ge- 
bunden flihlte. Die Sorgen des Generalstabes, daB die Waffen- 
SS einmal das Volksheer ablòsen solle, waren also damals ebenso 
wie friiher unbegriindet gewesen. 

63 s. Teù IV. 

64 s. »Vierteljahreshefte fìir Zeitgeschichte« Jahr 53 Hcft 4, S. 393. 


Solange die Verfligungstruppe noch im Stadium der Entwick- 
lung begriffen war und keine hervorstechenden, militàrischen Lei- 
stungen aufzuweisen hatte, hegte man in der Heeresleitung auch 
keineswegs die Beflirchtung, ihr kònne darin eine ernsthafte 
Konkurrenz entstehen. Sie nahm ihre Besichtigungsrechte regel- 
màBig mit peinlicher Genauigkeit wahr und behandelte die Tmp- 
pe dabei, als wàre sie ein Teil des Heeres. 

Ernste Stòmngen drohten vorerst nur von Himmler selbst, 
weil dieser nicht die geringsten Vorstellungen von dem Umfang 
der schòpferischen und gestaltenden Arbeit besaB, die eine junge 
Truppe ohne eigene Uberliefemng und ohne einen festen Unter- 
bau zu leisten hatte. Wenn er seine Ordensidee oder die nordi- 
sche Rasselehre bei ihr zu propagieren suchte, dann war es unaus- 
bleiblich, daB diese Ansichten auf wenig fmchtbaren Boden fie- 
len, da die Tmppe ganz andere und dringendere Sorgen hatte. 
In seinem gewohnten Argwohn zog Himmler daraus den Schlufi, 
sie kònne in òdem KommiBgeist versacken oder sich einseitig 
nach den vorhandenen militàrischen Vorbildem und Ansichten 
orientieren. 

Und diese Annahme war noch nicht einmal unbegriindet. 
Tatsàchlich muBte sich die junge Tmppe in erster Linie soldatisch 
profilieren, um der Kritik des Heeres standhalten zu kònnen. 
Damit war sie so stark in Anspmch genommen, dafi sie flir Ideo- 
logien, die auf der Geisteshaltung und der Ordenslehre eines 
làngst vergangenen Zeitalters bemhten, gar kein Interesse auf- 
bringen konnte und diese bei der harten, tàglichen Arbeit, die sie 
zu leisten hatte, als geistreiche Spielereien betrachtete. Im iib- 
rigen bemhte das ganze Soldatentum, in dem sie voll aufging, auf 
àhnlichen, allerdings moderneren Ordnungsprinzipien, auf gleich 
hohen, ethischen Auffassungen, nàmlich der Tapferkeit, Treue 
und Unterordnung unter eine sittliche Idee, nàmlich dem Dienst 
am Ganzen. Seine Gmndlagen waren genau so der Gehorsam 
und die Disziplin innerhalb eines wohlgeordneten Systems von 
Untergebenen und Vorgesetzten wie in der Idee des Ordens. 

Was konnten ihr deshalb auch die Ideen einer làngst vergan- 


78 


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genen Epoche europàischer Geschichte zu sagen haben, die lange 
schon uberholt waren, im 20. Jahrhundert nur noch verstiegene 
Romantik und verstaubte Restauration sein konnten und auf 
junge, gesunde Menschen und Soldaten auch so gewirkt haben! 

Schwieriger war es schon, Himmlers Rassenmaterialismus ge- 
schickt zu neutralisieren, damit er in der Truppe keinen Schaden 
anrichten konnte. Zwar war sein eigenes Erscheinungsbild die 
wirksamste Abwertung seiner gefàhrlichen Theorien. Aber da- 
mit war praktisch - schon aus disziplinaren Griinden - nichts 
anzufangen. Hier fand die Truppe selbst vom gesunden Men- 
schenverstand her und in ihrem urwiichsigen Soldatenhumor ei- 
nen einfachen Ausweg. Sie verbannte jede Mòglichkeit ùberheb- 
lichen Rassewahns in ihren eigenen Reihen einfach durch die ka- 
meradschaftliche Verspottung besonders hervorstechender, betont 
nordischer Erscheinungstypen als »Doppelarier« oder »Reichs- 
fùhrer SS befohlene Ausgabe« und àhnlicher harmloser Ulkbe- 
zeichnungen, womit sie solchen absurden Theorien von vornher- 
ein ihre ursprùngliche Gefàhrlichkeit nahm. 

Im iibrigen stand ihnen schon die Tatsache entgegen, dafi es 
von Anfang an gar nicht mòglich war, die Waffen-SS infolge ihrer 
regionalen Rekrutierungsbezirke einlieitlich aus Menschen von 
»nordischen« Aussehen zu rekrutieren. Als Himmler einmal ein 
Bataillon gezeigt wurde, dessen Soldaten vorwiegend aus der 
Pfalz und dem Saargebiet stammten, in der Mehrzahl also sol- 
cher Merkmale entbehrten, muBte er - darauf hingewiesen - 
selbst zugeben, dafi er »in der Zeit des Aufbaues der SS mangels 
anderer Grundlagen nur von der KòrpergròBe habe ausgehen kòn- 
nen, aber grundsàtzlich den Charakter als ausschlaggebend fùr 
eine nordische Haltung« bezeichnen mòchte. 

Im Kriege begannen die Heimatideologen unter dem Zwang 
der rauhen Wirklichkeit das nordische Ideal mit dem germani- 
schen zu vertauschen, um in kurzer Zeit auch damit Schiffbruch 
zu erleiden, als nàmlich Soldaten aus slawischen und andersstàm- 
migen Vòlkern in die Waffen-SS eintraten. 

Bei einer solchen Verbohrtheit Himmlers in eine abseitige Be- 


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General der Watien-SS Wil- 
helm Bitlridì. 

Er durchslieB 1941 als ersler die 
Moskauer Schulzslellung und 
ùberwàltigte 1944 die Fallschirm- 
verbànde der Englànder bei 
Arnheim. Seine ritterliche Kampl- 
liihrung isl geschichlsnolorisch. 


Junge Waffen-SS 

Eine Aulklàrungskompanie bei 

der Ausbildung. 





Der Verlasser, General der Walten-SS, Felix Sleiner 
Er verlral wàhrend seiner ganzen soldatischen Laulbahn bis zum Armeeliihrer den 
Gedanken einer dynamischen Truppe und dynamischen Kriegsliihrung. 

Im Frieden war er Kdr. des Rgls. »Deutschland«. 


griffsweit, die sich auch auf die Bezirke des menschlichen Zusam- 
menlebens bezog, selbst vor dem Hort der Familie unter ge- 
fàhrlicher Opferung moralisch-ethischer und sittlicher Grund- 
sàtze nicht halt machte und die biologische Vermehrung des deut- 
schen Volkes unter Hintansetzung familiàrer Bande gar als na- 
tionale Forderung proklamieren wollte, konnte es nicht ausblei- 
ben, daB die Truppenkommandeure hàufig genug mit ihm zu- 
sammenstiefien und sowohl aus innerster Uberzeugung als auch 
im akuten Truppeninteresse gegen ihn Front machen muBten. 

Daraus ergaben sich hàufige Spannungen, die niemals ganz 
aufgehòrt haben und dazu flihrten, daB sich die Truppe dem 
EinfluB Himmlers mehr und mehr entzog. Der harte Realismus 
des Krieges hat die schon vorhandenen Gegensàtze zwischen 
Himmler und seinen Heimatideologen auf der einen und der Waf- 
fen-SS auf der anderen Seite in zunehmendem MaBe verschàrft. 
Sie entziindeten sich schlieBlich auch an so hochpolitischen Fra- 
gen wie der Behandlung der Ostvòlker, der uberheblichen Zu- 
riickweisung der Bereitwilligkeit der baltischen Randvòlker und 
der Ukraine zur Teilnahme am Kampf gegen die Sowjetunion, 
der Ablehnung jeder befriedigenden, partnerschaftlichen Ordnung 
in den besetzten Westgebieten, den WillkiirmaBnahmen und ge- 
setzlosen Handlungen gegen fremde Bevòlkerungsgruppen und 
an zahlreichen andern Vorgàngen, wodurch oftmals heftige Aus- 
einandersetzungen heraufbeschworen wurden. 

Auch die Gewohnheit Himmlers, seine persònlichen Kom- 
plexe gegeniiber der kàmpfenden Truppe durch Lobpreisung sei- 
ner polizeilichen Institutionen abzureagieren und mit bombasti- 
schen und martialischen Reden vor die Truppe zu treten, wenn 
er sie - was selten geschah - einmal aufsuchte, hat ihm regel- 
màBig eine deutliche Ablehnung, vielfach auch Widerspmch und 
offene Kritik seitens der Befehlshaber eingetragen. Als er z. B. 
im Friihjahr 1943 das gerade aus schweren, verlustreichen Kàmp- 
fen um Charkow kommende SS-Panzer-Korps des Generals 
Hausser aufsuchte und von dem »Schrecken und Terror« sprach, 
welche dem Angriff dieser Truppen in der Schlacht von Char- 


81 


kow vorausgegangen sei, es sogar in vòlliger Instinktlosigkeit 
noch versuchte, solche blutriinstigen Methoden zu empfehlen, 
muBte ihm der Kommandierende General dieses Koips mit schar- 
fen Worten entgegentreten. »Ich habe«, so sagte Hausser im 
Niimberger ProzeB aus 65 , »bei ihm als Kommandierender Gene- 
ral des Panzerkoips sofort gegen diese Reden energisch prote- 
stiert und mir solche Ausfuhrungen verbeten. Denn ich habe es 
als Beschimpfung betrachtet, daB unsere Erfolge vom Terror ab- 
hàngen sollten und ihm erklàrt, daB diese nur durch den tapfe- 
ren Einsatz von Fiihrer und Mann hart erkàmpft worden seien.« 

Es hat auch kaum einen hòheren Befehlshaber in der Waffen- 
SS gegeben, der nicht aus solchen oder àhnlichen Griinden wenig- 
stens einmal um seine Entlassung gebeten hàtte 66 . 

Zwar wurde sie im Kriege naturgemàB gmndsàtzlich verwei- 
gert. Es gibt aber keinen Zweifel daruber, daB Himmler die Ab- 
sicht gehabt hat, nach dem Kriege alle solche Frondeure in der 
Generalitàt der Waffen-SS riicksichtslos zu entfemen und sie 
durch ihm genehme Offiziere aus den Volksgrenadierdivisionen, 
die ihm von 1944 ab unterstellt waren, zu ersetzen. 

Fiir seine Einstellung zu den Befehlshabem der Waffen-SS 
ist es bezeichnend, daB er nach seiner Emennung zum Befehls- 
haber des Ersatzheeres zwar hàufig zu den ihm unterstellten 
Generalen des Heeres gesprochen hat, es aber niemals wagte, die 
Befehlshaber der Waffen-SS in den Jahren von 1935-1945 auch 
nur einmal zu versammeln, um mit ihnen iiber Wehr- und poli- 
tische Fragen zu sprechen. Denn er wiinschte es nicht, daB es un- 
ter den Befehlshabern und Kommandeuren der Waffen-SS zu 
einer einheitlichen Meinungs- und Willensbildung kàme. Er furch- 
tete ihre geschlossene Kritik und wich folglich jeder offenen Aus- 
sprache mit ihnen systematisch aus. 

Himmlers doppeltes Gesicht ist der Waffen-SS erst nach dem 

65 s. Band XX »Documenta of the Major War Criminals« — Niimberg 
1946, S. 447. 

66 Dcr Verfasser hat im Laufe des Krieges zweimal um seinen Abschied 
gebeten. 


Kriege gànzlich bekannt geworden. Mit vollem Recht erklàrte 
der Generaloberst Hausser am 5. August 1946 vor dem Intema- 
tionalen Gerichtshof in Niimberg 67 : 

»Die Anklage kettet die Waffen-SS an Himmler und einen 
kleinen Kreis von Verbrechem. Die Waffen-SS empfmdet das als 
besonders bitter. Denn sie glaubt in ihrer Masse anstàndig und 
fair gekàmpft zu haben. Sie riickt von diesen Verbrechen und 
dem, der sie veranlaBt hat, weit ab. Ich bitte das Hohe Gericht, 
hòren Sie auf die ÀuBemngen und das Urteil der Frontsoldaten 
auf Ihrer Seite. Ich glaube, daB diese uns ihre Achtung nicht ver- 
sagen werden.« 


67 s. Band XX »Documents of the Major War Criminals« Niimberg 
S. 405, s. auch IV. Teil, Abschn. B. 


82 


83 



II. Teil 

Soldaten zwischen zwei Wehrepochen 



4. Kapitel 

Um das Erbe des ersten Weltkrieges 

Von Anbeginn ihres Bestehens war die SS-Verfligungstruppe, 
spater in Waffen-SS umbenannt, auf ihrem Wege zur eigenen 
Form und modernen Gestalt von Verstàndnislosigkeit, MiBtrauen 
und Eifersucht begleitet. Es war nicht allein die Militàrhierarchie, 
die ihr mit Argwohn begegnete. Auch Flimmler wachte mifitrau- 
isch dariiber, damit sie nicht in die ausgetretenen Pfade der her- 
kòmmlichen, militàrischen Dogmen geriet. Er wurde erst toleran- 
ter, als er bemerkte, dafi sie aus eigener Initiative und Schòpfer- 
kraft bemiiht war, dem traditionellen Soldatentum einen neuen, 
modernen Geist einzuhauchen, ohne hierdurch dessen ewig giil- 
tige Grundlagen zu verleugnen. 

Militàrisch erreichte die junge Truppe sehr bald den Anschlufi 
an die Leistungen des Heeres. Schon nach einem Jahre konnte 
die Heeresleitung alle Verbànde der VT in das mobile Feldheer 
eimeihen, wo sie zunàchst bei den Heerestrappen und nach ihrer 
Motorisierang in der ersten Welle im Mobilmachungsplan ein- 
gesetzt waren 68789 . 

Ihr ausgesuchter Mannschaftsbestand hatte es ihr leicht ge- 
macht, mit den Wehrpflichtigen des Heeres Schritt zu halten. Ihre 
Freiwilligen waren willig, eifrig und ehrgeizig. Nach Veranla- 
gung und Passion waren sie geborene Soldaten. Landsmann- 
schaftlich rekratierten sie sich aus allen Teilen Deutschlands. Be- 

68 s. hierzu Miiller-Hillebrandt »Das Heer 1933—1945« Bd. 1, Seite 142. 

69 sowie die eidesstattliche Erklàrung des Generalleutnants a. D. Fran- 
cis Ochsner, Dokumentation, Abschn. C. 


ruflich kamen sie aus allen Schichten des deutschen Volkes, vor- 
wiegend aber aus dem Bauernstande und dem kleineren Biir- 
gertum. 

Fiir ihre Auswahl aus der Masse der Wehrpflichtigen waren 
ihre àufiere Erscheinung, die kòrperliche Leistungsfàhigkeit und 
ihre geistige Regsamkeit entscheidend. Sie mufiten unbescholten 
sein und aus ehrenwerten Familien stammen. Zudem sollten sie 
sich bereits im Arbeitsdienst durch gute Fiihrung und Diensteifer 
bewàhrt haben. Erst dann konnten sie nach den Bestimmungen 
des Wehrgesetzes zum Wehrdienst in der VT gemustert und an- 
genommen werden. 

Eine Ubeipriifung ihrer politischen Gesinnung erfolgte nicht. 
Es war auch gleichgiiltig, ob der Freiwillige der Hitlerjugend 
oder einer anderen Parteigliederang angehòrt hatte 70 , war doch 
die gesamte Wehrjugend im Arbeitsdienst bereits im staatserhal- 
tendem Sinne erzogen worden. Zudem war sie in ihrer Masse 
durchweg von dem revolutionàren Elan jener Zeit beeindrackt, 
gleichgiiltig, aus welch politischem Milieu sie kam; gab es doch 
unter den VT-Rekruten genug, deren Vàter einmal Sozialde- 
mokraten gewesen waren oder im katholisch-politischen Lager 
gestanden hatten. 

Die Mehrzahl fast aller jungen Deutschen ftihlte sich da- 
mals als Tràger einer neuen Zeit, ohne selbst schon zu wissen, 
wie diese aussehen wiirde. Sie waren noch viel zu jung dazu, um 
eine Idee auf ihren Wert und inneren Gehalt beurteilen zu kòn- 
nen. Wie die Jugend jedes Zeitalters, liefi auch sie sich vorwie- 
gend von ihrem Geflihl treiben und dachte idealistisch. Das war 
in friiheren Zeiten ebenso gewesen und konnte auch gar nicht an- 
ders sein. 

So erzàhlte einmal der bekannte Schauspieler jener Zeit, 
Heinrich George, dem Verfasser, dafi er in seiner Jugend ein 
begeisterter Kommunist gewesen sei: 

»Die Idee des Kommunismus hat mich Anfang der Zwan- 

70 IV. Teil, Abschn. B. 


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87 



ziger Jahre so fasziniert, dafi ich ihr folgte und ein Revolutionàr 
wurde. Aber sollte ich vielleicht mit 18 Jahren etwa ein po- 
litischer Reaktionàr gewesen sein? Als ich dann aber merkte, was 
dahinter steckt, und dai3 wir Jungen von der Partei nur ausge- 
nutzt wurden, wandte ich mich - angewidert von soviel Unehr- 
lichkeit - davon ab und suchte mir einen neuen, eigenen politi- 
schen Standort.« - 

Die Jugend von damals glaubte an die Zukunft und vertraute 
denen, die sie verkiindeten. Die Skepsis, die sie spàter befiel, als 
sie einsah, dai3 Tatsachen und Versprechungen nicht miteinan- 
der iibereinstimmten, hatte damals von ihr noch keinen Besitz 
ergriffen. 

Diejenigen, die zur VT kamen, wandten sich ihrer neuen, sol- 
datischen Aufgabe zu und gingen ganz in ihr auf. Sie waren in 
ihr befriedigt, weil sie sich fiir die Entwicklung ihrer Trappe mit- 
verantwortlich fiihlten. Bei dem geringen Bedarf, den die VT 
jàhrlich an Rekraten hatte, konnte bei der Musterang ein stren- 
ger MaBstab angelegt werden. Von zehn tauglichen wurden nur 
zwei benòtigt und daram auch nur ausgesuchte, junge Menschen 
genommen. 

Die Bildung eines fachkundigen Unteroffizierskorps sticl.ì auf 
keine allzugrofien Schwierigkeiten, konnte sich doch die VT flir 
ihren Aufbau eines groBen Teiles des Lehrpersonals des »Chef 
AW« bedienen, das durchweg aus erfahienen, ehemaligen Unter- 
offizieren der Reichswehr bestand. 

Nach den Wehrergànzungsbestimmungen war es mòglich, die 
aktive Unteroffizierdienstzeit von 12 auf 18 Dienstjahre zu ver- 
làngern, sodaB alle Schliisselpositionen im Unteroffizierrange in 
der VT von altgedienten Berafsunteroffizieren besetzt werden 
konnten, die der ganzen Trappe von vornherein die innere Fe- 
stigkeit gaben. 

Schwieriger gestaltete sich die erste Besetzung der unteren 
Offizierstellen. In den ersten beiden Jahren muBte man sich da- 
mit behelfen, auf ehemalige Zeitfreiwillige Offiziere, die in der 
Reichswehr geschult worden waren, einige jiingere Offiziere der 


Landespolizei und besonders hochqualifizierte ehemalige Unter- 
offiziere, die meist schon im Zivilberaf tàtig gewesen und sich 
dort als Beamte bewàhrt hatten, zuràckzugreifen. 

Die Kommandeure waren fast durchweg Berafsoffiziere 
und hatten im alten Heer, der Reichswehr oder der Landespolizei 

geniigende Kriegs- und Friedenserfahrangen gesammelt, um eine 
Truppe fachmànnisch ausbilden und fìihren zu kònnen. Es gab nur 
ganz wenige unter ihnen, welche in der jungen und kleinen Trup- 
pe eine gròBere Erfolgschance witterten als bei andern Wehr- 
machtsteilen. Im scharfen Leistungskampf blieben Nichtskònner 
bald auf der Strecke und sind im Laufe weniger Jahre dann auch 
aus ihr wieder ausgeschieden. 

Schon anderthalb Jahre nach Aufstellung der SS-VT, also im 
Herbst 1935, kamen die ersten, auf den inzwischen geschaffenen 
Offizierschulen ausgebildeten Offizieranwàrter als frischgebak- 
kene Offiziere zu ihren Truppenteilen und konnten einen Teil 
der ùberalterten Subalternoffiziere ersetzen. 

Schon nach zweieinhalb .lahren war die gesamte Trappe in 
allen Dienstgraden gut besetzt und wurde vom Leutnant bis 
zum Regimentskommandeur von jungen, schwungvollen Persòn- 
lichkeiten geflihrt. Die Voraussetzungen, mit dieser Trappe auch 
ùberdurchschnittliche Leistungen zu vollbringen, waren also vor- 
handen. Denn schon bald war es weiterdenkenden Persònlich- 
keiten in ihren Reihen klar geworden, daB sie die groBen Schwie- 
rigkeiten nach allen Seiten nur durch eine iiberzeugende Leistung 

wiirden meistern kònnen. Ohne sie wiirde die Trappe auf die 
Dauer keine Existenzberechtigung haben und selbst eine noch so 
geschickte Begràndung oder aufiergewòhnliche Fòrderang sie ihr 
niemals verschaffen kònnen. 

Es blieb der VT deshalb gar nichts anderes iibrig, als sich von 
der Konventionalitàt des in der Reichswehr lebendig gewesenen 
und in Traditionen erstarrten Soldatentums zu befreien, ohne an 

den ethischen und wehisittlichen Grandlagen zu rùtteln, dabei 

aber an die Erfahrangen des Weltkrieges anzukniipfen und den 


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in den Materialschlachten desselben entstandenen neuen Solda- 
tentypus nachzuformen. 

Das war allerdings nur mit neuen Ausbildungsmethoden, ei- 
ner iiberzeugenden, psychologischen Fuhrang und letztlich auch 
nur mit Ausbildern mòglich, die dem jungen Soldaten Fiihrer, 
Kamerad und Vorbild zugleich sein konnten. Gelang es, dieses 
hohe Ziel zu erreichen, dann war damit auch vor den kritischen 
Augen des Hccrcs der Beweis ihres hohen, militarischen Wertes 
erbracht und die Mòglichkeit geschaffen, auch dieses mit neuen Im- 
pulsen zu erfìillen. 

Diese Uberzeugungen waren naturgemaB nicht einheitlich 
verbreitet. So sah der Kommandeur der Leibstandarte seine erste 
Aufgabe in der Schaffung einer wohlerzogenen und repràsenta- 
tiven Gardetrappe, wàhrend der spàtere Inspekteur der VT sein 
Ziel in der Entwicklung einer der alten Reichswehr ebenbiirtigen 
Truppe sah. Im Regiment »Deutschland« dagegen wuchs von An- 
beginn ein neuer soldatischer Geist heran und eine soldatische 
Idee, die von den jungen Soldaten leidenschaftlich aufgenommen 
und von Jahrgang zu Jahrgang weiter getragen wurde. Es war, 
als hàtte der Wind den Samen dieser Gedanken erfafit und wo 
er hinfiel, da ging er auf. 

Trotz dieser Verschiedenheiten, wenn nicht gar Gegensàtz- 
lichkeiten miindete schliefilich doch alles in den gleichen breiten 
Strom einer organischen Entwicklung ein. Es ist das Verdienst 
der zunàchst noch in verschiedenen Richtungen arbeitenden fùh- 
renden und gestaltenden Persònlichkeiten gewesen, dafi sie tole- 
rant gegen einander waren und den Geist des deutschen, sich dem 
ganzen Volk verpflichteten Soldatentums als iibergeordnete Idee 
ihrer Arbeit vorangestellt haben. So ist auch die ganze Truppe 
schliefilich von einer starken inneren Geschlossenheit und kame- 
radschaftlichen Verbundenheit erfiillt gewesen und hat diesen 
Geist spàter auf alle ihre Tochterverbànde iibertragen. 

Denn jede Richtung war in diesem Entwicklungsstadium not- 
wendig gewesen. Ohne die treffliche àufiere Haltung der »Leib- 
standarte« wàre es kaum mòglich gewesen, das Vertrauen Hitlers, 


das fiir die Ausgestaltung der Trappe unentbehrlich war, zu er- 
ringen. Der Inspekteur der VT, der spàtere Generaloberst der 
Waffen-SS Paul Hausser, hat wieder das entscheidende Verdienst, 
als Kommandeur der Junkerschule Braunschweig die ersten Offi- 
ziersjahrgànge der VT im Geiste eines spartanischen, rechtlich 
denkenden und idealistischen Offiziertums erzogen und ihnen die 
Grandlagen eines wohlfundierten militàrischen Fachdenkens ver- 
mittelt zu haben. Das Regiment »Deutschland« hat schliefilich 
Hitler von den kàmpferischen Leistungen der Truppe so iiber- 
zeugen kònnen, dafi die urspriinglich geplante und am 16. Màrz 
1935 bereits òffentlich verkiindete, aber vier Jahre hindurch stets 
verschobene Aufstellung der Division - trotz aller Widerstànde 
- dennoch befohlen und durchgefiihrt worden ist. 

Dazu hatte es allerdings auch der Anspannung aller geistigen 
und kòrperlichen Kràfte des Regiments bedurft. In erster Linie 
war es nòtig, Offizier und Mann von der Notwendigkeit des Be- 
ginnens und von dem hohen Ziel zu iiberzeugen, das ihnen allen 
gesteckt worden war. Jeder mufite wissen, dafi es auf ihn ebenso 
entscheidend wie auf seinen Offizier oder seinen Kommandeur 
ankam, wenn es erreicht werden sollte. Dann aber galt es, Offi- 
ziere und Mannschaften in eine gleichmàfiige, sportliche Hoch- 
leistungsform zu bringen und sie darin zu erhalten, um damit 
die Voraussetzung fìir die Formung eines modernen Sturmsol- 
daten zu schaffen. 

Jeder Soldat mufite ein Leichtathlet werden. Er mufite eben- 
so schnell laufen, wie blitzschnell, weit und hoch springen, weit 
werfen und schnell und ausdauernd marschieren kònnen. Dabei 
konnte man mit den iiblichen sportlichen Trainingsmethoden nicht 
allzuviel anfangen. Es mufite eine Ausbildungsweise gefunden 
werden, die den Menschen in seiner gesamten kòrperlichen Kon- 
stitution durcharbeitete und ihn so entspannte und auflockerte, 
dafi er damit die Voraussetzungen fiir eine gleichbleibende leicht- 
athletische Leistungsform erwarb. 

In der auf den natiirlichen Anlagen des Menschen aufgebau- 
ten Sportmethoden des Dozenten fiir Leibesiibungen an der Uni- 


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versitàt Erlangen, Dr. Schàffler, wurde der richtige Weg hierfLir 
gefunden. Nach einem Jahr tàglicher Kòrperausbildung und da- 
rauf aufgebauter leichtathletischer Arbeit hatte sich im ganzen 
Regiment ein sportlicher Soldatentypus entwickelt, dem die tàg- 
liche sportliche Betàtigung zur zweiten Natur geworden und Ni- 
kotin und Alkohol kein Bediirfnis mehr waren. 

Auf dieser Grundlage liefi sich dann fast miihelos jener Soldat 
formen, den der englische Militàrschriflsteller Liddell Hart in sei- 
nem Buch »The Future of Infantery« einmal als Pirschgànger, 
Jàger und Athleten bezeichnet hat. 

Der so ausgebildete Soldat konnte in kurzen Spriingen drei 
Kilometer in 20 Minuten vorwàrts hechten, ohne dabei Atemnot 
zu bekommen. Er verstand es, sich wie ein Indianer geràuschlos 
und unter Ausnutzung aller vorhandenen Deckungen an sein 
Ziel heranzupirschen und es dann blitzschnell anzuspringen, nach- 
dem er es mit Handgranatensalven und MP-Feuer niedergehal- 
ten hatte. 

Nach einer solchen Gmndausbildung begann dann die Zusam- 
menarbeit im StoBtmpp, in dem MG-Schiitzen, Scharfschiitzen, 
Gewehrgranatschiitzen und Handgranatenwerfer wie in einer 
wohlgeòlten Maschine zusammenspielten und jeder von ihnen 
seinen scharfumrissenen Kampfauftrag besaB. 

Damit wurde der Soldat vom soldatischen »Ich« kampftech- 
nisch in die Gemeinschaft des »Wir« eingefiihrt, in der er ein not- 
wendiger und unentbehrlicher Teil war und in ihr kameradschaft- 
lich, geistig und kampftechnisch vòllig aufging. In lauter StoB- 
tmpps aufgeteilt, vollzog sich schlieBlich der Angriff des ganzen 
Verbandes mit diesen kleinen, taktischen Einheiten wie der 
schnelle Lauf eines reiBenden Gebirgsbaches, der sich durch das 
Gelànde hindurchfriBt und sich seinen Weg durch stàndiges Strò- 
men zunàchst in schmaler Form unaufhaltsam bahnt. 

Nach dem Vorbilde der alten russischen Sickertaktik, die be- 
sonders in den sibirischen Einheiten geiibt worden war und die 
deutschen RuBlandkàmpfer von 1914 einmal stark beeindmckt 
hatte, wurden dabei niemals gròBere Ziele sichtbar, die den feind- 


lichen schweren Waffen ein lohnendes Ziel geboten hàtten. Und 
dennoch liefì dieses Kampfverfahren den Soldaten auf dem 
Schlachtfelde niemals allein. Vor und hinter sich wufite er immer 
einen Mann, den er kannte und mit dem er in stàndiger Zusam- 
menarbeit menschlich verbunden war. 

Damit hatte die Tmppe aber mit der innerhalb der Reichs- 
wehr im »Einzelkàmpfer« kultivierten Individualisiemng der 
Kampftechnik gmndsàtzlich gebrochen und mit den neuen 
Kampfformen auch ihrem gesamten Soldatentum einen neuen 
und tieferen Inhalt gegeben. 

Seit jeher war der Soldat der Monarchie darauf stolz gewe- 
sen, bei einem Regiment gedient zu haben, das einen berùhm- 
ten Namen flihrte. Er fiihlte sich in seinem soldatischen An- 
sehen gehoben. Wenn er eine schmuckere Uniform tragen 
konnte als der andere oder durch àufiere Kennzeichen, wie Na- 
menszug, Litzen und Helmbusch aus der Soldatenmasse heraus- 
gehoben war. In langer Generationsfolge dienten oft die Sòhne 
und Enkel bei dem gleichen Regiment, wie die Vàter und GroB- 
vàter. Nicht nur aus der Geschichte der einzelnen Tmppenteile, 
sondern auch aus dem Soldatendienst ganzer Geschlechter bei ein- 
und demselben Truppenteil war in der kaiserlichen Armee eine 
Tradition entstanden, die lebendig geblieben und vom Vater auf 
den Sohn iibergegangen war. Die Ehre des Regiments war kein 
leerer Begriff, sondern eine verpflichtende Haltung fùr Offizier 
und Mann. Neben der Bindung an Thron und Altar, der Diszi- 
plin und dem Gehorsam gegeniiber dem Vorgesetzten, bemhte 
die innere Festigkeit dieser Armee nicht zuletzt auf dieser Tra- 
dition, die sich eigene Formen und Symbole geschaffen hatte. 

Den Soldaten der Reichswehr verbanden solche traditionellen 
Werte nicht mehr mit seinem soldatischen Bemf. Nachdem der 
Versuch, eine langjàhrige Tradition auf das neue Reichsheer auf- 
zupfropfen, nicht gelungen war, hatte das Wort »Tradition« fùr 
ihn keine Bedeutung mehr und war zu einer musealen Unwirklich- 
keit geworden. Der einzelne Mann hat sich deshalb immer nur 
als ein soldatisches Einzelwesen ohne tiefere Bindungen an die 


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geschichtliche Vergangenheit und umstrittene Gegenwart geflihlt. 
Bestenfalls hielt er sich fùr einen routinierten, militàrischen Fach- 
mann, der sich seiner militàrischen Spezialaufgabe zwar gerade 
noch verbunden flihlte, im militàrischen Gesamtgeschehen aber 
nur in Ausnahmefàllen verankert war. 

Gewifi haben sich aus einem langen Zusammenleben heraus 
in der Reichswehr auch mancherlei menschliche und berufliche 
Bindungen entwickelt, aber eine tiefere Verbundenheit mit der mi- 
litàrischen Wesenheit hat es flir den Soldaten der Reichswehr nur 
selten gegeben. Das bemfliche Vorwàrtskommen stand fur ihn 
immer an erster Stelle. Im Kampfgeschehen aber sind sowohl 
der Soldat der alten Armee als auch derjenige der Reichswehr - 
dieser selbst nach seiner Ausbildung als Einzelkàmpfer - immer 
nur eine »Nummer« gewesen und geblieben. 

Der Soldat der VT besafi keine Tradition. Er war auch nicht 
durch eine bunte Uniform aus der Masse herausgehoben. Im Ge- 
gensatz zu dem Wehrpflichtsoldaten des neuen Volksheeres von 
1935, dem das Vertrauen des Volkes von vornherein zuflog, weil 
es in ihm den Nachfolger des Soldaten von 1918 und den Erneu- 
erer des Soldatentums sah, war es ihm nicht einmal beschieden, 
in der breiten deutschen Òffentlichkeit als Soldat bekannt zu 
werden. Dennoch hat das Bewufitsein, in seinem Kampfteam und 
in seiner Truppe mitverantwortlich zu sein, die Uberzeugung von 
der Wichtigkeit seines eigenen Tuns und Lassens flir seine ganze 
Tmppe in ihm wachgemfen und ein Selbstgeflihl in ihm geweckt, 
das seine Persònlichkeit gestàrkt, die feste Verbundenheit mit 
seiner Truppe begriindet und seine Selbstdisziplin gestàhlt hat. 

Es war nicht etwa der »Ordensgedanke der SS«, den man in 
der Nachkriegszeit auch der Waffen-SS hat anhàngen wollen, 
der ihr den Charakter gab. Fiir sie ist er immer Schall und Rauch 
gewesen. Der Mann der Waffen-SS fiihlte sich als Tràger einer 
neuen soldatischen Idee, doch nie als Ordenskrieger. 

Es war auch nicht die Bindung an einen verklàrten Fiihrer- 
mythos, die man der Waffen-SS andichten wollte, oder gar die 
Uberzeugung, einem »verschworenen Haufen« anzugehòren, der 


fiir jeden »Fùhrerauftrag« bedingungslos zur Verfugung stand. 
Solche Begriffe hat es in der Waffen-SS gar nicht gegeben. 
Vielleicht lebten sie in der Gedankenwelt einzelner Parteigròfien 
oder in Jugendgmppen. Im harten Kampf hàtten sie sich doch 
nur als hohle Worte erwiesen, die im Augenblick der Gefahr zer- 
stoben wàren, wie die Spreu im Winde. 

Ihre innere Stàrke bezog die Waffen-SS allein aus ihrer Ver- 
pflichtung, dem Ganzen zu dienen, den in ihr lebendigen Eigen- 
schaften der Pflichterfullung und der Mitverantwortung am 
Kampfgeschehen, sowie aus der tiefen Verbundenheit unterein- 
ander vom Grenadier bis zum General. 

Aus dieser soldatischen Bewufitheit heraus ist allein der Geist 
entstanden, der es ihr ermòglicht hat, ein Beispiel an Tapferkeit 
und Standfestigkeit zu werden und sich damit die Achtung von 
Freund und Feind zu erwerben. Dieser Geist, der schon in den 
kleinste Einheiten und Kampfteams eine selbstverstàndliche 
Notwendigkeit gewesen war, den Soldaten von Anbeginn aus 
dem »Ich« in die Welt des soldatischen »Wir« hineingeflihrt und 
ganz durchdmngen hat, ist auch die Erklàmng dafur, dafi die 
Waffen-SS selbst in hoffnungsloser Lage immer eine klare, solda- 
tische Gmndhaltung bewies und in Gefangenschaft wie Inter- 
niemng die kameradschaftliche und menschlich aufrechte Ein- 
stellung niemals verlor. 

Die Gmndlagen fur diesen Geist wurden damals im Frieden 
gelegt. Der kleine Kern, der sie in sich aufgenommen hatte, er- 
wies sich spàter als so stark, dafi er sie auf die Hunderttausende 
iibertragen konnte, die einige Jahre spàter in der Waffen-SS 
Kriegsdienst leisteten. Wohl ist es richtig, dafi es bei ihrer spàte- 
ren, ungeheuren Vermehmng nicht immer mòglich gewesen ist, 
in allen Einheiten den Typ dieses modernen Sturmsoldaten zu 
erhalten. Dazu waren die Ausbildungszeiten zu kurz und das 
Lehrpersonal zu knapp. Wo immer die Mòglichkeiten daflir 
gegeben waren, ihn in kleineren Verbànden, etwa im Rahmen 
eines Bataillons, auszubilden, ist es geschehen, und es hat sich 


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auch jedesmal gelohnt. Der Geist aber konnte iiberall erhalten 
und fortgepflanzt werden und hat der ganzen Waffen-SS im 
wesentlichen ihr Geprage bis zum bitteren Ende gegeben. 

Von den Aufgaben, die sich die Verfiigungstmppe gestellt 
hatte, war die Heranbildung eines Offizierstyps auf breiterer 
soziologischer Gmndlage als derjenigen des Heeres und der Ma- 
rine eine der schwierigsten. Beide Wehrmachtsteile hatten den 
Gmndsatz des traditionellen und konventionellen Auswahlver- 
fahrens ihrer Offizieranwarter niemals aufgegeben. Sie entnah- 
men sie bestimmten, privilegierten Volkskreisen, die schon der 
alten, kaiserlichen Armee den Offiziersersatz gestellt hatten. 

War es in Deutschland seit 1918 wohl mòglich gewesen, dafi 
ein Handwerker - oder Arbeitersohn Minister werden konnte, 
so ware es ihnen wohl kaum gelungen, als Offizieranwarter im 
Reichsheer oder in der Reichsmarine Aufnahme zu finden. Gab 
es doch in der Reichswehr Regimenter, die ihren Offizieranwàr- 
terbedarf schon auf Jahre hinaus aus dem Kreise bestimmter Fa- 
milien gedeckt hatten. 

Ein solches System ergab zwar einen homogenen Ersatz von 
àhnlicher soziologischer Stmktur und gleichwertiger Bildung, hat- 
te aber den Nachteil, dafi der Offizieranwàrter keine Konkurrenz 
zu flirchten hatte und demnach auch nicht die Verpflichtung emp- 
fand, in seiner Trnppe allein nach Leistung und Kònnen unter 
den Besten zu sein. 

Die VT brach bewuBt mit dieser Methode, die noch aus 
der stàndischen Vergangenheit stammte und suchte sich ihren Of- 
fizierersatz unmittelbar aus den Reihen der Truppe heraus. »Die 
VT«, so flihrte der Generaloberst Hausser am 5. August 
1946 vor dem Internationalen Militàrtribunal in Niirnberg aus 71 , 
»hatte weder politische noch polizeiliche Aufgaben. Sie entwickel- 
te sich allmàhlich zu einer Versuchstmppe, welche die bewàhrten, 
soldatischen Tugenden mit den Fordemngen eines sozialistischen 

71 s. Bd. XX der Documenta of the Major War criminals, Seite 393, 
s. Dokumentation, Absclm. B. 


Zeitalters vereinigte, insbesondere das Verhàltnis zwischen Offi- 
zier und Mann neu gestaltete und den Aufstieg von unten nach 
oben ohne besondere wissenschaftliche Examen und unter Ableh- 
nung jeglichen Exklusivitàtsprinzips ermòglichen wollte.« 

Das waren also die Griinde, die zur Àndemng der Metho- 
den in der Offizieranwàrter-Auswahl gefùhrt hatten. Wer sich 
in der Tmppe durch charakterliche Integritàt, gute Leistungen, 
hervorstechende geistige Anlagen und nachgewiesene Fiihrerei- 
genschaffen hervorgetan hatte, sollte auch ohne Riicksicht auf 
seine Vorbildung Offizier werden kònnen. 

Die VT fragte auch nicht danach, ob ihre Junker aus einem 
Grafengeschlecht oder einer braven Bauersfamilie stammten. Bil- 
dung und Benehmen konnte man sich aneignen, wenn die charak- 
terlichen Gmndlagen einwandfrei waren und die sonstigen Vor- 
aussetzungen fiir den Offizierbemf vorlagen. 

Bei der soziologisch also weiter gespannten Schicht des Offi- 
zierersatzes war die Ausbildung deshalb schwieriger, weil der wis- 
senschafflichen Ausbildung und gesellschaftlichen Formung ein 
hòherer Wert beigemessen werden muBte, um das erforderliche 
Niveau des Offiziersbemfes zu erhalten, wàhrend man auf eine 
Menge praktischer Dinge des Tmppendienstes hingegen leichter 
verzichten konnte, da die Junker sie aus ihrer Tmppenpraxis be- 
reits beherrschten. 

Der entstandene Offiziertypus war deshalb auch volksverbun- 
dener und mit der Mentalitàt der Soldaten vertrauter als der 
junge Offizier des Heeres, der schon mit seiner Annahme als Of- 
fiziersanwàrter bei leidlicher Bewàhmng und Ablegung der vor- 
geschriebenen Priifungen praktisch das Offizierpatent in der Ta- 
sche hatte. Ein solches Ausbildungsziel verlangte allerdings auch 
Kiiegsschulkommandeure und - lehrer, die ein Herz fdr die 
Jugend besaBen und solides, militàrisches Fachwissen mit hohen 
erzieherischen Fàhigkeiten verbanden. Es ist eine grobe Unwahr- 
heit, wenn in zeitgeschichtlichen Kritiken immer wieder be- 
hauptet worden ist, die SS-Junkerschulen - wie die Kriegsschu- 
len in der Waffen-SS hieBen - hàtten gelehrt, »das Leben ge- 


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ring zu achten, das eigene und das fremde: Den Tod zu geben 
und zu nehmen«, sei einer der Haupterziehungsgmndsatze ge- 

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wesen . 

Gerade das Gegenteil war der Fall: Die jungen Offizieranwar- 
ter wurden vielmehr systematisch dazu erzogen, das eigene Blut 
im Rahmen des Kampfauftrages mòglichst zu schonen und den 
Feind fair zu behandeln. 

Kommandeure und Kriegsschullehrer der Waffen-SS wie Let- 
tow, Freiherr v. Scheele, Baron v. Montigny, Gòtze, v. Paris, 
v. Biilow, Dòrffler - Schuband, Dr. Voss und Hausser ent- 
stammten hochbewahrten Regimentern der alten deutschen Armee 
und kamen teilweise aus dem alten preuBischen Schwertadel. Sie 
hatten den ersten Weltkrieg an der Front mitgemacht und sich 
dabei ausgezeichnet. Ihnen zu unterstellen, daB sie die »Einzel- 
persònlichkeit des Junkers an ein Kollektiv und eine nihilisti- 
sche Idee« hatten ausliefern wollen, ist ebenso absurd wie unge- 
heuerlich. Solche wahnwitzigen Erziehungsprinzipien mògen viel- 
leicht in den Vorstellungen von schwiilstigen NS-Schulungslei- 
tem entstanden sein, niemals aber in der disziplinierten Gedan- 
kenwelt hochwertiger Offiziere. 

Insbesondere biirgte schon die klare Persònlichkeit des Gene- 
ralobersten Hausser in seiner Eigenschaft als erster und formge- 
bender Kommandeur der Junkerschule Braunschweig daflir, dafi 
solche verstiegenen Gedankengange niemals gelehi't werden und 
sich in den Herzen der Junker einnisten konnten. Denn er hat 
in erster Linie Entscheidendes zur Formung des Offiziertypus der 
VT und Waffen-SS geleistet. Nach Laufbahn und militarischen 
Eigenschaften war er, wie kein anderer, fiir diese schòpferische 
Aufgabe pradestiniert. 

Vor dem ersten Weltkrieg hatte Hausser auf der damaligen 
Kr'iegsakademie eine solide Generalstabsausbildung genossen und 
war im Kriege Erster Generalstabsoffizier einer Division gewe- 

72 s. Vierteljahreshefte f. Zeitgeschichte Jan. Heft 1954 Karl O. Paetel 
»Geschichte und Soziologie d. SS.« Seite 22. 


sen. In der Reichswehr hatte er verschiedene Generalstabs- und 
Frontstellungen innegehabt. Seine Laufbahn hatte ihn zeitweilig 
in das Reichswehi'ministerium gefiihrt. Dann war er Chef des 
Generalstabes im Wehrkreise II geworden, hatte spàter ein In- 
fanterieregiment befehligt und war schliefilich Generalmajor und 
Infanterieflihier IV in Magdeburg geworden, eine Stellung, in 
der er seine militàrische Laufbahn in der Reichswehr als General- 
leutnant abgeschlossen hatte. 

Im Jahre 1935 war er als Kommandeur der Junkerschule 
Braunschweig in die VT iibernommen worden, wurde deren In- 
spekteur, spàter Divisionskommandeur, dann Kommandieren- 
der General eines Panzerkorps, schliefilich Oberbefehlshaber ei- 
ner Armee und einer Heeresgrappe im Westen. Ihm war also eine 
Laufbahn beschieden, wie sie nur wenige und besonders befàhigte 
Offiziere durchlaufen haben. 

Seine Verdienste als Erzieher der jungen Offiziere sind unbe- 
stritten. Wenn er spàter als betont Konservativer unter den Offi- 
zieren, welche die VT gestaltet haben, nicht immer mit allen 
Gedanken einverstanden gewesen ist, so bleibt es dennoch sein 
Verdienst, dafi er eine gesunde Entwicklung niemals gestòrt hat 
und andere Meinungen gelten liefi. Im Ki'iege allen Soldaten 
seines Befehlsbereiches ein Vorbild an persònlicher Unerschrocken- 
heit 7 “ a , besafi er zudem die in hohen militàrischen Stellungen 
leider nicht immer vorhandene Zivilcourage, die am deutlichsten 
in seiner eigenwilligen Kampffùhrang bei Charkow im Febraar 
1943 zum Ausdrack gekommen ist. 

Damals sollte sein wàhrend des Januar 1943 aus Frankreich 
nach dem Osten herangeflihrtes SS-Panzerkorps den russischen 
Vorstofi iiber den Don nach Westen aufhalten, die dadurch ent- 
standene gefàhrliche Lage des ganzen deutschen Siidfliigels, ins- 
besondere der Heeresgrappen von Manstein und von Kleist, mei- 
stern und die starken, in breiter Front zwischen Slaviansk und 

72,1 Der Generaloberst wurde sowohl im Osten als auch im Westen, also 
zweimal schwer verwundet und verlor ein Auge. 


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Kursk vorgehenden, weit iiberlegenen sowjetischen Kràfte durch 
Angriff schlagen. Ehe jedoch das Panzerkoips versammelt war, 
hatten die Sowjets mit der ersten Gardepanzerarmee den Donez 
bei Isjum schon ùberschritten und die nòrdlich von Charkow 
stehenden schwachen, deutschen Streitkràfte mit weiteren, nam- 
haften Verbànden durchbrochen. Nach stàndig offensiv gefùhr- 
ten Abwehrkàmpfen in der Frontmitte wurde die Lage auch fiir 
das Panzerkoips Hausser im Raume Charkow àuBerst kritisch. 

Am 12. Februar standen Haussers Truppen noch ostwàrts 
Charkow, als der Gegner in ihrem Rùcken bereits die Versor- 
gungsstraBe Charkow-Poltawa beherrschte und das SS-Panzer- 
korps von seinen rùckwàrtigen Verbindungen abzuschneiden 
drohte. Dennoch befahl die Aimee auf ausdrùckliche Weisung 
Hitlers dem Pz-Korps in Charkow zu bleiben und es unter al- 
len Umstànden zu halten. Am 14. verschàrfte sich die Lage wei- 
ter. Die Einkreisung des einzigen intakten operativen Truppen- 
Verbandes der ganzen Sùdfront stand unmittelbar bevor. Den- 
noch beharrte die Armeeabteilung Lanz auf der Durchfiihrung 
des Fùhrerbefehls und bestàtigte am Nachmittag desselben Tages 
noch einmal den strikten Befehl, Charkow »komme wie es wolle« 
zu halten. 

Im letzten Augenblick gab Hausser nunmehr am 15. Februar 
12.50 Uhr aus eigenem EntschluB den Befehl zur Ràumung und 
zum Absetzen, obwohl ihn auch an diesem Tage noch ein emeu- 
ter Befehl des Oberkommandos des Heeres in Charkow festzu- 
halten versuchte. Obgleich die Notwendigkeit einer Zurùcknah- 
me des Korps auf der Hand lag, hatte es niemand gewagt, auf die 
Abànderung des Hitlerschen Befehls zu dràngen. Dazu bedurfte 
es erst der eigenmàchtigen Initiative eines mittleren Befehlsha- 
bers. Sie ermòglichte es, das gesamte Korps und die erst am 
22. Februar von Frankreich herangefahrene 3. SS-Panzerdivision 
zum operativen Gegenschlag zu versammeln, dem Feldmarschall 
von Manstein die Mòglichkeit zur Wiederaulnahme der Offen- 
sive zu geben und das Panzerkorps zum emeuten Angriff mit 
versammelten Kràften auf Charkow vorzufiihren. 


Am 11. Màrz war Charkow nach dauemden, harten Kàmp- 
fen wieder erreicht, am 14. emeut in der Hand der SS-Panzer- 
koips. Der letzte groBe Sieg im Osten war erst durch Haussers 
EntschluB, das Panzerkorps fiir die entscheidende Operation zu 
erhalten, mòglich geworden. 

Geschickte Operationen sind im zweiten Weltkrieg keine Sel- 
tenheit gewesen; Siege waren zeitweilig sogar an der Tagesord- 
nung. Aber daB die Voraussetzungen hierfiir erst durch den ein- 
deutigen Ungehorsam eines Kommandierenden General der Waf- 
fen-SS gegenùber einem Fùhrerbefehl erzwungen werden muB- 
ten, ist das Bemerkenswerte an dieser Schlacht von Charkow im 
Frùhjahr 1943. In dem BewuBtsein seiner Verantwortung ge- 
genùber dem Ganzen und gegenùber seiner Tmppe stellte sich 
dieser General allen Befehlen seiner Vorgesetzten entgegen, weil 
er auch bereit war, alle Konsequenzen fiir seine eigenmàchtige 
Handlung zu tragen. Die Ùberzeugung, seine Pflicht vor dem 
eigenen Gewissen erfiillt zu haben, ging ihm ùber den starren 
Gehorsam auch gegenùber dem obersten Befehlshaber 73 . 

Damit handelte er wahrhaft preuBisch im Sinne aller jener 
Yorcks, an denen die preuBische Heeresgeschichte einmal so reich 
gewesen und die deutsche der letzten fùnfzig Jahre so bitter 
arm geworden ist. 

Wie Hausser, so haben auch spàter alle Generale der Waffen- 
SS gehandelt, als auch sie in einem Konfhkt zwischen starrem 
Gehorsam und eigenem VerantwortungsbewuBtsein standen. 
Auf spàteren Seiten dieses Buches wird der Beweis hierfùr er- 
bracht werden. 


Noch einmal hatten in der Schlacht bei Charkow die deut- 
schen Eliten, also die bewàhrten Panzerkorps des Heeres und 
die erprobten Panzerdivisionen der Waffen-SS, den Sieg ùber 

’ Hausser hat sich rechtfertigen miissen. Seine Griinde wurden gewiir- 
digt und anerkannt. 


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einen weit iiberlegenen Feind, der sich schon dem Enderfolge 
nahe sah, davongetragen. Noch einmal bewiesen sie die Rich- 
tigkeit des Gedankens aus dem ersten Weltkriege, dal.ì schwà- 
chere Eliten einen iiberlegenen Massenfeind aufzuspalten und zu 
schlagen vermochten, durch einen ùberzeugenden Sieg. 

Auch diesmal hatten die vier daran beteiligten Divisionen 
der Waffen-SS, und zwar die 1., 2. und 3.-SS-Panzerdivision des 
Korps Hausser sowie die 5. SS-Panzergrenadierdivision »Wi- 
king« ihren Mann gestanden. Die Voraussetzungen hierfur aber 
waren damals im Frieden gelegt worden, als sie noch SS-Ver- 
fùgungstruppe hiefien. Damals hiefi es - »Schweifi spart Blut«. 

Zu der stàndigen Tmppenausbildung mufite danach auch die 
Schulung der Gehirne hinzukommen. So fanden in allen Einhei- 
ten der Verfligungstruppe regelmàfiige, taktische Ausbildungs- 
stunden fùr Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere statt, 
die der theoretischen Ausbildung dienten. Sie vollzog sich inner- 
halb von Leistungsklassen, deren Aufgabe es war, die Schiiler fiir 
den nàchsthoheren Dienstrang planmàfiig vorzubereiten. Damit 
wuchsen die Soldaten iiber ihren eigenen Rang hinaus und wa- 
ren jederzeit in der Lage, auch eine hohere Dienststellung auszu- 
flillen. 

Wie niitzlich diese Ausbildung gewesen ist, zeigte sich im 
Kriege. Bei der Ausweitung der Trnppe zu operativen Heeres- 
kòrpem sind z. B. allein aus dem Offizierskorps eines einzigen 
Regimentes nach dem Personalstand von 1937 hervorgegangen: 
1 Armeeoberbefehlshaber, 4 Kommandierende Generale, 6 Di- 
visionskommandeure, 2 Brigadekommandeure, 2 Kriegsschul- 
kommandeure, 2 Generalstabschefs von Korps, 2 Amtschefs in 
zentralen Kommandostellen sowie zahlreiche Regimentskomman- 
deure und Generalstabsoffiziere 74 . Der Anteil der andern Regi- 

74 1 Oberbefehlshaber: Steiner, 4 Kommandierende Generale: Keppler, 
Bittrich, Kleinheisterkamp, Walter Kriiger, 6 Divisionskommandeure: Witt, 
v. Scholz, Muller (Thomas), Zehender, Harzer, Kurnm, 4 Brigade- und 
Kriegsschulkommandeure: Ballauf, Jòrchel, Gesele, Schutzeck, 4 General- 
stabschefs und Amtschefs: Schònfelder, Keller, Ruoff, Grothmann. 


menter der Verfligungstmppe an dem personellen Aufbau der 
spàteren Waffen-SS ist kaum geringer. 

Am Schlufi des zweiten Weltkrieges verfligte die Waffen-SS 
bei einem Bestande von 38 Frontdivisionen iiber ca. 62 Generale 
von Heeresgmppen- bzw. Armeeoberbefehlshabern bis zu Ar- 
tillerie- und Brigade-Kommandeuren, ca. 300 Offiziere in Re- 
gimentskommandeurstellungen, ca. 9000 Offiziere mittlerer und 
unterer Dienstgrade, ca. 40000 Unteroffiziere und 600000 
Mannschaften. 

Die Ersatzdienststellen der Waffen-SS bestanden aus den 
Befehlshabern der WSS im Range von Divisionskommandeuren 
mit den ihnen unterstellten Ersatztmppenteilen, ausserdem aus 
6 Junker-(Kriegs)Schulen, einer Àrztlichen Akademie, einer Waf- 
fentechnischen Lehranstalt, Artillerie- und Mefiartillerie-Schu- 
len, Panzergrenadierschulen, Panzertmppenschulen, Pionierschu- 
len, Hochgebirgstruppenschulen, Raketen- und Sonderschulen, 
Unterflihrerschulen und sonstigen Ausbildungsstàtten flir die 
Feldtmppe und ihren Ersatz. 

Auch im Kriege wurde also eine ungeheure Organisations- 
und Ausbildungsarbeit geleistet, der es zu danken ist, dafi die 
hohe Qualitàt der Fronttmppe auch bis zum Ende des Krieges 
im Rahmen des Mòglichen erhalten geblieben ist. Dafi diese Ar- 
beit unter den Erschwernissen des Zeit- und Personalmangels in 
der kurzen Zeit von vier Jahren erfolgen konnte, ist ein Beweis 
flir die rastlose Initiative und Einsatzbereitschaft aller Front- 
und Heimatstellen. 

5. Kapitel 

Durchbmch zum operativen Soldatentum 
und zu neuen Aufgaben 

Im Mai 1939 bestand die SS-Verfligungstmppe bereits vier 
Jahre und hatte làngst ihre Hòchstform als mobile Feldtruppe 
erreicht. Nach dem Einmarsch des deutschen Heeres in Òster- 


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reich, an dem sie in dessen Verbanden teilgenommen hatte, war 
in Wien ein viertes motorisiertes Infanterieregiment aufgestellt 
worden und in Wiirttemberg eine Aufklamngsabteilung, eine 
leichte Flak- und eine Panzerjager-Abteilung entstanden. 

Im Herbst 1938 war die SS-VT innerhalb der Verbande des 
Heeres in das Sudetenland einmarschiert, wenige Monate spater 
bei Eis und Schnee schon als motorisierte Infanterie bei den 
noch nicht kompletten Panzerdivisionen des Heeres am Ein- 
marsch in der Tschechei beteiligt gewesen, ohne dafi sie jemals 
im gemischten Kampfverbande hatte iiben kònnen, da ihr hierzu 
die Artillerie fehlte. 

Trotz der fmheren Erklamng Hitlers bei Verkiindung der 
Wehrpflicht, sie werde die 36. Division der Streitkrafte des Rei- 
ches sein, war diese Ankiindigung noch immer nicht verwirklicht 
worden. Die VT war ein Torso und schien ein solcher bleiben 
zu sollen. 

Vier Jahre hindurch hatte Hitler die VT nur bei der milità- 
rischen Repràsentation gesehen, sich jedoch von ihrer Feldaus- 
bildung noch nicht iiberzeugt und sich darin auf das Urteil der 
Heeresleitung verlassen. Im Mai 1939 aber forderte er iiberra- 
schend und ausserhalb aller geplanten Ausbildungs- und Ubungs- 
absichten die sofortige Verlegung des Rgts. »Deutschland« in 
Miinchen im motorisierten Eilmarsch auf den Ubungsplatz Mun- 
sterlager in der Liineburger Heide, die Durchfuhmng einer Re- 
gimentsgefechtsùbung gemeinsam mit einem zu diesem Zweck 
gleichfalls dorthin verlegten Artillerieregiment des Heeres aus 
Schwerin und zwar einer Angriffsiibung im scharfen SchuB aller 
Warfen unter Leitung des Regimentskommandeurs des SS-lnfan- 
terie-Regiments »Deutschland«. 

Das war eine Fordemng, die alle bisherigen Vorstellungen so- 
wohl der friiheren Reichswehi' als auch des neuen Volksheeres 
iiber die Ubungsmòglichkeiten eines Friedensverbandes und der 
hierflir erforderlichen Sicherheitsbestimmungen sprengte und bei 
der Ubungstruppe in diesem grofien Rahmen ùberdurchschnitt- 
liche Leistungen voraussetzte. 


Vom ersten Augenblick an war sich jeder Angehòrige dieses 
Regiments - vom Kommandeur bis zum Grenadier - dariiber 
klar, daB ihnen eine Prùfung auf Herz und Nieren bevorstànde 
und die Entscheidung iiber das zukiinftige Schicksal der SS-Ver- 
fiigungstmppe entscheidend von ihrer Leistung abhàngen wiirde. 
Offiziere und Mannschaften waren also entschlossen, ihr Bestes 
herzugeben, um das lange angestrebte Ziel eines eigenen operati- 
ven Verbandes zu erreichen. 

Auch in der Umgebung Hitlers schien man eine beson- 
dere Leistung zu erwarten. Darauf deutete schon die ungewòhn- 
liche MaBnahme hin, daB das Reichspresseamt die erste Seite al- 
ler deutschen Tageszeitungen fur die Berichterstattung iiber Hit- 
lers Besichtigung der Verfligungstmppe hatte reservieren lassen. 
Auch die angesagte Teilnahme zahlreicher Generale des Heeres 
deutete auf das Interesse hin, das man dort dem bevorstehenden, 
militàrischen Ereignis entgegenbrachte. 

Kaum war das Regiment nach einem fliissigen, motorisierten 
Eilmarsch quer durch ganz Deutschland an Ort und Stelle einge- 
troffen und die ersten Absprachen mit dem artilleristischen Vor- 
kommando des Artilleriefùhrers 2 unter Fùhrung des damaligen 
Oberleutnants Oster 75 durchgeflihrt, als Hitlers Erscheinen be- 
reits angekiindigt wurde. 

Er kam von einer Besichtigungsreise des gerade notdiirftig 
fertiggestellten Westwalles und schien bei der Fahrt vom Bahn- 
hof Munsterlager zum Ubungsgelànde nachdenklich und ver- 
schlossen zu sein. Unmittelbar nach seinem Eintreffen im Ubungs- 
raum begann die befohlene militàrische Ubung. 

Nach 20 Minuten intensiver Glasbeobachtung fragte er den 
leitenden Regimentskommandeur etwas indigniert, wo denn der 
Angriff des Regiments bliebe. »Er ist im vollen Gange«, war 
die Antwort. 

Erst jetzt bemerkte Hitler einzelne blitzschnell vorhechtende 

75 Oster ist heute Oberst im Generalstab der Bundeswehi' imd Deutscher 
Militàrattache in Madrid. 


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Soldaten und dann erst den zwar nur fliichtig sichtbaren, aber 
dennoch standig flieBenden Angriff und die schon auf nachste 
Entfernung hinter den vorhandenen Hiigeln jeweils aufgelau- 
fenen und sich von dort aus einzeln wieder vorarbeitenden StoB- 
trupps. 

»Das ist ja erstaunlich«, meinte er beilaufig als ihm ein Kom- 
paniechef gemeldet hatte, daB seine Kompanie in den 20 Minu- 
ten seit Angriffsbeginn bereits 3 Kilometer in Hechtspmngen 
nach vorwarts Raum gewonnen habe. »Aber so etwas kann man 
eben nur mit ausgesuchten Leuten machen!«, fligte er hinzu. 

Nach weiteren 20 Minuten begann das scharfe Gefecht. Hit- 
ler war gebeten worden, sich hierzu in einen Betonbunker zu be- 
geben, da er nunmehr von allen Waffen ùberschossen werden 
mùsse. Auf seine kategorische Weigemng wurde er auf einen 
Platz vor dem Bunker geflihrt, der ihm und seiner Begleitung 
wenigstens eine notdiirftige Riickendeckung bot. 

Nun begannen die Artillerieabteilungen auf das Angriffsziel 
- ein 300 Meter vor dem Standort des Besichtigenden liegendes 
tiefes Grabensystem - loszutrommeln. Die schweren Infanterie- 
waffen fielen ein. Indirekt feuernde schwere Maschinengewehre 
verstarkten das Vorbereitungsfeuer, wahrend sich die leichten 
Maschinengewehre in geeignete Feuerstellungen hereinschoben 
und den Scheibengegner in den Graben niederhielten, indessen 
sich unter dem Schutz dieser dichten Feuerglocke und zwischen 
den Feuerliicken der leichten Maschinengewehre hindurch die er- 
ste Welle von etwa 60 Stofitmpps an die bereits zerfetzten Draht- 
hindernisse heranschob, mit Sprenglatten und gestreckten La- 
dungen Gassen hineinsprengte, durch diese hindurch in die vor- 
dersten Graben hineinfegten, den Gegner mit Handgranaten aus- 
raucherte und von riickwarts von einer zweiten Stofitmppwelle 
iiberrollt wurde, die nun mit Maschinenpistolen, Handgranaten 
und Flammenwerfern in die Tiefe der Stellung vorstiefi, wah- 
rend der Feuervorhang der Artillerie und der schweren Infante- 
riewaffen unmittelbar vor ihnen niederrauschte. 

Hitler, der von allen Waffen iiberschossen worden war, sprach 


kein Wort. An dem ihm vorgeflihrten Beispiel erkannte er wohl, 
dafi sein Bild von einer konventionellen Gardetmppe damit zer- 
stòrt und die Tmppe ganz andere, eigene Wege gegangen war. 
In jedem Falle aber war er von dem dargebotenem Bild eines 
modernen Kampfgeschehens àufierst beeindmckt. 

Wàhrend der anschliefienden Ubungsbesprechung hòrte er sich 
die gmndsàtzlichen Bemerkungen des leitenden Regimentskom- 
mandeurs iiber das Wesen und die Kampfmethoden einer mo- 
dernen Sturminfanterie und deren notwendige enge Verflechtung 
und organisatorische Verbindung mit Panzern und Nahkampf- 
fliegern mit verschlossenem Gesicht an. Bei der Erwàhnung des 
spanischen Feldzuges und daraus abgeleiteten Folgemngen fùr 
die Entwicklung einer modernen Kampfmethodik glitt ein 
Schatten des Unmuts iiber sein Gesicht. 

Die briiske Absage des vorgesehenen, kurzen Zusammenseins 
bei einem Feldkiichenessen mit den Offizieren der Ubungstruppe 
und der unfreundliche Abschied liefien vermuten, dafi ihm die 
gewagte Thematik der Ubungsbesprechung und ihre Diskussion 
vor dem vorhandenen Fomm nicht behagt zu haben schienen. 

Unter der Ubungstruppe lòste seine programmwidrige und 
iiberhastete Abfahrt einige Verwundemng, wenn nicht gar un- 
sichere Verlegenheit aus, zumal es dafur keine andere Erklàrung 
als seinen Unwillen gab. Rùckschauend scheint es so, als habe er 
sich iiberraschend einer Situation gegeniibergestellt gesehen, de- 
ren Konsequenzen er noch durchdenken wollte. 

Wenige Wochen spàter aber traf ein Befehl von ihm ein, der 
sowohl die Heeresleitung als auch die Inspektion der SS-Verfli- 
gungstmppe anwies, unverziiglich ein eigenes Artillerieregiment 
der VT aufzustellen und es innerhalb von 8 Wochen verwen- 
dungsbereit zu melden. 

Damit hatte Hitler seiner Anerkennung fur das Gesehene auf 
die sichtbarste Weise Ausdmck gegeben. In allen Tageszeitungen 
war schon vorher Hitlers Tmppenbesuch im Munsterlager beson- 
ders hervorgehoben und die Truppe in bemerkenswerter Weise 
geschildert worden. 


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Der offiziòse »Vòlkische Beobachter« berichtete am Montag 
den 22. Mai 1939, wie folgt: 

KriegsmàJSige Manòver 

der SS-Standarie »Deutschland« in Anwesenheit des Fuhrers 

Munsterlager den 21.5.1939 

Der Fiihrer besichtigte am Samstag - wie wir schon in einem 
Teil unserer Ausgabe berichteten - die z.Zt. auf dem Truppen- 
platz Munsterlager iibende SS-Standarte »Deutschland.« 

Unmittelbar nach seiner Ankunft im Munsterlager begab sich 
der Fiihrer mit seiner Begleitung in das Truppeniibungsgelande, 
in dem die SS-Standarte »Deutschland« ihre vollkommen kriegs- 
maBig angelegte groBe Angriffsiibung begonnen hatte. 

Heller Sonnenschein lag iiber dem weiten Truppeniibungs- 
platz, dessen griinbraune Heidegebiete mit Kiefernbiischen und 
Wacholdergmppen durchsetzt sind, um schliefilich von dichtem 
Hochwald abgeschlossen zu werden. Zunachst scheint den An- 
kommenden das Gelande vollkommen leer zu sein. Erst nach 
und nach entdeckt das Auge die vorgeschobenen Spahtmpps, die 
sich glanzend getarnt haben und jede Deckungsmòglichkeit auf 
das Hervorragendste ausnutzen. 

Auf dem sogenannten Hindenburgturm, einem Beobachtungs- 
panzerstand wird die Gefechtslage dem Fiihrer dargestellt: »Blau« 
ist auf einen abwehrbereiten »roten« Gegner gestofien, der eine 
starke Verteidigungsstellung ausgebaut hat, die an den riick- 
wartigen Waldern einen besonderen Halt findet. Leichtes MG- 
Feuer beweist, daB die Spahtmpps beider Parteien miteinander 
Fiihlung bekommen haben. Die Bewegung im Gelande zeigt, daB 
»Blau« sich langsam in eine bestimmte Ausgangsstellung vorar- 
beitet. Die »blauen« Verbànde sollen eine mòglichst giinstige An- 
griffsstellung gewinnen, um dann unter dem Einsatz schwerer 
Artillerie und intensivem Zusammenwirken zwischen dieser und 
der Infanterie die »rote« Verteidigungsstellung anzugreifen, sie 
zu òffnen und wenn mòglich, zu durchstoBen. 


Schon die erste Phase des Kampfes veranschaulicht die her- 
vorragende Schulung der SS-VT. Die »blauen« Verbànde kom- 
men unter Ausnutzung auch der geringsten Deckungsmòglichkei- 
ten rasch dem Gegner nahe. Jeder einzelne Mann ist getamt. Es 
wird ohne weiteres deutlich, daB ein jeder die fur den Kampf 
besonders wichtigen Tugenden besitzt, selbstàndig und iiberlegt 
handeln zu kònnen. 

Die Voraussetzungen fur einen erfolgreichen Angriff werden 
von den Mànnern der Standarte »Deutschland« hervorragend er- 
flillt, das kluge durchdachte Vorgehen des Einzelnen, welches 
EntschluB und Einsatzfreudigkeit verràt und die in gleicher Wei- 
se stets vorhandene straffe Zusammenfassung der einzelnen Ba- 
taillone in der Hand ihrer Kommandeure. 

Punkt 12 setzt dann aus der soeben gewonnenen Ausgangs- 
stellung heraus iiberraschend der »blaue« Angriff ein, den der 
Fiihrer vom Beobachtungsturm Fòhrenbach aufmerksam verfolgt. 
5 Minuten lang lag zur Vorbereitung des Sturmes schwerstes, zu- 
sammengefafites Vernichtungsfeuer auf der feindlichen Haupt- 
kampflinie. 

Da mit scharfer Munition geschossen wird, so ergibt sich ein 
vollkommen kriegsmàBiges Bild von eindringlicher Wucht. Rau- 
schend und pfeifend gehen die schweren Geschosse iiber uns hin- 
weg und detonieren donnernd und krachend in der feindlichen 
Linie, riesige Sprengtrichter aufreifiend, màchtige Erdfontànen 
aufwerfend und die feindliche Stellung bald in eine Wand aus 
Rauch und Feuer verwandelnd. Mit unheimlicher Genauigkeit 
feuern die Batterien die Stellung sturmreif. 

Es ist ein unerhòrtes Erlebnis, diesem Trommelfeuer aus 
einer Entfernung von wenigen hundert Metern zuzusehen und 
im Làrm des unablàssigen Krachens und Tosens die SchieBleitung 
der deutschen Artillerie zu bewundern. 

Da springt mit einem Schlage das Feuer einige hundert Me- 
ter nach hinten. 

In der gleichen Sekunde setzen die Formationen des Regi- 
ments »Deutschland« zum Sturm an. Die Granatwerfer der In- 


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fanterie bellen los und iiberschiitten die feindliche Stellung mit 
einem wahren Hagel von Geschossen, die dicht bei dicht einschla- 
gen. Mit beispielloser Tapferkeit, unerhortem Kampfwillen und 
persònlichem Mut werfen sich die lnfanteristen nach vorn. Sie 
folgen dem Feuer der Batterien auf dem Fufie. Sie springen 
nach vorn und stiirzen sich in die Sprengtrichter, in denen noch 
der Rauch des Einschlages liegt. Unablàfilich detonieren krachend 
mit rotem Feuerschein die Handgranaten, unablàssig hàmmern 
die Maschinengewehre und brechen den letzten Feindwiderstand, 
wàhrend die schweren Batterien Sperrfeuer schiefien, um dem 
Gegner die Mòglichkeit zu einem Gegenschlag zu zerschlagen. 
Krachend gehen die Sprengladungen hoch, welche die Stofitmpps 
in das Drahthindernis geschoben haben. Sie reifien màchtige Liik- 
ken und òffnen so den Weg fùr die Sturmtruppen vòllig, um in 
die feindliche Stellung hineinzusetzen. Ihnen folgen schon in ra- 
sendem Lauf die Reserveformationen, die den Angriff in pausen- 
losem Stofi weitertragen und so den Einbruch in die feindliche 
Stellung zu einem Durchbruch erweitern. 

Ungeheuer ist die Leistung, die diese tìbung von jedem Man- 
ne fordert. Mit àufierster Schnelligkeit làuft der Angriff nach 
vorn. Mit Einsatz aller Kràfte tragen die Mànner den Sturm ge- 
gen den Feind, die schweren Sprengladungen, die Patronenkà- 
sten, die Granatwerfer und Maschinengewehre, Fernsprecher und 
Beobachtungsgeràte mit sich schleppend, dabei immer wieder 
scharf feuernd und nicht einen Augenblick zògernd. 

Keine Sekunde stockt der lebendige Flufi der Aktion. Mu- 
stergùltig ist das Zusammenwirken der Waffen. Alles klappt mit 
àufierster Pràzision. 

Der Fiihrer beobachtet jede Einzelheit und besichtigt nach 
Abschlufi der Angriffsùbung ebenso eingehend das Trichterfeld, 
iiber das soeben der Sturm dahingegangen ist. 

Eine kurze Besprechung, die der Regimentskommandeur im 
Beisein des Fiihrers, des Reichsflihrers SS sowie der an der Ubung 
beteiligten Offiziere der SS-VT und der Wehrmacht abhàlt, fafit 
nocheinmal das Ergebnis des Angriffsmanòvers zusammen ..« - 


In iiberstùrztem Tempo stellten nunmehr die Regimenter der 
VT die Hàlfte ihrer Infanteriegeschiitzeinheiten und starke Stàm- 
me aus den MG-Verbànden, die noch durchweg im indirekten 
Schiefien geschult waren, zur Aufstellung des befohlenen Artil- 
lerieregimentes zur Verfùgung. Das Oberkommando des Hee- 
res half mit Offizieren und Unteroffizieren von der Artillerie- 
schule Jiiterbog. Nach intensiver Schulausbildung und tàglichem 
Scharfschiefien auf einem Artillerieschiefiplatz war das Regiment 
8 Wochen spàter tatsàchlich aufgestellt und konnte zusammen 
mit dem Regiment »Deutschland« nach Ostpreufien verschifft 
werden, um seine Ausbildung zu vollenden. Einen Monat spàter 
sprachen seine Rohre am Narew ihre harte Sprache. 

Im Munsterlager war der VT der Durchbruch durch die schier 
unbeugsame Front der Heeresleitung gelungen. Die Erklàmng 
Hitlers vom 16. Màrz 1935 war eingelòst worden. Die Bildung 
der damals angekiindigten Division war jetzt nur noch eine Frage 
von wenigen Wochen. Ehe jedoch die Stunde dafìir gekommen 
war, ùberschritten die deutschen Truppen die polnische Grenze. 
Zum letzten Mal wurden die Verbànde der VT auf die einzelnen 
Heeresverbànde aufgeteilt, mit ihrer Mehrzahl allerdings schon 
in einem neuen Panzerverband, der Panzerdivision »Kempf« zu- 
sammengefafit, der aufier dem Divisionsstab und dem Panzer- 
regiment 7 ausschliefilich aus Tmppen der VT bestand. 

Diese Division erzwang im Riicken des Feindes den Ùber- 
gang iiber den Narew bei Lomza, stiefi iiber den Bug tief nach 
Polen hinein, von dort aus auf Praga vor und rifi die polnische 
Front von mckwàrts auf. 

Mancherlei Krisen begleiteten die Tmppe auf ihrem siegrei- 
chen Vorstofi bis zum Ostufer der Weichsel. Am Ende des kur- 
zen Feldzuges donnerten die Kanonen des Artillerieregiments 
der VT vor der Festung Modlin. Zusammen mit den Stukas der 
Luftwaffe schofi es das Fort I der Festung sturmreif. Stofitmppen 
des Rgts. »Deutschland« nahmen das Fort im Stofitmppangriff 
und drangen in das Innere der Festung ein, die damit fiel. Ihre 
starke Besatzung ergab sich den deutschen Tmppen. 


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Allen polnischen Offizieren wurden die Degen gelassen. Die 
siegreiche Angriffstruppe verzichtete an diesem Tage auf ihre 
warme Kost, um sie den Gefangenen aus ihren brodelnden Feld- 
kiichen zu Verfiigung zu stellen. 

Die iibrigen Truppenverbànde der VT, die bei den verschie- 
denen Armeen eingegliedert waren, hatten an den Kàmpfen ihrer 
Heeresverbànde den gleichen Anteil. 

Im polnischen Feldzuge hatte die VT im Rahmen des deut- 
schen Feldheeres die Feuerprobe bestanden. Als der Divisions- 
kommandeur der Panzerdivision »Kempf« nach einer Feldpa- 
rade der Division das Regiment »Deutschland« aus seinem Kom- 
mando entlieB, dankte Generalmajor Kempf ihm mit folgenden 
Worten: 

»Wenn die Infanterie des deutschen Heeres die Kònigin der 
Waffen genannt wird, dann mufi ich diese Tmppe schon als des- 
sen Kaiserin bezeichnen.« 

Nach dem Polenfeldzug wurde die von Hitler bereits am 
16. Mai 1935 angekiindigte SS-Verfligungsdivision endgiiltig zu- 
sammengestellt. Generalleutnant der Waffen-SS Paul Hausser 
wurde ihr erster Divisionskommandeur. 

Es folgten harte Wochen intensiver Ausbildung, mehrfache 
Verschiebungen der Division von Bòhmen nach Unterfranken 
und von dort nach Westfalen, bis schlieBlich die Stunde kam, 
in der die VT-Division zum ersten Male als selbstàndiger opera- 
tiver Verband in das Kampfgeschehen eingreifen sollte. Schon 
in den ersten Tagen des Frankreich-Feldzuges durchbrach das 
einer Infanteriedivision des Heeres unterstellte Wiener Regt. »DF« 
der VT die stark befestigte hollàndische Grebbelinie und òffnete 
damit den deutschen Tmppen den Weg in das Innere der Festung 
Holland. Die Kampfgruppe »Leibstandarte« stieB iiber Rhin und 
Wal auf Rotterdam und vereinigte sich dort mit den gelande- 
ten Fallschirmjàgern des Generals Student. Die Kampfgmppe 
»Deutschland« als Vorhut der VT-Division iiberschritt den Wil- 
helmina Kanal, schlug dort eine franzòsische Leichte Division, 


durchbrach die starken hollàndischen Bunkerstellungen am Ein- 
gang zur Halbinsel Beveland, iiberschritt in ziigigem Angriff den 
von Franzosen verteidigten Bevelandschen Kanal und stieB nach 
heiBem Kampf um den schmalen Eisenbahn- und Strafiendamm 
zwischen den Wattenmeeren durch die Verteidigungsfront zweier 
franzòsischer Divisionen am Ostufer der Insel Walcheren auf 
Vlissingen zur Scheidemiindung vor. 

Alsdann der nach ihrem Durchbmch durch die Ardennen in 
Richtung Kanalkiiste vorgehenden Panzergmppe Kleist nachge- 
flihrt, griff die Division beim XXXXI. Panzerkorps auf Mer- 
ville und durch den Foret de Nieppe die dort verteidigenden 
Englànder an, warf sie nach Norden zuriick, schwenkte sodann 
nach Erfùllung der von der Heeresleitung gestellten Auftràge im 
Rahmen der Schnellen Verbànde des Heeres nach Siiden zur 
Marne ab, iiberschritt kàmpfend Marne und Avre, nahm das Pla- 
teau von Langres und erreichte die mittlere Seine, wurde nach 
Westen verschoben und stieB iiber Loire und Charente in lebhaf- 
ten Kàmpfen und kiihnen Handstreichen bis zur spanischen 
Grenze vor. 

Erneut hatte sich die Verfùgungstruppe iiberall, wo sie kàmpf- 
te, voll bewàhrt. Ihre gmndliche Ausbildung hatte sich bezahlt 
gemacht. Schweifi hatte Blut gespart. Trotz ihrer zahlreichen 
Kàmpfe und vielen Gefechten waren ihre Verluste in engen Gren- 
zen geblieben 76 . 

Am Frankreich-Feldzug waren neben der SS-Verfligungs-Di- 
vision noch zwei Neuaufstellungen der Waffen-SS, wie sie Hit- 
ler im Herbst 1940 erstmalig genannt hatte 77 , beteiligt gewesen, 

76 Laut Kriegstagebuch des SS-Inf.Rgts. (mot) »Deutschland« hatte 
diese Truppe im Frankreichfeldzuge folgende Verluste: Gefallene: 6 Offi- 
ziere, 90 Unteroffiziere u. Mannschaften, Verwundete: 7 Offiziere, 110 Un- 
teroffiziere u. Mannschaften. Im Kampf gemachte Gefangene: 23 187 Offi- 
ziere u. Mannschaften, davon 80% Franzosen. 

7 Die Waffen-SS wurde nicht etwa im Jahre 1941 »gegrundet«, wie 
dies im Dcutschen Bundestag behauptet worden ist. Die vorhandenen Feld- 
divisionen erhielten damit nur einen neuen Gattungsnamen. 


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die SS-Totenkopf-Division (mot.) und die SS-Polizeidivision. 
Beide waren Kriegsformationen und im wesentlichen nach dem 
Polenfeldzug aufgestellt worden. Die SS-T-Division - spàter 
in 3. SS-Panzerdivision umgegliedert - war damals als eine mo- 
torisierte Infanteriedivision, die SS-Pol.-Division als normale 
Infanteriedivision formiert worden. Die Namen, welche diese Di- 
visionen trugen, konnten und haben zu Mifideutungen AnlaB 
gegeben. Sie waren aber nur die Folge eines Beharrens auf bis- 
herige Namensgewohnheiten, driickten jedoch keine Besonder- 
heiten unter den Divisionen der Waffen-SS aus, die alle der glei- 
chen militàrischen Aufgabe dienten. 

Die SS-Totenkopf-Division hatte ihren ersten Mannschafts- 
bestand aus den jungen Wachmannschaften der Aufiensichemng 
der drei damaligen Konzentrationslager erhalten, die kei- 
neswegs mit der Blutschuld spàterer Entwicklungen belastet 
werden durfen 78 . Sie hatten im Heer samt und sonders ihre zwei- 
jàhrige Wehrpflicht erfullt und waren nach Riickkehr in ihre 
hilfspolizeiliche Beschàftigung sàmtlich Reservisten des Heeres 
und damit zwangslàufig kriegsdienstpflichtig geworden. Die 
Wehrersatzdienststellen hatten sie fur die Aufstellung dieser Di- 
vision freigegeben. Ihre Offiziere hatten eine planmàfiige Aus- 
bildung auf den Junkerschulen durchlaufen und ihre Offizierexa- 
men erfolgreich abgelegt. Die àlteren Offiziere waren aus allen 
Waffengattungen zusammengekratzt und hatten vorwiegend der 
Landespolizei oder auch der Reichswehr angehòrt. 

Wàhrend ihrer Aufstellungszeit war der neuen Division alle 
nur denkbare Hilfe zuteil geworden. Allerdings hatte die Aus- 

78 Die SS-T-Division hatte mit ihrer Eingliedemng in das Feldheer 
nichts mehi' mit den KZ zu tun. Die Bewachung derselben erfolgte im 
Ki'iege durcli Hilfsdienstveipflichtete imd zwar àltere Leute aus der All- 
gemeinen SS imd dem Kyffhàuser-Bund. Spàter wurden alle Welirtaug- 
lichen herausgelòst und durch HV-Leute ersetzt. Am Ende des Krieges 
standen im Wachdienst der KZ ca. 6000 Dienstverpflichtete und 24 000 
àltere Wehi'machtsangehòrige. (S. eidliche Aussage Brill im Niirnberger 
Prozefi.) Dokumentation Akte B. 


bildungszeit nicht dazu ausgereicht, einen voll durchgebildeten 
Verband zu schaffen, als er bereits die Feuertaufe empfing. Pan- 
nen waren die unvermeidliche Folge, iiberflùssige Verluste damit 
verbunden und das bedauerliche Ergebnis des zu frùhen Einsatzes. 

Obwohl der Division ein in der Reichswehr besonders be- 
wàhrter, àlterer Stabsoffizier als Generalstabsoffizier beigegeben 
worden war, reichte die Erfahrang des Divisionskommandeurs 
Eicke fùr eine wendige Gefechtsfùhrung im operativen Rah- 
men einfach nicht aus. 

Eicke stammte aus dem Unteroffizierskorps des alten Heeres. 
Er war ein harter, doch bei seinen Tmppen beliebter Mann. 
Infolge seiner politischen Vergangenheit ist er nach dem Kriege 
lebhaft umstritten gewesen, weil er vor seiner Truppenverwen- 
dung Inspekteur der 3 Konzentrationslager gewesen ist. Dadurch 
ist Eicke zu einer psychologischen Belastung fiir seine ganze Di- 
vision geworden, obwohl ihn der Feldmarschall v. Manstein in 
seinem Buch »Verlorene Siege« riihmt und ihn als einen »tapfe- 
ren Mann, der bald 79 verwundet wurde und spàter gefallen ist« 
bezeichnet hat. 

Tapferkeit allein reicht aber nicht dazu aus, um eine Divi- 
sion operativ richtig zu fìihren. Zwar hatte die T-Division die 
Zeit zwischen Frankreich- und Rufilandfeldzug zur Vervollstàn- 
digung ihrer Ausbildung gmndlich genutzt und ist unter der for- 
menden Hand ihres Kommandierenden Generals, des Generals 
der Art. Dollmann, eine gute Division geworden, die sich im 
Rufilandfeldzug schon in den ersten Monaten bewàhrte. Ihre 
Hòchstform hat sie allerdings erst spàter gefunden. 

Die SS-POL-Division unter dem spàter gefallenen General- 
leutnant Miilverstedt tmg die Bezeichnung »Polizeidivision« nur 
deshalb, weil man den Polizeispitzen gegeniiber eine freundliche 
Geste machen und sie am Kriegsmhm teilnehmen lassen wollte. 
lhre Offiziere und Mannschaften waren durchweg Wehrpflichtige 
und im wehrpflichtigen Alter stehende Heeresreservisten, die im 

79 v. Manstein »Verlorene Siege« S. 187. 


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Dienste der Schutzpolizei beraflich tatig waren. Ihren Polizei- 
charakter und die polizeiliche Exekutivberechtigung hatten diese, 
in das Feldheer uberfìihrten Polizisten damit verloren. Im iibri- 
gen waren Heeresverbande, insbesondere Artillerie und Spezial- 
einheiten, geschlossen in diese Division uberflihrt worden. Die 
Division hat Polizeiaufgaben niemals gehabt. 


Der Aufstieg von ehemaligen Unteroffizieren zu Generalen 
ist in der deutschen Armee stets eine Seltenheit gewesen. ln der 
Brandenburg-PreuBischen Wehrgeschichte ragt die Person des 
Feldmarschalls Derfflinger hervor, der es vom Unteroffizier bis 
zum Feldherrn des Grofien Kurflirsten gebracht hat. Im Fride- 
ricianischen Zeitalter bestand das Generalskorps durchweg aus 
Angehòrigen des stàndischen Adels, wie in allen Monarchien jener 
Zeit. Erst Napoleon I. hat mit dieser Regel gebrochen und sich 
seine Generale aus den bewàhrten Kriegskommandeuren ausge- 
sucht, die ihn am Anfang seiner sàkularen Laufbahn in seinen er- 
sten Feldziigen begleitet und darin ausgezeichnet hatten. Màn- 
ner wie die Marschàlle Ney, Bernadotte oder Murat waren ein- 
mal einfache Soldaten und Unteroffiziere gewesen, aus dem 
Kleinbiirgerstande gekommen und hatten sich durch eine beson- 
dere militàrische Begabung hervorgetan. Es gab unter ihnen aus- 
gesprochen operative Kòpfe, die sich mit den konventionellen 
Militàrs der Òsterreicher, Preufien und Russen hatten durchaus 
messen kònnen, wenn sie ihnen nicht gar durch die Originalitàt 
ihrer Fiihrungsmethoden zeitweilig iiberlegen gewesen sind. Ihre 
Namen haben bis heute ihren Klang behalten. 

In der Rangliste der reformierten preufiischen Armee von 
1813 ist allerdings kein Mann unter den Generalen verzeichnet, 
der aus dem Unteroffizierstande gekommen ist. Spàter stieg 
dann ein ehemaliger Wachtmeister, der General v. Reyher, zur 


hòchsten militàrischen Stellung in der preufiischen Armee auf. 
Er wurde Generalstabschef des preufiischen Heeres und hat sich 
in dieser Stellung vortrefflich bewàhrt. 

Aber dann war diese Periode einer liberalen Personalpolitik 
in der preufiischen Armee auch schon zu Ende und hat bis zum 
Jahre 1935 gedauert. Erst in der Armee Hitlers gelang es einer 
Anzahl von Offizieren, die dem Unteroffizierstande entstamm- 
ten und in der Reichswehr oder Landespolizei in unteren und 
mittleren Offizierdienstgraden gedient hatten, General zu wer- 
den. Sie haben sich dort vielfach einen guten Namen geschaffen. 

Der letzte Generalstabschef der deutschen Luftwaffe, General 
der Flieger Koller, hatte diesen Aufstieg genommen. Der Gene- 
ral der Fallschirmjàger Ramcke ist sogar zu einem soldatischen 
Begriff geworden. 

Die Verfligungstrappe und die Waffen-SS haben die Auswahl 
und Heranbildung ihres aktiven Offizierskorps nach diesem 
Grandsatz vorgenommen. Da sie schon bei der Auswahl ihrer 
Rekruten auf ein Herkommen aus guten Familien entscheiden- 
den Wert legten, konnten sie dem jungen Soldaten, der sich in 
seinem Beraf bewàhrt hatte, ohne Zògern die gleichen milità- 
rischen Laufbahnchancen einràumen wie dem Abiturienten. Fiir 
beide blieben, abseits aller Privilegien und iiberholter stàndi- 
scher Vorrechte, allein der Charakter, die geistigen Anlagen, die 
soldatischen Leistungen und Fàhigkeiten die unabdingbaren Vor- 
aussetzungen ihres militàrischen Berafsweges. 

Innerhalb der Waffen-SS stach in dieser Grappe der General- 
oberst Sepp Dietrich besonders hervor. Im ersten Weltkriege 
hatte er die Entwicklung der damals noch jungen Panzertrappe 
von ihren ersten Anfàngen an miterlebt. Im zweiten Weltkrieg 
erwarb er sich als Regiments-, Brigade- und Divisionskomman- 
deur Anerkennung und Vertrauen seiner iibergeordneten milità- 
rischen Befehlshaber; als Kommandierender General und Ober- 
befehlshaber bewies er einen klaren Blick fiir die gròfieren Ver- 
hàltnisse im operativen Rahmen und war wegen seines sachlichen 
und sicheren Urteils hochgeschàtzt. Sein urwiichsiger bayerischer 


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Mutterwitz, verbunden mit einem warmherzigen Geflihl flir den 
hart ringenden Soldaten haben ihm innerhalb des Frontsoldaten- 
tums in allen Streitkraften eine wahre Volkstiimlichkeit ver- 
schafft, die nach allen Erfahiungen nur militarischen Fiihrern 
zuteil zu werden pflegt, bei denen sich Herz und Verstand und 
Kònnen wohlausgewogen miteinander paaren. - 

Alle diese Manner, von denen hier nur einige besonders her- 
vorgetretene Persònlichkeiten genannt werden konnten, sind der 
lebendige Beweis jenes oft zitierten Gmndsatzes, dafi der Soldat 
>den Marschallstab im Tornister< tragen sollte. 

In den demokratischen Landern und natiirlich auch in der So- 
wjetunion sind Karrieren vom einfachen Soldaten bis zum Ge- 
neral làngst keine Seltenheit mehr. 

In der Waffen-SS kam eine Minderzahl von Generalen aus 
dem Unteroffizierstand. Von den 69 Gencralen " der Waffen-SS 
haben 52 einmal im alten Heer, der Reichswehi', der Landespoli- 
zei und der KuK-Armee als Bemfsoffiziere gedient, 7 ent- 
stammten dem ehemaligen Uneroffizierkorps, einer kam aus der 
mmanischen Armee, wàhrend 9 bereits aus der SS-Verfiigungs- 
tmppe hervorgegangen sind und sich - trotz ilircr Jugend - 
durch ausgesprochene militàrische Begabung, ungewòhnliche Tap- 
ferkeit und besondere Fiihrungseigenschaften ausgezeichnet hat- 
ten. Die Mehrzahl hatte den Lehrgang des Heeres fiir hòhere 
Truppenfiihrer erfolgreich besucht. 

Trotz dieser noch konventionell zu nennenden Schichtung 
ihier Generalitàt hatte die Waffen-SS sich den Gmndsatz zu ei- 
gen gemacht, daf.ì Herkunft und Dienen von der Pike auf kein 
Hindernisgmnd fiir den Aufstieg in hòhere militàrische Stellun- 
gen sein diirfe, wenn Charakter und Leistung diesen entspra- 

so In dem Entwurf der Denkschrift des Bimdesarchivs iiber die W-SS 
vom 8. 2. 55 wird die Anzahl der Generale in der W-SS mit 117 angegeben. 
Diese Ùbersicht rechnet alle diejenigen Polizeigenerale hinzu, welche den 
Titel »General der Waffen-SS imd Polizei« erhalten haben, ohne jemals der 
Waffen-SS angehòrt zu haben. 


chen. Vergangene, stàndische MaBstàbe sollten in einem moder- 
nen Zeitalter keine Giiltigkeit mehr haben. Denn was fùr die 
Wirtschaft und Politik allgemeine Geltung besaB, muBte auch 
auf dem soldatischen Sektor mòglich sein. 

Jeder Dritte der Generale der Waffen-SS ist vor dem Feinde 
geblieben. Davon sind zwanzig gefallen, vier der Rachejustiz des 
Feindes in Jugoslawien und der Sowjetunion zum Opfer gefallen 
und einer in englischer Gefangenschaft gestorben 81 . 


Das bemfsmàBige und freiwillige Soldatentum der SS-Ver- 
fugungstruppe war nunmehr in jungen Kriegsverbànden der 
Waffen-SS zusammengefaBt worden, in welcher der Geist der ehe- 
maligen Verfligungstmppe weiterhin flihrend blieb. Zwar hatten 
die beiden neuen Divisionen weder die sorgfàltige noch die fort- 
schrittliche Friedensausbildung genossen wie jene, aber bei Beginn 
des RuBlandfeldzugs den AnschluB an den Ausbildungsstand der 
aktiven Heeresdivisionen gewonnen. lnfolge ihrer andersarti- 
gen Entwicklung hatten sie zunàchst ein anderes Gesicht be- 
kommen als die ehemalige VT. Wàhrend die T-Division sich 
durch einen starken, militàrischen Ehrgeiz und besonderen kàmp- 
ferischen Geist - also durch starkes Draufgàngertum - her- 
vortat, war die SS-Polizeidivision von einer normalen Heeres- 
division kaum zu unterscheiden. Aber sie galt von Anfang an als 
besonders zuverlàssig und standfest, da die ehemaligen Polizei- 
angehòrigen schon von Bemfswegen besondere Qualitàten be- 
sitzen muBten. ln der Schlacht am Wolchow s ~ hat sie ihre mili- 

01 Das Buch von Foltmann »Opfergang der Generale« 1953 bezieht eine 
Anzahl von Polizeigeneralen in die Generalverluste der Waffen-SS ein, die 
ihr nur nominell, nicht aber tatsachlich angehòrt haben. Foltmann nennt in- 
folgedessen die Zahl von 55 im Kriege gefallener Generale. 

82 s. »Schlacht am Wolchow« Dezember 1942 herausgegeben von der 
Propaganda-Kompanie der 18. Armee, No. 10562, Riga S. 5. 


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tàrische Leistungsfàhigkeit an entscheidender, operativer Stelle 
besonders bewiesen. 

Erst allmàhlich vollzog sich in diesen Divisionen durch Offi- 
zier- und Mannschaftsversetzungen innerhalb der Waffen-SS ein 
solcher AngleichungsprozeB, dafi sich die anfangs noch hetero- 
genen Elemente einander mchr und mehr anglichen und eine 
gleichartige kàmpferische Form und geistige Fialtung gewannen. 

Gerade auf dem letzten Gebiet waren die Unterschiede zu- 
nàchst besonders deutlich gewesen. Die aktiven Truppenteile 
der SS-VT hatten aus ihrem langjàhrigen Bemfsethos heraus 
làngst eine eigenstàndige, soldatische Gmndhaltung gefunden. 
Ihre Einstellung zur Parteiideologie war demnach verhalten und 
vielfach auch kritisch, jedenfalls nicht ausgepràgt oder besonders 
hervorstechend. 

Zwischen Frankreich- und RuBlandfeldzug, also in einer Zeit- 
spanne von etwa einem Jahr war ein weiterer, operativer Ver- 
band der Waffen-SS entstanden, die 5. SS-Infanterie-Division 
(mot) »Wiking«. 

Mit ihr war die Waffen-SS vor eine vòllig neuartige Aufgabe 
gestellt worden. Denn die neue Division sollte nicht nur aus 
Deutschen, sondern auch aus Dànen, Norwegern, Niederlàndern 
und Finnen bestehen. Angesichts der schwierigen und zudem noch 
verschiedenartigen, psychologischen Gmndlagen war das ganze 
Vorhaben ein Wagnis gewesen. Zwar waren die deutschen Stàm- 
me gut und stark genug, um einen festen Rahmen fur die junge 
Truppe zu bilden. Sie bestanden aus guten Offizieren und Unter- 
offizieren der VT mit langjàhriger Friedens- und Kriegserfah- 
rung. Zudem war der Division das bewàhrte Regiment »Germa- 
nia« von der VT-Division zugeflihrt worden, wàhrend die bei- 
den andern Regimenter der Division »Westland« und »Nord- 
land« reine Neuaufstellungen waren. Bei der schon im Frieden 
vorbildlich gewesenen, kameradschaftlichen Fiirsorge der Offi- 
ziere und Unteroffiziere der alten VT fiir ihre Untergebenen ge- 
lang es bald, den menschlichen Kontakt zwischen den europài- 
schen Freiwilligen und dem deutschen Stammpersonal herzustel- 


len, obwohl es nicht leicht war, die Mentalitàt der verschiedenen 
Freiwilligengmppen gleich zu erkennen. Mit der Zeit entwickelte 
sich dennoch ein echtes Vertrauensverhàltnis zwischen den Ange- 
hòrigen der verschiedenen Nationen, das zur Gmndlage der in- 
neren Geschlossenheit dieser Tmppe geworden ist und als letzte 
Ursache fùr die groBen Erfolge der Division »Wiking« wàhrend 
des ganzen Ostfeldzuges betrachtet werden muB. 

Die jungen Freiwilligen aus Norwegen, Dànemark und Hol- 
land kamen vorwiegend aus den nationalen Jugendgmppen ih- 
rer Lànder. Sie hatten ebenso starke, eigene nationale Ideale, wie 
ein nicht minder geringes soziales Empfmden. Fiir den Schi'itt an 
die deutsche Seite war bei ihnen nicht etwa eine politische Idee aus- 
schlaggebend gewesen, sondern ihr Gefiihl trieb sie aus der Enge 
des in ihren Làndern herrschenden, politischen und geistigen 
Konventionalismus heraus in gròBere Verhàltnisse, in denen sie 
mehr Verstàndnis und Entfaltungsmòglichkeiten fìir ihre eigene, 
geistige Welt erhofften. Sie dachten gar nicht daran, mit dem ge- 
wàhlten freiwilligen Dienst im deutschen Kriegsheer - ein Ent- 
schluB, den sie meist erst nach inneren Kàmpfen gefaBt hatten - 
ihr eigenes Volkstum aufzugeben, sich einer ihnen letztlich we- 
sensfremden »Germanischen« Ideologie hinzugeben oder gar fùr 
fremde Interessen zu kàmpfen. Vielmehr erhofften sie sich von 
der militàrischen Zusammenarbeit mit dem stàrksten Volk des 
Kontinents, das ihre Heimat besetzt hielt, eine zukiinftige Part- 
nerschaft mit diesem und damit eine Beteiligung ihres Volkes an 
einem zukiinftigen Staatenbund freier europàischer Vòlker, den 
sie erstrebten und den sie sich selbst im Rahmen ihrer geringen 
Kràfte miterkàmpfen wollten. 

Der deutschen Fiihrerschaft in ihrer Tmppe war dieses Den- 
ken zunàchst neu. Erst im Laufe der Zeit begriffen die deutschen 
Offiziere die zwingende Logik dieser Gedankengànge und konn- 
ten sich solchen Einfliissen auch selbst nicht entziehen. 

Zunàchst aber gerieten sie gegeniiber den Freiwilligen in eine 
schwierige Situation, da sie ihnen auf vielfach dràngende Fragen 


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nach ihrer zukiinftigen nationalen Selbstàndigkeit keine iiberzeu- 
gende Antwort geben konnten. Sie mufiten diese Unsicherheit 
deshalb durch ihre militàrische Dynamik und Passion sowie 
menschliche Kameradschaft und Fiirsorge auszugleichen versuchen. 
Mit irgend einer politischen Problematik wàre ihnen weder ge- 
holfen gewesen, noch hàtten sie bei den Freiwilligen damit Ver- 
stàndnis gefunden. Denn die von den deutschen Fieimatideolo- 
gen der SS propagierte gemeinsame, germanische Vergangenheit 
war keine tragbare Basis, um ein Gemeinschaftsgeflihl unter den 
Freiwilligen zu erzeugen, das sich fLir Soldaten einer nationalen 
Armee aus der Zugehòrigkeit zu einer Nation von selbst ergibt. 

Daflir dachten die jungen Auslànder viel zu niichtern. Sie 
waren nicht davon iiberzeugt, dafi eine mehrhundertjàhrige, ge- 
schichtliche Verschiedenheit durch Ausgraben von Àhnlichkeiten 
aus der germanischen Friihgeschichte iiber Nacht beseitigt werden 
kònnte, wenn sie auch die Betonung solcher Parallelen nicht ab- 
stiefi. So entstand in dieser Division auf Gmnd der allen gemein- 
samen, soldatischen Passion zunàchst eine kameradschaftliche und 
soldatische Gemeinschaft, die sich in den Gefahren des Krieges 
immer stàrker zusammenschlofi und im Kollektivismus des mili- 
tanten Bolschewismus den gemeinsamen Gegner sah. Erst im Laufe 
der Zeit glichen sich auch die geistigen Uberzeugungen einander 
an und fanden in dem gemeinsamen Wunsche nach Freiheit von 
àufiererNot eine gemeinsame Gmndlage. 

Die Freiwilligen kamen meist aus den gehobenen Schichten 
ihrer Lànder. Die ersten waren fast durchweg Schiiler, Studen- 
ten, junge Kaufleute und Techniker gewesen. Bei den spàter hin- 
zu kommenden Finnen war diese soziologische Schichtung be- 
sonders deutlich. Unter ihnen befanden sich eine grofie Anzahl 
jiingerer, geistiger Menschen, die nach ihrer Riickkehr in die Hei- 
mat nach dem Ki'iege vielfach in einflufireiche Stellungen im òf- 
fentlichen oder wirtschaftlichen Leben ihres Landes aufgestiegen 
sind. Bei ihnen gab es keine grofie Problematik in ihrer Einstel- 
lung zu den Deutschen. Sie kamen aus einem verbiindeten Lande 
und fuhlten sich von vornherein nicht nur als gleichberechtigte 


Partner, sondern seit dem ersten Weltkriege als traditionelle 
Freunde Deutschlands und sahen im deutschen Soldaten ihren 
Waffenbmder. Gewisse Schwierigkeiten ergaben sich bei ihnen 
nur dann, wenn der deutsche Vorgesetzte ihre soldatische Menta- 
litàt verkannte und sie in die starre Form eines preufiischen Mili- 
tarismus stecken wollte. Ein Austausch solcher Persònlichkeiten 
beseitigte aufgetretene Schwierigkeiten mit einem Schlage. Bei 
allen Freiwilligen, ob deutschen oder auslàndischen, war das Be- 
wufitsein vorhanden, dafi in Europa nunmehr ein Zeitalter an- 
zubrechen schien, das eine erstarrte Vergangenheit aus ihrer Ver- 
greisung befreien wollte und dafi eine sàkulare Auseinanderset- 
zung mit der òstlichen Kollektive keinem abendlàndischen Volk 
erspart bleiben wiirde. Die auslàndischen Freiwilligen trieb zu- 
dem noch die Unmhe, zwischen den Fronten zermalmt zu wer- 
den, falls sie darin nicht eine klare Stellung beziehen wiirden und 
um eine militàrische Partnerschaft bemiiht wàren. 

Die harten Kriegserfahi'ungen und nationalen Enttàuschun- 
gen haben auch diese gàrende Jugend zum Verstummen gebracht. 
Eine nachdenkliche Skepsis hat schliefilich auch dieser Division 
in allen ihren Teilen gleichmàfiige und menschlich gleichartige 
Konturen gegeben. Am Schlufi blieb nur noch der feste Wille iib- 
rig, Heimat und Familie vom Los der Bolschewisiemng zu be- 
wahren. 

Das endgiiltige Profil erhielt die Waffen-SS aber erst, als sich 
die wehrhafte Mannschaft aus dem deutschen Volkstum des Bal- 
kans und des Baltikums in sie einreihte, mit den niederlàndischen 
flàmischen, wallonischen und franzòsischen Legionsfreiwilligen 
in ihr aufging und die Freiheitskàmpfer der baltischen Staaten 
und der Ukraine zu ihr gestofien waren. Mitten im Kriege und 
unter dem unaufhòrlichen Aderlafi stàndiger, schwerer Kàmpfe 
hat die Waffen-SS die Kraft daflir aufgebracht, alle diese ver- 
schiedenartigen Elemente zu einem einheitlichen Ganzen zusam- 
menzuschweifien und in ihnen jenen soldatischen Geist wachzu- 
mfen, der sie seit Beginn ihres geschichtlichen Lebens von Anfang 
an beherrscht hatte, den Geist der Selbst- und Mitverantwortung, 


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der PflichterfLillung gegeniiber dem Ganzen und der Kamerad- 
schaft untereinander. 

Keine politische Ideologie oder blutleere Romantik hatte es 
jemals fertig bekommen, einen solchen Verschmelzungsprozefi her- 
beizufuhren. Keine gedankliche Konstmktion hatte ausgereicht, 
das zustande bringen kònnen, was sich hier in wenigen Jahren 
vollzog. Dazu bedurfte es schon des Vorbildes eines jugendfri- 
schen und schòpferischen Soldatentums, das in der Waffen-SS 
lebendig geworden war und alle, die mit ihm in Berùhrung ka- 
men, in seinen Bann schlug. Das Ergebnis war schliefilich eine - 
trotz aller Verschiedenheiten - dennoch gleichartige Tmppe, 
deren Gmndhaltung vom deutschen Soldatengeist bestimmt 
wurde. 

Allerdings ergaben sich bei dem standigen Wachstum der 
Truppe auch kampferische Unterschiede, die nicht etwa aus einem 
unterschiedlichen Geist oder einer unterschiedlichen Kampfbereit- 
schaft entstanden waren, sondern ihren Grund in der Untertei- 
lung der Waffen-SS in verschiedenartige Waffengattungen mit 
unterschiedlicher, technischer Ausrustung hatten. Durch ihre Aus- 
stattung mit Panzern hatten es die Panzer- und Panzergrenadier- 
divisionen der Waffen-SS leichter als die Grenadier- oder Ka- 
vallerieverbande, die deren Hilfe entbehren mufiten. Denn der 
technische Krieg hatte den militarisch-elitaren Kampfwert in zu- 
nehmenden Mafie auf die Panzerverbande verlagert und die kon- 
ventionellen Waffengattungen dabei in die zweite Linie ver- 
wiesen. 

* 

Ostwarts gleich hinter Wien begann ein uralter, deutscher 
Siedlungsraum. Schon im zwòlften Jahrhundert hatten sich hier 
im ehemaligen Kònigreich Ungarn deutsche Menschen aus Nie- 
dersachsen eine neue Heimat gesucht und sie hier gefunden. Im 
dreizehnten Jahrhundert war ein neuer Strom deutscher An- 
siedler aus dem Elsafi den Spuren jener gefolgt und im siebzehn- 
ten und fmhen, achtzehnten Jahrhundert hatten Tausende flei- 


Biger Deutscher aus dem Schwabenlande, dem Maingebiet, von 
der Mosel und vom Mittelrhein ihre angestammte Heimat ver- 
lassen und sich im Balkanraum eine neue Existenz geschaffen. 
So waren entlang der Donau bis Budapest, im Ofener Lande, 
im Schildgebirge und in der schwàbischen Turkei geschlossene, 
deutsche Siedlungsràume entstanden, die sich nach Westen in der 
Gottschee, in Syrmien und Slavonien, in der Batschka und im 
Banat fortsetzten und sich auf mmànischem Staatsgebiet auf 
das dortige Banat, das Siebenbiirger Land, das Buchenland und 
die bessarabischen und wolhynischen Landstriche erstreckten. 

Deutsche Intelligenz, deutsche Unternehmungsfreunde, Ar- 
beitskraft und Fleifi hatten iiberall bliihendes Land geschaffen, 
Stàdte und Dòrfer gegriindet, die deutsche Kultur erhalten und 
gegen fremde Einfliisse zàh verteidigt. Im Zusammenleben mit 
ihren Wirtsvòlkern vorbildlich und vertràglich, dem Staatswesen 
gegeniiber, dem sie angehòrten, loyal, hatten sie fern vom Mut- 
terlande das deutsche Wesen in ihren Herzen, ihrem Volksleben 
und ihren Gebràuchen bewahrt und dieses mit besonderer lnnig- 
keit in den iiberkommenen Formen ausgestaltet. 

In den Pfarr- und Lehrerhàusern erklangen noch immer Bachs 
weihevolle Klànge und Haydns Melodien, wenn sich die Fami- 
lien zur Hausmusik zusammenfanden. Auf den Dòrfern ertòn- 
ten nach Feierabend die alten, deutschen Lieder, die sich von 
Generation zu Generation, von den Eltern auf die Kinder ver- 
erbt hatten. In den Hàusem herrschten fast noch patriarchalische 
Sitten. Den Fremden brachte man eine von Herzen kommende 
Gastfreundschaft entgegen. Die Schulen in diesen deutschen 
Sprengein waren vorbildlich, die kulturellen Eini'ichtungen 
wohl organisiert, die Selbstverwaltung mustergiiltig und das 
weitverbreitete Genossenschaftswesen richtunggebend. Im Kampf 
um ihre Selbstàndigkeit und Eigenart waren alle diese Deutschen 
ebenso geschmeidig, wie zàh und klug gewesen und hatten es zu 
einer politischen Reife gebracht, die sie weit iiber den Rahmen 
ihres engeren Heimatgebietes hinausgefLihrt hatte. 

Lange bevor sich irgendwo in Europa die ersten, schwachen 


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Anzeichen eines europaischen BewuBtseins gezeigt hatten, war 
eine europàische Gemeinsamkeit bereits die erstrebte Sehnsucht 
ernsthafter, politischer Kràfte innerhalb des Balkan-Deutschtums. 
Bestrebungen, sie politisch zu realisieren, waren mehrfach ver- 
sucht, aber am Nationalismus einfluBreicher, fremder Kreise ge- 
scheitert. Was war natiirlicher, als daB diese Menschen die Vor- 
gànge in ihrem alten Vaterland mit hòchstem Interesse verfolg- 
ten und an ihnen so lebhaften Anteil nahmen, wie einst ihre Vor- 
vàter an der Lutherschen Reformation, deren freiheitliche Ideen 
sie damals genau so fasziniert und schlieBlich zu Bekennern der 
lutherischen Konfession gemacht hatte! 

War es verwunderlich, daB ihre mànnliche Jugend an die Seite 
ihrer westdeutschen Kameraden dràngte, als sie sah, daB sich 
ihre Gastvòlker mit Deutschland verbiindeten und daB sie bei 
Ausbruch des RuBlandfeldzuges Seite an Seite neben deutschen 
Soldaten ihrem Mutterlande helfend zur Seite stehen wollte? 

So schlichen sie sich zuerst heimlich nach Deutschland. Spàter 
schlòssen sie sich den deutschen Tmppen an, als diese durch Un- 
garn nach Bulgarien zogen. Sie meldeten sich als Freiwillige bei 
den Divisionen der Waffen-SS, als sie im Feldzug gegen Jugosla- 
wien ihr Heimatgebiet betraten und dort selbst vor einem unbe- 
kannten Wunder standen. SchlieBlich erhielten sie nach langen, 
militàrischen Umwegen auch offiziell das Recht, als Freiwillige 
in den Reihen der Waffen-SS zu dienen, nachdem Deutschland 
es mit ihren Gastlàndern vertraglich vereinbart hatte. 

Damit erhielten sie auch gegeniiber ihren eigenen Staaten und 
mit deren Billigung einen zeitweiligen, deutschen Wehrstatus, 
ohne damit ihrer prinzipiellen Wehrverpflichtung ihnen gegen- 
iiber auf die Dauer entzogen zu sein. 

Fast gleichzeitig waren auch die Deutschen aus dem Baltikum, 
die man schon nach dem Polenfeldzug mit Zustimmung der So- 
wjetunion aus ihren gefàhrdeten Heimatràumen nach Posen 
verpflanzt hatte, zur Waffen-SS gestoBen. Es waren nicht viele, 
denn das dortige Volkstum war schon zusammengeschmolzen, 
aber umso wertvollere Menschen aus einer Kulturschicht, die 


Jahrhunderte hindurch eine starke, geschichtsbildende Kraft im 
nordosteuropàischen Raum gewesen war. Ihre Vàter und Vorvà- 
ter waren im Baltikum Generationen hindurch geistig flihrend ge- 
wesen oder hatten nach ebenso langem Herrschen ihrer Voi'và- 
ter iiber groBe Làndereien in dieser Generation den Pflug wie- 
der in die Hand genommen und waren nach den Revolutions- 
jahren von 1918 bis 1920 schlichte Bauern geworden. 

Mit dem grofien Volksdeutschen Element stròmte ein ebenso 
geschichtsbewàhrtes wie opfergewohntes, konservatives Men- 
schentum in die Waffen-SS hinein, das sich in ihren Reihen wohl 
einfligte und in ihr bald durchzusetzen verstand. 

Etwa 350 000 Soldaten aufierdeutscher Staatsangehòrigkeit 
haben in der Waffen-SS insgesamt gedient. Mit den einmal vor- 
handenen 500 000 Reichsdeutschen, Òsterreichern und Sudeten- 
deutschen zusammen haben sie in den 38 Divisionen der Waffen- 
SS praktisch ein supranationales Soldatentum geschaffen, das 
seine ganzen Impulse aus dem preuBisch-deutschen Soldatengeist 
modernster Pràgung bezogen hat. 

Die deutschen und auBerdeutschen Freiwilligen haben in ih- 
rer Masse alle einer àhnlichen, soziologischen Schicht angehòrt. 
Sie waren die Sòhne eines noch erdverbundenen, bodenstàndi- 
gen Biirger- und Bauerntums gewesen, das in seiner Heimat fest- 
verwurzelt war und gaben deshalb ein solides Fundament fiir 
ihre neuartige, soldatische Gemeinschaft ab. Trotz aller anfàng- 
lich verschiedenartigen Begriffe und Meinungen in ihi'en Reihen 
haben sie sich schlieBlich auch zu einer geistigen Einheit zusam- 
mengefunden, die in erster Linie von einer gemeinsamen Einstel- 
lung zu Volk, Familie und Vaterland bestimmt, dann aber schon 
von der Uberzeugung getragen wurde, dafi sie trotz allen ver- 
schiedenen Volkstums einer gemeinsamen, europàischen Vòlker- 
familie angehòren wiirden. 

Ein solches Menschenpotential verlangte kategorisch nach 
einer sorgsamen Fòrdemng im Rahmen aller Mòglichkeiten, die 
der Krieg gestattete. 

Hierzu sei dem letzten Kommandeur der Junkerschule Tòlz, 


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dem Oberstiirmbannflihrer der Waffen-SS (Oberstleutnant) Ri- 
chard Schulze-Kossens das Wort gegeben und seine Aussagen bei- 
gefligt, die er vor dem lnternationalen Militargerichtshof von 
Niirnberg am 13. Januar 1948 eidlich erhartete: 

Niirnberg, den 13. Januar 1948 
Eidesstattliche Versicherung 

Ich, Richard Schulze, geb. am 22. Oktober 1914, z. Zt. Ge- 
richtsgefàngnis Niirnberg, zuerst darauf aufmerksam gemacht, 
daB ich mich bei Abgabe einer falschen Erklàrung an Eidesstatt 
einer Bestrafung aussetze, sage aus und erklàre an Eidesstatt, 
daB meine Erklàrung wahr ist und als Beweismaterial vor dem 
internationalen Militàrgerichtshof im Justizpalast von Niirnberg 
oder einer Spmchkammer vorgelegt werden soll, folgendes: 

Ich war zuletzt Obersturmbannfiihrer der Waffen-SS, gehòrte 
nach ununterbrochener Truppenzugehòrigkeit seit April 1939 dem 
Auswàrtigen Amt als Angehòriger des Diplomatennachwuchses, 
dann lange Zeit dem Stabe des Reichsaufienministers als Adju- 
tant Ribbentrops an. Nach Teilnahme am West-, Siidost- und 
Ostfeldzug wurde ich nach Ausheilung mehrerer Verwundungen 
am 3. Oktober 1941 Ordonnanzoffizier der Waffen-SS bei Hit- 
ler und Ende Oktober 42 zu seinem persònlichen Adjutanten er- 
nannt. 

Mit verschiedenen Unterbrechungen durch Krankheit habe ich 
bis zum 6. Dezember 1944 dem Fiihrerhauptquartier angehòrt. 
Einige Monate des Jahres 1943 und 44 war ich zur Junkerschule 
Tòlz kommandiert, wo ich fiir die Dauer meines Aufenthaltes 
die Fiihrung und Erziehung einer Lehrgmppe iibernahm, die 
sich aus reichsdeutschen und aufierdeutschen Offiziersanwàrtern 
der Waffen-SS aus rnchr als 10 Nationen zusammensetzte. 

Nach Riickkehr in das Fiihrerhauptquartier im August 1944 
schied ich im Dezember 1944 dort aus und iibernahm eine Kampf- 
gmppe der 12. SS-Panzerdivision. Nach der Ardennen-Offensive 
wurde ich Januar 1945 zum Kommandeur der SS-Junkerschule 


Tòlz ernannt und im Màrz 1945 mit der Aufstellung einer Di- 
vision beauftragt, in welcher ich ein Regiment iibernahm und am 
29.4.1945 wàhrend der Kàmpfe in Siiddeutschland in amerika- 
nische Kriegsgefangenschaft geriet. 

Zur Sache: 

Anlàfilich meines Aufenthaltes in der Junkerschule lernte ich 
eine grofie Anzahl europàischer Offizieranwàrter der Waffen-SS 
kennen und hatte Gelegenheit, dem Leiter der sogenannten ger- 
manischen Leitstelle zu begegnen, dem die Betreuung der Freiwil- 
ligen aus den verschiedenen Làndern oblag. Er war der Sprecher 
dieser Junker. Aus wiederholten Unterhaltungen mit ihm und 
den auf der Schule befindlichen Junkem gewann ich den Ein- 
dmck, daB sie sich alle flir den Frontdienst in der Waffen-SS frei- 
willig gemeldet hatten, weil sie den Kampf gegen den Bolsche- 
wismus als ihre gemeinsame Aufgabe ansahen. Wiederholt gaben 
sie ihrer Meinung Ausdmck, daB sich kein Land von diesem 
Kampf an Deutschlands Seite ausnehmen diirfe. Wir sprachen 
hàufig iiber das neuzubildende Europa nach einem siegreichen 
Kriegsende. Dabei wurde immer wieder unterstrichen, daB ein 
solches Europa nur in der Form eines Staatenbundes unter Auf- 
rechterhaltung der Souverànitàt und Gleichberechtigung der 
Staaten nebeneinander entstehen kònne. 

Der Leiter der damaligen Germanischen Leitstelle, der 
Schweizer R. stellte beispielsweise sehi' bestimmt fest, dafi ein 
neues Europa nur in einer solchen Form entstehen kònne. Voraus- 
setzung dazu wàre allerdings, daB nicht die von der NSDAP 
und ihren Exponenten in den besetzten Gebieten teilweise geiibte 
Politik der Gewalt und Unterdriickung mafigebend bleiben kòn- 
ne. Diese Ausfiihmngen wurden wiederholt in einem Vortrage 
gemacht, der vor den Junkern von etwa zehn bis zwòlf europà- 
ischen Nationen gehalten wurde. Sie waren nach erfolgreichem 
Fronteinsatz in den Freiwilligendivisionen der Waffen-SS oder 
beim III. (Germ.) Panzerkorps zur Ausbildung zum Offizier 
auf die Junkerschule Tòlz kommandiert worden. 


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Jene Rede - ich wohnte ihr selbst bei - wurde von grol.ìem 
Beifall unterbrochen, insbesondere die gegen die unfàhigen Par- 
teipolitiker gemachten Àufiemngen. Diese wurden auch der ober- 
sten SS-Fiihrung bekannt und im genauen Wortlaut angefordert. 
Sie fiihrte zur sofortigen Ablòsung von Dr. R. Dariiberhinaus 
erhielt der Kommandeur der Junkerschule ein persònliches Schrei- 
ben Flimmlers, das eine Verwarnung und den Hinweis enthielt, 
alles zu unterlassen, was auf eine Divergenz zwischen Waffen-SS 
und Partei schliefien lasse. 

Ich mufi betonen, dafi die Erziehung der Junker auf der Jun- 
kerschule Tòlz auf der gleichen Ebene lag, die jene Rede vorge- 
zeichnet hatte. 

Die Ausbildung geschah nicht - wie oft behauptet wird - 
in einer geheimen »Sonderausbildung«, sondern nach einem Aus- 
bildungsplan, der àhnlich an allen Kriegsschulen des Heeres be- 
stand und durch den Inspekteur des Offiziernachwuchses des Hee- 
res mit dem unseren in Ubereinstimmung gebracht und ausge- 
tauscht wurde. Er bildete auch die Gmndlage fur die infanteri- 
stische Erdausbildung der Marine, was mir der Inspekteur des 
Offiziernachwuchses der Kriegsmarine, Admiral Rogge, gelegent- 
lich einer Besprechung bei seinem Besuch in Tòlz nachdmcklichst 
bestàtigte. 

Im iibrigen sind vom Januar 1945 ab zwei Inspektionen der 
Luftkriegsschule Furstenfeldbmck zwecks Ausbildung als Offi- 
ziere von Luflwaffenfeld- und Fallschirm Jàgerdivisionen der Jun- 
kerschule Tòlz angegliedert gewesen und haben ihre Schùler mit 
Hilfe des Lehrpersonals der Waffen-SS nach dem gleichen Dienst- 
und Lehrplan ausgebildet. Auch eine Marineinspektion war uns 
wàhrend dieser Zeit angegliedert. Von 1944 ab fanden auch Kur- 
se der Kriegsakademie Hirschberg als Abschlufi der Lehrgànge 
fùr Generalstàbler bei uns statt, um den kommenden General- 
stabsoffizieren einen Eindmck von der - wie der Kommandeur 
der Kriegsakademie erklàrte - einmaligen, neuartigen und vor- 
bildlichen Offiziersausbildung zu vermitteln. Auslàndische Ge- 
lehrte verschiedener europàischer Lànder haben vor den Junkern 


Referate und Vortràge iiber ihre Lànder gehalten. Regelmàfiige 
Symphoniekonzerte im Rahmen der musischen Erziehung, die 
als Lehrfach bei uns erstmalig eingeflihrt und auch benotet wur- 
de, sollte den Teilnehmern einen Eindmck von der europàischen 
Geisteswelt vermitteln. 

Ich betone hiermit immer wieder die europàische, iiber den 
Rahmen unserer deutschen Auffassung hinausgehende Erziehung, 
die wir Jiingeren mit umso gròfierer Begeistemng verfochten, 
weil wir der Meinung waren, dafi zwischen den Europàischen 
Nationen nur noch ein traditioneller Gegensatz bestand und wir 
in einer Gemeinsamkeit die neue Idee des 20. Jahrhunderts er- 
blickten. 

Der Gedanke, dafi eine solche Idee politisch mifibraucht wer- 
den kònne, ist uns damals nicht gekommen. Neben ihren reichs- 
deutschen Kameraden safien europàische Offiziersbewerber auf 
der gleichen Schulbank, ohne dafi etwa eine besondere Beeinflus- 
sung oder Ausrichtung durch und auf die deutschen Ideologien 
erfolgte. Ich darf bemerken, dafi neben der im Kriege natùrlich 
an erster Stelle stehenden militàrischen Fachausbildung sich die 
Erziehung in Anlehnung an das englische Bildungsideal auf die 
Charakterausbildung erstreckte, in deren Mittelpunkt die Erzie- 
hung zur Selbstbeherrschung, Ritterlichkeit und Wahrheitsliebe 
standen. 

Wir wichen damit bewufit von dem einstigen deutschen Bil- 
dungsideal ab, das sich im wesentlichen auf die blofie Vermittlung 
von Wissen beschrànkte und die charakterliche Erziehung erst in 
zweiter Linie betrieb. 

So wurden im allgemeinen auch alle Negationen, insbeson- 
dere auch die Behandlung der Judenfrage und des Antisemitismus 
abgelehnt, weil alle Verneinungen im òffentlichen Leben nur 
den Blick vor den eigenen Fehlern verschliefien kònnen. Gewifi 
wurde im Rahmen der geschichtlichen und geistigen Erziehung 
auch die Judenfrage und der Antisemitismus von der wissenschaft- 
lichen Seite her behandelt. Ebenso wurde das Parteiprogramm 
der NSDAP besprochen. Jedoch wurden alle diese Dinge offen 


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und freimiitig zur Diskussion gestellt und das Fiir und Wider 
gerade von den europàischen Offizieranwàrtem kritisch debat- 
tiert und jede parteipolitische Einseitigkeit energisch abgelehnt, 
ohne daB diesen daraus irgendwelche Nachteile entstanden. 

Allen katholischen Junkem war es selbstverstàndlich gestat- 
tet, regelmàBig in Uniform am katholischen Gottesdienst der Tòl- 
zer Kirchen teilzunehmen. Verschiedentlich waren auch evange- 
lische Pfarrer aus dem Siidosten Europas als Offizierbewerber 
der Reserve nach Tòlz kommandiert. 

Nach bestandener Offiziersausbildung wurden die Junker auf 
die Waffenlehrgànge fur Panzer-, Panzergrenadiere-, Artillerie- 
usw. Offiziere kommandiert, um dann zu den Waffen-SS-Divisio- 
nen an die Front zurùckzukehren, wo sie -insbesondere im III. 
(Germ.) Panzerkoips - als vòllig gleichberechtigte Offiziere Trup- 
peneinheiten befehligten und es gar nichts Besonderes war, daB 
etwa ein niederlàndischer Zugfùhrer einem norwegischen Kom- 
paniefùhrer oder ein reichsdeutscher Kompaniefùhrer einem dà- 
nischen Bataillonskommandeur unterstand. 

Vor meiner Rùckkehr in das Fùhrerhauptquartier wurde mir 
von den Junkem, die aus den besetzten Làndem stammten, die 
Frage vorgelegt, was aus ihren Heimatlàndem nach dem Kriege 
werden sollte. Sie baten mich, Hitler darùber um eine bindende 
Auskunft zu ersuchen und ihm zu erklàren, daB sie sich nur zum 
Kampf gegen den Bolschewismus gemeldet hàtten. Keinesfalls 
wùrden sie fùr Deutschland allein und dessen VergròBerung auf 
Kosten ihres Landes kàmpfen wollen. Sie seien stolz auf ihr Land 
und fùr dessen Selbstàndigkeit in den Kampf gezogen. 

Ich habe diese Fragen und die Besorgnisse der Junker Hitler 
mitgeteilt und erhielt die Antwort, daB er allen europàischen 
Staaten nach dem Kriege die Selbstàndigkeit garantieren werde 
und die Ermàchtigung, diese Meinung den Tòlzer Junkem be- 
kannt zu geben. 

gez. Richard Schulze 


Vorstehende Unterschrift des Rich. Schulze identifiziert durch Dr. 
Froeschmann, Verteidiger beim Intemationalen Militàr-Tribunal 
in Nùmberg wird hierdurch von mir beglaubigt und bezeugt: 
Nùmberg, den 13. Januar 1948 

gez. Dr. Froeschmann« 


Es konnte gar nicht ausbleiben, daB eine solche, bewuBt mo- 
deme Truppe sich auch mit den Problemen der Waffentechnik, 
deren entscheidende Bedeutung fùr ihre Leistungsfàhigkeit sie 
frùhzeitig begriffen hatte, auseinandersetzen und nach Wegen 
zur Ùberwindung von vorhandenen, im Kampf aufgetretenen 
Màngeln suchen muBte. Schon im Winter 1940 berief sie deshalb 
eine technische wissenschaftliche Kapazitàt an die Spitze ihres Tech- 
nischen Amtes, den Dr.-Ing. Otto Schwab, der auf der Techni- 
schen Hochschule Berlin-Charlottenburg als Hochschullehrer tà- 
tig war. 

Schon als junger Wissenschaftler hatte sich der damalige Leut- 
nant der Reserve Schwab im ersten Weltkriege entscheidende 
Verdienste um die deutsche Kriegfùhmng erworben. Er hatte da- 
mals die Licht- und Schallvermessung der feindlichen Artillerie 
erfunden und damit die ganze Artillerie-Aufklàrung auf eine 
neue, wissenschaftliche Gmndlage gestellt. Mit seinen Erfindun- 
gen hatte er damals die Aufmerksamkeit der Obersten Heeres- 
leitung auf sich gezogen, die ihm die Mòglichkeit gab, sie zu 
verwirklichen. 

1918 kamen seine Licht- und SchallmeBtrupps zum ersten 
Male zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe gelang dem Oberst Bruch- 
mùller, dem Artilleriespezialisten der Obersten Heeresleitung, 
die feindliche Artillerie in den Durchbmchsschlachten bei Gor- 
lice - Tamow und der GroBen Schlacht in Frankreich derart 
zu làhmen, daB die infanteristischen Durchbrùche erstmalig wie- 
der gelangen. 

Hieran knùpfte Schwab bei der artilleristischen Ausstattung 
der motorisierten Division der Waffen-SS an und bemùhte sich, 


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das Heereswaffenamt fur seine Absicht, - alle Schnellen Divi- 
sionen mit verbesserten Artillerieaufklamngsmitteln auszustat- 
ten, zu gewinnen. Als die Verhandlungen scheiterten, griff er zur 
Selbsthilfe. Er entwickelte eigene Gerate und stellte flir die Di- 
visionen der Waffen-SS einige Mefibatterien nach eigenen Ideen 
und in eigener Zustandigkeit auf. Sie bewahrten sich im Frank- 
reichfeldzug so, daB sich nun auch das Heer von dem Wert kleiner 
und schnell beweglicher Artilleriebeobachtungsorgane fùr die mo- 
torisierte Artillerie iiberzeugen lieB und seinem Vorbild folgte. 

Im Laufe der Zeit wurde das artilleristische MeBwesen bei 
der Waffen-SS so vorbildlich, daB sich sogar die Marineleitung 
ihre MeBformationen fìir die Kiistenverteidigung von der Waf- 
fen-SS aufstellen und auf deren Schulen ausbilden lieB. Sie ha- 
ben in Verbindung mit dem neu entwickelten Unterwasserschall- 
aufnahmegeràt zur vollen Zufriedenheit gearbeitet. Auch die Ein- 
messung der V 2-Detonationen erfolgte durch MeBeinheiten der 
Waffen-SS auf einer mehrere hundert Kilometer langen Basis. 

Der immer hàrter werdende Kampf im Osten und die stei- 
gende Zahl der sowjetischen Verbànde an der Ostfront veran- 
laBten das Technische Amt der Waffen-SS, sich frtihzeitig um die 
Verbesserung der maschinellen Waffenausstattung der schwerlei- 
denden Infanterie zu kummern. Dabei gelangen ihm einige ent- 
scheidende Treffer. Durch Schwabs lnitiative konnte das MG 42 
entwickelt werden. Bei den Einheiten der Waffen-SS wurde es 
schnellstens eingefuhrt. Die Verbànde des Heeres erhielten es be- 
dauerlicherweise wesentlich spàter, weil die Heeresbeschaffungs- 
stellen sich zu seiner Einfùhrung nicht hatten entschlieBen kòn- 
nen und an der schnellen SchuBfolge der Waffe und dem damit 
verbundenen hohen Munitionsverbrauch AnstoB nahmen. 

Den Schaden an diesem Zògern trug der Frontsoldat. Auch 
das vom Technischen Amt der Waffen-SS entwickelte Sturmge- 
wehr 44 erhielten die Divisionen der Waffen-SS friiher und in 
gròBerer Zahl als das Heer, weil sich die technischen Stellen des 
Heeres an dem kleinen Kaliber der Waffe gestoBen und Muni- 
tionsbeschaffungsschwierigkeiten beflirchtet hatten. Nur so ist zu 


erklàren, daB in den schwer ringenden Infanteriedivisionen des 
Heeres der falsche Eindmck entstehen konnte, die Divisionen der 
Waffen-SS wàren hinsichtlich ihrer Ausstattung giundsàtzlich be- 
vorzugt. Richtig dagegen ist, daB das Ringen des Generalmajors 
der Waffen-SS Dr.-Ing. Schwab um die bessere Ausstattung der 
deutschen Infanterie, vornehmlich auch mit einer eigenen Nah- 
kampf-Panzerabwehr einer Tragòdie gleicht. Lange Zeit hindurch 
wollte man in den entscheidenden heerestechnischen Dienststellen 
deren Notwendigkeit nicht einsehen. Auch eine Denkschrift des 
Technischen Amtes der Waffen-SS, die eine Massenanfertigung 
der bereits in Probestùcken vorhandenen Panzerfaust forderte, 
konnte jene davon nicht ùberzeugen. In ihr hatte Dr. Schwab 
den Wert, den Einsatz und die Wirkung dieser Erfindung begriin- 
det und mit den Worten geschlossen: »Es kommt der Tag, an dem 
die Front mehr nach dieser Waffe lauter mfen wird als nach 
Brot.« 

Doch alle Vorstellungen nutzten nichts. Es bedurfte erst einer 
Entscheidung Hitlers, um Schwabs Fordemngen durchzusetzen. 
Dennoch dauerte es noch bis zum Dezember 1944, ehe nach vie- 
lerlei Hemmungen ein Monatsausstofi von 1 Million Stùck er- 
reicht werden konnte, der schon im Januar um die Hàlfte herab- 
gesetzt und im Febmar 1945 auf250 000 Stùck begrenzt wurde. 

Das Technische Amt der Waffen-SS gab aber dennoch seine 
Versuche, die infanteristischen Panzerabwehimittel stàndig zu 
verbessem, nicht auf. So wurde ein Vorschlag zur Fertigung 
einer ferngesteuerten Raketenpanzerfaust sofort aufgegriffen 
und mit ihrer Herstellung begonnen. Sie sollte unter Ersatz der 
ballistischen Flugbahn durch eine aerodynamisch-geradlinig ge- 
steuerte Geschofiflugbahn eine SchuBweite bis 2000 Meter haben. 
Zum AbschluB sind diese Versuche nicht mehr gekommen, nach 
dem Kriege aber von westlicher Seite wieder aufgenommen und 
fertiggestellt worden. Die geschaffene Waffe hat sich inzwischen 
bewàhrt und ist derzeit ein wichtiges Abwehi'mittel gegen feind- 
liche Panzer. 

Der schnelle VerschleiB der Làufe von Schnellfeuerwaffen in 


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stàndigen Kàmpfen flihrte zur Einflihrung einer neuartigen Hart- 
verchromung flir MG-Làufe und Flakrohre, der Schiei der Front 
nach Raketenmassenfeuer zum Nachbau der mssischen Stalinor- 
gel und ihrer Weiterentwicklung zu einem Raketengeschiitz mit 
36 gleichzeitig abfeuerbaren Rohren. 

Je grdl.ier die feindliche Luftiiberlegenheit wurde und die Pan- 
zerverbànde zu Nachtmàrschen und Nachtgefechten zwang, um- 
so notwendiger wurde der Bedarf eines nàchtlichen Aufklàmngs- 
und Zielgeràtes. ln der Erkenntnis der Berechtigung einer sol- 
chen Fordemng und der zwingenden Notwendigkeit ihrer 
schnellen Erfiillung griffen die Konstmkteure der Waffen-SS auf 
eine schon vorhandene gmndsàtzliche Lòsung der Industriefor- 
schung mit Elektronenbildern aus Ultrarotstrahlen zuruck. 

Sie erteilten einen Konstruktionsauftrag fur den heute allge- 
mein bekannten Ultrarot-Bildwandler, konnten aber eine Zu- 
stimmung des Heereswaffenamtes hierzu wiedemm nicht errei- 
chen. So war das Technische Amt der Waffen-SS erneut gezwun- 
gen, eigenmàchtig vorzugehen. Es bediente sich hierzu der Hilfe 
des Forschungsinstituts der Deutschen Reichspost und schritt zur 
Eigenkonstmktion. 

Nach AbschluB der Konstmktions- und Erprobungsarbeiten 
bestellte es sofort 500 Ausiùstungen fùr die Panzer der Waffen- 
SS, was zu neuen und schweren Differenzen mit dem Heeres- 
Waffenamt flihrte. Die schwerringende Front hatte das Nachse- 
hen und muBte die Folgen solcher schmerzlichen Kompetenzstrei- 
tigkeiten und biirokratischen Bedenken tragen. Erst in den letz- 
ten Ki'iegswochen gelangten deshalb einige Nachtzielausrùstungen 
an die Tmppe. Heute gibt es in Ost und West keinen Panzer 
mehr, der sie nicht besitzt. 

Auch auf dem Gebiet der Pionier- und Kraftfahrtechnik ar- 
beitete das Technische Amt der Waffen-SS an neuen Erfindun- 
gen. Eine Mine aus Glas, die nicht gespiirt werden konnte, be- 
fand sich in der Entwicklung, ein steuerbares Lufterkundungsge- 
ràt fùr die Gefechtsaufklàmng ebenfalls. SchlieBlich wurde 
auch die Antriebsfrage fùr Panzer, die im Kriege allzuoft Ge- 


triebeschaden hatten und deshalb im Gefecht ausfielen, einer be- 
sonderen Prùfung unterzogen. Einem weltbekannten, sùddeut- 
schen Professor, der sich im Auftrage des Technischen Amtes 
der Waffen-SS dieser Forschungsaufgabe gewidmet hatte, war 
hierin eine sensationelle Lòsung auf der Gmndlage der stufen- 
losen Geschwindigkeitsàndemng bei gleichbleibendem Drehmo- 
ment gelungen. Das Versuchsfahrzeug ist am Kriegsende leider 
in Verlust geraten. 

»Es ist ein Màrchen«, so meint Dr. Schwab 83 , »wenn behaup- 
tet wird, die Waffen-SS habe von vornherein die besseren Stiicke 
der Ausrùstung erhalten. Die Zuteilungen erfolgten ausschlieB- 
lich durch das Heer und zwar genau nach den vorher von der 
Organisationsabteilung des Heeres genehmigten Listen. Da wir 
aber bald groBe, eigene Werkstàtten eingerichtet hatten, griffen 
wir mit Nachhilfekonstruktionen ein, wenn sich Màngel an den 
Waffen und Geràten zeigten. Das Geheimnis lag allein darin, 
daB wir auf keinen Einfiihmngsbefehl warteten, weil wir wufi- 
ten, daB wir dann bis zum Ende des Krieges hàtten warten 
mùssen.« 

Zweifellos haben sich die Forschungs- und Arbeitsmetho- 
den im technischen Sektor der Waffen-SS voll bewàhrt. Unter 
der flihrenden Hand des Generalmajors Dr. Schwab, in dessen 
Person sich der Soldat mit dem Forscher, Wissenschaftler und 
praktischen Ingenieur verbanden, hat sich der freie Ingenieurein- 
satz auf allen technischen Gebieten ohne biirokratische Verwal- 
tungsbestimmungen, Beschrànkungen und Eingriffe sachunkundi- 
ger Militàrs als denkbar fruchtbringend erwiesen. 

Die stàndige, unmittelbare Verbindung mit der Front vermit- 
telte den Technikern die letzten Kriegserfahmngen. Auf schnell- 
stem Wege gelangten die Klagen, Bediirfnisse und Wiinsche der 
Truppe zu den Schulen und technischen Entwicklungsstàtten, die 

83 s. Dr. Otto Schwabs Artikelserie: »Ist ein Fùhrungsanspruch der Tech- 
nik in der modernen Landesverteidigung begrùndet.« Inf. Blatt der Ar- 
beitsgemeinschaft fùr Recht und Wirtschaft 1952 Hcft 5/7. 


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alle Anregungen unverziiglich aufgriffen, sie uberpmften und 
nach Verbessemngen suchten. 

Obgleich Hitler der Waffen-SS jede eigenstandige, techni- 
sche Entwicklung verboten und dem Heereswaffenamt das Mo- 
nopol hierin und die alleinige Entscheidung ùberlassen hatte, 
konnte das Technische Amt der Waffen-SS mit Ideen und schòp- 
ferischer Initiative noch weit mehr zum Nutzen des Ganzen hel- 
fend eingreifen, als durch seine hier angeflihrten, làngst nicht 
vollstàndigen Eigenschòpfungen. Immerhin haben selbst diese 
der kàmpfenden Truppe schon entscheidend geniitzt. Wie viel 
mehr wàre dies mòglich gewesen, hàtte es volle Schaffensfreiheit 
besessen! 


Wie die Techniker, so bemiihten sich auch die leitenden An- 
gehòrigen des Verwaltungsdienstes der Waffen-SS um eine ein- 
fache, weniger biirokratische und daflir umso lebendigere Verwal- 
tungsorganisation, die mit der Tmppe eng verwachsen war und 
ihr mit allen Kràtten dienen wollte. Der Verwaltungsoffizier der 
Waffen-SS war nach Werdegang, Ausbildung und Kònnen in er- 
ster Linie Offizier, dessen Fachgebiet die Tmppenverwaltung 
war und dem im Kriege die Versorgung der Tmppe oblag. So- 
mit flihlte er sich nicht als ein Anhàngsel der Kampftmppe, son- 
dern als einer ihrer Angehòrigen, der nicht weniger wichtig war, 
als der Truppenfìihrer des gleichen Dienstgrades. Seine militàri- 
sche Ausbildung ermòglichte es ihm, dem Kampfgeschehen 
geistig zu folgen und seine Versorgungsmafinahmen mit ihm 
vorausschauend in Einklang zu bringen. So konnte er rechtzeitig 
disponieren und Vorsorgen. Seine psychologische Bindung an die 
Tmppe aber veranlafite ihn dazu, mit ihr zu leben und an ih- 
ren materiellen Sorgen unmittelbaren Anteil zu nehmen. Ob es 
sich um Verpflegung, Bekleidung oder Instandsetzung der Ausrù- 
stungen handelte, fùr alle Sparten der Truppenversorgung holte 
er sich seine Informationen unmittelbar bei der Kampftruppe, 


konnte sich deshalb auch nach ihren Bediirfnissen richten und 
alle Mòglichkeiten fùr deren Befriedigung ausschòpfen. 

Ein besonders bedeutungsvolles Gebiet, dasjenige der zweck- 
màfiigen Menscheneinplanung und -Verwendung in der Trup- 
pe, war dem »Amt fùr optimale Menschenflihrung« iibertragen 
worden. Es war von einem einfallsreichen Offizier, Dr. Bartels, 
geschaffen und in geistvoller Weise organisiert worden. Ihm war 
es gelungen, grofie Menschengruppen maschinell nach Bemfen, 
kòrperlichen Fàhigkeiten und Màngeln, besonderen Anlagen, 
Kenntnissen aller Art statistisch zu erfassen, zu sortieren und 
fùr die jeweils geeignete Waffengattung bereit zu halten. Damit 
war es mòglich geworden, den jeweiligen Waffengattungen den 
ihr nach geistiger, technischer oder handwerklicher Vorbildung 
und kòrperlicher Konstitution jeweilig geeignetsten Ersatz zuzu- 
weisen und Fehldispositionen durch Eingliedemng von Menschen 
an falscher Stelle wie es am Anfang des Krieges in vielen Fàllen 
vorgekommen war - zu vermeiden. Die Arbeit des Amtes fùr 
optimale Menschenflihmng hat es der Tmppe jedenfalls ermòg- 
licht, mit Soldaten rechnen zu kònnen, die bereits aus ihrem Zi- 
vilbemf eine Vorbildung oder wenigstens gewisse Voraussetzun- 
gen fùr die jeweilige Waffengattung mitgebracht haben. 

Kam hier die rationelle Arbeit der Waffen-SS in den Fragen 
der Menschenverwendung am klarsten zum Ausdmck, so war der 
Geist, der in der flirsorglichen und àrztlichen Betreuung der 
Truppe herrschte, nicht weniger modern und durchweg von der 
menschlichen Verbundenheit zu den kàmpfenden Soldaten stàrk- 
stens beeinflufit. Gerade im Sanitàtswesen war ùberall das Be- 
streben vorhanden, den Verwundeten und Kranken schnellste 
Hilfe zu bringen und sie durch eine zweckmàfiige Organisation 
des àrztlichen Versorgungsweges in bodenstàndige Lazarette zu 
iiberflihren, um ihnen dort die beste, àrztliche Hilfe angedeihen 
zu lassen. 

Modernitàt der Arbeitsmethoden, Zweckmàfiigkeit der Orga- 
nisation und Vielseitigkeit der Ausriistung waren das stàndige 
Streben aller im Versorgungsdienst tàtigen Offiziere und Mann- 


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schaften und die Eigeninitiative und Mitverantwortung flir das 
Wohl der Tmppe die richtunggebende Einstellung zu ihrer Ar- 
beit. Daraus ergaben sich Vorteile, die bei den Aufienstehenden 
ebenfalls den Eindmck erweckt haben kònnen, die Waffen-SS 
ware prinzipiell bevorzugt worden. 

Nichts davon ist wahr. Denn sie wurde nicht besser versorgt, 
sondern besser umsorgt. Das allein war das ganze Geheimnis ih- 
rer angeblichen Bevorzugung! 


6. Kapitel 

Die bitteren Erkenntnisse des Ostfeldzuges 

Wider Erwarten hatten die deutschen Streitkrafte Frankieich 
in erstaunlich kurzer Zeit niedergemngen. Dabei waren sie zah- 
lenmal.ìig nicht einmal starker gewesen als das alliierte Aufgebot. 
Zum ersten Male hatten sie von einer Kampfmethode Gebrauch 
gemacht, auf die der Gegner nicht vorbereitet gewesen war. Nicht 
die Infanterie hatte diesmal den Sieg ermngen. Das Stiefkind 
des deutschen Generalstabes 84 , die motorisierten Verbande hat- 
ten den Blitzkrieg geschlagen! 

Eine kleine Anzahl von Panzer- und mot.-Divisionen - 
noch nicht einmal 18 % der deutschen Streitkrafte - hatte die 
Entscheidung erzwungen, ehe die deutsche Hauptmacht aktiv in 
den Kampf hatte eingreifen kònnen 85 . In der entscheidenden, 
ersten Kampfphase hatten die Deutschen nicht mehr als 2800 
Panzer eingesetzt. Aber sie waren in grol.ìen. operativen Einhei- 
ten aufgetreten und von einer eigenen Kommandobehòrde ein- 
heitlich gefùhrt worden. 

Die Franzosen hatten nicht viel weniger besessen. Doch sie 
waren in kleine Gmppen aufgesplittert und bei der konzentrier- 

84 s. hierzu die Antwort des Generalstabschefs General der Art. Beck an 
General Guderian S. 45 dieses Buches. 

85 s. Liddell Hart »Die Verteidigung des Westens« S. 16. 


ten Wucht der deutschen Panzeroffensive gar nicht zur Geltung 
gekommen. GewiB hatten auch die deutschen Infanterie-Armeen 
einen gewichtigen Anteil an dem ermngenen Siege gehabt. Ohne 
ihren Einsatz zum Durchbruch durch die feindliche Front an ver- 
schiedenen Stellen ware der groBe, operative Erfolg der schnel- 
len Truppen wohl nicht mòglich gewesen. Dann aber waren sie 
diesen groBenteils nur noch gefolgt, hatten deren Flanken gesi- 
chert, restliche Feindwiderstande beseitigt und das Land besetzt. 
Manch eine Infanterie-Division ist im Frankreichfeldzug gar 
nicht im Gefecht gewesen. 

Nicht die Infanterie war es also, welche - entgegen allen 
bisherigen Meinungen der militarischen Spitzen - den Feldzug 
entschieden hatten. Diesmal hatte sie sich mit einer zweitrangigen 
Rolle begniigen miissen. tìber Nacht waren gewissermaBen die 
Rollen vertauscht worden. Die schnellen Verbande waren zur 
schlachtentscheidenden Hauptwaffe geworden! 

Ihr schneììer Sieg lmtte den Deutschen einen totaìen Krieg 
erspart und auch den Gegner vor dessen vemichtenden Folgen 
bewahrt. 

Zum ersten Male in diesem Wehrzeitalter hatte sich also eine 
operative Elite, die mit der Technik verschmolzen war, iiberzeu- 
gend durchgesetzt. Ein kiihner EntschluB Hitlers hatte ihr zum 
Start verholfen und ihr eine selbstandige Operation ermòglicht. 
Mit Wucht und Schnelligkeit hatte sie die feindlichen Widerstan- 
de beseitigt, unreparierbare Breschen in die feindliche Front ge- 
schlagen, Teile derselben eingekesselt und andere wie mit schar- 
fen Messem durchschnitten und aufgespalten. 

Die Schnelligkeit der motorisierten Operationen und die 
dynamische Durchschlagskraft des neuen, operativen Instruments 
hatten den Gegner immer wieder iiberrascht, seine langsa- 
men Infanterieheere auseinandergerissen und eine einheitliche 
Kampffiihrung verhindert. Die Massen waren somit ein miihelo- 
ses Opfer des Gegners geworden, da sie zu keiner geschlossenen 
Operation mehr fàhig waren. 

Die Strategie hatte einen neuen Weg gefunden, der von der 


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bisher geiibten operativen Methodik fortfiihrte und in eine neu- 
artige Dynamik der Kriegfiihmng einzumiinden schien. Die letz- 
ten Erfahrungen des Jahres 1918 - damals nur im gefechtstak- 
tischen Rahmen erprobt - hatten somit auch in groBen, operati- 
ven Verhàltnissen eine eindmcksvolle Bestàtigung gefunden. 


Trotz dieses groBen Erfolges war aber die Gefahr des noch 
immer drohenden totalen Krieges nicht gebannt. England war 
zur Fortsetzung des Krieges entschlossen. Flingegen blieb eine 
Landung auf der Insel problematisch, weil die deutsche See- und 
Luftiiberlegenheit fehlte 86 . Derweil lagen die Sowjets auf der 
Lauer. Wer die politische Strategie der Sowjets kannte, muBte 
jedenfalls mit allen Mòglichkeiten rechnen. 

Ihre Machtausdehnung im Baltikum und die Besetzung von 
Bessarabien und der Nordbukowina 87 waren warnende Vorzei- 
chen. Die Konzentration sowjetischer Streitkràfte an der West- 
grenze der Sowjetunion mufite zur Vorsicht mahnen. Der Deut- 
sche Generalstabschef, Generaloberst Halder, hat spàter einge- 
standen, daB es ihm angesichts der erschreckend hohen Zahl der 
funkentelegrafisch georteten, mssischen Divisionen »kalt iiber 
den Riicken gelaufen« sei 88 . Im Juli 1940 hatte Hitler daraufhin 
dem Generalstab des Heeres die Weisung erteilt, die Ostproble- 
me zu ùberprùfen und sich zum Friihjahr 1941 auf einen Ost- 
feldzug vorzubereiten. 

Im Frankreich-Feldzug hatte es sich erwiesen, daB die im Ge- 
neralstab bisher giiltig gewesenen operativen Gmndauffassun- 

86 Noch in englischer Gefangenschaft veitrat der Feldmarschall v. 
Brauchitsch die Ansicht, daB eine deutsche Landung in England gelungen 
wàre. Der Verfasser war Ohrenzeuge dieser Ausfùhnmgen. 

87 Am 28. VI. 1940 besetzten sowjetische Tmppen Bessarabien und die 
Nordbukowina. Am 20. VII. 40 wurden Estland, Lettland und Litauen zu 
Sowjetrepubliken gemacht. 

88 s. Peter Bor: »Gespràche mit Halder« S. 194. 


gen einer Revision bediirften. Ein militàrischer Laie - Hitler 
- hatte entgegen den Vorschlàgen des Generalstabes einen vòl- 
lig undogmatischen richtigen EntschluB gefafit, damit Erfolg ge- 
habt und die bisher vorherrschenden Ansichten eindringlich wi- 
derlegt. 

Mit dem operativen Auftreten der Schnellen Tmppen war eine 
neue Situation fur die gesamte Kriegsflihmng und ihre gelehrten 
Jiinger entstanden, die sofort hàtte ausgewertet und zu neuen 
MaBstàben, Regeln und Methoden hàtte flihren miissen. Die 
preuBischen Generale von 1808 hatten nichts unversucht gelas- 
sen, um sich an der napoleonischen Kriegsfiihmng neu zu orien- 
tieren und ihr Kriegsinstmment daraufhin neu zu organisieren. 
Folgerichtig hàtte also der bevorstehende RuBlandfeldzug nach 
Plànen vorbereitet werden miissen, bei denen eine motorisierte 
Operation im Mittelpunkt des Gesamtgeschehens gestanden 
hàtte. 

Allerdings waren die vorhandenen schnellen Verbànde zah- 
lenmàfiig zu schwach dazu, um eine so entscheidende Operation 
wie im Frankreich-Feldzug auch gegen die Sowjetunion zu wie- 
derholen. Der weite russische Raum und die GròBe der sowjeti- 
schen Streitkràfte erforderten wesentlich stàrkere Verbànde, als 
sie nach dem Frankreich Feldzuge zur Verfligung standen. 

Aber man hatte ja auch ein ganzes Jahr Zeit dazu, sie ent- 
scheidend zu vermehren. Das wàre in dieser Zeit wohl mòglich 
gewesen, wenn man die gesamte, schon von Deutschland kontrol- 
lierte Kraftfahrindustrie Europas in ganz anderem MaBe, als 
es tatsàchlich geschah, in den Dienst dieses entscheidenden Anlie- 
gens gestellt hàtte. Reichte der Kraftfahrzeugausstofi eines Jah- 
res hierfùr nicht aus, dann gab es in Deutschland und Europa in 
der privaten Wirtschaft und òffentlichen Verwaltung Kraftfahr- 
zeuge genug und iibergenug, um bei rationeller Planung ca. 60 
deutsche Divisionen mit Kraftfahrzeugen auszustatten. Es brauch- 
ten ja nicht alle Panzerdivisionen zu sein! 

Gewifi ist es richtig, dafi das Oberkommando des Heeres in 
der Zwischenzeit mit der Vorbereitung zahlreicher operativer 


142 


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Plàne fùr die verschiedenen Eventnalitàten ausgelastet und 
spàter mit der operativen Fiihrung des Balkanfeldzuges voll in 
Anspruch genommen war. Immerhin hàtte ein einziger, grund- 
sàtzlicher Operationsvorschlag und die Fordemng nach einer 
nachdriicklichen Vermehmng der schnellen Verbànde sicherlich 
geniigt, um auch das Oberkommando der Wehrmacht und den 
ihm unterstellten Befehlshaber des Ersatzheeres und Chef der 
Heeresriistung zu aufiergewòhnlichen Anstrengungen in dieser 
Beziehung anzuspornen. 

Gewifi hat auch das Oberkommando des Heeres stets einen 
schnellen Sieg iiber die Sowjetunion angestrebt 89 . Mit den vor- 
handenen oder geplanten schnellen, operativen Kràften war er 
aber niemals zu erreichen. 

In dem weiten Raum des Ostens mufiten die 1941 vorhan- 
denen 33 schnellen Verbànde - dazu noch aufgeteilt in drei Hee- 
resgruppen - versickern, hielten sie sich doch gegeniiber den ms- 
sischen motorisierten Streitkràften in Stàrke von 10 Panzerdivi- 
sionen, 37 MOT-MECH-Brigaden und 24 Kavalleriedivisionen 
zudem noch gerade die Waage. 

Allerdings hatten die Sowjets damals noch keine Zeit dazu 
gehabt, sich auf Gmnd der Erfahmngen des Frankreich-Feldzu- 
ges operativ neu zu orientieren. Wie bei den Franzosen 1940, so 
waren auch ihre schnellen Verbànde am Anfang des Krieges zer- 
splittert und auf die Infanteriearmeen aufgeteilt. Alle Chancen 
wàren also zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden gewesen, um 
den Gegner mit grofiziigigen, motorisierten Operationen zu iiber- 
raschen, seine Massen auseinander zu treiben und ihn in seiner 
politischen, industriellen und landwirtschaftlichen Kraftzentren 
zu làhmen. 

Einen solchen Plan hat man im Oberkommando des Hee- 
res anscheinend nicht erwogen. Man glaubte die russische Armee 
nur durch zahlreiche Operationen nacheinander iiberwinden zu 

89 s. Alfred Philippi und Ferd. Heim »Dcr Feldzug gegen die Sowjet- 
union« S. 30. 


kònnen. Deshalb sind auch die notwendigen organisatorischen 
Kraftanstrengungen zur Schaffung einer grofien motorisierten, 
operativen Streitmacht ausgeblieben. Vielleicht hàtte man mit 
einigen 60 Schnellen Divisionen den Sieg in mehreren, schnell auf- 
einander folgenden motorisierten Operationen erringen kònnen; 
mit 33 ging es nicht. So marschierte das deutsche Heer mit gro- 
fien Infanteriemassen in Rufiland ein und biirdete diesen die 
Hauptlast des Kampfes auf. Die vier schwachen Panzergruppen, 
- den Infanteriearmeen unterstellt - waren damit in die Rolle 
einer Hilfswaffe zuriickgefallen. 

Umso unverstàndlicher ist es dann allerdings, dafi auch die 
grofien Infanterieverbànde den Sowjetheeren von Anfang an 
unterlegen gewesen waren. Diese Tatsache ist umso erstaun- 
licher, als man sich in Kreisen des Generalstabes der Notwendig- 
keit durchaus bewufit gewesen ist 90 , die Kriegsentscheidung noch 
im Jahre 1941 herbeizufiihren. Man wufite es dort, dafi sich das 
Kràfteverhàltnis zwischen der deutschen und der sowjetischen 
Streitmacht mit fortschreitender Kriegsdauer mehr und mehr zu 
Ungunsten der ersteren verschlechtern mufite; standen doch schon 
bei Kriegsbeginn nur 102 deutsche Infanteriedivisionen den 130 
sowjetischen Schiitzendivisionen zwischen Schwarzem Meer und 
Ostseeraum gegeniiber! 91 

Konnte man bei einer solchen Kràftelage wirklich erwarten, 
dafi die deutschen Armeen den Sieg in wenigen Monaten errin- 
gen wiirden? 

90 Alfred Philippi und Ferd. Hcim »Der Feldzug gegen Sowjet-RuB- 
land« S. 36. 

91 Alfred Philippi und Ferd. Heim »Der Feldzug gegen die Sowjet- 
union« S. 37: »Zur Deckung der personellen Ausfàlle des deutschen Heeres 
standen im Jahre 1941 rund 400 000 Mann zur Verfugung. Im Vergleich zu 
den relativ geringen Ausfallen in den bisherigen Feldziigen von 100 000 
Toten und VenniBten schien das personelle Potential im Feldzuge gegen 
die Sowjet-Union notdiirftig auszureichen, wenn dieser noch im Jalire 1941 
zur militàrischen Entscheidung gefuhrt werden konnte. Gelang dieses nicht, 
dann war es um die personellen Reserven schlecht bestellt. 


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War es nicht ein folgenschwerer Irrtum zu erhoffen, dal.ì die 
Schwàcheren den Uberlegenen stàndig schlagen und dazu noch 
unter stàndigen Gefechten tausend Kilometer bis zu den Kraft- 
quellen des sowjetischen Machtbereichs zumcklegen kònnten, 
ohne durch Verluste und Marschausfàlle entscheidend geschwàcht 
zu werden? 

Mit Recht meint der englische Militàrschriftsteller Liddell 
Hart dazu: »Das erste, was bei der Invasion von 1941 ins Auge 
fàllt, ist die zahlenmàl.ìige Schwàche der deutschen Streitkràfte. 
Nicht nur der Raum, sondern auch die Zahl sprach gegen Hitler 
und zwar von Anbeginn des Feldzuges. Er stiirzte sich am 22. 
Juni in die unermefilichen Weiten Rufilands, obwohl er wufite, 
dafi seine Tmppen denen des Gegners zahlenmàfiig unterlegen 
waren und dafi sich dieses ungiinstige Verhàltnis immer mehr 
verschlechtern mufite, je lànger der Feldzug dauerte. Diese Tat- 
sache ist erstaunlich. Im Hinblick auf Zeit und Raum war das 
Spiel gefàhilicher als eines, das je ein Angreifer in der modernen 
Geschichte gewagt hat Q2 .« 

Nun war Hitler eben kein militàrischer Fachmann. Deshalb 
waren seine Ansichten iiber den erforderlichen Kràftebedarf fiir 
einen grofien Feldzug auch nicht fundiert. Sie konnten es wohl 
auch kaum sein. Was aber hat den Chef des deutschen General- 
stabes, Generaloberst Franz Halder, zu nachfolgender Beurtei- 
lung der Lage veranlafit, die er vor dem Rufilandfeldzug abgege- 
ben hat, wenn er schreibt: »Dafi zu Beginn des Jahres 1941 bei 
ausreichender Sichemng aller iibrigen Fronten die fìir den Osten 
verfiigbar zu machenden deutschen Streitkràfte etwa ausgereicht 
hàtten, das gegeniiberstehende russische Aufgebot, das praktisch 
die Masse der europàischen Streitkràfle Rufilands darstellte, ent- 
scheidend zu schlagen und damit fiir eine geraume Zeit eine mi- 
litàrische Aktivitàt Rufilands auszuschliefien. Sie hàtten ausge- 
reicht, vor der deutschen und rumànischen Grenze durch milità- 
rische Besetzung wesentlicher Teile der Ukraine, Weifirufilands 

02 Liddell Hart »Die Verteidigung des Westens« S. 36. 


und der baltischen Lànder ein strategisches Vorfeld zu gewinnen 
und damit zugleich ein Faustpfand ftir Friedensverhandlungen 93 .« 

Es kann sich hier nicht damm handeln, die politischen An- 
sichten Halders auf ihre mògliche Erfùllbarkeit zu untersuchen. 
Aber man wird an der Feststellung nicht vorubergehen kònnen, 
dafi auch er als militàrischer Fachmann den Kràftebedarf gegen- 
iiber der Sowjetunion falsch veranschlagt, den Gegner gewaltig 
unterschàtzt und die eigene Streitmacht iiber alle Mafien iiber- 
bewertet hat. Schon nach wenigen Kriegsmonaten machte sich 
bei allen deutschen Verbànden ein gefàhrlicher Kràfteschwund 
bemerkbar, wàhiend der Gegner trotz riesiger Verluste immer 
stàrker wurde. 

Gewifi gelangen den deutschen Heeresgmppen im Jahre 1941 
einige glànzende Operationen, die zur Gefangennahme ganzer 
Sowjet-Armeen fiihi'ten. Gewifi schlug man einige klassische 
»Cannae«-Schlachten, die der deutschen Fiihrungskunst ein glàn- 
zendes Zeugnis ausstellten, das deutsche Soldatentum in hellem 
Licht erstrahlen liefien und immer wieder die entscheidende Rolle 
der schnellen Tmppen unterstrichen. Aber der erhoffte, grofie 
Sieg iiber den Gegner war ausgeblieben. Die Operationen waren 
zu langsam verlaufen und hatten dem Gegner immer wieder Zeit 
dazu gegeben, sich weiter riickwàrts erneut zum Kampf zu stellen 
und frische Reserven aus der Tiefe seines Raumes heranzuholen. 
Denn diesmal hatte die lnfanterie das Tempo der Operationen 
bestimmt. 

Die schnellen Tmppen aber waren durch die enge Verbindung 
mit den Infanterie-Armeen ihres operativen Hauptvorzuges, ih- 
rer Schnelligkeit, im wesentlichen beraubt worden. Sie hatten 
sich mit operativen Teilaufgaben begniigen miissen. 

Im spàten Herbst 1941 liefi es sich nicht mehr verheimlichen, 
dafi die Konzeption der deutschen Kriegfìihrung auf falschen 
Voraussetzungen begriindet war. Man hatte die feindlichen Kràf- 
te nach Zahl und Kampfkraft nicht nur falsch beurteilt, sondern 

93 Franz Halder »Hitler als Feldherr« S. 37. 


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es auch unterlassen, dem Raum und den Massen des Gegners 
einen iiberlegenen, operativen Faktor gegeniiberzustellen, dem er 
mit seinen normalen Kontingenten, aufgesplitterten Panzer- und 
schnellen Verbanden und seinen herkòmmlichen Fiihrungsmetho- 
den damals noch nicht gewachsen war. 

»Die deutsche Wehrmacht«, so schreibt Liddell FIart«, war 
im Jahre 1940/41 zwar moderner als irgend eine andere! Aber 
sie verfehlte ihr Ziel, weil sie die Gedanken, welche bereits 20 
Jahre alt waren, nicht aufgegriffen hatte. Selbst so, wie die Din- 
ge aber lagen, hatte Hitler noch im ersten Sommer nach Moskau 
kommen kònnen, wenn er den Panzertruppen, so wie es Gude- 
rian dringend verlangt hatte, freien Lauf gelassen hatte. Aber 
die alteren Generale betrachteten dies als einen gefàhrlich unor- 
thodoxen Plan und Hitler hatte sich in diesem Falle auf die Seite 
der Orthodoxie ziehen lassen und verpafite so seine beste 
Chance 94 . 

* 

Es war nicht nur die beste, sondern auch die einzige Chance, 
den Krieg schnell zu entscheiden. Einer gepanzerten Heeres- 
gruppe von drei der vorhandenen vier Panzergmppen hàtte es 
vielleicht in der Mitte der Ostfront gelingen kònnen, die Sowjets 
durch ihren geballten Angriff so zu zerschlagen, dafi sie sich 
nicht mehr hàtten erneut wieder zum Kampf stellen kònnen 
und den Durchbmch auf Moskau zu erzwingen. Den in der Mit- 
telfront folgenden lnfanteriearmeen wàre dann die Aufgabe zu- 
gefallen, die zerschlagenen Reste des Gegners zu iiberwinden, 
ihrer motorisierten Hauptmacht ziigig zu folgen und der schnel- 
len Operation als Riickhalt zu dienen. 

Doch ist es miiBig, solche Kombinationen nachtràglich anzu- 
stellen. 

Tatsàchlich versickerte die deutsche Offensive dieses ersten, 
entscheidenden Kriegsjahres in RuBland auf der ganzen Front in 

94 s. Liddell Hart »Die Verteidigung des Westens« S. 44. 


Eis und Schnee. Gegen alle operativen Regeln wurden die schnel- 
len Tmppen auf ganzer Front zum Stellungskrieg und in die 
Gràben gezwungen, weil die Infanteriekràfte zur Deckung der 
weiten Abschnitte nicht ausreichten und neue Verbànde nur in 
geringer Zahl zur Verfligung standen. Am 1. Januar 1942 ver- 
fligte das deutsche Ostheer nach wie vor iiber 12 Armeen, 135 
Divisionen und 7 1/2 verbiindete Verbànde, wàhrend die Sowjets 
ihnen jetzt schon (!) 42 Armeen mit 328 Divisionen entgegen- 
stellen konnten. 

Nach einem harten und krisenreichen Winter, in dem alle 
deutschen Abschnitte der Ostfront von weit iiberlegenem Geg- 
ner angegriffen wurden und mehr als einmal vor der Gefahr 
des Zusammenbruches standen, wirkt es heute fast wie eine Ver- 
blendung, daB die deutsche Kriegflihrung im Jahre 1942 den- 
noch eine emeute Offensive mit weitreichenden Zielen, aber 
wieder mit unzulànglichen Kràften begann. 

Die Fronten waren gerade miihsam gefestigt, als in und hin- 
ter den Kampfgràben der Heeresgmppe Sùd, die sich gerade 
vor wenigen Wochen des MassenangrifFes der Sowjets erwehrt 
hatte, eine flùchtige Auffrischung der fiir die Sommeroffensive 
1942 als Offensivkràfte vorgesehenen Stellungsdivisionen be- 
gann. Auch in der einzigen fiir den Sommerfeldzug an der 
Siidfront vorgesehen 5. SS-Panzergrenadierdivision »Wiking« 
wurden einzelne Kompanien aus der Front herausgezogen, um 
ihnen wenige Tage des Ausruhens und der Ausbildung zu geben. 
Ein in den heiBen Kàmpfen westlich Stalino zerschlagenes Ba- 
taillon konnte notdiirftig aufgeflillt und als Sturmbataillon for- 
miert werden. 

Wiedemm wurden - wie im Jahre 1917 - verfligbare 
Waffen aller Art zusammengekratzt und fur die Sonderausstat- 
tung dieses Bataillons zur Verfligung gestellt. Was an Flammen- 
werfern, Granatwerfem und sonstigen Nahkampfwaffen auf- 
getrieben werden konnte, wurde diesem Bataillon gegeben. 
Nach den bewàhrten Friedensmethoden wurde es von der sach- 
kundigen Hand seines jungen Bataillonskommandeurs, August 


148 


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Diekmann meisterhaft ausgebildet. Es hat spater in allen Kamp- 
fen der Division eine entscheidende Rolle gespielt. 

Mit Zweidritteln ihres Bestandes trat die Division dann zur 
Sommeroffensive an, muBte die nicht aufgefrischten Teile der 
Regimenter zumcklassen und konnte sie erst nachziehen, als sie 
hunderte von Kilometern auf den Kaukasus hin Raum gewon- 
nen hatte. 

Wenn die Sommeroffensive 1942 auch mit unzulànglichen 
Kràften und ohne jede Tiefe begonnen wurde, so hàtte vielleicht 
auch diesmal noch eine schwache Mòglichkeit bestanden, den 
Sowjets entscheidenden Abbrnch zu tun und ihre ganze Siid- 
front zum Einsturz zu bringen, wenn man wenigstens diesmal 
aus den Erfahmngen der vergangenen Jahre gelernt hàtte und 
bemiiht gewesen wàre, den Gegner mit schnellen Verbànden 
und durch motorisierte Operationen, fiir die immerhin zwei in- 
zwischen wieder kampfkràftige Panzerarmeen verfiigbar waren, 
doppelseitig zu umfassen. (Siehe Skizze I und II) 

Der entlang des oberen Don nach Siiden operierenden 4. Pan- 
zerarmee und der iiber Rostow entlang des unteren Don nach 
Osten vorgehenden 1. Panzerarmee hàtte es wohl gelingen kòn- 
nen, einen Ring um die feindlichen Kràfte zwischen Asow'schem 
Meer und Oskol zu bilden und damit eine groBe, doppelseitige 
Umfassungsschlacht einzuleiten, bei der den vorhandenen deut- 
schen Infanteriearmeen die Aufgabe zugefallen wàre, einen so 
entstandenen groBen Kessel aufzudriicken und den umschlosse- 
nen Gegner in Einzelkàmpfen zu vernichten. 

Das hàtte allerdings eine Bescheidung in den Operationszie- 
len gefordert. Doch die kaukasischen Oelfelder und Stalingrad 
waren verlockender. Fiir so weit gesteckte Operationsziele hàt- 
ten die vorhandenen deutschen Streitkràfte selbst bei giinstig- 
sten Voraussetzungen niemals ausgereicht. 

Die Sowjets liefien es auf die von der deutschen Fiihmng 
versuchte, einseitige Uberfliigelung nicht erst ankommen. Sie ga- 
ben unter Festhalten des zunàchst noch gar nicht angegriffenen 
Drehpunktes Rostow den Raum zwischen Don und Donez groB- 

150 



Eine nicht geglùckte Operation, die den Gegner einseitig umfassen 
wollte, demselben aber den Riickzug nadi Siiden und Ost-Sud-Ost er- 
mòglichte, weil der siidl. Riegel am Don iehlte. 

Unverstàndlicherweise trat der Sudflùgel, also die Armeegruppe Ruoff, 
erst am 21. 7., also 10 Tage spàter als die Mitte der Angrifiskràfte, zum 
Angriff an. In ihrem Ansatz tritt die gespaltene Operationsidee klar 
zu Tage. 


151 




Veratarkte 1. und 4. Panzer-Armeen auf den Fliìgeln mit kurzen Zeit- 
abatànden antretend. 

A. Gr. Ruoff und 6. Armee G egner durdi Angriff binden und ihn 
aiadann auf EinadilieBungskràfte zurùckwerfen. 

Kessel im Raume Milletowo. 

Bruckenkòpfe an einigen Don-Ubergàngen. 


ziigig preis und nahmen die ihnen gebotene Mòglichkeit geschickt 
wahr, um ihre Armeen hinter den Bergen des Kaukasus und den 
Strombarrieren der Wolga und des oberen Don in Sicherheit zu 
bringen. 

Die deutsche Offensive riB in zwei auseinanderstrebenden 
Richtungen auf. Aus einer einheitlichen Operation wurden zwei 
verschiedene operative Handlungen mit zwei weit voneinander 
getrennten Kriegsschauplàtzen. Auf ihnen kam jede Offensivhand- 
lung jedoch bald zum Erliegen. Wie beim beginnenden Stellungs- 
kampf an der Westfront im Jahre 1915 um Grabenstùcke und 
zerschossene Dòrfer gemngen wurde, so ging es jetzt im Kau- 
kasus um einzelne Hòhengmppen und in Stalingrad um Hàuser- 
blocks und gar um einzelne Hàuser. 

Nach wenigen blutigen Wochen eines solchen aussichtslosen, 
offensiven Ringens um kleine Positionsverbessemngen versickerte 
die Offensive endgiiltig. Ohne gesicherten Nachschub, ohne auch 
nur die notdiirftigste Tiefe und mit einem leeren Raum von Hun- 
derten von Kilometer hinter sich, waren die deutschen Tmppen in 
einen kràfteverzehrenden Stellungskampf mit einem Gegner ver- 
strickt, dem von Tag zu Tag neue Kràfte aus der Tiefe seines Rau- 
mes zuflossen. Die letzte Mòglichkeit eines Erfolges war damit 
verspielt. Dabei ist es unerheblich und miiBig, Schuldfragen auf- 
zuwerfen, weil die geistigen Grundlagen falsch gewesen waren. 
Man konnte im Zeitalter allgemeiner Motorisiemng militàri- 
sche Operationen in weiten Ràumen nicht mehr nach Methoden 
ansetzen, die eigentlich schon seit 1917 als iiberholt galten. Beim 
Kampf von Massen gegen Massen muBten die deutschen Infan- 
teriearmeen unterliegen. 

In diesem Kampf hatte die SS-Panzergrenadierdivision 
»Wiking« unbestreitbare kàmpferische Erfolge gehabt. In ei- 
nem Pràzisionsangriff auf Rostow hatte sie diesen Eckpfeiler 
der mssischen Front Schulter an Schulter mit der 13. Panzer- 
division, mit der sie unter dem Befehl des LVII. Panzerkorps 
zusammen operierte, genommen. Dabei hatte sich das Sturm- 
bataillon hervorragend bewàhrt und in engster Verbindung 


152 


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mit seiner es unterstiitzenden Panzerabteilung und einem Ge- 
schwader von Schlachtfliegern den Gegner durch die Wucht sei- 
nes Feuers und die Schnelligkeit des Angriffs standig durchbro- 
chen. In 24 Stunden hatte dieser Angriffskeil drei feindliche 
Stellungen durchstohen und mit seinen StoBtrupps und Flam- 
menwerfern breite Breschen geschlagen. Am zweiten Angriffs- 
tage drangen seine Angriffsspitzen von Nordwesten in Rostow 
ein und gewannen nach ziigigen Nahkampf-Gefechten den nòrd- 
lichen Kopf der grofien Donbmcke. 

Bei der anschlieBenden Operation auf den Kaukasus durch- 
schnitten die motorisierten Angriffskeile der Division den nach 
Siiden zurùckgehenden Gegner und lieBen ihm nicht einmal 
mehr Zeit, sein Material zu retten, noch weniger, den eigenen 
Zusammenhang zu wahren. In der Luft begleiteten Schlacht- 
flieger-Patrouillen das Vorgehen und erschienen mit Staffeln 
und Gmppen, wenn der Gegner sich zu setzen versuchte. Nach 
Hunderten von Kilometern erreichte die Division das Oelgebiet 
westlich und siidwestlich von Maikop und die StraBe von Mai- 
kop nach Tuapse. 

Dort hatte ihr der Gegner eine uniiberwindbare Barriere des 
Widerstandes entgegengestellt. Spater rang die Division in tàg- 
lichen, zermiirbenden Angriffskàmpfen im Ostkaukasus um 
eine Hòhenkuppe nach der andem nahm noch das Oelgelànde 
von Malgobek und erreichte die Gmsinische HeerstraBe. 

Dann begann der Gegner mit weitiiberlegenen Kràften zum 
Gegenangriff auszuholen. Vom Kaukasus iiber Stalingrad bis 
zum Don rissen die Krisen nicht mehr ab. Sie erreichten ihren 
Hòhepunkt mit dem Durchbruch der Russen an der oberen Don- 
front, der EinschlieBung von Stalingrad und der Uberflutung 
des Raumes zwischen Don und Donez durch die sowjetischen 
Massen. 

Jetzt erst zeigte sich der ganze Umfang des sowjetischen 
Massenaufgebots, der die deutschen Reste umspiilte, wie das 
brodelnde Meer kleine lnseln in einem weiten Ozean. In stei- 
gendem MaBe begannen die Sowjets ohne Riicksicht auf ihre 


enormen Verluste, Menschen aller Altersklassen, jedes Ausbil- 
dungsgrades und aller ihrer Vòlkerschaften in die Schlacht zu 
werfen und schlugen selbst nach Verbrauch ihrer ausgebildeten 
Reserven immer wieder mit Massen von Material aus ihrer 
Produktion und aus Ubersee und neuen Menschenmassen zu- 
riick. 

Zwar wandte sich noch einmal das Blatt im Jahre 1943 fiir 
einen kurzen Augenblick, als der Feldmarschall v. Manstein - 
nunmehr mit zusammengefaBten Panzerkràften, deren Kern 3 
in Frankreich aufgefrischte und neu formierte Panzerdivisionen 
der Waffen-SS waren -, die vorstiirmenden Sowjetmassen 
westlich des Donez abfangen und im blitzschnellen Gegenzug 
entscheidend schlagen konnte. 

Eine Wende im Kriegsgeschehen aber brachte dieser Erfolg 
nicht mehr. Denn der Krieg der Massen hatte jetzt mit ganzer 
Totalitàt begonnen und wurde von den Sowjets mit letzter 
Konsequenz aufgenommen. Mit seinem Massenaufgebot und 
dem stàndig gròBer werdenden Massenmaterial begann der 
Feind das sich ihm verzweifelt entgegenstellende, deutsche Auf- 
gebot planmàBig abzunutzen, um es schlieBlich zu erdriicken. 

Es schien so, als wenn das Jahr 1918 noch einmal wieder- 
gekehrt sei. So àhnlich waren die Geschehnisse von 1943-1945 
denjenigen des ersten Weltkrieges. 

Wiederum zerrissen die diinngespannten Linien unter der 
Wucht der sowjetischen Massenangriffe - wie damals an der 
Westfront. - Wiederam hàmmerten die Sowjets einmal an die- 
ser, das andere mal an jener Front und schufen Krisen nebenein- 
ander und hintereinander. Wiederam eilten Eingreifdivisionen 
heran, um Liicken zu schlieBen, durchgebrochene Feindgruppen 
aufzuhalten oder bestenfalls zu schlagen. 

Damals waren es noch die Reste besonders ausgesuchter In- 
fanteriedivisionen, diesmal meist die wenigen Schnellen Divi- 
sionen, die von einem Brennpunkt zum andem jagten, dabei im 
Kampf immer mehr zusammenschmolzen, bis auch sie schlieB- 
lich der feindlichen Ubermassen nicht mehr Herr werden konn- 


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ten. Auch die Widerstandskraft von Eliten hat einmal ein Ende. 
Und dieses Ende war bei ihrer Mehrzahl im Jahre 1944 
gekommen. 

Im Jahre 1943 ware es bei einigem Optimismus noch mòglich 
gewesen mit einem militarischen Remis zu rechnen. Im Herbst 
1944 war der Krieg verloren. Er konnte bei gròfitem Geschick 
und vielen Verzichten - so oder so - nur noch politisch been- 
det werden! 

* 

Die wenigen Divisionen der Waffen-SS hatten sich in den 
ersten beiden Kriegsjahren des Rufilandfeldzuges im Angriff 
und in der Verteidigung auf allen Fronten bei Freund und Feind 
einen Namen gemacht. Im Siiden der Ostfront waren die »Leib- 
standarte« und die Division »Wiking« in allen Kàmpfen des 
Jahres 1941 der Panzergrappe Kleist erfolgreich gewesen. Nach 
der Einschliefiung und Vernichtung starker, rassischer Streit- 
kràfte bei Uman waren sie unter dem Befehl ihrer Panzerkorps 
zum Dnjepr vorgestofien und hatten ihn spàter im Angriff iiber- 
schritten. 

Die Kàmpfe bei Taratscha und Smela gegen weit iiberle- 
genen Feind, die bittere Zeit im Brùckenkopf von Dnjepro-Pe- 
trowsk, die Schlacht am Asowschen Meer und der Angriff 
iiber den Mius auf Schachty sind Meilensteine auf dem Wege der 
Division »Wiking« durch Siidrafiland im ersten Feldzugsjahr. 

Uman, Melitopol, die Kàmpfe in der Nogaischen Steppe, 
die Schlacht am Asowschen Meer und die Einnahme von Tagan- 
rog sowie die erste Einnahme von Rostow im November 1941 
stellen Wegezeichen der Leibstandarte an der Siidfront dar. 

Nach Zuriicknahme der Panzergrappe Kleist auf den Mius 
krallten sich beide Divisionen, die eine auf dem Siidflùgel der 
Panzergrappe, die andere auf deren Nordflùgel, in den Boden 
ein und schlugen den scharf nachdringenden Gegner in heifien 
Kàmpfen vor ihren Kampfabschnitten zurùck. 

Was die deutschen Frontsoldaten auf der ganzen Ostfront 


in diesem harten Winter 1941/42 physisch und psychisch zu er- 
tragen hatten, làfit sich mit Worten kaum schildern. Miihsam 
mufiten sie sich ihre Deckungen in den hartgefrorenen Boden 
sprengen, in denen sie zunàchst nur kauern und den notdiirf- 
tigsten Schutz gegen das feindliche Feuer und die Unbilden der 
Witterang finden konnten. 

Erst nach einigen Monaten entstanden im nàchtlichen Stel- 
lungsbau einige Unterstànde und Gràben, die ihnen bessere 
Kampfmòglichkeiten gaben. Nach langen Wochen des Frierens 
unter den diinnen Zeltplanen konnten sie sich nun endlich ein- 
mal wieder wàrmen und in den Kampfgràben wàhrend der 
fast tàglichen, feindlichen Angriffe wieder in zusammenhàngen- 
den Linien kàmpfen. 

Pioniere arbeiteten Nacht fiir Nacht an der Verminung des 
Vorgelàndes und halfen ihren Kameraden der Infanterie durch 
den Bau von Hindernissen vor ihren Kampfgràben. Wochenlang 
war der Eisenbahnnachschub aus der Heimat iiber die langen 
Eisenbahnwege zur Front nur noch notdiirftig mòglich. Ver- 
pflegung und Versorgungsgiiter trafen damals nur sporadisch 
hinter der Kampffront ein. Wochenlang lebte die Trappe vorne 
nur von Hirse, die im Lande aufgetrieben werden mufite. 

Nicht immer gelang es, die karge Verpflegung von den Ver- 
pflegungsàmtern zur Front zu bringen. Die Lastkraftwagen 
blieben im mannshohen Schnee stecken oder versanken im 
Herbst und Friihjahr im Schlamm. Pferdekolonnen mufiten sie 
ersetzen und brauchten oft mehrere Tage flir einen kurzen 
Marsch. Unter Aufbietung aller Energien gelang es dennoch, 
die Defensivkraft der Trappe zu erhalten, sodafi alle Angriffe 
des Gegners vor ihrer Front zerschellten. 

Beide Waffen-SS-Divisionen hatten sich inzwischen beim 
Gegner den Ruf besonderer Standhaftigkeit erworben. 

Schon im Sommer 1941 hatte der Kommandierende General 
des XXVII. Sowjetischen Armeekorps, Generalmajor Artemen- 
ko, bei seiner Vernehmung nach der Gefangennahme siidwest- 
lich Kiew ausgesagt: »Das XVII. Armeekorps stand zwischen 


156 


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Terterow und Sduisk der SS-Division »Wiking« gegeniiber. Die 
Kampfkraft dieser Division sei ganz fabelhaft gewesen. Eine 
Abteilung dieser Truppe habe miihelos seine besten Regimenter 
zerschlagen. Man habe bei ihnen aufgeatmet, als die Waffen-SS 
abgelost wurde und einen ganz grofien Gegensatz zu einer an- 
deren lnfanterie-Division gefunden, die gegeniiber der Division 
»Wiking« ganz stark abgefallen sei.« (Auszug aus dem Feind- 
nachi'ichtenblatt No. 40 des Panzerarmeeoberkommandos 1. Ic/ 
Abwehr No. 4627/41 Geheim.) Seitdem hatte die Waffen-SS 
dem Gegner neue Schlage versetzt und diesen Ruf erneut bestà- 
tigt. So war es an der Siidfront, so in der Mitte oder im Nord- 
abschnitt. 

Von Kriegsbeginn an allen Kesselschlachten der Heeres- 
gruppe Mitte beteiligt, hatte die Stammdivision der Waffen-SS, 
Division »Das Reich«, beim Angriff auf Moskau als erste die 
Moskauer Schutzstellung durchbrochen. Es war das alte Frie- 
densregiment »Deutschland«, das weit vor allen andern Tmp- 
pen den Gegner in iiberraschendem Stofitmppangriff aus ihr 
herauswarf und damit den nachfolgenden Kràften eine breite 
Bresche schlug. 

Die deutschen Armeen der Heeresgmppe Mitte waren erst 
Anfang Oktober nach einer làngeren Atempause erneut zum 
Angriff angetreten. Die vorangegangenen Kesselschlachten hat- 
ten ihre Angriffskraft geschwàcht. Auch jetzt waren sie noch 
làngst nicht mehr so kampfkràftig wie zuvor. Zwar waren die 
Panzerverbànde fliichtig aufgefrischt, doch die Infanteriedivi- 
sionen wiesen schon bedenkliche Liicken auf. Ehe man in die 
Reichweite der roten Hauptstadt gelangte, mufite ein starker 
russischer Verteidigungsriegel aufgebrochen werden, in dem sich 
die Sowjets nach ihrer Niederlage bei Smolensk erneut hatten 
setzen kònnen, und den sie zu einer starken Abwehrstellung 
ausgebaut hatten. Fast 20 Tage wurden benòtigt, um die Rus- 
sen erneut zu durchbrechen, in den Kesselschlachten von Wjasma 
und Briansk zu vernichten und den Weg nach Moskau frei zu 
schlagen. 


Aber 20 Tage sind eine lange Zeit. Sie hatten den Sowjets 
die Mòglichkeit gegeben, ihren Widerstand vor Moskau zu orga- 
nisieren und Schukow mit der Verteidigung zu beauftragen, der 
den Auftrag mit gròfiter Energie und Tatkraft in Angriff ge- 
nommen hatte. Inzwischen hatten die deutschen Armeen noch 
bei Wjasma und Briansk alle Hànde voll zu tun, die Russen- 
kessel auszuràumen, Ausbmchs- und Entlastungsstòfie abzuwei- 
sen und die riesigen Gefangenenmengen von 80 roten Divisio- 
nen und 665 000 Mann einzubringen. So hatten sie sich erst in 
der letzten Oktoberwoche die Operationsfreiheit zum endgiilti- 
gen Angriff auf Moskau erkàmpfen kònnen. 

Die 2. SS-Panzergrenadierdivision »Das Reich« war schon 
einige Tage vorher frei geworden und nach Osten angetreten. 
Am 10. Oktober war sie in den Bereich der Moskauer Schutz- 
stellung gelangt, in deren Zentmm Borodino lag. 

»Borodino!« - Wer erinnert sich bei diesem Namen nicht 
an jenen 7. September 1812, an dem der Kaiser Napoleon die 
Russen entscheidend geschlagen und den Weg nach Moskau frei 
gemacht hat. Es war der letzte Sieg der Grofien Armee, den der 
Kaiser errang, ehe er sich in das grofie Abenteuer von Moskau 
stiirzte, wo sich sein Schlachtengliick zu wenden begann. Von 
nun an wandte sich alles gegen ihn. Feuersbriinste zerstòrten die 
Quartiere seiner Armee. Der Winter dezimierte deren Reihen. 
Uberlegene Feindmassen liefien ihr keine Ruhe und trieben 
sie von einer Krise in die andere. 

Borodino am 10. Oktober 1941! Die 2. SS-Panzerdivision 
»Das Reich« schiebt sich entlang der Strafie Jelnia-Gshask 
vorsichtig an die Moskauer Schutzstellung heran. Nòrdlich von 
ihr sichert die verstàrkte Regimentskampfgmppe des Panzer- 
grenadierregiments »Deutschland«, die auf der alten Poststrafie 
nach Moskau vorging, ihre Nordflanke. 

Der Regimentskommandeur Bittrich war unter den Offizie- 
ren, welche einst die VT geformt hatten, einer der Tatkràftig- 
sten. Als junger Fliegeroffizier hatte er im ersten Weltkriege 
fur das Sturmbataillon »v. Rohr« oftmals Aufklàmng geflogen 


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und kannte deshalb dessen revolutionàre Kampftaktik aus ei- 
genem Erleben. Als Bataillonskommandeur im Regiment 
»Deutschland« hatte er die Sturmausbildung bei seinen Solda- 
ten mit Elan und innerer Uberzeugung betrieben und seine 
dort gesammelte Erfahrung in seinen spàteren Dienststellen, 
beim Regiment »DF« und der »Leibstandarte« verwertet. 

RuBland und seine Menschen kannte er aus den Jahren, in 
denen er auf dem russischen Flugplatz Lipetzk junge deutsche 
Reichswehroffiziere im Fliegen ausgebildet hatte. Dort hatte er 
auch in den Geist der Roten Armee Einblick nehmen kònnen. 
Jetzt stand er an der Spitze eines hervorragenden Regiments 
und an entscheidender Stelle; denn ihm gab das Schicksal die 
Chance, den Weg nach Moskau iiberraschend zu òffnen. Im 
entscheidenden Augenblick aber fehlten die Kràfte, um sie so- 
fort und gmndlich auszunutzen. 

Am 11. Oktober trifft das Regiment bei seinem Vormarsch 
auf einen feindlichen Sperrverband von 40 Panzern, die von 
einer aus der Ostfront des Kessels von Wjasma herangeholten 
Panzerabteilung der 10. Panzerdivision und der Artillerie des 
Regiments zusammengeschossen werden. 

Der Weg nach Borodino war frei. Bittrichs Befehl: »Vor- 
wàrts!« 

Grenadiere sitzen auf den Panzern auf und stofien als Vor- 
hut des Regiments weiter vor. An ihrer Spitze der Regiments- 
kommandeur. Eine verstàrkte Grenadierkompanie mit einer 
Batterie jagt als Aufklàrung voraus. Bald ist aus Richtung Bo- 
rodino Gefechtslàrm zu hòren. Die Vorhut wird angehalten. 
Das Regiment schliefit auf. Der Kommandeur fàhrt selbst auf 
Borodino vor, um Einblick in das Gelànde zu nehmen. Dort 
sieht er vor sich ein nach Osten ansteigendes Hòhengelànde, 
beobachtet zahlreiche Verteidigungsanlagen und Bunker, er- 
kennt einen breiten Panzergraben und jenseits desselben seine 
Grenadiere bereits im Kampf um einzelne Bunker. 

Im Glas sieht er Stofitmpps vorhasten, sieht Explosionen 
von geballten Ladungen und Russenhaufen mit erhobenen Hàn- 


den. Blitzartig erkennt er, dafi hier ein grofier Erfolg winkt, 
wenn sofort gehandelt wird. Und er handelt sofort, indem er 
sich entschliefit, den Anfangserfolg auszunutzen und sein gan- 
zes Regiment zum sofortigen Durchbmch anzusetzen, ohne auf 
seine offenen Flanken Riicksicht zu nehmen. Denn er kennt sein 
Regiment und weifi, dafi es diese Aufgabe meistern wird. 

An schnelle Befehle gewòhnt, stòfit das vorderste Bataillon 
den Aufklàrern nach und tief durch die Stellungen nach Osten 
vor. Keilartig folgen die beiden andem rechts und links gestaf- 
felt und schwenken im Morgengrauen des 13. nach Norden 
und Siiden ein, um die festungsartigen Stellungen von den 
Flanken aufzurollen. Im Morgengrauen schleichen die Stofi- 
tmpps vor, sprengen Bunker, jagen an den nàchsten heran und 
ràumen ihn aus, bis sie schliefilich ohne grofie Verluste und in 
wenigen Stunden eine breite Bresche gerissen haben, die ihrer 
auf der Rollbahn heranhastenden Division den Weg nach Mo- 
shaisk frei machte. Noch ist eine Chance vorhanden, ziigig wei- 
terzukommen. 

Die 10. Panzerdivision kommt in Eilmàrschen heran. Sie 
erreicht noch Rusa. Aber es fehlte die Wucht, den Erfolg, den 
Bittrichs kiihner Entschlufi errungen hatte, mit Kraft und Masse 
auszuweiten. 

Dann ist es aus. »General Schlamm« greift ein und nagelt 
die Verbànde an Ort und Stelle am Boden fest. 

Nocheinmal gelingt es bei einsetzendem Frost, am 17. No- 
vember weiter auf Moskau Raum zu gewinnen. Wieder ist es 
das Regiment »Deutschland« und das Regiment »DF«, die das 
befestigte Istra im Angriff nehmen kònnen. Erneut flitzen die 
Stofitrupps, jede Deckung ausnutzend, an die befestigten Stel- 
lungen heran, fegen den Gegner im Nahkampf hinweg und 
durchbrechen die letzte Stellung vor Moskau. 

Am 6. Dezember erreichen Spàhtrupps der Division »Das 
Reich« die westliche Vorstadt. Jetzt aber sind Schukows frische, 
sibirische Kr àfte heran. Mit Massen brechen sie zum Gegenan- 


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griff vor und zwingen die ausgelaugten deutschen Verbande 
zum Riickzug. Die bitteren Worte »Zu spat« und »Zu schwach« 
standen iiber dem Schlachtfeld vor Moskau. 

ln den nachfolgenden Krisen erwies sich diese Tmppe an 
einem der Brennpunkte der Front als ein Wellenbrecher in der 
roten Sturzflut und im Januar 1942 in der Schlacht bei Rshew 
als eine der zuverlassigsten Divisionen der Mittelfront. Damals 
waren die Sowjets mit erdriickender Ubermacht bei der 9. Ar- 
mee tief in den Riicken der Heeresgmppe Mitte vorgestoBen. 

Drei deutsche Armeen wurden von sieben russischen mit 
unerhòrter Heftigkeit standig angegriffen. lhnen drohte die Ge- 
fahr der Einkesselung, wenn es nicht mòglich war, den tiefen 
Durchbruch bei der 9. Armee zu beseitigen. Der nòrdliche Eck- 
pfeiler der ganzen Mittelfront drohte einzustiirzen, wenn es der 
9. Armee nicht gelang, den starken feindlichen Keil in ihrem 
Riicken zu zerschlagen und die Verbindung mit dem westlichen 
Teil der Heeresgmppe wiederherzustellen. General Model 94a , 
ein unerschrockener und tatkraftiger Mann, wufite, dafi es zu- 
nachst darauf ankam, den Flaschenhals des feindlichen Durch- 
bmchs westlich von Rshew zu unterbrechen, den eingebrochenen 
Gegner dadurch von seinen Hauptkraften abzuschneiden und 
den Feind in seinem Riicken zu beseitigen. 

Alles kam zunàchst darauf an, dafi die Barriere, welche den 
eingebrochenen Gegner von seinen Hauptkràtten trennen sollte, 
nicht nur schnell geschaffen wurde, sondem auch hielt. Wie im- 
mer, wenn es darauf ankam, einen schweren Kampfauftrag aus- 
zufiihren, suchte und fand Model auch den richtigen Mann da- 
fìir. Es ist der Regimentskommandeur eines Regiments der SS- 
Panzergrenadierdivision »Das Reich«, Otto Kumm mit seinem 
Regiment »DF«. 

Er wurde an die Wolga geworfen und zwar an die Stelle, in 

94a 

Damals Oberbefehlshaber der 9. Armee. 


der die 29. Sowjetische Armee den zugefrorenen Flufi nach Sii- 
den iiberschritten hatte, mit dem Auftrag, die diinne Verbindung 
nach Westen und die Barriere nach Norden und Siiden unter 

allen Umstànden zu halten. Wàhrend General Model weiter 

siidlich die Vorbereitungen zur Vernichtungsschlacht gegen den 
durchgebrochenen Gegner traf, hatte Kumm sich inzwischen bei 
einer Temperatur von 52 Grad in der Riegelstellung an der Wol- 
ga eingerichtet. Sein Regiment war nur noch 650 Mann stark. 
Aber es war kampferprobt und hatte im Frieden eine vortreff- 
liche Ausbildung und Erziehung genossen. Wenn iiberhaupt, 

dann konnte man von ihm erwarten, dafi es die diinne Stiitz- 

punktlinie wiirde halten kònnen. 

Kaum merkte der Gegner, dafi seine durchgebrochenen Divi- 
sionen abgeschnitten waren, als er pausenlos und mit weit iiber- 
legenen Kràften zum Angriff antrat. Er wollte unter allen Um- 
stànden die Verbindung zu seinen eingeschlossenen Kràften 
wiederherstellen. Auch er wufite, dafi sich hier das Schicksal 
seiner 29. Armee entscheiden wiirde. Deshalb stiirmte er pausen- 
los bei Tag und bei Nacht gegen Kumms Front an. Drei Wo- 
chen lang! 

Am sechsten Tage - so berichtet die Zeitschrift »Kristall 95 « 
hatte der Russe eine Kompanie dieses Regimentes mit Panzern 
angegriffen. Nach zwei Stunden schleppte sich miihsam ein 
Mann zum Bataillonsgefechtsstand. Schwer verwundct und mit 
zwei erfrorenen Hànden versuchte er seinem Bataillonskom- 
mandeur noch in dienstlicher Haltung Meldung zu machen. Er 
konnte es nicht mehr. Denn er brach dabei zusammen. Im Lie- 
gen meldete er: »Die Kompanie ist iiberrollt. Ich bin der Letzte. 
Alle andern sind gefallen!«- 

Ein Infanterieregiment, das zu Hilfe eilte, wurde gleich 
bei seinem Eintreffen von den Sowjets aufgerieben. Die Reste 
wurden in Kumms Front eingegliedert. Am 8. Februar brachen 
die Sowjets in der Nacht wiederam in Kumms Front ein. Im 

95 s. Kristall »Unternehmen Barbarossa« No. 14 Jalrrgang 62 S. 40. 


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Nahkampf rangen Russen und SS-Panzergrenadiere vier Stun- 
den lang miteinander bis zum letzten Mann. Einen Tag spater 
wurde das zur Hilfe eilende KRAD-Schutzenbataillon der Di- 
vision »Das Reich« in heifien Kampfen aufgerieben. 

Neue Verbande, wie die Aufklamngsabteilung 14 und die 
Sturmgeschutzabteilung 189 schlossen die Liicken. Zu Tausen- 
den verbluteten die Sowjets am Wolgaknie. Aber die Front hielt, 
bis die Schlacht entschieden war. 

Als sich Kumm am 18. Februar nach Freiwerden seines Re- 
giments bei seinem Divisionskommandeur zumckmeldete, traf 
er Model. »Ich weifi, was Ihr Regiment durchmachen mufite, 
Kumm«, sagte Model bei der Begmfiung. »Aber ich kann es noch 
nicht entbehren. Wie stark ist es noch?« 

Kumm wies mit der Hand zum Fenster. »Mein Regiment 
ist draufien angetreten.« Model schaute hinaus. Draufien standen 
35 Mann. — 

* 

Auch den Kampf der SS-Panzergrenadier-Division« »To- 
tenkopf« im Kessel von Demjansk wird man in der Kriegsge- 
schichte immer als ein vorbildliches Beispiel fùr eine nachhaltige 
Verteidigung bezeichnen kònnen. Sie gehòrte zu jenen sechs Di- 
visionen, die dort von iiberlegenen, sowjetischen Streitkraften 
am 8. Febmar 1942 eingeschlossen waren und sich durch be- 
sondere Standhaftigkeit bewahrten. Besonders sei aber einer 
ihrer Kampfgmppen gedacht, die von ihrer im Kessel befind- 
lichen Division abgeschnitten war und im Ort Bjakowo von den 
Russen umzingelt wurde. Wochenlang hat sich diese kleine Ab- 
teilung von 120 Mann aller feindlichen Angriffe von Westen, 
Norden und Nordosten zah erwehrt und damit den fùr die Ent- 
lastungsoffensive wichtigen Ort behauptet. 

Als die deutschen Entlastungskrafte am 20. April im Riik- 
ken der Russen auftauchten, war die Kampfgmppe auf dreifiig 
Mann zusammengeschmolzen. Die iibrigen waren gefallen oder 
lagen verwundet in den standig beschossenen Katen der Dorf- 


bewohner. Als die Division nach Freikampfen des Kessels Dem- 
jansk und weiterem Einsatz in der Front der 16. Armee im Ok- 
tober 1942 aus dem Armeebereich ausschied, richtete der Ober- 
befehlshaber, Generalfeldmarschall Busch, folgenden Armeebe- 
fehl an die scheidende Division: 

Der Oberbefehlshaber der 16. Armee 

AHQ 16. Oktober 1942 

Armeebefehl 

Als der Gegner im Januar 1942 zu seiner Winteroffensive 
siidlich des llmensees antrat, hielt die Waffen-SS durch ihren 
zahen, verbissenen und heldenmùtigen Einsatz gegen vielfache, 
feindliche Ùbermacht in einem der kaltesten Winter der Kriegs- 
geschichte ihre Stellung. 

Mit dem II. Armeekorps stand die Division sodann in treuer 
Waffenbrùderschaft mit den Verbanden des Heeres in monate- 
langen, schweren Abwehrkampfen an verschiedenen Fronten der 
Festung Demjansk. Immer siegreich im Angriff und in der Ver- 
teidigung, verlafit die Division nunmehr ihren Kampfraum von 
Demjansk und Starajarussa. 

Hart waren ihre Kampfe in diesen langen Monaten. Har- 
ter aber der Wille der Fùhrung und jedes Soldaten dieser stolzen 
Division. 

Der Oberbefehlshaber 
gez. Busch 
Generalfeldmarschall 

* 

Auch die 4. SS-Polizeidivision hatte in der Nordfront ihre 
kampferische Qualitat im Angriff wie in der Abwehr bewiesen. 
Als einer der Eckpfeiler der geborstenen Front der 18. Armee 
hatte sie standgehalten, als die Sowjets im Winter 1942 die deut- 
sche Front sùdlich Leningrad durchbrochen, iiber den Wolchow 
nach Westen vorgestofien und zum Spmnge auf Leningrad be- 


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reit waren. ln wochenlangen Kàmpfen stieB sie am 20. Màrz 
1942 der roten 2. StoBarmee in die Nordflanke, engte sie ein, 
schnitt sie schliefilich von ihren mckwàrtigen Verbindungen ab 
und schlofi in gemeinsamem Angriff mit anderen Kiàtten der 
18. Armee den Ring um den eingebrochenen Feind so fest, dafi 
er in Einzelkàmpfen aufgespalten und in Einzelkesseln aufge- 
rieben werden konnte. 


Das erste Kriegsjahr und die Winterkàmpfe des Jahres 1941/ 
42 hatten die Divisionen der Waffen-SS schwere Verluste geko- 
stet. Aber es ist eine falsche Unterstellung, wenn einige ernst- 
hafte Militàrschriftsteller - damnter Mànner von Rang und 
Namen - heute die Schuld daran der mangelnden Ausbildung 
ihrer Offiziere zuzuschreiben versuchen. Solche Behauptungen 
sind nicht nur unwahr, sondern auch eine menschliche Entglei- 
sung! 

Tatsàchlich hatten diese Offiziere die gleiche Kriegssclnilaus- 
bildung genossen wie die Offiziere des Heeres. Ihre Komman- 
deure waren auf den gleichen Kommandeurlehrgàngen ausgebil- 
det worden, wie deren Kommandeure. Im Frieden war das Of- 
fizierkorps einer stàndigen Auslese unterworfen gewesen und 
mufite sich stàndig bewàhren. Wer in diesen ersten Divisionen 
der Waffen-SS eine Tmppe flihren durfte, war dazu auch geeig- 
net und vielfach erprobt. 

Jeder Offizier war dazu erzogen worden, die Kràfte seiner 
Tmppe zu schonen und ihr nicht mehr zuzumuten, als das, was 
sie auch leisten konnte. Ein bedenkenloses »Verheizen« eigener 
und fremder Tmppen im Kampf war innerhalb der Waffen-SS 
undenkbar. Das verbot einfach der menschliche Anstand, die 
Verbundenheit mit allen deutschen Soldaten und die Kamerad- 
schaft, die Offizier und Mann miteinander verband. 

Wenn aber eine Tmppe stàndig im Schwerpunkt der Kàmpfe 
steht, dann wird es auch der beste Offizier auf die Dauer nicht 
verhindern kònnen, dafi sie einmal ausbrennt! 


Niemand hàtte es je zu behaupten gewagt, dafi die Offiziere 
des 1. Garderegiments zu Fufi im Jahre 1914 schlecht ausgebil- 
det gewesen seien, weil dieses Regiment in der Schlacht bei St. 
Quentin an einem einzigen Tage 26 Offiziere und 1170 Mann 
verloren hat. Das war kein Fùhrungsfehler seiner Offiziere ge- 
wesen, sondern vielmehr die zwangslàufige Folge seines hohen 
Kampfgeistes, vielleicht aber auch das bedenkliche Ergebnis eines 
mcksichtslosen Einsatzes durch die obere Fuhrung. 

Schon im Jahre 1936 hatte der Verfasser Heinrich Himm- 
ler auf dieses schmerzliche Beispiel eines opfervollen, aber sinn- 
losen Heroismus hingewiesen und bei diesem Vortrage beson- 
ders betont, dafi die preufiische Garde den schweren Aderlafi 
der Jahre 1914 und 15 niemals mehr verwunden habe. 

In verblendeter Kurzsichtigkeit hatte man sie immer an den 
Brennpunkten der Schlachten eingesetzt und von ihr erwartet, 

dafi sie sich stets durchsetzen wiirde. Man hatte sie aber fiir 

solche Aufgaben nicht einen Deut besser bewaffnet und ausge- 
rùstet, als ein Reserveregiment, von dem man nur durchschnitt- 
liche Kampfleistungen erwartete. 

Schon damals hatte man also den unverzeihlichen Fehler be- 
gangen, Elitetmppen ohne eine Qualitàtsbewaffnung in den 
Kampf zu schicken und das gleichmàfiige Wiiten der Maschinen- 
waffen nicht bedacht. Himmler war an Hand dieses Beispiels 
nicht dariiber im Zweifel gelassen worden, dafi der moderne 

Krieg mit seinen unterschiedlichen Kampfbelastungen eine Tmp- 
pe erfordere, die fur besondere Kampfaufgaben - also An- 

griffshandlungen und Abwehrkàmpfe an Brennpunkten - nicht 
nur eine hohe Kampfmoral besitzen und hòchstmodern ausge- 
bildet sein mùsse, sondern solche Aufgaben nur mit einer hoch- 
wertigen Waffenausstattung werde lòsen kònnen. Deshalb wà- 
ren Elitetmppen nur dann von Wert, wenn sie auch die mo- 
dernste Bewaffnung erhalten wiirden, die aufzutreiben sei. 

Bei den damaligen Schwierigkeiten, die man mit der Hee- 
resleitung bei der Aufstellung der SS-Verfligungstmppe hatte, 
waren solche Fordemngen zunàchst nicht durchzusetzen. Spàter 


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reichte es nur zur Aufstellung von motorisierten lnfanteriever- 
banden, die sich weder nach ihrer Ausriistung und Bewaffnung, 
noch nach der Kriegsgliederung und Kampfweise von den In- 
fanteriedivisionen unterschieden. Nur hatten sie im motorisier- 
ten Kampf zahlreiche krisenhafte Situationen durchzumachen 
und waren haufig auf sich selbst angewiesen. Ihre Umbenennung 
in Panzergrenadierdivisionen anderte nichts Gmndsàtzliches an 
der Tatsache, dafi sie dennoch reine Improvisation waren, de- 
ren Kampfaufgaben mit ihrer motorisierten Notausriistung 
schlecht ubereinstimmten. 

Die spàtere Verstàrkung durch eine selbstàndige Panzerab- 
teilung erhohte nur das Risiko, seitens der hoheren Fiihrung 
genau so verwendet zu werden, wie die weit kampfkràftigeren 
Panzerdivisionen, mit denen sie stàndig in dem gleichen hoheren 
Kampfverband, dem Panzerkorps, zusammen kàmpften und 
mit jenen gleich bewertet wurden. So ist die Waffen-SS in den 
ersten beiden Jahren des Krieges zwar mit einer qualitativ aus- 
gesuchten und wohldurchgebildeten Tmppe in den Krieg gegan- 
gen, hat aber damals auf die wirksamste Waffe - den Panzer - 
verzichten miissen und war damit dem gleichen Kràfteschwund 
- nur in meist schwierigen Kampfverhàltnissen - ausgesetzt, 
wie die normale Infanterie, deren Kampfausriistung nicht we- 
niger unzulànglich war. Man hatte auch diesmal generell und im 
besonderen bei der Waffen-SS alle Kriegserfahmngen von 1914 
und der spàteren Jahre vergessen und die Tmppe gegeniiber dem 
"sowjetischen Massengegner den gleichen Situationen ausgesetzt, 
wie damals das wohldurchgebildete, deutsche Heer von 1914. 

Es ist eine bestiirzende Tatsache, dafi dort, wo sich Verbànde 
im rasenden Tempo abniitzen, auch der einzelne Mensch und 
selbst das Menschenleben anders gewertet werden, als unter nor- 
malen Umstànden. Im Massenkriege sinkt er leicht in die Ano- 
nymitàt der grofien Zahlen zuriick und wird dabei bald zu einer 
Nummer. Denn bei den obersten Kommandobehòrden entsteht 
die Gefahr, dafi man Divisionen und Regimenter nur noch als 
Instmmente betrachtet, die man benutzt und sie wie Schachfi- 


guren nach Belieben hin- und herschieben kann. Dariiber wird 
nur zu leicht vergessen, dafi sie lebendige Organismen sind, die 
nicht aus Bataillonen und Abteilungen bestehen, sondern aus 
Menschen von Fleisch und Blut, deren physischen und psychischen 
Kr àften Grenzen gesetzt sind. 


Schon in den ersten Jahren des Krieges und spàter in zuneh- 
mendem Mafie wurde der deutsche Frontsoldat kòrperlich und 
seelisch stàndig iiberfordert und Belastungen ausgesetzt, die oft- 
mals die Grenzen menschlicher Leistungsfàhigkeit erreichten. 
Vielfach in schwachen Gmppen gegen eine starke Uberlegenheit 
kàmpfend, war er oft auf sich selbst gestellt und mufite sich 
verlassen fiihlen, wenn er nicht von der Uberzeugung durch- 
dmngen war, er wiirde von seinen Kameraden und Vorgesetzten 
unter keinen Umstànden im Stich gelassen. 

Diese moralische Verpflichtung war bei der Mehrzahl aller 
deutschen Offiziere lebendig. Kalte Rechner waren innerhalb 
des hòheren Offizierskorps eine Ausnahme. Dafi es sie in 
den oberen Stellen mitunter gegeben hat, ist nicht zu bestreiten. 
Auch bei Hitler galten im Kriege die Zahl der Verbànde, der 
Kanonen und der Panzer mehr als die Menschen 96 . Je mehr sich 
die Krisen hàuften, umsomehr mufiten bei einer solchen Fiih- 
rungsart bei der Tmppe Zweifel an der Zulànglichkeit der ober- 
sten Fiihrung entstehen, zumal sie fiihlte, dafi die Krisen nicht 
ohne eigenes Verschulden ihrer Fiihrung entstanden waren. 

Gewifi zwingt die Not an der Front auch manchmal die 
oberste Fiihrung zum schnellen Riickgriff auf noch unzulànglich 

96 vergl. hierzu »Hitlers Lagebesprechungen«, Institut f. Zeitgeschichte, 
herausgegeben v. Hcllmut Hciber. S. 756, 759 ff. und 309. 

Auf S. 586 wird Hitlers Rcchnen mit reinen Zahlen und Divisionen als einer 
seiner Kardinalfehler bezeiclmet. 


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ausgebildete Soldaten und Verbande. Wenn sich aber solche Me- 
thoden standig wiederholen, dann werden sie bedenklich. 

Himmler kannte aber darin keine Riicksichten. Stets war er 
der erste, der Hitler Verbande anbot, wenn die Front in Not war. 
Es war ihm dabei vòllig gleichgiiltig, wie sie ausgeriistet waren 
und in welchem Ausbildungszustande sie sich befanden. 

Nicht einmal, sondern mehrfach sind auf seinen Vorschlag 
ganz junge, noch unerfahrene Verbànde der Waffen-SS lange 
vor AbschluB ihrer Ausbildung und ohne schwere Waffen, ins- 
besondere ohne Artillerie in den Kampf geworfen worden, wenn 
es brannte. Die Heeresleitung griff solche Angebote unverziig- 
lich auf. An der Front kamen sie oftmals in Lagen, voller Ver- 
worrenheit, in denen niemand wuBte, wo Freund und Feind 
standen. 

So wurde im Dezember 1941 das in Krakau in der Um- 
riistung befindliche und noch kampfunerfahrene 4. SS-T-Regi- 
ment an eine der gefàhrdetsten Stelle der ganzen Ostfront, 
nach Kaluga geflogen, um die auf dem Siidflùgel der 4. Armee 
entstandene Frontliicke zu schlieBen. Der Lufltransport dauerte 
12 Tage. Nur mit ihren leichten Waffen versehen, muBten die 
gelandeten einzelnen Kompanien und Bataillone aus den Flug- 
zeugen heraus bei eisiger Kàlte zum Gegenangriff antreten, weil 
die Sowjets schon den Flugplatz bedrohten. Unter Aufbietung 
aller Kraft gelang es ihnen, den Gegner im letzten Augenblick 
aufzuhalten und damit den ungeordneten Riickzug der Reste 
der 4. Armee zu decken. 14 Tage spàter war das beim Eintref- 
fen noch 3000 Mann starke Regiment schon auf 700 Mann zu- 
sammengeschmolzen und zàhlte im Màrz 1942 noch ganze 180 
Mann. Dafiir erhielt es dann auch den schmerzlich beziehungs- 
reichen Namen »Langemarck«.- 

In diesem Winter 1941/42 erbebte die deutsche Front unter 
den Hammerschlàgen der sowjetischen Gegenoffensiven in al- 
len Fugen. An allen Fronten fehlte es an Kràften. Die spàrli- 


chen Reserven aus der Heimat kamen vereinzelt und meist zu 
spàt. Schon am 1. September 1941 waren alle OKH-Reserven 
bis auf eine Infanteriedivision und 2 Panzerdivisionen bereits 
verausgabt. Im Winter 1941/42 wurden auch sie im Schmelz- 
tiegel der Front verbraucht. 

So muBten improvisierte Einheiten ohne Kampfkraft und 
Frontbewàhmng die Liicken schlieBen. Bodenorganisationen der 
Luftwaffe, Polizeitmppen, die als Sichemngen in mckwàrtigem 
Gebiet eingesetzt waren, Bàckerei- und Schlàchtereikompanien, 
sowie sonstige Versorgungstmppen, armselige Bauverbànde und 
was immer nur ein Gewehr tragen konnte, wurden damals dem 
Gegner entgegengeworfen und von ihm schnell iiberrannt, wenn 
sie in den Stmdel der Schlacht gerieten. 

Zu alledem muBte die Tmppe zu ihrer Bestiirzung erfahren, 
daB ihre Panzerabwehr wirkungslos geworden war, weil deren 
Geschosse die Panzemng der russischen Panzer nicht mehr 
durchschlugen. Wenn sie es nicht verstanden, mit Minen, geball- 
ten Ladungen und sonstigen Nahkampfmitteln im Nahkampf 
gegen die feindlichen Panzer vorzugehen oder eine Panzerab- 
wehr mit einzelnen Geschiitzen der Artillerie so zu improvisie- 
ren, wie es ihre Vàter im Jahre 1918 an der Westfront hatten 
tun miissen, dann waren sie den feindlichen Panzem wehrlos 
ausgeliefert. 

Bis zum Màrz 1942 hatte das deutsche Ostheer 1 Million 
und 107000 Mann verloren. Im Januar 1941 standen den 37 
deutschen Divisionen der Heeresgmppe Siid auf einer Verteidi- 
gungsfront von 600 Kilometern 95 mssische Verbànde gegen- 
iiber. Die Heeresgmppe Mitte konnte in ihrer 1000 Kilometer 
breiten Verteidigungsfront den ihr gegeniiberstehenden 190 so- 
wjetischen GroBverbànden nur 67 abgekàmpfte deutsche Divi- 
sionen entgegenstellen und in der Heeresgruppe Nord kàmpften 
31 geschwàchte deutsche Divisionen auf einer Frontbreite von 
600 Kilometern gegen 86 russische Verbànde. Auf allen Fronten 
waren die Russen den deutschen Streitkràften also um das drei- 
fache iiberlegen. 


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Wenn die deutsche Front damals iiberhaupt noch standge- 
halten hat, dann war es ausschliefilich der bewunderungswiirdi- 
gen Opferbereitschaft des deutschen Frontsoldaten zu danken. 
Kein Wort ist stark genug, um diesen selbstlosen Einsatz richtig 
zu wiirdigen! - 

Rein militarisch hatte die deutsche Tmppe 1941 mit dem 
gleichen Schwung angegriffen, wie die alte deutsche Armee von 
1914. Auch ihre Kampfmoral war um keinen Deut geringer, 
als damals. In diesen Jahren war der deutsche Soldat dem ms- 
sischen Kollektivsoldaten stets iiberlegen gewesen. Und diese 
Uberlegenheit hat noch in Stalingrad Ende 1942 eine heroische 
Bestatigung gefunden. 

Erst im Herbst 1943 begann die kriegerische Moral des deut- 
schen Ostheeres zwar langsam, aber doch standig zu sinken. 
Denn es mufite den gleichen Auslaugungsprozefi durchmachen, 
wie ihre Vorgàngerin - die deutsche Armee von 1914 - in 
den Kriegsjahren von 1916 und 1917. 

Die Waffen-SS war an allen Fronten zu einem wesentlichen 
Faktor der deutschen Fiihrung geworden. Zwar deckte den grofi- 
ten Teil der alten VT bereits die mssische Erde. Doch ihr Geist 
war lebendig geblieben. Selbst ihre Kampfformen als Sturm- 
tmppe, die sich im Frankreich-Feldzug so glànzend bewàhrt 
hatten, waren in den Reihen ihrer Nachfolger, wenn auch nur 
teilweise, erhalten geblieben. 

Mit diesen Methoden hatte auch das alte Panzergrenadier- 
regiment »Deutschland« als Stofikeil die Moskauer Schutzstel- 
lung durchbrochen und mit dieser Kampftaktik hatten die 
Sturmsoldaten des I. Bataillons »Witt« der Leibstandarte im 
November 1941 zum erstenmale Rostow erobert. Mit diesen 
Gefechtsformen war es auch dem Sturmbataillon »Diekmann« 
der Division Wiking im Jahre 1942 gelungen, in die zu einer 
starken Festung gewordene Stadt erneut ohne grofie Verluste 
einzudringen. 

Dann aber waren die Tage der panzerlosen Infanterie ge- 
zàhlt. Die Russen waren inzwischen so stark an Panzern ge- 


worden, dafi sie nach Belieben Panzerschwerpunkte bilden 
konnten, wo sie nur wollten. Schon im November 1941 hatte 
der spàtere General der Waffen-SS Phleps gen. Stolz - ein er- 
fahrener und hochbewàhrter, ehemaliger K.u.K. Generalstabsof- 
fizier und nachmaliger mmànischer General - als Fiihrer einer 
Kampfgmppe der Division »Wiking« seinem Divisionskomman- 
deur, dem Verfasser dieses Buches, bei den heifien Kàmpfen 
nòrdlich Rostow verzweifelt zugemfen: »Schaffen Sie uns Pan- 
zer, Herr General. Ohne sie geht diese herrliche Tmppe zu 
Gmnde.« 

Erst im Friihjahr 1942 war dieser Wunsch in bescheidenem 
Mafie erfiillt worden. Jetzt aber stand das ganze deutsche In- 
fanterieheer vor der Frage, wie es dieses gefàhrlichen Gegners 
Herr werden sollte. Es dauerte noch Jahre, bis es endlich in der 
Panzerfaust ein brauchbares Massenabwehrmittel dagegen er- 
hielt. Inzwischen aber war die Ostfront an vielen Stellen làngst 
briichig und grofie Verbànde deutscher lnfanterie dabei zerschla- 
gen worden. 

* 

Zu Schlacke ausgebrannt, wurden nun auch im Sommer 1942 
die ersten drei Panzergrenadierdivisionen der Waffen-SS zu 
Panzerdivisionen umgebildet und erschienen im Januar 1943 
im Verbànde des Panzerkorps »Hausser« wieder an der 
Ostfront 97 . 

Die 5. SS-Panzergrenadierdivision »Wiking« mufite noch 
ein weiteres Jahr warten, ehe sie zur Panzerdivision um- 
geriistet wurde. Dazu bedurfte es offenbar erst ihrer vòlligen 
Dezimiemng durch die Riickzugskàmpfe vom Donez zum Dnjepr 
und der Verluste, die sie im Anfang des Jahres 1944 im Kessel 
von Tscherkassy und beim Durchbruch durch den Einschliefiungs- 
ring der Sowjets am 7. Februar 1944 erlitten hatte. 

97 Es waren die 1. SS-Panzerdivision »Leibstandarte«, die 2. SS-Pan- 
zerdivision »Das Reich« und die 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf«. 


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Nach dreieinhalbjàhrigem, pausenlosen Einsatz an der Siid- 
front sollten ihre Reste dazu in die Heimat befordert werden, 
wurden aber schon im Raum von Lublin angehalten, weil sie 
dort jederzeit fiir die Siidfront greifbar bleiben sollten. Bereits 
im April des gleichen Jahres befand sich die Division wieder 
im Angriff auf das von dem Gegner eingeschlossene Kowel, 
in das ihr bewàhrter Divisionskommandeur, Generalleutnant 
der Waffen-SS Gille, als »Kesselspezialist« eigens eingeflogen 
worden war, um den »Festen Platz« zu verteidigen. 

fnzwischen waren im Westen drei neue SS-Panzerdivisio- 
nen entstanden, deren Mannschaft sich aus den jiingsten Jahr- 
gàngen zusammensetzte, die einbemfen wurden. Aus ihnen und 
bewàhrten Stàmmen der alten Divisionen wurden die 9., die 10., 
und die 12. SS-Panzerdivision gebildet 98 . 

fn Suddeutschland und spàter in Kroatien formierte sich 
das 111. SS-Panzerkorps mit der 11. und 23. SS-Panzergrena- 
dierdivision aus Abgaben der Division »Wiking«, der nieder- 
làndischen und dànischen Legion und einer starken Mannschaft 
aus Siebenbiirgern. Es ragte aus der Masse der Waffen-SS durch 
seinen besonders profilierten Charakter als iibernationaler, eu- 
ropàischer Verband heraus. 1944 verfligte die Waffen-SS iiber 
vier Panzerkoips, sieben Panzerdivisionen und drei Panzergre- 
nadierdivisionen, die sich bis zum Jahre 1945 um weitere elf 
erhòhten. Damit stellte die Waffen-SS mehr als ein Drittel der 
deutschen Panzertmppe dar. 

Inzwischen hatte sie aber mit ihren anderen Einheiten be- 
reits den Charakter eines konventionellen Heeresverbandes an- 
genommen. Zusàtzlich zu ihrer Panzertmppe verfligte sie schliefi- 
lich noch iiber zwei Gebirgskorps mit sechs Gebirgsdivisionen, 
sechs Armeekorps mit elf Grenadierdivisionen und drei Kaval- 
leriedivisionen, selbstàndigen Panzer- und Panzergrenadierbri- 
gaden, Korps- und Armeetruppen aller Art, zu denen vier 

98 9. SS-Panzerdivision »Hohenstaufen«; 10. SS-Panzerdivision »Fnmds- 
berg« und 12. SS-Panzerdivision »Hitler-Jugend«. 


schwere Artillerieabteilungen, vier Nebelwerferabteilungen, 
drei schwere Panzerabteilungen »Kònigstiger«, eine schwere 
Panzerjàgerabteilung, zwei Fallschirmjàgerbataillone und drei 
Armee-Nachrichtenregimenter gehòrten. 

Aus dieser Masse sei die 7. SS-Gebirgsdivision »Prinz Eugen« 
hervorgehoben 98a , die schon 1942 entstanden war. Sie hatte sich 
damals mitten im Kampf formieren mùssen und galt schon bald 
darauf als der Kern aller deutschen, im jugoslawischen Raum 
eingesetzten Divisionen. Ihre Mannschaft kam aus den Volks- 
deutschen dieses Landes und kàmpfte dort gewissermafien um 
Haus und Hof. 

Der Chef des Generalstabes der Heeresgmppe Balkan, Ge- 
neralmajor Schmidt-Richberg, charakterisierte sie folgender- 
mafien: »Oft standen Vater und Sohn in derselben Formation. 
Was diesen Mànnern an gediegener Friedensausbildung fehlte, 
ersetzten sie durch Unerschrockenheit und Manneshàrte. In der 
Kenntnis des Wesens und der Kampfweise des Feindes waren 
sie allen iibrigen Deutschen iiberlegen. Sie waren deshalb bei ih- 
ren Gegnern gefùrchtet. Der Verband war als Gebirgsdivision 
gegliedert, modernst bewaffnet und teilweise beweglich. Die Di- 
vision erwies sich als eine zuverlàssige Stiitze der Fùhrung in 
den sich nunmehr stàndig wiederholenden Kiisen 99 «. 

Mit der zunehmenden Verstàrkung der Waffen-SS hatte sich 
auch das Gesicht der Tmppe veràndert. Die Ausbildung im Gei- 
ste der alten Divisionen hatte unter dem Dmck der Ereignisse 

m,< Gestalter und erster Divisionskommandeur war der aus Kronstadt in 
Siebenburgen stammende General der Waffen-SS Arthur Phleps, der im 
ersten Weltkrieg ein hervorstechender Generalstabsoffizier der K.u.K. Annee 
gewesen war und spàter in der rumànischen Annee als Kommandeur der 
Kriegsakademie und als Kommandierender General der Gebirgstruppen 
eine glànzende Laufbahn absolviert hatte. 1941 hatte er sich freiwillig zur 
deutschen Annee gemeldet und als Kampfgruppenkommandeur in der 
Division »Wiking« Verwendung gefunden. Sein Ende ist umstritten. Im 
September 1944 soll er in Siebenburgen von den Russen erschossen worden 
sein. s. Lagebesprechungen S. 669, Anmerkungen. 

99 s. Schmidt-Richberg »Das Ende auf dem Balkan« Seite 52 ff. 


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primitiveren Methoden weichen miissen. Nur wenige von ihnen 
vermochten den alten Kampfstil in kleinerem Rahmen anzuwen- 
den. Denn in dieser Starke war die Waffen-SS niemals geplant 
gewesen. Sie war vielmehr das Ergebnis der bitteren Not an der 
Front und der Knappheit an deutschem Ersatz, den man nun- 
mehr nehmen mufite, wo man ihn bekam. 

Umso unbegreiflicher wird es stets bleiben, daB die deutsche 
Staatsflihrung bei dem schon 1942 fiihlbar werdenden Mangel 
an deutschem Ersatz nicht rechtzeitig auf die umfangreichen 
Kontingente der ukrainischen Wehijugend zuriickgegriffen und 
aus ilmen landeseigene Verbande aufgestellt hat. Die Ukrainer 
waren ffoh gewesen, fLir die nationale Unabhangigkeit ihres 
Landes vom russischen Joch kàmpfen und damit die Jahrhun- 
derte hindurch in ihrem Volk lebendig gebliebene Idee eines 
selbstàndigen Staates verwirklichen zu kònnen. 

Bei ihnen war noch die Erinnerung an den demokratischen 
Staat Petljuras lebendig geblieben, der nach 1918 entstanden 
und nach kurzem, geschichtlichen Leben von den Sowjets zer- 
trummert worden war. An dem Verhalten der entscheidenden 
deutschen Dienststellen ersieht man gerade an diesem Beispiel 
mit erschreckender Deutlichkeit, welche negative und verderb- - 
liche Rolle in der geschichtlichen Entwicklung falsche Geschichts- 
vorstellungen, vorgefafite Meinungen, Fuhrungs- und Herr- 
schaftsbegriffe, der Siegerubermut und sonstige, dumpfe Kom- 
plexe bei der Entscheidung lebenswichtiger Fragen zu spielen 
vermògen. 

Die nationalsozialistischen Ansichten iiber die Ostvòlker 
fuBten auf der geradezu grotesken Behauptung, sie wàren ge- 
geniiber den Deutschen von minderem Wert. Biologisch, ge- 
schichtlich und strukturell war das eine glatte Irrlehre. Wer 
sich auch nur fliichtig mit ukrainischer Geschichte und ukraini- 
schem Volkstum beschàftigt hat, muBte auch die starken kultu- 
rellen und musischen Begabungen, die diesem Volk zu eigen sind, 
und die groBe Spannweite seiner Volksseele kennen. 

Uber Jahrhunderte lebte der ukrainische Bauer in ehrwiirdi- 


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Generaloberst der Wallen-SS, Dielrich 
(links), mit General von Obsllelder 
und General Eberhard. 


Die Manner von Tscherkassy 
Generalleutnant der Wallen-SS. Gille 
(links), im Gesprdch mil seinen Mit- 
kàmplern: Generalleutnanl Lieb, dem 
Kommandierenden General, und dem 
Kommandeur der Sturm-Brigade »Wal- 
lonie«, Hauplmann Lèon Degrelle. 
Ganz rechls der Reichspressechel Dr. 
Otto Dietrich. 








gen, patriarchalischen Formen, in festgefligten Sippen und in 
einer lebendigen, von tiefer christlicher Mystik erflillten Reli- 
giositat. Diese schopferische Kraft eines gesunden Volks- und 
Bauerntums war auch in der bolschewistischen Epoche nicht 

versiegt. Sie brach in einer staunenswerten Fiille wieder auf, als 
die Deutschen ukrainischen Boden betraten und von den Ukrai- 
nern als Freiheitsbringer mit groBen Ffoffnungen begriiBt wur- 
den. Aber die Deutschen waren mit Blindheit geschlagen. Sie 
sahen nur den reichen Boden, die grofien Bodenschatze und ein 
veranntes Volk, das vom Bolschewismus unterdriickt und ver- 
proletarisiert worden war. Nur wenige Deutsche machten sich 

die Miihe, mit diesem Volk Kontakte aufzunehmen und nach 
seiner Wesenheit zu forschen. 

Die kleinen Parteiflinktionare des Nationalsozialismus, die 
sich auf dem flachen Lande breit zu machen begannen und neben 
der Polizei die einzigen Deutschen waren, die mit der Bevòlke- 
rung hatten engere Tuchfiihlung bekommen kònnen, glaubten 
»regieren« zu kònnen, wie es ihnen beliebte. Nur zu leicht 
verwechselten sie ihre begrenzten Verwaltungsaufgaben mit der 
Rolle feudaler Kolonialherren und dies noch in einer vòllig 
miBverstandenen Art, ohne jede Linie und ohne jeden Stil. Sie 
sahen ihre Aufgabe darin, das Land auszuniitzen und die Ar- 

beitskraft des Volkes dafùr in Anspruch zu nehmen. 

Bald waren die gutwilligen Ukrainer infolge zahlreicher 
Ubergriffe und Fehler der deutschen Verwaltung im riickwarti- 
gen Fleeresgebiet zu Gegnern der Deutschen geworden. Nicht 
etwa zu Gegnern der Truppe! Denn diese hatte wahrend des 

Stellungskrieges in der Ukraine zu der Bevòlkerung stets ein 
gutes Verhaltnis gehabt. 

Es konnte deshalb nicht ausbleiben, daB sie damals - we- 
nigstens geriichtweise - von den Zustanden in ihrem Riicken 
erfuhr und sich daruber empòrte. Gerade die niederlandischen 
und norwegischen Freiwilligen der Division »Wiking« sahen 
darin ihre Sorgen bestatigt, die ihnen die deutsche Besatzungs- 
politik in ihrer Ffeimat bereitete, und die durch Briefe und Kla- 


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gen ihrer Verwandten und Freunde stàndig genàhrt wurden. 
Die Empòrang wuchs, als sie erkannten, daf.ì Fehlgriffe in der 
Behandlung der Zivilbevòlkerang nicht etwa der Unzulànglich- 
keit òrtlicher Verwaltungsorgane zuzuschreiben, sondern ein Sy- 
stem am Werke war, das in der Uberheblichkeit der fiihrenden 
Stellen gegeniiber dem Besiegten begriindet lag. 

Diese Vermutung fanden sie in einer Broschiire bestàtigt, 
die den Titel »Der Untermensch« trug und im Jahre 1942 von 
den Fleimatideologen Flimmlers herausgegeben worden war. In 
ihr wurde der slawische Mensch als minderwertig bezeichnet und 
als ein heimtiickischer Charakter dargcstcllt 1 "". Wenn damit die 
harte deutsche Besatzungspolitik im Osten gegeniiber der Truppe 
begriindet und diese gegen die Bevòlkerang beeinfluBt werden 
sollte, so wurde damit das Gegenteil erreicht. Denn diese hatte 
inzwischen die zahlreichen guten Eigenschaften der Ukrainer 
kennen gelernt und damit das Gegenteil erlebt. Unwille, Ab- 
lehnung und sogar Hohngelàchter iiber solche Machwerke wa- 
ren die Folge. Warnend hatte deshalb der Divisionskomman- 
deur seine Stimme erhoben und Himmler mitteilen lassen, daf.ì 
solche iible Hetzschriften nur das Vertrauen der Truppe erschiit- 
tern miifiten 101 . 

Schon friiher hatte der Verfasser Himmler nachdriicklich auf 
die Gefahren einer falschen Besatzungspolitik und die grofie 
Chance einer grofiziigigen Verstàndigungsbereitschaft mit dem 
Ukrainischen Volk hingewiesen, als er im Friihjahr 1942 Gele- 
genheit hatte, ihn an der Front zu sprechen. 

Man sollte doch aus der Geschichte lernen, erklàrte er da- 
mals, dafi sich daraus eine echte Freundschaft entwickeln kònne, 

100 Siehe Jiirgen Thorwald »Wen sie verderben wollen« Seite 350. Es ist 
aber ein Irrtum, dafi die Ansichten der Waffen-SS sich hierin gewandelt 
hàtten. Es war nicht die reale Wirklichkeit der Front, die eine Ànderung her- 
beigefuhrt hàtte, sondem die gmndsàtzliche Einstellung der Waffen-SS die 
immer vorhanden und die gleiche gewesen und geblieben war, s. Teil IV, 
Dokumentation, Abschnitt D. 

101 s. Jiirgen Thorwald »Wen sie verderben wollen« S. 351. 


wie gerade das finnische Beispiel - in der Division »Wiking« 
dienten damals gerade einige finnische Kontingente - zeige. 
Deutschlands im Jahre 1915 den Finnen geleistete Hilfe bei der 
Aufstellung des Jàgerbataillons 27 habe den Deutschen die 
Freundschaft des ganzen finnischen Volkes eingetragen. 

Dann hatte er auf die heramstehenden, jungen Ukrainer 
gewiesen und ausgerafen: »Daraus kònnen viele Divisionen ent- 
stehen, wenn man ihrem Volke die Eigenstaatlichkeit gibt. Sie 
werden uns helfen, unsere diinnen Fronten zu verstàrken und 
zuverlàssige Bundesgenossen sein. Denn an unserer Seite vertei- 
digen sie ja ihre eigene Heimat.« Unwirsch antwortete Himm- 
ler: »Vergessen Sie es nicht, dafi diese >lieben< Ukrainer 1918 
den Feldmarschall von Eichhorn ermordet haben. «Der Einwand, 
dafi das doch nur das Ergebnis einer ebenso falschen deutschen 
Politik gewesen sei, wurde mit Schweigen iibergangen. 

Mit welchen Schwierigkeiten auch die wenigen Mànner der 
Waffen-SS zu kàmpfen hatten, die mit den vorbereitenden Ar- 
beiten zur Aufstellung von Freiwilligen-Verbànden beauftragt 
worden waren, zeigt ein Gespràch, das einer von ihnen, Dr. 
Arlt, mit einem ukrainischen Patrioten, dem ehemaligen Gene- 
ral Shandrack, gefiihrt hat, als er ihn fìir die Idee einer freiwil- 
ligen Trappe gewinnen wollte. 

»Im Jahre 1941 habe ich fìir meine Heimat viele Hoff- 
nungen gehabt und bei Ihrer >Abwehr< auch Hilfe gefunden«, 
meinte Shandrak, »aber als ich mich Ihrer Heeresgrappe Siid 
als ukrainischer Berater zur Verfiigung gestellt hatte und mit 
ihr vormarschiert war, hat niemand meinen Rat in Ansprach 
genommen. 

Ich weifi ganz genau, was lhr wollt. Ihr braucht Lands- 
knechte und wollt die neue Division als >galizische< bezeichnen. 
Sie soll von deutschen Offizieren gefiihit werden und einem 
deutschen General unterstehen. Aber kein Ukrainer soll Einflufi 
darauf haben, wofiir und wo sie eingesetzt werden soll.« 

»In allen diesen Dingen haben wir stàndig gegen Himmler 
ankàmpfen miissen« antwortete Arlt, »und haben immer nur 


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Stiick um Stiick Raum gewinnen kònnen. Wenn wir »ukrai- 
nisch« gemeint haben, muBten wir »galizisch« sagen, um nicht 
von vornherein abgewiesen zu werden. Helfen Sie mir, die 
Chance zu nutzen.« 

Aus der ukrainischen Division ist schlieBlich doch noch eine 
brave Trnppe geworden. Aber sie blieb auch die einzige, weil es 
zu spat war. Doch der Weg dahin war miihevoll genug und hatte 
iiber zahlreiche Hintertreppen gefiihrt 102 . 

Àhnlich erging es den Aufstellungen von nationalen Divisio- 
nen der baltischen Vòlker. Sie waren das Ergebnis der drangen- 
den Not, nicht etwa der politischen Einsicht. 

* 

In ihrer Endform von 38 Divisionen und in ihrer Mischung 
von deutschen Kernverbanden, supranationalen Divisionen, 
Tmppenteilen mit vorwiegend Volksdeutschem Charakter und 
Einheiten anderer Nationalitaten ist die Waffen-SS also das 
Ergebnis einer miihsamen Arbeit von zahlreichen, politisch und 
geistig konstmktiv denkenden Kòpfen einer jiingeren Generation 

Es ist ein geschichtlicher Irrtum anzunehmen, daB sie jemals, 
in dieser Form geplant gewesen sei oder gar das Werk einzelner, 
fiihrender Mànner des damaligen Staates war. Oftmals ist sie 
vielmehr gegen deren Uberzeugung so geworden, wie sie schlieB- 
lich gewesen ist. 

Es hat dazu vieler Auseinandersetzungen mit solchen 
Mànnern wie Himmler bedurft, um diese von der Richtigkeit 
des Gedankens zu iiberzeugen, man miisse auch den Vòlkern des 
Ostens die Mòglichkeit geben, an deutscher Seite gegen den ge- 
meinsamen Feind zu kàmpfen. Es gelang auch nur, als die Not 
dazu zwang. Eine grundlegende Àndemng der politischen An- 
sichten iiber die Behandlung der besiegten Vòlker war aber 
nicht zu erreichen, so oft dies auch von Seiten mancher Kom- 
mandeure der Waffen SS versucht worden ist. 

102 s. Jiirgen Thoiwald »Wen sie verderben wollen« S. 341/42. 


Auch der Fernstehende wird erkennen, wie schwer der Weg 
gewesen ist, den die Waffen-SS damals hat gehen miissen. Und 
dennoch hat sich trotz dieser Schwierigkeiten, trotz aller Ver- 
schiedenheiten geistiger und nationaler Art und trotz der Her- 
kunft ihrer Soldaten aus den verschiedensten Landstrichen und 
Vòlkern Europas in ihr ein einheitliches Soldatentum gebildet, 
weil es aus gleichartigen, bodenstàndigen Elementen bestand, die 
ihrer Heimat und ihiem eigenen Volk zwar zutiefst verbunden 
waren und blieben, in dieser Tmppe aber ihre militàrische Hei- 
mat gefunden hatten. Das gemeinsame Schicksal im und nach 
dem Kriege hat sie damals - und auch heute noch - mitein- 
ander verbunden. 

ln diesem Teil der deutschen Streitkràfte waren die jungen 
Panzerverbànde der Waffen-SS ein Phànomen besonderer Art. 
Noch in dem fortgeschrittenen Stadium des Kriegcs, in dem sie 
ihre Feuertaufe erhielten, taten sie sich durch einen besonderen, 
kàmpferischen Elan hervor 103 . Bei der 9., 10 und 12. SS-Pan- 

108 s. »Hitlers Lagebesprechungen« S. 334 Anmerkung. 
Der Verfasser der »Lagebesprechungen« muB dort zugeben, daB Himmlers 
giinstiges Urteil auch von anderer »vomrteilsloser Seite« bestàtigt worden 
sei, fugt aber sofort die einschrankende Bemerkung hinzu, daB eine solche 
Haltung bei so ausgesuchten, jungen Leuten nicht verwunderlich sei. 
Auch er macht sich hier eine Ansicht zu eigen, die einmal im Jahre 1935 
von der damaligen Heeresleitung als Argument gegen die VT benutzt 
wurde, durch die Kriegsereignisse aber schlagend widerlegt ist, wenn er 
schreibt: 

»Die Kehrseite eines solchen Verfalrrens, eine Elite bei wenigen bevorzugten 
Divisionen zusammenzufassen, sei Raubbau an jungen Wehrpflichtigen ge- 
wesen, die in Massen fielen, wàhrend sie sonst — àlter geworden — einen 
hervorragenden Nachwuchs fur die Offz. und Uffz. des ganzen Heeres abge- 
geben hàtten«. 

Dcr Kommentator ubersieht ganz und gar, daB solche Eliten in den Massen- 
heeren unterzugehen pflegen, wie schon die vielen Kriegsfreiwilligen im 
Massenheer des 1. Weltkrieges und hat nicht verstanden, daB erst im 2. 
Weltkriege die Eliten die Front wesentlich gestutzt haben und dafur un- 
entbehrlich waren. 


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zerdivision betrug das Durchschnittsalter ihrer Soldaten ein- 
schlieBlich aller ihrer Offiziere 18 1/2 Jahre. In ihrer jugend- 
lichen Begeistemng glaubten diese Jiinglinge dazu bemfen zu 
sein, ihr Land vor der feindlichen Invasion mit ihren Leibern 
schiitzen zu miissen. Darin ahnelten sie in mancher Beziehung 
jener akademischen Jugend, Studenten und Schùlem, die im na- 
tionalen Uberschwang 1914 freiwillig zu den Fahnen gestròmt 
waren und ihr Blut auf den Schlachtfeldern Frankreichs vergos- 
sen hatten. 

Doch diese Jungen kamen nicht mehr aus jenen biirgerlichen 
Schichten, die es in der Wilhelminischen Zeit gewòhnt waren, 
das alte Deutschland-Lied bei jeder passenden und unpassenden 
Gelegenheit - und sei es auch am Biertisch - aus voller Brust 
zu singen und auch zum weihevollen Bekenntnis ihres natio- 
nalen Idealismus gemacht hatten, als sie es in ihrer Todes- 
not bei Langemarck dem Feinde entgegenschrien. In ihrer Mehr- 
zahl kamen diese Jungen aus den Reihen der qualifizierten Ar- 
beiterschaft, die bereits als Knaben an der Werkbank gestanden 
und an den Wochenenden ihren jugendlichen Kòrper im sport- 
lichen Wettkampf gestahlt hatten. Ihnen schien jene Geisteswelt 
des biirgerlichen Nationalismus langst versunken. Doch in der 
Uberzeugung, der Zukunft ihres Volkes dienen zu miissen, han- 
delten sie ahnlich wie jene. 

In ihren kampferischen Leistungen standen diese jungen Sol- 
daten den alten, routinierten Troupiers der Waffen-SS in nichts 
nach. »Die 12. SS Panzer Division« so berichtet der Englander 
Chester Wilmot 104 , »die den Abschnitt Caen verteidigte, kampf- 
te mit einer Zahigkeit und einem Ingrimm, wie sie wahrend 
des ganzen Feldzuges nicht wieder angetroffen wurde.« 

Und es ehrt den Feind, wenn der kanadische Major Guy- 
Simons urteilt: »Die einzigen, die in diesem Kriege wirklich 
Auszeichnungen verdienen, sind diese Burschen von der SS. Je- 
der Einzelne von ihnen miiBte mit dem Viktoria-Kreuz ausge- 
zeichnet werden. Dagegen sind wir die reinsten Amateure.« 

104 Siehe Chester Wilmot »Kampfmn Europa« Seite 359. 


Noch unmittelbar vor der Ardennenoffensive im Dezem- 
ber 1944 war der Geist dieser jungen Soldaten trotz aller schwe- 
ren Verluste, die sie an der Invasionsfront erlitten hatten, un- 
gebrochen. »In einer der wartenden Panzerkolonnen«, so schreibt 
Chester Wilmot, »schrieb ein Untersturmfùhrer (Leutnant) der 
12. SS-Panzer-Division die Gedanken, die ihn bewegten, an 
seine Schwester nieder: Ich schreibe in einer folgenschweren Stun- 
de vor dem Angriff, voller Aufregung und Erwartung, was der 
nàchste Tag wohl bringen wird. 

Manche glauben an das Leben. Aber Leben ist nicht alles. 
Es geniigt zu wissen, daB wir angreifen und den Feind aus 
unserer Heimat herauswerfen werden. Das ist eine heilige Auf- 
gabe. Uber mir ist das ungeheure Getòse der V 1 und der Artil- 
lerie, die Stimme des Krieges. 

Auf die Riickseite des verschlossenen Umschlages hatte er 
noch geschrieben >Ruth - Ruth! Wir marschieren wieder!< ehe 
ihn die tòdliche Kugel traf. In einer solchen Stimmung patrio- 
tischer Begeistemng griffen die Deutschen, Waffen-SS und 
Wehrmacht, den nichtsahnenden Gegner an, als die Morgen- 
dàmmemng den Himmel fahl iiberzog 105 .« 

7. Kapitel 

Die letzte Runde 

Das Jahr 1944 brachte eine Krise nach der andern. Fiir die 
Waffen-SS war es ein Jahr unablàssiger Kàmpfe und stàndiger 
Organisationsaufgaben. Damit war sie so in Anspmch genom- 
men, daB sie gar keine Zeit dazu hatte, sich mit den Zustànden 
in der Heimat zu beschàftigen. In den kargen Zeiten der Ruhe 
waren Offiziere und Soldaten mit der Wiederherstellung der 
Kampffàhigkeit, dem Heranschaffen von fehlenden Waffen 
und Geràten und der Nachausbildung etwa eingetroffenen Er- 

105 Siehe Chester Wilmot »Kampf um Europa« S. 623. 


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satzes voll ausgelastet. Der Krieg beanspmchte die Fronttmppe 
so total, daf.ì sie nicht einmal mehr dazu Zeit hatte, sich ihren 
persònlichen Belangen zu widmen oder sich mit Dingen zu be- 
fassen, die ausserhalb ihres Aufgabenbereiches lagen. Nur Er- 
eignisse von so einschneidender Bedeutung, wie die Vorgange 
des 20. Jtili 1944, vermochten sie noch aus ihrer einseitigen Welt 
des unmittelbaren Kriegsgeschehens herauszureifien. Diese aber 
trafen sie allerdings wie ein Keulenschlag. 

Die Vorgange, die zum 20. Juli 1944 geflihrt hatten, waren 
der Fronttruppe - also auch der Masse der Waffen-SS - im 
grofien und ganzen unbekannt gewesen, da die Frondeure von 
Einsichten und Erkenntnissen ausgingen, wie man sie nur in der 
hòchsten Zentrale des Staates und der Kriegfuhrung gewinnen 
konnte. Nur von dort war ein Uberblick iiber die Herrschafts- 
methoden des Regimes und die zahlreichen Fehler und Will- 
kiirakte mòglich gewesen. Die Manner, die dort tatig waren, 
iibersahen die Folgen einer zunehmenden, selbstmòrderischen 
Politik und Kriegsfiihmng fiir das ganze Volk in ganz ande- 
rem Mafie als es der Front mòglich war, die immer nur die 
Augen nach vorne gerichtet hatte und daran denken mufite, 
wie sie den nachsten Kampftag iiberstehen wiirde. 

Infolge ihrer langen, zeitlichen und weiten raumlichen Tren- 
nung von der Heimat konnte sich die Tmppe von den Auswir- 
kungen des Bombenterrors auf das deutsche Land und die Stim- 
mung der Bevòlkemng keine klare Vorstellung machen. Sie 
wufite auch nichts davon, wie sich inzwischen das Regiemngs- 
system verscharft hatte und ein Zwangssystem geworden war, 
das schwer auf der Heimat lastete. 

In der eisenhaltigen Luft der Front wufite jeder, dafi sich 
diese nur mehr halten konnte, wenn alles fest zusammen- 
stand. Vom Herbst 1943 ab drohte sie stàndig zu zerreifien. So 
war es an allen Fronten und wenige Monate spàter auch an der 
Invasionsfront im Westen. Inzwischen hatte es sich auch in der 
Waffen-SS hemmgesprochen, dafi sich in der Etappe und den dort 
regierenden Verwaltungs- und Parteidienststellen ein Wohlleben 


breit gemacht hatte, das im krassen Widerspmch zu den Ent- 
behmngen stand, die dem Frontsoldaten làngst zur Gewohnheit 
geworden waren. Geriichte von gròfieren und kleineren Kor- 
ruptionsfàllen machten die Runde und flihrten zu leidenschaft- 
lichen Diskussionen in Stàben und Tmppen. Sie gipfelten deut- 
lich in der unverhiillten Fordemng, nach dem Kriege miisse der 
Frontsoldat den Augiasstall zu Hause ausràumen und die vielen 
Driickeberger und Parasiten in Heimat und Etappe zur Rechen- 
schaft ziehen. Aber erst der 20. Juli zeigte den Soldaten der 
Waffen-SS den tragischen Rifi, der durch das Volk ging und 
nahm selbst Optimisten die Hoffnung, das drohende Schicksal 
der totalen Niederlage durch eine einheitliche Front aller Deut- 
schen noch abwenden zu kònnen. 

Einzelnen hòheren Befehlshabern der Waffen-SS waren die 
starken Spannungen in der Heimat allerdings nicht verboren ge- 
blieben. So hatte einer der spàteren Hauptbeteiligten des 20. 
Juli, der Regiemngspràsident Fritz Graf v. d. Schulenburg dem 
Verfasser schon im Mai 1943 seine Beobachtungen iiber den Zer- 
fall der Moral an manchen leitenden Stellen in bitteren Worten 
geschildert. An konkreten Beispielen bewies er in dieser Unter- 
redung, wie weit bei einzelnen Ministerien die Laxheit in finan- 
ziellen Dingen gediehen sei und fiihrte als Beweis einige unge- 
heure Kormptionsfàlle an, die zum Himmel stanken. Die Ant- 
wort des Verfassers, dafi dies schon im ersten Weltkriege so ge- 
wesen sei und sich wohl kaum vermeiden liefie, wenn der Krieg 
erst die òffentliche Moral zu zersetzen beginne und die Gewinn- 
sucht ins Unermefiliche steigere, liefi Schulenberg nicht gelten 
und sprach von seinen hoffnungslosen Bemiihungen, in seinem 
eigenen Arbeitsbereich - er gehòrte damals dem Reichsernàh- 
rungsministerium an - Ordnung zu schaffen. 

»Wir verlieren den Krieg, weil wir im Sumpf ersticken«, war 
seine niichterne Antwort, »und wir machen uns mitschuldig, 
wenn wir nichts dagegen tun. Hitler ist der Hauptschuldige. Er 
làfit die Dinge treiben, obwohl er dariiber Bescheid weifi. Des- 
halb mufi er weg!« 


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Auf die Frage »Wie?«, antwortete er leidenschaftlich: 
»Wenn nicht anders, dann mit Gewalt l06 .« 

In diesem Stadium der Unterhaltung wies der Verfasser auf 
die ernste Lage an der Front hin und meinte, dafi diese heute 
schon in allen Fugen krache und im Westen die Invasion jeder- 
zeit beginnen kònne. Ein Systemwechsel wàre nur dann mòg- 
lich, wenn die bewaffnete Macht geschlossen hinter einer solchen 
Aktion stànde. Bei der derzeitigen personellen Situation wàre 
das aber kaum anzunehmen. 

Bei diesen Argumenten wurde Schulenberg nachdenklich 
und versprach schliefilich, dafi er an die Front gehen werde, weil 
er die Dinge in der Heimat nicht mehr mit ansehen kònne. 

In der dràngenden Hast der kriegerischen Ereignisse wurde 
das Gespràch bald vergessen. Als der Verfasser an der Front 
Schulenburgs Namen am 20. Juli im Rundfunk vernahm, ver- 
suchte er in einem persònlichen Bittgang zu Himmler, Schulen- 
burg vor dem sicheren Tode zu retten. Er war erfolglos. Himm- 
ler lehnte mit der Begmndung ab, dafi diese Angelegenheit 
làngst in die Zustàndigkeit des Volksgerichtshofes iibergegangen 
und er folglich machtlos sei. 

Je mehr sich die Kriegslage im Jahre 1944, insbesondere an 
der Invasionsfront verschàrfte, und es sich nicht mehr verheimli- 
chen liefi, dafi eklatante Fuhmngsfehler die Schuld daran tru- 
gen, umsomehr wuchs auch die Mifistimmung unter den Befehls- 
habern, einschliefilich denen der Waffen-SS. »Selbstverstàndlich 
wurde darùber nicht allgemein gesprochen. Aber von Mann zu 
Mann war die Kritik am Obersten Befehlshaber dafiir umso 
schàrfer. Vor allem Sepp Dietrich machte aus seinem Herzen 
keine Mòrdergmbe und schimpfte gewaltig iiber die da hinten: 

»Wenn man jetzt nicht aufs Ganze ginge, miisse die Front 
bald wie ein verschlissenes Hemd zerreifien und dafi eine solche 
Fùhrung Wahnsinn sei, konnte man jederzeit von Sepp Dietrich 

106 Zeugen dieses Gespraches sind vorhanden. 


erfahren«, so berichtet Ritter v. Schramm iiber die Stimmung 
in den hòheren Fiihmngskreisen von Heer und Waffen-SS vor 
dem 20. Juli 107 . 

Noch eindeutiger àufiert sich dariiber der damalige General- 
stabschef der Heeresgmppe B, Generalleutnant Dr. Speidel. 
Mehrfach habe Generaloberst der Waffen-SS Dietrich dem Feld- 
marschall Rommel gegeniiber seinem Unwillen iiber die hòchste 
Fiihrung Ausdrack gegeben und von ihm im Falle des Zerrei- 
fiens der Front selbstàndige Mafinahmen gefordert 108 . Diet- 
rich habe sich auch zum Sprecher der Generale gegen Ley ge- 
macht, als dieser eine schamlose Schmàhrede gegen den Adel und 
das Offizierskorps gehalten habe und mit aller Schàrfe dagegen 
protestiert . 

Feldmarschall Rommel habe deshalb im Falle selbstàndiger 
Entschliisse seitens der Waffen-SS keine Schwierigkeiten erwar- 
tet, zumal auch der Oberbefehlshaber der 7. Armee, General- 
oberst der Waffen-SS Hausser, gegeniiber der Heeresgmppe von 
derselben mckhaltlosen Offenheit gewesen sei, wie Dietrich. 

Aus Speidels Tatsachenbericht erkennt man also die vòllige 
Loyalitàt der Fiihrer der Waffen-SS gegeniiber dem Heer. Noch 
klarer tritt sie bei einer Begegnung des Feldmarschalls Rommel 
mit dem Kommandierenden General des II. SS-Panzerkorps, 
General der Waffen-SS Bittrich, hervor: 

Sie erfolgte auf dem Hòhepunkt der Schlacht in der Nor- 
mandie und in einer Lage, die durch den stàndigen Wechsel von 
Angriff und Verteidigung gekennzeichnet war. Der Feind be- 
herrschte den Luftraum souveràn. Er war artilleristisch zehnmal 

107 Siehe Ritter v. Schramm »Der 20. Juli in Paris« Seite 110. 

108 Siehe Hans Speidel: »Invasion 1944« Seite 136. 

109 Siehe Hans Speidel: »Invasion 1944« Seite 142/147. 

Bei einem solchen Urteil tìber die kameradschaftliche Haltung der Waffen- 
SS ist es umso besttìrzender, als Speidel an anderer Stelle seines Buches Gene- 
raloberst Hausser einen politischen Januskopf nennt und diesen, wie auch 
Dietrich als Pràtorianer bezeichnet. Siehe Seite 129. 


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so stark als die Deutschen, deren Verluste nur mit jenen in den 
Materialschlachten des ersten Weltkrieges verglichen werden 
kònnen. In der Nacht vom 15./16. 7. hatte das II. SS-Panzer- 
korps den Einbmch der englischen Gardepanzerdivision bei Ev- 
recy siidwestlich Caen muhsam abgeriegelt und den Gegner im 
sofortigen Gegenstofi mit den letzten Panzerreserven der 9. SS- 
Panzerdivision »Hohenstaufen« in seine Ausgangsstellung zu- 
riickgeworfen. 

Nach durchsorgter Nacht war der Kommandierende Gene- 
ral im Morgengrauen des 16. Juli von vorn zu seinem Gefechts- 
stand zuruckgekehrt. Noch tief erregt von den Eindriicken des 
dramatischen Kampfes wollte er sich gerade in seinen Gefechts- 
wagen begeben, der 3 Kilometer hinter der vorderen Linie stand, 
als ihm Feldmarschall Rommel angekiindigt wurde. Nach kur- 
zem Vortrag iiber die eigene Lage und den gelungenen Nacht- 
angriff des II. SS-Panzerkorps nahm Bittrich das Wort zur 
Gesamtsituation: 

»Ich kenne nicht nur die Lage bei meinem rechten und linken 
Nachbarn in der Normandie, Herr Feldmarschall. Ich weifi 
auch, wie schlecht es an der Ostfront steht, und dafi die Front 
der Heeresgmppe Mitte unter Umstanden zusammengebrochen 
ist, die einer Katastrophe gleich kommen. Von einer zielbewufi- 
ten hòheren Fùhrung kann dort nicht mehr gesprochen werden. 
Was dort geschieht, ist primitivste Flickarbeit. Auch bei uns 
kommen alle Befehle hòherer Kommandostellen immer zu spat. 
Die Lage verandert sich standig. Schon heute zeichnet sich bei 
uns der feindliche Durchbmch auf die Orne ab, wenn wir die 
Lage heute auch gerade noch gemeistert haben. 

Oben kennt man die Gefahr nicht, weil man keinen Einblick 
besitzt und die Lage deshalb auch nicht richtig beurteilen kann. 
Es liegt eine bittere Tragik darin, dafi kein einziger Mann vom 
Fiihrerhauptquartier oder den hiesigen hòheren Kommandostel- 
len sieht, wie wertvolle Menschen geopfert werden, wahrend ich 
selbst tagtaglich sehe, wie die jungen Menschen nutzlos fallen 
mùssen, weil sie von oben schlecht geflihrt werden. Deshalb wer- 


de ich zukiinftig widersinnige Befehle nicht mehr ausfuhren und 
so handeln, wie es der Lage entspricht. Ich sehe schon, dafi sich 
hier im Westen ein neues Stalingrad anbahnt, wenn nicht bald 
eine andere und grofiziigigere Fiihmng einsetzt und das Schlimm- 
ste verhiitet.« 

Feldmarschall Rommel: »Nachdem Sie so offen, ìiickhaltlos 
und auch gefàhrlich zu mir gesprochen haben, will ich Ihnen 
ebenso freimiitig antworten. Ich stimme Ihren Ansichten voll zu. 
Auch ich weifi, dafi es so nicht mehr weitergehen kann. Aber es 
sind Verbindungen mit dem Gegner geschaffen, die mich hoffen 
lassen, dafi eine Ràumung des besetzten Frankreichs bis zum 
Westwall planmàfiig durchgeflihrt werden kann und wir dann 
Kràfte ftir den Osten frei bekommen werden. Es ist uns durch 
beiderseitiges Entgegenkommen vor einiger Zeit im Raume 
westlich Bayeux gelungen, eine mehrstiindige Waffenmhe zu ver- 
einbaren und beiderseitig die Toten und Verwundeten zu ber- 
gen. Man kann also auf weiteres Entgegenkommen hoffen. 
Meine Beurteilung der Gesamtlage deckt sich mit der Ihrigen. 
Dieser Auffassung werden meine Fiihrung und meine Befehle 
Rechnung tragen.« 

General Bittrich: »Westlich Caen haben wir auf Hòhe 112 
mit den Englàndern gleiche Vereinbamngen getroffen. Die Eng- 
lànder hatten das II. SS-Panzerkorps auch dort um eine drei- 
stiindige Kampfpause gebeten. Ich bin darauf eingegangen. 

Nun aber, Herr Feldmarschall, zu Ihrer Mitteilung: Wenn 
dieses Wort gilt, dann stehe ich mit dem II. SS-Panzerkorps hin- 
ter Ihnen und Ihrer Fùhrung. Meine Kommandeure denken ge- 
nau so wie ich.« 

Die Unterredung zwischen dem Feldmarschall und General 
Bittrich hatte damals unter vier Augen stattgeflmden. Nach 
dem Kriege hat aber Rommels Begleitoffizier, der damalige Ober- 
leutnant Aldinger dem General Bittrich im Gefàngnis in Reut- 
lingen mitgeteilt, dafi Feldmarschall Rommel von der damaligen 
Unterredung stark beeindmckt gewesen sei. 

Bei der Riickfahrt vom II. SS-Panzerkorps wurde Rommel 


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in der Gegend von Vimoutiers von feindlichen Fliegern beschos- 
sen und dabei schwer verwundet. Wenige Tage spater erfolgte 
am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler. Der ProzeB vor dem 
Volksgerichtshof hat auch in der Waffen-SS starke Erregung 
verursacht. Als es spàter bekannt geworden ist, daf.ì das Urteil 
an dem Generaloberst Hòppner, dem ehemaligen Oberbefehls- 
haber Bittrichs in RuBland, durch Hàngen vollstreckt worden 
sei, versammelte Bittrich die Offiziere seines Korpsstabes, um 
zu ihnen zu sprechen. Dabei fielen folgende Worte: »Aus der 
Geschichte der Deutschen Armee kenne ich keinen Fall, in dem 
ein General gehàngt worden ist. Wer todeswiirdig befunden war, 
erhielt die Kugel. Entehrende MaBnahmen wie diese bedeuten 
das Ende der deutschen Armee!« 

Bittrichs ÀuBerung ist auf unbekanntem Wege zur Kennt- 
nis Himmlers gekommen, vielleicht auch des Fiihrerhauptquar- 
tiers. Jedenfalls wurde er daraufhin seiner Dienststellung als 
Kommandierender General des II. SS-Panzerkorps enthoben. 
Der Oberbefehlshaber der 5. Panzer-Armee, General Eberbach, 
hat die Enthebung jedoch nicht vollzogen, da sie wegen der kri- 
senhaften Lage bei Falaise gar nicht in Betracht gezogen werden 
konnte. 

Wàhrend der krisenhaften Wochen des Riickzuges geriet der 
Befehl in Vergessenheit. Doch bei Arnheim erschien ein Sonder- 
bcauttragter Himmlers, der Professor Dr. Gebhardt, im dama- 
ligen Hauptquartier Bittrichs, um ihn zu Himmlers Standort zu 
bringen. Dem Eingreifen des Feldmarschalls Model, der mit Bitt- 
rich aus dem Ostfeldzuge eng verbunden war, ist es zu danken, 
daB Gebhardts Mission ergebnislos verlief. Infolge der auftre- 
tenden Krise bei Arnheim und der erfolgreichen Kampffuhrung 
Bittrichs ist der Befehl schlieBlich unter den Tisch gefallen. 

Die Fairness und der Freimut, mit dem die hohen Befehls- 
haber der Waffen-SS den Kameraden des Heeres gegeniibertra- 
ten, ist nicht auf Worte beschrànkt geblieben. Sie àuBerten sich 
auch in Taten fur diejenigen, die in den 20. Juli veiwickelt wa- 
ren. So hat der Generalmajor der Waffen-SS Lombard alle He- 


bel in Bewegung gesetzt, um den ihm bekannten damaligen 
Oberst im Generalstabe Graf Kielmannsegg 110 aus den Hànden 
der Geheimen Staatspolizei zu befreien. 

Nach einer persònlichen Intervention bei Himmler begab 
sich Lombard zu dem Chef der Geheimen Staatspolizei, Miiller, 
um auf ihn unmittelbar einzuwirken. Nach langem Zureden lieB 
sich Miiller schlieBlich herbei, Lombards Bitten zu entsprechen 
und Kieimannsegg freizulassen. »Da sind noch flinf andere Of- 
fiziere in Haft, die sich verdàchtig gemacht haben«, sagte Miil- 
ler damals zu Lombard. »Die kònnen Sie gleich mitnehmen.« 
Im Zuge dieser Entlassungen wurde auch der unter diesen be- 
fmdliche Generalmajor Heusinger frei' 11 . 

Der kameradschaftlichen Intervention eines hohen Befehls- 
habers der Waffen-SS hat es auch der damalige Generalleutnant 
Dr. Speidel zuzuschreiben, daB er letztlich vor der Verfolgung 
durch den Volksgerichtshof verschont geblieben ist. Bei dem 
Staatsakt fìir den toten Feldmarschall Rommel erfuhr General- 
oberst Dietrich von Angehòrigen Speidels, daB dieser spurlos 
verschwunden und vermutlich verhaftet sei. Ohne zu zògern 
setzte sich Dietrich sofort mit dem Reichssicherheits-Hauptamt 
in Verbindung und erreichte die Freilassung des im Festungs- 
gefàngnis in Berlin-Spandau inhaftierten Dr. Speidel aus den 
Hànden der Geheimen Staatspolizei. - 

Bei den Vorgàngen des 20. Juli ist kein einziger Mann der 
Waffen-SS gegen die aufstàndischen Offiziere eingesetzt wor- 
den. Die GegenmaBnahmen erfolgten ausschlieBlich durch Offi- 
ziere aus dem Stabe des Befehlshabers des Ersatzheeres selbst. 

Auch in der Waffen-SS war die Zahl der Patrioten, die sich 
iiber die Entwicklung, die der Krieg genommen hatte, ernste 
Sorgen gemacht haben, nicht gering. Sie teilten weder die illusio- 

110 Eigene Aussage des Generalmajors Gustav Lombard, Munchen. 

Graf Kieimannsegg ist heute General in der Bundeswehr und Oberbefehls- 
haber der Landstreitkràfte der NATO »Europa Mitte«. 

111 Heusinger ist heute Vorsitzender des strategischen Planungsstabes der 
NATO. 


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nistischen Vorstellungen, die in der Obersten Fiihrung iiber die 
Mògliclikeiten seiner Fortsetzung bestanden, noch waren sie blind 
gegeniiber den Fiihrungsfehlern, die allenthalben vorkamen und 
sich standig wiederholten. Auch sie suchten nach einem verniinf- 
tigen Auswege aus einer fast aussichtslosen Lage. Es gab man- 
che, die ihre Stimme warnend erhoben hatten und sich nie ge- 
scheut haben, ihre Meinung offen auszusprechen. Auch bei ilinen 
hatte die Partei langst abgewirtschaftet' l_ . Es mag wohl zu- 
treffen, was ein nachdenklicher und verantwortungsbewuBter 
Offizier aus dem ehemaligen Fiihrungshauptamt der Waffen-SS 
riickschauend und mit Zustimmung eines grol.ien Kameraden- 
kreises erklarte: 

»In meiner zentralen Dienststelle haben mich zahlreiche, 
wenn nicht gar die Mehrzahl der Frontkommandeure der Waf- 
fen-SS bei ihrer gelegentlichen Anwesenheit in der Hcimat auf- 
gesucht und mir ihr Flerz ausgeschiittet. Seit 1943 bildeten die 
herrschenden Zustande das standige Flauptgespràchsthema. Da- 
nach waren wir in der grundsàtzlichen Beurteilung der Verhàlt- 
nisse von den Mànnern des 20. Juli und ihrer geistigen Einstel- 
lung nicht einmal so weit entfernt. Wir unterscheiden uns 
von ihnen allerdings darin, daB wir ein gewaltsames Eingreifen 
mitten im Existenzkampfe unseres Volkes fùr falsch hielten und 
die Tòtung Verantwortlicher ohne rechtliches Urteil nicht billi- 
gen konnten.« 

Da die Abmachungen der Alliierten von Casablanca kein 
Geheimnis und die Forderung nach der bedingungslosen Kapi- 
tulation Deutschlands eine beschlossene Sache waren, schien selbst 
ein erfolgreiches, gewaltsames Eingreifen keine Lòsung mehr zu 
sein. 

Gewifi soll nicht bestritten werden, dafi auch in der Waffen- 
SS hàufig dariiber diskutiert worden ist, wie man die Verhàlt- 

112 Hierunter ist nicht etwa die Masse der Parteimitglieder gemeint. 
Kollektivurteile will und wird sich der Verfasser nicht anmafien. 

Die Partei wurde vielmehr durch die Parteispitzen repràsentiert. Mànner 
wie Bormann und Ley hatten jedes Ansehen eingebufit. 


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Feldmarschall Model, erlolgreicher Gegenspieler der Englànder bei Arnheim 



Feldmarschall Monlgomery, 
der Inllialor der miBglucklen 
Lull-Landung bei Arnheim. 




Ein s WeJie brilischer Fallschirm/àger landel in Arnheim 


nisse einmal àndern kònne. Aber schliefilich hat man doch àhn- 
lich gehandelt, wie es eimnal ein grofier, preufiischer Patriot tat, 
den im Jahre 1812 das Versagen seiner Regierung und des preu- 
Bischen Kònigs mit tiefer Sorge erflilll hat. Damals war der Ge- 
neral v. Gneisenau unter den besorgten preufiischen Generalen 
der Unmutigsten einer. Was sie alle stàndig bewegte, sprach er 
freimiitig aus: »Zu einer Revolution wiirde ein Volkskrieg fùh- 
ren? Ja, wenn die Vòlker von ihren Regierungen verraten und 
verlassen, zur Selbsthilfe greifen wiirden, dann kònnten die Re- 
genten leicht iiber glùcklichen Anfùhrern vergessen werden.« Er 
wufite also, dafi die Ubereinstimmung zwischen Volk und Ar- 
mee die Voraussetzung fùr eine gewaltsame Lòsung sein wiirde. 
Da die Mòglichkeit daflir nicht vorhanden war, bifi er die 
Zàhne zusammen und verharrte in seiner militàrischen Pflicht. 
Sie schien ihm ier einzige Ausweg aus seiner Gewissensnot zu 
sein. 


Im Jahre 1944 war der Krieg in die letzte Runde gegangen. 
Unter dem Ansturm der sowjetischen Massen àchzte die deut- 
sche Ostfront in allen Fugen. Im Siiden rang die Heeresgruppe 
Siid unter Aufbietung aller Kràfte um die Dnjepr-Linie und 
ging ihrer verlustig. Nur mit Mùhe gelang es hier, den Zusam- 
menhang in ihrer Verteidigungsfront zu wahren. Am 20. Ja- 
nuar waren die deutschen Truppen im Abschnitt Tscherkassy- 
Korsun eingeschlossen worden. Unter ihnen befand sich die 
5. SS-Panzergrenadierdivision »Wiking«. Am 16. Februar 
sprengten sie den Kessel. 

Von der Division »Wiking«, die sich bei der Spitze eines 
Durchbruchkeiles befand, gewannen nur noch Reste unter Fiih- 
rung ihres Divisionskommandeurs die Freiheit. Triumphierend 
berichtete der Sender Moskau am 20. Februar 1944, dafi »der 
letzte, verzweifelte Ausbruchsversuch aus dem Kessel von 
Tscherkassy am 17. Februar begonnen habe, der von der SS- 


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Division »Wiking«, der motorisierten SS-Brigade »Wallonie« 
und den Resten der 72. und 112. Infanteriedivision unter Fiih- 
rung des SS-Divisionskommandeurs Gille unternommen worden 
sei. Russische Panzer und Kosaken seien in die deutschen Kolon- 
nen eingebrochen, worauf ein Schlachten begonnen habe, das 
noch niemals und nirgends in diesem Kriege bisher wahrgenom- 
men worden sei.« 

Wenn diese Meldung auch iibertrieben war, so sind dennoch 
Tausende tapferer Soldaten beim Ausbruch umgekommen und 
einem Phantom geopfert worden. Kaum zwei Monate spater 
war die in fliegender Hast zur Panzerdivision umgegliederte 
Division »Wiking« wieder im Angriff auf das eingeschlossene 
Kowel, um diesen Kessel von aufien zu òffnen. Neue Kampfe 
schlossen sich an. 

Auch die 2. SS-Panzerdivision »Das Reich«, die 3. und 
schliefilich noch die 1. SS-Panzerdivision »Leibstandarte« kampf- 
ten ganz oder mit Resten zwischen Dnjepr und Bug einen ver- 
zweifelten Kampf im Rahmen der 4. und 1. Panzerarmee. Au- 
fier der 3. SS-Panzerdivision »Totenkopf«, die auch weiterhin 
bei der 4. Panzerarmee verblieb, wurden sie mit den Restver- 
banden der 1. Panzer-Armee im Kessel von Kamenez-Po- 
dolsk eingeschlossen. Das von Frankreich herangeholte neu auf- 
gestellte II. SS-Panzerkorps mit der 9. SS-Panzerdivision »Ho- 
henstaufen« unter Generalleutnant Bittrich und der 10. Divi- 
sion »Fmndsberg« unter dem Generalleutnant v. Treuenfeld 
brachen den Kessel wieder auf, befreiten bei Tarnopol die Reste 
der dortigen Besatzung und reichten sich bei Buczasz mit den 
Kameraden der 1. Panzerarmee des Generalobersten Hube aus 
dem Kessel von Kamenez-Podolsk die Hand. 

Kaum hatten diese Divisionen die Kampfe hinter sich, 
mehrere Feindeinbriiche bei der Heeresgmppe Model bereinigt 
und deren Front an mehreren Stellen im Angriff einigermafien 
begradet, als sie dort von der Invasion im Westen iiberrascht 
wurden, flir deren Abwehr sie ursprùnglich bestimmt und vor 
ihrem iiberraschenden Abtransport nach dem Osten in allen Kii- 


stenabschnitten der Invasionsfront durch intensive Ausbildung 
nahezu zu Hause gewesen waren. Denn der Befehlshaber der 
Panzergmppe West, General Geyr v. Schweppenburg hatte keine 
Gelegenheit vombergehen lassen, um gerade diese Tmppe be- 
sonders gmndlich auf die Abwehr der Invasion durch Angriff 
auf die gelandeten Feindkrafte vorzubereiten. 

Als die Englander und Amerikaner am 6. Juni aber tatsach- 
lich landeten, fehlten diese beiden noch vor wenigen Monaten 
vollkampfkraftigen SS-Panzerdivisionen an der Westfront. Im 
Eiltempo wurden sie nunmehr, jedoch erst vom 12. Juni ab, in 
vier Tagen durch ganz Deutschland nach Frankreich gefahren. 
Ihre Ziige rollten mit erhòhter Geschwindigkeit, fùhren mit 
Blockabstand und mit knappsten Aufenthaltszeiten zum Lok- 
Wechsel und zur Aufnahme von Wasser und Verpflegung, wobei 
der Staatssekretar im Reichsverkehrsministerium, Dr.-Ing. Gan- 
zenmiiller, den reibungslosen Ablauf dieser schnellen Transport- 
bewegung mehrerer hundert Ziige aus dem Flugzeug persònlich 
leitete. Ehe die angekommenen Divisionen an die Invasions- 
front marschieren konnten, mufiten sie sich zuvor ihre Aus- 
laderaume um Langres, Epinal und Visoul von Partisanen frei 
kampfen. Naher an der Front liegende Bahnhòfe konnten in- 
folge der feindlichen Luftiiberlegenheit nicht mehr benutzt wer- 
den. So trafen sie nach anstrengenden Nachtmarschen erst am 
11. Tage nach der alliierten Landung an der Invasionsfront ein 
und kamen gerade noch rechtzeitig an, um einen feindlichen 
Durchbruch sùdwestlich Caen nach Siiden mit andern, schon ein- 
gesetzten Divisionen des Heeres, der Waffen-SS und der Luft- 
waffe abzufangen 118 . 

Da es nicht der Sinn dieses Buches ist, Kriegsgeschichte zu 
schildern, sollen die militarischen Ereignisse hier nur flùchtig 
und in Umrissen angedeutet, und nur solche Ereignisse gestreift 
werden, in denen der Endkampf der Waffen-SS besonders pla- 
stische Konturen aufzuweisen vermag. 

113 Einzelheiten s. Paul Hausser »Waffen-SS im Einsatz« S. 138/150. 


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Im Westen lieferten die 1., 2., 9., 10., 12., SS-Panzer-Divi- 
sion und die junge 17. SS-Panzergrenadier-Division 114 , die vor- 
wiegend aus jungen Mannern der Deutschen Volksgmppen Ru- 
maniens bestand, den gelandeteten Alliierten an den verschiede- 
nen Abschnitten der Invasionsfront einen heifien Kampf. Von 
ihnen wurde die 1. Panzerdivision wiedemm, die 10. und 12. 
zum ersten Male im Kessel von Falaise-Argentan eingeschlos- 
sen. Wiedemm brachen diese Divisionen den Einschliefiungsring 
unter schweren Verlusten von innen auf, wahrend die Masse des 
bereits ausserhalb des Kessels befindlichen II. SS-Panzerkorps 
unter dem General Bittrich mit der 2. und 9. SS-Panzerdivi- 
sion von aufien angriff und den eingeschlossenen Teilen der 
7. Armee des Generalobersten Hausser und der Panzergmppe 
»Eberbach« die Hand reichte. 

Abermals hatten die SS-Panzer-Divisionen als Stofikeile 
Verwendung gefunden. 

Dann beginnt der Dammbmch in der Normandie ganz 
Frankreich zu uberfluten und die deutschen Krafte nach Osten 
zu spiilen. Am 20. August zieht General de Gaulle in Paris ein. 
Am 30. ùberschreiten die Alliierten die Seine, stehen am 3. Sep- 
tember vor Briissel und am 6. September vor Liittich. 

Im Siiden Frankreichs fallen zur gleichen Zeit Lyon und 
Anfang September Verdun, 14 Tage spater Nancy. Mit letzter 
Energie gelingt es aber den deutschen Tmppen, sich wieder an 
den Reichsgrenzen festzusetzen und dort eine neue Front zu im- 
provisieren, die von Tag zu Tag starker wird und den Alliierten 
Halt gebietet. An ihren ziigigen Vormarsch in das Herz 
Deutschlands ist jetzt nicht mehr zu denken. 

Mit einer originellen, wenn auch nicht ganz beherrschten und 
damit nicht gegliickten Strategie versuchte der englische Feld- 
marschall Montgomery mit einem Handstreich aus der Luft, sich 
bei Arnheim und Nymwegen die Basis fiir einen schnellen Vor- 

114 1. (Leibstandarte), 2. (Das Reich), 9. (Hohenstaufen), 10. (Frunds- 
berg), 12. (HJ) und 17. (Gòtz von Berlichingen). 


stofi in das Ruhrgebiet zu erkampfen. Noch einmal kreuzten 
englische Elitetmppen der 1. Airborn-Division unter dem Ge- 
neral Urquhart mit den jungen Soldaten der dorthin zuriick- 
gegangenen 9. SS-Panzerdivision »Hohenstaufen« und Teilen 
der 10. die Klingen. Trotz gelungener Uberraschung und der am 
17. September nicht vorhandenen Einsatzbereitschaft des II. SS- 
Panzerkorps, das gerade in seinen Auffrischungsraum westlich 
des Rheins abtransportiert werden sollte und mit Teilen bereits 
abgeriickt war, gelang es schliefilich dem Kommandierenden 
General, General der Waffen-SS Bittrich, die noch vorhandenen 
Teilkrafte zusammenzuraffen, Montgomerys operative Absicht 
zunichte zu machen und die bei Arnheim abgesetzten Fallschirm- 
truppen zu schlagen. 

Diesmal zogen die Englander den Kiirzeren. Die Deutschen 
eiwiesen sich als starker und hatten, trotz monatelanger Kampfe, 
schwerer Verluste an Menschen und Material und einem depri- 
mierenden Riickzug durch aufstandisches Land, in ihrem alten 
Kampfgeist nicht gelitten. Darin gaben sie den frischen und ei- 
senharten Englandern in Nichts nach. 

Es war einer der wenigen Kampfe in dieser letzten Periode 
des Kiieges, wo sich ausgesprochene Elitetmppen auf beiden 
Seiten mit fast gleichstarken und gleichwertigen Einheiten ge- 
geniiberstanden. Bei beiden handelte es sich um Sein oder Nicht- 
sein. 

Gewifi waren die Briten nach anfànglichen, grofien Chan- 
cen spater im Nachteil, als sich die deutschen Streitkràfte durch 
eine im Blitztransport zugefiihrte, schwere SS-Panzerabteilung 
(103) verstàrken konnten und dadurch die Uberlegenheit ge- 
wannen. Mit beispielhafter Hàrte kàmpften die Briten den aus- 
sichtslos gewordenen Kampf zu Ende und hatten so schwere 
Verluste, dafi General Urquhart durch Funk iiber seine verzwei- 
felte Lage berichtete und die mithòrenden deutschen Funker mit 
Hilfe der erbeuteten britischen Funkunterlagen Kenntnis von 
der gefahrvollen Situation erhielten, in der zahlreiche britische 
Verwundete schwebten. 


196 


197 



In einer einzigen Geste und Tat zeigte sich hier mitten im 
erbitterten Kampf und bei schwersten, eigenen Verlusten die 
innere Wesenheit der Waffen-SS iiberhaupt: Der deutsche Kom- 
mandierende General der Waffen-SS, General Bittrich, billigt 
den Briten eine Kampipause zu, um die britischen Verwunde- 
ten aus der Gefahrenzone abzutransportieren, und der Divi- 
sionsfiihrer der 9. SS-Panzerdivision, Oberst Harzer, làBt ihnen 
auf Bittrichs Veranlassung àrztliche Hilfe fur die britischen 
Verwundeten anbieten. 

Mit wehender Rote-Kreuz-Flagge fàhrt der deutsche Di- 
visionsarzt Dr. Skalka - ein SS-Truppenarzt mit einem Inf.- 
GeschoB in der Herzkammer - durch die Hauptkampflinie zu 
den Briten hiniiber, wo ihn der englische leitende Arzt, Colonel 
Warrack erwartet. In schnell herangeholten deutschen Sanitàts- 
kraftwagen werden die englischen Verwundeten in das »Tafel- 
berg Hotel« - in einen nunmehr von beiden Seiten fur Kampf- 
handlungen gesperrten Bezirk - gebracht, dort operiert oder 
anderweitig àrztlich versorgt. Der britische Chefarzt bestimmte, 
welche seiner Verwundeten infolge der Schwere ihrer Verlet- 
zungen den deutschen Sanitàtseinheiten zu àrztlicher Versor- 
gung ubergeben werden sollten. 

So wurden tàglich hunderte von britischen Verwundeten - 
insgesamt waren es ca. 2200 - vor Tod und Siechtum bewahrt 
und den restlichen, die sich nicht in deutsche Hand begeben woll- 
ten, Verbandsmaterial und Medikamente zugefùhrt. Ein Beispiel 
beiderseitiger, wohltuender Menschlichkeit in einem Kriege ent- 
fesselter Leidenschaften! 

* 

»Die MaBnahmen der Fùhrung zum Schutz der Reichsgren- 
zen waren in den ersten Septembertagen 1944 gerade angelau- 
fen«, so berichtet der Hauptbeteiligte, der Kommandierende Ge- 
neral des II. SS-Panzerkoips, Bittrich, selbst, »als der Gegner 
starke Kràfte aus der Luft im Raume Amheim-Nymwegen am 
17. 9. absetzte, um sich damit die Basis fùr einen operativen 


Durchbruch in das westdeutsche Industriegebiet und die nord- 
deutsche Tiefebene zu schaffen. 

Das II. SS-Panzerkoips lag zu diesem Zeitpunkt mit den 
Resten seiner in der Normandie zerschlagenen Divisionen zwi- 
schen Apeldoom und der Reichsgrenze, um dort auf Befehl des 
Feldmarschalls Model aus seinen letzten Kràften einige Kampf- 
gmppen aufzustellen. 

Zu Beginn der entbrennenden Schlacht, die vom 17. 9. bis 
26. 9. dauerte, gab es fùr mich als den dortigen Befehlshaber 
keinen Zweifel, daB die feindlichen Luftlandungen in Verbin- 
dung mit den ùber Nymwegen nach Norden vorgehenden eng- 
lischen Panzerkràften alle deutschen Bemùhungen an der Reichs- 
grenze nocheinmal entscheidenden Widerstand zu leisten, zu- 
nichte machen wùrden, falls Montgomerys kùhne Operation 
gelànge. So rechnete das Panzerkorps mit einem ebenso zum 
Letzten entschlossenen Gegner wie auch mit einem Feinde von 
hòchster kàmpferischer Qualitàt und reicher Kampferfahmng. 

Tatsàchlich war die 1. (brit.) Airbom-Division die beste und 
hochwertigste Spezialtmppe, ùber die der Gegner verfugte. 80 
Prozent ihrer Soldaten bestanden aus vortrefflich ausgebildeten 
Uffz. und Uffz.-Anwàrtem. 

Mit diesem Gegner hatte sich das Panzerkorps in der Nor- 
mandie schon einmal bei der Hòhe 112 s.w. Caen gemessen. 

Wir kannten also seine Hàrte, aber auch seine Faimess, 
denen wir mit den gleichen Eigenschaften begegnen konnten. 
Schon damals war es fùr mich selbstverstàndlich, daB ich - 
wie auch der Gegner - alles tat, um den hilflos im Gelànde 
herumliegenden Verwundeten beider Nationen àrztliche Versor- 
gung zuteil werden zu lassen. Als mich der Gegner damals um 
eine dreistùndige Kampfpause ersuchte, gab ich dieser Bitte un- 
verzùglich statt. Wàhrend dieser Zeit konnten englische und 
deutsche Sanitàtssoldaten die Verwundeten auf demselben Platz 
gemeinsam versorgen und die Gefallenen bergen. 

Wie bei der Hòhe 112 in der Normandie, so waren auch die 
Kàmpfe bei Amheim von einer kaum ùberbietbaren Hàrte. Auf 


198 


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beiden Seiten waren die Verluste hart. Die 1. (brit.) Airborn- 
Division geriet bei Oberbeek in eine kritische Lage, als es dem 
II. SS-Panzerkorps gelang, die aus Nymwegen nach Norden 
vorgehenden feindlichen Panzerkrafte bei Elst zum Kampf zu 
stellen und damit eine Verstarkung der Fallschirmjager in ihrem 
bereits stark verengten Bmckenkopf bei Arnheim zu verhindern. 

Die englischen Fallschirmjager waren schon auf kleinstem 
Raum zusammengedrangt. Ihre hoffnungslose Lage wurde noch 
durch die zahlreichen Verwundeten erschwert, die sich im Kes- 
sel befanden. 

Fiir mich war es eine Selbstverstandlichkeit, den englischen 
Wiinschen um eine Waffenmhe und Ubernahme ihrer Verwun- 
deten zu entsprechen. Ich wuBte zwar, daf.ì eine Kampfpause 
dem Gegner zugute kommen wiirde, iibersah auch die Verant- 
wortung, die ich gegeniiber meinen Vorgesetzten iibernahm. 
Doch ich kannte den Feldmarschall Model gut genug und war 
mit ihm in dem Ziele einer fairen Kampfflihmng stets einig ge 
wesen. 

So kam es zwar zu der Waffenruhe bei Arnheim inmitten 
des hartesten Kampfes, den die Westfront erlebt hat. Uber 
2000 englischen und deutschen kriegsgefangenen Verwundeten 
konnte arztliche Hilfe gebracht werden.« 

* 

Es ist ein Zeichen offenen Freimuts, wenn schon im Jahre 
1945 ein englischer Verleger, Victor Gollanz, eine Schrift »Above 
all nations« herausgegeben hat, in der er auch die Geschehnisse 
von Arnheim wiirdigte. 

»Ich schatze, Arnheim war der groBartigste Fehlschlag in 
diesem Kriege. Aber wie bei Gallipoli wurde dieser Fehlschlag 
derart von Heroismus iiberstrahlt, daB man noch daran den- 
ken wird, wenn manch' leichter Triumph vergessen ist«, so 
schreibt dariiber Alan Wood, der Kriegskorrespondent des 
»Daily Express«, dessen Bericht schon am 5. Oktober 1944 


- also kurz nach den Kàmpfen - iiber den englischen Rund- 
funk gesendet worden ist: 

»Ich glaube, die Deutschen hatten Gelegenheit, den kàmpfe- 
rischen Geist unserer Mànner zu bewundern und doch gab es 
trotz des harten und bitteren Kampfes dabei Ritterlichkeit. Ei- 
nes Tages fiel unser Verbandsplatz in deutsche Hànde und wir 
iiberlegten, ob wir ihn zurùckerobern sollten. Als wir aber hòr- 
ten, daB die Deutschen unsere Verwundeten gut behandelten, 
liefien wir die Dinge, wie sie waren. Unsere Àrzte und die Deut- 
schen halfen sich von nun an gegenseitig in der Behandlung un- 
serer gemeinsamen Verwundeten. 

Bald wurde das Wasser bei uns knapp. Unser General sandte 
seinen Sanitàtsoffizier nach Arnheim heriiber, um die Deut- 
schen um Hilfe zu ersuchen. Wir konnten nunmehr mit unserem 
Rot-Kreuz-Wagen nicht nur Wasser innerhalb der deutschen 
Linien holen, sondern erhielten von den deutschen Kameraden 
auch noch eine Flasche Brandy als Geschenk iibersandt' 15 .« 

* 

Wie schwer Arnheim flir die deutschen Soldaten der Waf- 
fen-SS gewesen ist, mòge nachfolgender Bericht eines jungen 
Mitkàmpfers der Schlacht, des SS-Panzergrenadiers Buttlar aus 
Geismar bei Gòttingen zeigen, der in seiner groBen, menschli- 
chen Bescheidenheit Zeugnis von dem inneren Anstand ablegt, 
mit der diese jungen Mànner damals gekàmpft haben: 

»Als junger Freiwilliger gehòrte ich im Jahi’e 1944 der 10. 
SS-Panzerdivision >Fmndsberg< an. Nach 15 monatlicher Aus- 
bildung hatte ich Ostern 1944 in Galizien meine Feuertaufe 
erhalten. Die folgenden Monate reichten voll dazu aus, um 
uns mit allen Hàrten und Tiicken des Krieges bekannt zu ma- 

115 s. Grazer Sudost Tagespost vom 10. 5. 58 und Zeitschrift »Der 
Freiwillige« 3. Jahrgang vom August 58. 


200 


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chen. ln dieser Zeit wurde ich dreimal verwundet. Doch wenn 
ich an das Erlebnis von Arnheim zumckdenke, habe ich auch 
heute noch das Geflihl, an einem ungewòhnlichen Kriegsereig- 
nis teilgenommen zu haben. Diesmal war es nicht das Bersten 
der Granaten und das uns langst gewohnte Rummeln und Dròh- 
nen einer heifikàmpfenden Front. Diesmal kam das Ungewitter 
aus der Luft. Bisher hatten uns die »Lightnings«, die wàhrend 
des Riickzuges von der Invasionsfront stàndig iiber uns kreisten 
und uns mit Bomben und MG-Feuer reichlich bedachten, nicht 
iibermàfiig beeindmcken kònnen. Denn wir hatten viel erlebt 
und waren viel gewòhnt. Aber das Erlebnis vom 17. 9. in Arn- 
heim liefi uns das Blut in den Adern gefrieren. 

Als ich mich an diesem Tage mit dreizehn weiteren ver- 
sprengten Fmndsbergern gerade bei der Frontleitstelle Arnheim 
melden wollte, um nach meiner Truppe zu fragen und dorthin 
weiter geleitet zu werden, begann der englische Plan >Operation 
Markett Garden< vor meinen Augen abzurollen. Gerade hatten 
wir das Bordwaffenfeuer und die Bombenabwiirfe von 50 Mos- 
kitos, 48 Mitshells und 24 Bostons, also von mehr als 120 alli- 
ierten Flugzeugen iiberstanden, als wir um 12 Uhr Mittags die 
ersten Fallschirmspringer westlich von Arnheim entdeckten. Eine 
Armada ungezàhlter Maschinen - teilweise mit Lastenseglern 
im Schlepp - umkreiste stàndig die Stadt. Eine Welle von Fall- 
schirmspringern nach der andern entquoll ihren Leibern. Kaum 
waren sie zu Boden, als schon neue Wellen von Flugzeugen am 
Florizont erschienen und erneut zum Ausboten ihrer Truppen 
ansetzten. 

Auf unserer Seite war keine Flak vorhanden und kein Ab- 
wehrfeuer hòrbar. In der Stadt befanden sich lauter Garnison- 
tmppen und auch diese nur in kleiner Zahl. Umsomehr gab es 
OT-Mànner, Arbeitsdienstmannschaften, Sanitàter, Kranken- 
schwestern und was sonst so in der Etappe tàtig ist. Wir alle 
glaubten, unser Ende sei gekommen. Eine Alarmkompanie von 
»Hohenstaufen« hastete vorbei. 

Wir selbst sollten Waffen empfangen und uns zum Einsatz 


bereithalten. Auf der Waffen-Kammer fanden wir ein MG 42, 
eine Anzahl fabrikneuer Karabiner und Kisten von Eierhand- 
granaten. Es war der Waffenbestand der Frontleitstelle, den man 
uns aushàndigte. Leere Gasmaskentrommeln flillten wir mit Mu- 
nition. 

Inzwischen hatten sich die hollàndischen Bewohner der be- 
nachbarten Hàuser von ihrem Schrecken erholt und sahen un- 
serem Treiben mit verschmitztem Grinsen zu. Nach einer Stunde 
holte uns ein Omnisbus der Frontleitstelle ab, um uns zu dem 
schon im Kampf befindlichen, in Arnheim stationierten SS- 
Ausbildungs- und Ersatzbataillon zu bringen. 

In der Stadt ein unvorstellbares Tohuwabohu! Alles rannte 
planlos durcheinander. Marinesoldaten in Halbschuhen, Luflwaf- 
fenmànner in Ausgehuniformen, OT, Arbeitsdienst und HJ, die 
hier zu Schanzarbeiten zusammengezogen waren, hasteten ein- 
zeln und in Klumpen nach mckwàrts. Hinter einem Haus hielt 
der Fahrer und zeigte auf einen Tannenwald in der Ferne. »Das 
ist Wolfheze! Da findet Ihr das Bataillon«, sagte er und machte 
schleunigst kehrt. Eine anmarschierende Wehrmachtskompanie 
kassierte uns ein. lhr Kompanieflihrer war ein Zahlmeister. 
>Kameraden<, nannte er uns leutselig, vielleicht das erstemal in 
seinem Leben Tlir seid uns eine willkommene Verstàrkung<. 

Aus Wolfsheze klang Gefechtslàrm. Vom Vorort Ooster- 
beek vemahmen wir lautes Johlen und Jubeln der Hollànder. 
Anscheinend hatten die Briten den Stadtteil schon kampflos be- 
setzt und liefien sich von den Einwohnern feiern. Wir schlugen 
dem Kompanieflihrer vor, einen Spàhtmpp anzusetzen. Aber 
er wollte nicht und lieB die Kompanie hinter den Hàusern 
Deckung nehmen. So entschlossen wir 13 SS-Grenadiere uns, 
auf eigene Faust zu handeln. SchlieBlich muBten wir doch wis- 
sen, was vorne los war und sollten die dort befindlichen Briicken 
sperren. 

Deshalb schlichen wir uns vorsichtig an das Bahngebàude 
von Oosterbeek heran und konnten von dort aus das ganze Pa- 
norama der Landschaft und die groBe Briicke iiber den FluB 


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vor uns sehen. Auf einem Hiigel, nicht weit vom Stationsge- 
baude, standen etwa hundert Hollànder, welche die Luftlan- 
dungen neugierig beobachteten. Als sie uns sahen, begannen sie 
uns zu verhohnen. »Seht doch mal an, da kommen ja auch die 
Moffen«, schrien sie durcheinander und lachten. Von der andern 
Seite schienen sie wohl Englànder herankommen zu sehen und 
hofften, die Sensation unserer schmàhlichen Gefangennahme zu 
erleben. Aber sie tàuschten sich . . . 

Da sah ich sie auch schon auf uns zukommen. Einige feind- 
liche Fallschirmjàger mit Tarnnetzen behangen und bewaffnet 
wie wir! ln Sekunden mufiten wir zusammenstoBen. Schon sa- 
hen wir das WeiBe in ihren Augen. Im Nu waren wir in Dek- 
kung und lieBen unsere Waffen sprechen. Eine Salve Handgra- 
naten flog ihnen entgegen. Nach 5 Minuten war kein feindlicher 
Spàhtrupp mehr da. Auch wir hatten einen Verwundeten. Alles 
ging so schnell, daB unsere MG-Gruppe gar nicht bemerkt 
hatte, was passiert war. 

Dann konnten wir die Bahnunterfìihmng sehen, durch die 
gerade ein feindliches Fallschirmbataillon, das sich wohl hinter 
dem Bahndamm gesammelt hatte, auf uns zukam. Mit unserem 
MG gelang es, sie auseinanderzujagen und in Deckung zu zwin- 
gen. Ein làngeres Gefecht begann. DreiBig Mann von »Hohen- 
staufen« kamen uns zu Hilfe und brachten mehrere Maschinen- 
gewehre mit. Wir hatten Verluste. Von 13 »Frundsbergern« wa- 
ren noch 3 iibrig geblieben. 

Zwei Tage hindurch konnten wir uns behaupten. Dann mufi- 
ten wir zuriick. Wir 3 Fmndsberger waren zusammengeblieben 
und hatten uns im Vorgarten des Elektrikers Swiening eingeni- 
stet. Stàndig wildes GeschieBe! 

Am zweiten Tage beobachtete ich, dafi die Englànder die 
StraBe von der Seite aufrollen wollten. Uberall weinrote Bas- 
kenmiitzen! Unser MG-Schiitze fiel. Wo ich hinblickte, eigene 
Tote und viele Verwundete. Mich beschlich ein Geflihl der 
Angst. Fiir einen Augenblick wollte ich schon aufgeben. Da 
sah ich 12 Englànder mit schuBbereiten Maschinenpsitolen auf 


mich zukommen. Ich driickte durch und verschofi ein Magazin 
nach dem andern. Schon waren sie in Deckung gegangen und 
hatten mich unter massives Feuer genommen. Da begann ich, sie 
mit Eierhandgranaten zu bombardieren und konnte sie damit in 
Schach halten. Als ich sah, dafi einige gefallen waren, machte ich 
mir die entstandene Verwirmng zunutze, sprang durch das ge- 
schlossene Glasfenster in das Wohnzimmer des Elektrikers hin- 
ein und wollte mich in das Haus retten. Als aber die Frauen mich 
hànderingend baten, es doch zu verlassen, tat ich ihnen den Ge- 
fallen, traf im Flur noch einen Kameraden und schlich mich mit 
ihm zusammen in den Hof, wo wir uns wieder mit ein paar 
Englàndern hemmschiefien mufiten, die uns verfolgen wollten. 
Ein scharfes Feuergefecht. Neben mir nur noch mein von allen 
13 ùbriggebliebener Kamerad Paulik. Wir schossen sieben Ma- 
gazine leer. Da durchschlug eine englische Pistolenkugel meinen 
Fufi. Ich brach zusammen. Im Zusammenbrechen horte ich noch 
das Dròhnen der Panzermotoren einer angreifenden Kampf- 
grnppe der Division »Hohenstaufen.« 

Fast 3 Tage hatten wir paar Kerle ein ganzes Bataillon Eng- 
lànder aufgehalten, bis die Entlastung kam. Auf keiner Kriegs- 
schule war gelehrt worden, dafi man sich gegen eine zwanzig- 
fache Ubermacht behaupten kann, wenn man dazu entschlos- 
sen ist und so geschickt zu kàmpfen versteht, wie wir jungen 
Soldaten der Waffen-SS es damals gelernt hatten. Hier in den 
westlichen Aufienbezirken von Arnheim zeigten ein paar Dut- 
zend Soldaten der Waffen-SS, mit welcher Zàhigkeit wir da- 
mals zu kàmpfen verstanden. 

Dabei ist es ganz unwesentlich, dafi ich als kleiner Soldat 
die Initiative ergriffen habe. Wesentlich ist nur, dafi keiner den 
andem dabei im Stich gelassen hat und dafi die letzten, die iib- 
rig geblieben waren, bis zum Ende zusammengeblieben sind. 

Es ist schmerzlich, heute in einem Bericht iiber die Schlacht 
von Arnheim in einer deutschen illustrierten Zeitung feststellen 
zu miissen, dafi man diese unsere Truppe in ein Luftwaffen- 
bataillon umgefàlscht hat. Auf meinen Protest erhielt ich den 


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Bescheid, ein grofier Teil der Leser wiinsche das Wort »SS« 
nicht mehr zu lesen ... 

So kann also fùr uns nur noch das Urteil des ehemaligen 
Feindes giiltig sein. ln seinem Buch »De Slag van Arnheim« 
schreibt der Befehlshaber der Englander, Generalmajor Urqu- 
hardt, auf Seite 107 zu unserm persònlichen Kampf: »Eine an- 
dere Kompanie der South-Straffords versuchte das hochgelegene 
Terrain an der Briicke zu nehmen. Sie wurde zuriickge- 
schlagen.« 

Einige Jahre spater hat Urquhardt mit einer Schar seiner da- 
maligen Offiziere vor dem Haus gestanden, an dem ich verwun- 
det worden war. Hier erfuhr der General, dafi es schlieBlich nur 
noch ein einziger Deutscher gewesen sei, der den Widerstand 
fortgesetzt hatte, als die andern seiner Kameraden kampfun- 
fàhig geworden waren. Deshalb hat er wohl auch den Kampf 
dieser englischen Kompanie nur so kurz behandelt. Zusammen- 
fassend erklàrt Urquhardt: 

»Dort an der Eisenbahnbriicke erhielt ich den ersten Ein- 
dmck von der Schnelligkeit und Entschlossenheit, mit der die 
Deutschen reagierten. Gewifi erschien es mir zunàchst, als wenn 
sich dort nur ein kleines Patrouillengefecht entwickeln wiirde. 
Dann aber erfuhr ich, mit welcher Heftigkeit und Begeistemng 
sich die Deutschen unserer iiberraschenden Landung entgegenge- 
stellt hatten.« 

Am 17. September 1944 um 14 Uhr 30 wollten die Englàn- 
der mit dem Bataillon des Majors John Frost die Briicken der 
Stadt Arnheim im Blitzangriff erobern. Wahrscheinlich wiirde 
man damals im alliierten Hauptquartier genau so gelàchelt ha- 
ben, wie die hollàndischen Zivilisten, wenn man gesehen hàtte, 
daB 13 versprengte »Fmndsberger« versuchten, den »roten Teu- 
feln« diese Absicht streitig zu machen. Aber diese roten Teufel 
waren ebensowenig Ubermenschen wie wir selbst. Schon der 
Kampf am Bahnhof Oosterbeek war fìir die Briten ein bòses 
Omen. Am folgenden Kampftage zeigte es sich deutlich, daB der 


Mut und die Kampfroutine der Briten auch nicht gròBer war, 
als bei uns. 

tìber die Kàmpfe von Arnheim schreibt Urquhardt schlieB- 
lich noch auf Seite 82 seines Buches »Erbitterte Gefechte in den 
Hàusern, wobei auch eine Anzahl Fallschirmjàger fielen. Im Ver- 
lauf der Kàmpfe wurden Gefangene gemacht, von denen einige 
der 9. und 10. SS-Panzerdivision angehòrten. Nach dieser Ent- 
hiillung begann sich Frost zum erstenmal ernste Sorgen iiber den 
Ablauf des Unternehmens zu machen. Jetzt wuBte er, daB er 
mit entschlossenem Widerstande rechnen muBte, wenn diese 
Elitetruppen ihm gegeniiberstanden.« 

Eine Anerkennung aus dem Munde des Feindes wiegt immer 
schwerer, als die von eigener Seite. Wenn also der englische Ge- 
neral auf Seite 196 seines Buches noch feststellt, daB die Deut- 
schen sich in diesem harten Kampf korrekt verhalten hàtten, in 
vielen Fàllen zudem noch von groBer Hilfsbereitschaft gewesen 
seien, dann kònnen die deutschen Teilnehmer an jener Schlacht 
gelassen iiber die Tatsache hinweggehen, daB deutsche Illustrier- 
ten-Leser den Namen dieser Trappe nicht mehr lesen wollen.« 

Sicherlich ist das alles nur eine Episode im groBen Kriegs- 
geschehen; aber eine, die den Soldatengeist dieser jungen Mànner 
besonders deutlich widerspiegelt und daram wert war, hier 
geschildert zu werden. 

* 


Inzwischen kàmpflen die Verbànde des III. (Germ.) SS-Pan- 
zerkorps im àuBersten Norden der Ostfront bei Narva und 
spàter im Bràckenkopf von Kurland einen harten Kampf. Das 
IV. SS-Panzerkorps stand in Polen in heiBem Ringen. Das VI. 
SS-Armeekorps bot den Russen in Lettland die Stirn. In Abwehr 
und Gegenangriff wurden die Sowjets immer wieder zurùckge- 
schlagen. Wàhrend des ganzen Jahres 1944 wurde auf allen 
Fronten ohne Aussicht auf einen Enderfolg gekàmpft, gelitten 
und gestorben. 


206 


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Weifi der Leser wohl, was es heifit, zu schiefien, zu frieren, 
zu hungem, um die Heimat in Sorge zu sein und dennoch zu 
wissen, dafi es keine echte Chance mehr gibt, den Krieg zu ge- 
winnen? Weifi er, was an innerer Kraft dazu nòtig ist, um Wo- 
che flir Woche einem weit iiberlegenen Gegner die Stirn zu bie- 
ten und zu wissen, dafi keiner mehr zu Hilfe kommen kann? 

Weifi man heute noch, welche hohe Moral eine Armee besit- 
zen mufi, um standig zumckzugehen und dennoch wieder bereit 
zu sein, Front zu machen und den nachstiirmenden Gegner zu- 
riickzuweisen? 

Was gerade in der letzten Runde des Krieges von allen Sol- 
daten der deutschen Streitkrattc geleistet worden ist, iibersteigt 
die Vorstellungskraft der Daheimgewesenen und der nachfolgen- 
den Generation. Das war nur deshalb mòglich, weil die deut- 
schen Soldaten um ihre Heimat rangen und diejenigen, die sie 
bereits verloren hatten, wenigstens vor einer Versklavung be- 
wahren wollten. 

An allen Fronten standen nunmehr alle Divisionen der Waf- 
fen-SS bis auf die letzten Reste ihrer Schul- und Ausbildungs- 
formationen in der vordersten Linie und bewahrten noch im 
Endkampf ihren guten soldatischen Ruf. 

In einer Nachkriegsuntersuchung hat die militargeschichtliche 
Abteilung des israelischen Generalstabes nach einem vom 10. Mai 
1958 aus Tel Aviv stammenden Bericht eine Rundfrage iiber 
die Qualitat der kampfenden Armeen derjenigen Vòlker ver- 
anstaltet, die am 1. und 2. Weltkriege teilgenommen haben. 
Mehr als tausend Militarspezialisten sind dazu eingehend be- 
fragt worden. Hohe Offiziere aus aller Welt, wie z. B. der ver- 
storbene US-General Marshall, der franzòsische General Kònig, 
alsdann der bekannte englische Militarschriftsteller Liddell Hart 
und zahlreiche andere Kapazitaten sind an der Umfrage betei- 
ligt gewesen und haben sich zu den Fragen nach der objektiven 
und subjektiven Bewertung der Armeen der Welt geàufiert 116 . 

116 s. »Hitlers Lagebesprechungen« Seite 644 Anm. 3. 


Der Fragenkatalog enthielt unter anderem folgende Punkte: 
1. Welche Armee halten Sie fìir die beste? 2. Welche Soldaten 
halten Sie flir die tapfersten? 3. Welche Soldaten sind am an- 
passungsfàhigsten, welche am diszipliniertesten gewesen? 4. 
Welche Soldaten besafien die meiste Initiative, welche die gròfi- 
te, persònliche Geschicklichkeit und Kampfgewandtheit? 5. Wel- 
che Einheiten oder Formationen liegen nach ihren kriegeri- 
schen Leistungen und ihrer Kampferfahmng an der Spitze? 

Bei der Punktbewertung, die eine Hòchstzahl von 100 Punk- 
ten zuliefi, erhielten folgende Punktzahlen: 


Im ersten Weìtkrìege 

Die deutsche Armee 

86 Punkte 

Die franzòsische Armee 

65 Punkte 

Die englische Armee 

59 Punkte 

Die turkische Armee 

52 Punkte 

Die amerikanische Armee 

49 Punkte 

Die mssische Armee 

45 Punkte 

Im zweiten Weìtkrìege 

Die deutschen Streitkràfte 

93 Punkte 

Die japanische Armee 

86 Punkte 

Die sowjetische Armee 

83 Punkte 

Die finnische Armee 

79 Punkte 

Die polnische Armee 

71 Punkte 

Die britische Armee 

62 Punkte 

Die amerikanische Armee 

55 Punkte 

Die franzòsische Armee 

39 Punkte 

Die italienische Armee 

24 Punkte 

Als tapferste Soldaten beider Weltkriege wurden die Deut- 

schen ermittelt. Es folgten die Franzosen 
Japaner fur den zweiten Weltkrieg. 

fiir den ersten und die 


Die deutschen Streitkràfte wurden als die diszipliniertesten 


208 


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beider Kriege sowohl einzeln als auch in der Gesamtheit er- 
mittelt. 

Als Eliteeinheiten des zweiten Weltkrieges sind die US-Ma- 
rines (die »Ledernacken«), die britischen Kommandotmppen, die 
franzòsische Fremdenlegion, die deutsche Waffen-SS und die 
sowjetische Arbeitermiliz hervorgehoben worden. 

Sicherlich ist diese Feststellung vielleicht nicht in allen Punk- 
ten voll zutreffend. Denn die Verbande des deutschen Hccrcs 
haben der Waffen-SS in der Mehrzahl gewifi nicht nachgestan- 
den, wenn sie auch in ihrer Zusammensetzung und Ausriistung 
als Infanteriedivisionen den feindlichen Panzerdivisionen nicht 
mehr erfolgreich begegnen konnten. Mit persònlicher Tapferkeit 
hat das alles nichts zu tun. In seiner Gesamtheit hat der deut- 
sche Soldat bis zur letzten Stunde seine Pflicht in allen Waf- 
fengattungen gleichmàfiig getan. 


Die Jahreswende 44/45 sah noch einmal den verzweifelten 
Versuch der deutschen Streitkràfte, im Westen den Sieg an sich zu 
reifien. Kritische Kòpfe wufiten, dafi es aussichtslos war. Schon 
im Dezember 1944 hatte der Verfasser bei seiner Riickkehr aus 
Kurland Himmler erklàrt, dafi der Krieg militàrisch endgiiltig 
verloren sei und nur noch diplomatisch beendet werden kònne. 
Himmler, der damals von seinen Mitarbeitern umgeben war, 
schwieg betreten und bestellte den Verfasser zu einer Riickspra- 
che iiber seine Àufiemng um 2 Uhr nachts des gleichen Abends 
in den Arbeitswagen seines Befehlszuges. 

Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit und in solchen Fàl- 
len gereizten Art war er diesmal bei der Unterredung merkwiir- 
dig beherrscht und forderte den Besucher auf, seine am Abend 
geàufierte Meinung zu begmnden. Als dies geschehen war, iiber- 
legte er einen Augenblick, ehe er antwortete: »Wir sind 
nicht am Ende, mein Lieber«. Meine Antwort: »Die in Vorbe- 


reitung befindliche Offensive im Westen wird nicht gelingen. 
Jeder Fachmann kann es sich ausrechnen, dafi sie nur in nord- 
westlicher Richtung auf die Scheidemiindung gefiihrt werden 
kann, wenn sie eine flihlbare Entlastung bringen soll. Dazu wer- 
den mindestens 40 gute Angriffsdivisionen benòtigt. Nach mei- 
ner Schàtzung kònnen sie gar nicht vorhanden sein. Ein Vorge- 
hen nach Norden, etwa in Richtung Liittich oder gar ein flacher 
Stofi auf Aachen werden keine wesentliche Auswirkung haben, 
selbst wenn es gliicken sollte.« 

Bestiirzt fragte Himmler: »Woher wissen Sie denn dies alles? 
Das ist doch Geheimhaltungsstufe 1 ?« 

»Auch ohne Nàheres zu wissen, kann man sich das alles aus- 
rechnen. Die Auffrischung und Versammlung deutscher Offen- 
sivkràfte westlich des Rhein-Maindreiecks pfeifen doch schon 
die Spatzen von den Dàchern.« 

»Wir haben noch genug Munition im Rohr«, war seine Ant- 
wort. »Neue Waffen, die den Krieg entscheidend beeinflussen 
kònnen, stehen vor der Vollendung. Bis zum Frùhjahr kònnen 
und mùssen wir warten, ehe wir diplomatische Friedensflihler 
ausstrecken dùrfen!« 

»Ich flirchte, dazu wird es dann zu spàt sein«, war meine 
lakonische Erwidemng. - 

Himmler hatte inzwischen tatsàchlich alle greifbaren Kràfte 
zur Verstàrkung des Heeres mobil gemacht. Mit beachtenswer- 
ter Energie hatte er aus den zerschlagenen Divisionsresten des 
Mittelabschnittes 18 kampfkràftige Volksgrenadier-Divisionen 
geschaffen, die ihm unmittelbar unterstellt blieben und bei de- 
nen er sich weitgehende personelle Vollmachten ausbedungen 
hatte. 10 neue Volksgrenadier-Divisionen, die flir den Westen 
bestimmt waren, befanden sich in der Aufstellung. Auf diese 
Weise wurden die zerschlagenen Westdivisionen neu formiert, 
dazu eine Anzahl von Volksartilleriekorps nach dem Muster 
der mssischen Artilleriedivisionen, von denen 12 dem Verfasser 
bekannt sind und etwa 15 Volks-Werferbrigaden. 

Im Màrz 1945 sollen etwa 50 Volksgrenadier-Divisionen 


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aufgestellt oder in der Aufstellung begriffen gewesen sein 117 . 
Sie wurden mit ausgesuchten Offizieren besetzt, die ohne Himm- 
lers Zustimmung nicht zu andem Truppenteilen versetzt wer- 
den durften. Innerhalb der Waffen-SS entstanden aus den in 
der Heimat befindlichen Ausbildungs- und Ersatzverbànden eine 
Anzahl kleinerer, selbstàndiger Formationen, die als Heeresre- 
serve Verwendung finden sollten. 

GewiB waren das alles beachtenswerte Anstrengungen, aber 
sie reichten nicht aus, um den Schutz der Grenzen des Reiches 
zu verbiirgen. Vielleicht wàre es mòglich gewesen, hierfur noch 
die Mehrzahl der in Kurland auf verlorenem Posten stehenden 
28 kampferprobten Divisionen zur Verstàrkung der briichigen 
Ostffont abzubefordem. Generaloberst Guderian hatte diese 
Fordemng mehrfach erhoben. Aber er war allein und fand auch 
bei dem nunmehr immer gròBeren militàrischen EinfluB gewin- 
nenden Himmler keine Unterstiitzung. 

Dieser war nunmehr Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und 
Chef der Heeresriistung. Dazu unterstanden ihm fast 60 Feld- 
divisionen des Heeres und der Waffen-SS. Er war damit zu einer 
militàrischen Schliisselfigur geworden, dessen betràchtlichen Ein- 
fluB kein Oberbefehlshaber an irgend einem Teil der Front iiber- 
sehen konnte. 

Wie schon lange vorher, so hatte nunmehr auch sein Wort 
bei der Stellenbesetzung der hòchsten Stellen des Heeres erst- 
mals ausschlaggebende Bedeutung erhalten. Mit dieser starken 
Position innerhalb des Heeres verband Himmler jetzt auch einen 
wachsenden, psychologischen EinfluB auf einen Teil des Heeres- 
offizierskorps, insbesondere naturgemàB auf das der Volksgre- 
nadier-Divisionen, die nach den offiziellen Verlautbamngen 
aus jungen, gut ausgebildeten, aber noch nicht kampferprobten 
Soldaten und fronterfahrenen Offizieren und Unterfuhrem be- 

117 Veigl. »Hitlers Lagebesprechungen« von Helmut Heiber S. 658. 
Anm. 1. 


standen! Aus ihnen sollte einmal nach dem Kriege ein neues, 
nationalsozialistisches Volksheer entstehen. 118 

* 

Damit verfiigte Himmler nunmehr iiber ein breites Reser- 
voir jiingerer Frontoffiziere und Generale, von denen er an- 
nahm, daB sie ihm vertrauten und von ihm die Rettung des 
Reiches erwarteten. Aus diesen Reihen konnte er - ebenso wie 
aus der etwa gleichaltrigen Schicht einer Gmppe von jiingeren 
Kommandeuren der Waffen-SS - mit Leichtigkeit die ihm un- 
bequem gewordenen àlteren Generale der Waffen-SS ersetzen. 
Denn diese kannten ihn nur zu genau und wuBten, was sie 
von seinen phantasievollen Plànen zu halten hatten. Sie machten 
sich auch keine Illusionen iiber die von ihm angekiindeten, neuen 
Waffen und hatten Zweifel, ob diese - falls iiberhaupt vorhan- 
den - rechtzeitig frontreif und von so durchschlagender Wir- 
kung seien, wie es Himmler behauptete 119 . 

Zu Beginn des neuen Jahres iiberstiirzten sich die Ereignisse. 
Die vage Hoffnung auf das Gelingen der Ardennenoffensive 
war endgiiltig erloschen. Im Osten begann die Mittelfront ein- 
zustiirzen. Am 17. Januar ging Warschau, am 19. Lodz und ei- 
nen Tag darauf Krakau verloren. Zur gleichen Zeit brachen die 
Sowjets in OstpreuBen ein und schnitten das Land und die dor- 
tigen deutschen Truppen vom Reich ab. 

Ende Januar drangen sie in das flir die Wehrwirtschaft ent- 
scheidende, oberschlesische Industriegebiet ein. Anfang Januar 
wurde schon Budapest eingeschlossen und konnte trotz mehrerer 
Versuche nicht entsetzt werden. Die Hoffnung, das Blatt kònne 
sich militàrisch noch einmal und »irgendwie« wenden, hatte sich 
nun endgiiltig als blanke Illusion erwiesen. 

118 »Hitlers Lagebesprechungen«, Seite 644 Anm. 4 unten. 

119 Weder der neue Volksjàger, noch die Femrakete A 4, der neue 
Lf-Boottyp oder die Flammòlmunition, sowie eine Anzahl kleinerer Erfin- 
dungen sind jemals zum Einsatz gekommen. 


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Immer energischer bemiihten sich deshalb einige hohe Offi- 
ziere der Waffen-SS, Himmler zu diplomatischen Initiativen zu 
veranlassen 120 . Er war dazu nicht zu bewegen. 

Làngst war Hitlers absinkender und hochst bedenklicher Ge- 
sundheitszustand kein Geheimnis mehr. Wer Hitler lange nicht 
gesehen hatte, war erschrocken von den Kennzeichen seiner schwe- 
ren Kiankheit. die ihn an Gesicht und Kòrper gezeichnet hatte. 
Hohe Àrzte haben damals in einer Ferndiagnose eine starke Zer- 
ruttung des Zentralnervensystems vermutet und diese auch medi- 
zinisch begriindet. Eine exakte Untersuchung hat jedoch niemals 
stattgefunden 121 . In der letzten Phase des Krieges lag das 
Schicksal des Reiches jedenfalls in bereits kraftlos gewordenen 
Hànden und dies in einem Augenblick, in dem die harten Tat- 
sachen stàrkste Nerven verlangten. 


8. Kapitel 
Das Ende 

Nach dem Scheitern der Ardennen-Offensive und dem Zu- 
sammenbmch der Ostfront war das Ende des Kiieges auch zeit- 
lich bereits abzusehen. Es gab nur noch Wenige, die immer noch 
glaubten, es wiirde ein Wunder geschehen. Es waren Unwissende, 

120 Ein hòherer Generalstabsoffizier vom Oberkommando des Heeres, 
heute Wiitschaftsjurist in Miinchen, der sich im Febmar 1945 mehrere Tage 
in Himmlers Hauptquartier aufgehalten hatte, erinneit sich daran, daft sie 
damals sogar ein Einschreiten gegen Hitler verlangt hàtten. 

121 Siehe hieizu Veròffentlichimgen des Instituts fùr Zeitgeschichte »Hit- 
lers Lagebesprechungen«, Seite 608/609 Text imd Anmerkimgen 1 auf bei- 
den Seiten. In der Anmerkung auf Seite 609 wird angegeben, Hitler habe 
an der Parkinsonschen Krankheit gelitten, deren Folgen in Wahnvorstellun- 
gen und schwerem Neivenleiden bestanden hàtten. Diese Feststelhmgen 
decken sich mit den Erklàrungen hoher Àizte gegeniiber dem Verfasser im 
Januar 1945. 


die sich keine Vorstellung von dem erschreckenden Kràfte- 
schwund des deutschen Wehipotentials machen konnten oder die 
unentwegten Fanatiker, die noch von dem kranken Hitler eine 
Rettung erwarteten und lieber selbst untergehen, als die Nieder- 
lage zugeben wollten. 

Wer niichtern urteilte, konnte in dieser Phase des Krieges 
nur noch einen einzigen, allerdings hòchstbedeutungsvollen 
Sinn sehen. Jetzt ging es nicht mehr um Sieg oder Niederlage, 
oder um Land und Besitz, sondern ausschlieftlich noch um die 
Menschen, die vor dem Bolschewismus gerettet werden muBten. 
So lange die Kràftelage es gestattete, blieb es nach wie vor die 
entscheidende Aufgabe jedes Soldaten, das Land und seine Be- 
vòlkerung zu schiitzen. War das aber nicht mòglich, wie sich dies 
allenthalben bereits zeigte, dann muBte wenigstens die Armee 
das Zurùckfluten der hòchstgefàhrdeten Ostbevòlkemng in ge- 
ordnete Bahnen lenken und ihre Rùckflihrung in gesicherte Ràu- 
me ermòglichen. 

Der Chef des Generalstabes des Heeres, Generaloberst Gu- 
derian, war sich darùber klar, daB die briichige Ostfront ihi'en 
Zusammenhang nur dann noch werde wahren kònnen, wenn die 
im Westen freigewordene und noch leidlich kampfki'àftige 
6. SS-Panzer-Armee an der Ostfront verwendet werden wiirde. 
Er sah die Hauptgefahr an der deutschen Ostgrenze zwischen 
Schlesien und Ostsee. Sein Ringen um Verstàrkungen miBlang. 
Das Dràngen des Oberbefehlshabers der 6. SS-Panzer-Armee, 
Sepp Dietrich, der fiir seine kampfbewàhrten Divisionen Kampf- 
auftrag an der Oderfront zur Deckung Berlins erwartete, wurde 
gleichfalls in den Wind geschlagen. Hitler und sein nunmehriger 
stàndiger, operativer Berater, Generaloberst Jodl, wollten viel- 
mehr an allen Fronten um Zeitgewinn kàmpfen und sahen die 
Hauptgefahr fùr die ihnen vorschwebende Fortsetzung der 
Kriegfùhmng in Ungarn, das von sowjetischen Kràften bereits 
weitgehend besetzt war. 

Dorthin sollten die freigewordenen Kràfte also abbefordert 
werden. Anfang Januar 1945 war Budapest bereits eingeschlos- 


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sen worden. Neben ungarischen Streitkràften, mehreren deut- 
schen Verbànden, darunter den mhmbedeckten Divisionen der 
»13. Panzer« und der »Feldherrnhalle« kàmpfte dort auch das 
VIII.SS-Gebirgs-Armeekorps mit der 8. und 22. SS-Kavallerie- 
division und Teilen der neu aufgestellten 37. SS-K.D. 

Zu ihrem Entsatz war iiber Guderians Kopf hinweg das ge- 
rade in der Mittelfront des Ostens kàmpfende und dort drin- 
gend benòtigte IV. SS-Panzer-Korps unter dem Kommando 
von General Gille nach Ungam transportiert worden. Es war 
sudlich des Gran durch das Philis-Gebirge so weit auf Budapest 
durchgestofien, dafi der Ausbruch der damals noch kampffàhi- 
gen Besatzung aussichtsreich erschien 122 . Das OKW aber befahl 
eine Umgmppierung und den erneuten Angriff der geschlossenen 
6. Armee auf die Stadt aus der Richtung Plattensee-Stuhlwei- 
Benburg. Der Entsatzangriff schlug fehl. 

Auch der Versuch der inzwischen eingetroffenen 6. SS-Pan- 
zerarmee, die Guderian so dringend zum Gegenangriff zwischen 
Schlesien und Pommern gebraucht hàtte, miBlang, da der Feind 
inzwischen ùbermàchtig geworden war. Dabei hatte die Armee 
fur diesen Angriff ihre letzten Kràfte eingesetzt. 

Fiir diesen MiBerfolg strafte Hitler sie mit dem Entzug der 
Àrmelstreifen ihrer bewàhrten Regimenter. Der Oberbefehlsha- 
ber, Generaloberst Dietrich, hat diesen Befehl nicht ausgeflihrt. 
Daflir legte er freiwillig seine eigenen Embleme ab und schickte 
sie dem Hauptquartier zu. 

Am 18. Januar erloschen die Lichter in Pest, am 13. Febmar 
in Buda. Die ungarische Hauptstadt war verloren. Die tapfere 
Besatzung gefallen oder in Gefangenschaft geraten. Der Kampf 
war zàh und erbittert. Wie in Stalingrad wurde auch hier um 
jede StraBe und jedes Haus gemngen. Die Divisionen der Waf- 
fen-SS hatten mit den Verbànden des Heeres und der Ungarn 
bis zum SchluB verzweifelten Widerstand geleistet. 

122 s. Alfred Philippi imd Ferdinand Heim »Der Feldzug gegen Sowjet- 
RuBland 1941/45« S. 269. 


Ihre Kommandeure, die Generalmajore Zehender und Ru- 
mohr suchten und fanden in den letzten Stunden den Tod. 

* 

Hier in Ungarn hatte noch ein anderer General der Waffen- 
SS, der Generalmajor Lombard, Zeugnis von der Haltung ab- 
gelegt, welche die Generalitàt der Waffen-SS beseelt hat. Wàh- 
rend der Aufstellung einer neuen Division in der ungarischen 
Batschka waren die mssischen Streitkràfte in Ungarn eingedmn- 
gen und bedrohten Land und Leute derart, daB sich die deutsch- 
bliitige Bevòlkemng zur Flucht in das Reichsgebiet zu riisten 
begann. Die Treckwagen waren bereits beladen, der transportier- 
bare Besitz verstaut und der Proviant bereitgelegt, als ein Be- 
auftragter Hitlers bei dem deutschen Volksgmppenflihrer er- 
schien, in Hitlers Namen jede Fluchtbewegung verbot, den Ver- 
bleib der Bevòlkemng im Lande befahl und ihren Einsatz zum 
Partisanenkampf im Riicken der anrollenden, sowjetischen Front 
verlangte. Verzweifelt eilten die fiir ihre Volksgmppe Verant- 
woillichen zu dem Generalmajor Lombard, der ihre Sòhne be- 
fehligte und baten um seine Hilfe. Er raste in das damals noch 
freie Budapest, fLihrte ein Blitzgespràch mit Himmler und wur- 
de abgewiesen, da dieser erklàrte, Befehle Hitlers seien ihm 
heilig«. 

Lombards heftigem Dràngen gelang es schlieBlich aber doch, 
daB Hitlers Befehl nach làngerem Zògern unter den Tisch fiel. 
Mit hòchster Schnelligkeit fuhr Lombard nach dem letzten Wort 
des Telefongespràches in die Batschka zurùck, befahl dem Volks- 
gmppenflihrer den Abmarsch ins Reichsgebiet und rettete somit 
Tausende von Deutschen vor ihrem sicheren Untergang. 

* 

Schon im September 1944 hatte der Verfasser in Estland vor 
einer àhnlichen Situation gestanden. Vor der Ràumung des Lan- 
des hatte er es fur seine Pflicht gehalten, gegen die Bedenken 
der Heeresgmppe und in eigener Verantwortung gegeniiber der 


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vertrauensvollen, estnischen Bevòlkemng diese iiber den bevor- 
stehenden Ruckzug der deutschen Tmppen zu unterrichten. 
Das Generalkommando III. (Germ.) SS-Panzerkorps war be- 
reit, die sich daraus fìir die eigene Sicherheit ergebenden Risiken 
in Kauf zu nehmen. Die herbeigeholten estnischen Verantwort- 
lichen wurden iiber die Raumung Estlands unterrichtet. »Sie 
haben soeben das Todesurteil iiber das estnische Volk gespro- 
chen, Herr General«, war die kurze Antwort des estnischen 
Obersten Sinca. 

»Fahren Sie sofort die ganze Intelligenz, die Sie erreichen 
kònnen, mit Schiffen von Reval ab! Bringen Sie die estnische 
Jugend in Sicherheit! Fiihien Sie die raumungsbereiten Bevòl- 
kemngsteile Estlands auf der Kiistenstrafie nach Siiden! In we- 
nigen Tagen wird es zu spàt sein«, entgegnete ich ihm. 

So geschah es. Die Esten hatten ihre Mahnahmen schnell 
getroffen. Denn sie kannten die Sowjets. 

Nach dem erfolglosen Vorstofi auf Budapest waren die deut- 
schen Streitkràfte auf dem deutschen Sùdfliigel vom Plattensee 
abgedràngt worden. Am 20. Màrz kàmpfte die 5. SS-Panzer- 
division »Wiking« um Stuhlweifienburg. Am 23. Màrz traf der 
Fiihrerbefehl ein: »Stuhlweifienburg unter allen Umstànden 
halten!« 

Die Funkspmche der iibergeordneten Kommandobehòrden 
jagten sich und forderten in scharfen Worten das gleiche. Doch 
entgegen dem Fiihrerbefehl entschliefit sich der junge Divisions- 
kommandeur dieser Division, Oberst der Waffen-SS Ulrich, 
Stuhlweissenburg zu ràumen und nach Westen auszubrechen. 
Zwei Tage spàter waren 15000 Soldaten vor der schon sicheren 
Vernichtung bewahrt. 

Am 11. April griffen starke mssische Kràfte die alte Landes- 
hauptstadt Wien an, deren Verteidigung dem Kommandieren- 
den General des II. SS-Panzerkorps, Bittrich, mit seinen be- 
wàhrten Panzerdivisionen iibertragen worden war. Wiedemm 


hiefi es: »Fiihrerbefehl! Wien ist bis zum letzten Atemzuge zu 
verteidigen«. 

Gewifi hàtte man die Stadt mòglicherweise noch eine Zeit- 
lang halten und den Russen dann ein Triimmerfeld iiberlassen 
kònnen. 

In den ersten Aprilwochen standen die Sowjets vor Wien 
den Verbànden General Bittrichs gegeniiber. Schon wàhrend der 
Kàmpfe im Vorfelde der Stadt sah sich General Bittrich also 
vor die Frage gestellt, ob er Wien zur Verteidigung einrichten 
solle oder nicht. 

Am 6. April war der Gegner in den Wiener Wald einge- 
dmngen. Russisches Terrorfeuer lag bereits auf der Stadtmitte, 
dem Parlamentsviertel, der Oper, dem Burg-Theater. Von der 
Reichshrùckc wurde starkes Feuer mittlerer russischer Kaliber 
gemeldet. Einzelne sowjetische Panzer waren bis in die Hòhe 
des Westbahnhofs vorgeprellt. Vor der im siidlichen Vorfeld 
der Stadt kàmpfenden 2. SS-Panzerdivision »Das Reich« be- 
gannen sich starke mssische Kràfte zum Angriff bereitzustellen. 
Die am Ostrand der Stadt kàmpfende 6. Panzerdivision hatte 
schwere Angriffe abgewiesen. Die Fiihrer-Grenadier-Division 
war im Stadtinnern durch eine zunehmende Widerstandstàtig- 
keit Aufstàndischer vielfach gebunden. - 

Das war der Eindmck, den der Kommandierende General 
am Abend des 5. April von der Lage gewonnen hatte, als er 
von der Front zum Korpsgefechtsstand zurùckkehrte und ihm 
sein Chef des Generalstabes das Telegramm iiberreichte, durch 
das die Verteidigung Wiens als Festung befohlen wurde. 

Noch unter dem unmittelbaren Eindmck des Kampfgesche- 
hens reagierte der General schroff und ablehnend: »Wien wird 
nicht verteidigt und bleibt offene Stadt. Das Korps wird Wien 
ràumen!« 

Pflichtgemàfi bat sein bedachtsamer Stabschef damm, sich 
diese Entscheidung doch noch einmal zu iiberlegen und dabei 


218 


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auch an die Folgen zu denken, die ein solcher EntschluB haben 
kònne. 

Nachdenklich wandte sich General Bittrich ab. Spontane 
Entschliisse waren sonst nicht seine Art. Er trat vor den Ge- 
fechtsstand und liefi noch einmal die Eindriicke des Tages auf 
sich einwirken. 

Konnte er es mit seinem Gewissen vereinbaren, eine Stadt 
dem Kriege zu opfern, deren Bauten und Kunstdenkmaler un- 
vergangliche Wahrzeichen einer glanzenden europàischen Ge- 
schichte darstellten? 

Durfte er eine Stadt und deren Bewohner, die einmal Zeu- 
gen und Wahrer deutscher und abendlàndischer Reichsgesinnung 
waren, der sicheren Vernichtung preisgeben? Konnte er es an- 
gesichts der hoffnungslosen Gesamtlage verantworten, seine Di- 
visionen, die sich in jahrelangen Kàmpfen immer bewàhrt hat- 
ten, im letzten Augenblick aufs Spiel zu setzen, wo es auf Ein- 
zelpositionen wirklich nicht mehr ankommen konnte? 

In diesem schweren Konflikt zwischen Gehorsam und eige- 
ner Verantwortung folgte der General der Stimme seines Ge- 
wissens. Solche schweren Opfer war eine zeitweilige Verteidi- 
gung Wiens nicht wert. 

Er sah noch einen Augenblick hiniiber zur flammenden Front 
und nahm die zuckenden Feuer des weiten Ringes um Wien in 
sich auf, ehe er zum Gefechtsstand zuriickkehrte. Jetzt konnten 
ihn keine noch so schwerwiegenden Einwànde mehr beeindmk- 
ken. Sein Entschlufi stand fest: »Wien darf nicht in Schutt und 
Asche sinken!« 

Auch warnende Vorhalte vorgesetzter Kommandobehòrden, 
er riskiere mit diesem Entschlufi seinen Kopf, konnten ihn 
nicht mehr beirren. Noch in dieser Nacht gingen die vorberei- 
tenden Weisungen zur Ràumung der Stadt heraus. Nur Nach- 
huten sollten am Feinde bleiben: 

So blieb Òsterreich, Deutschland und Europa die altehrwùr- 
dige Reichs- und Kaiserstadt erhalten, aus eigener Verantwor- 


tung eines Kommandierenden Generals der Waffen-SS, dessen 
verantwortungsvoller EntschluB von dem zustàndigen Oberbe- 
fehlshaber der 6. SS-Panzerarmee, Generaloberst Dietrich, ge- 
billigt und gedeckt wurde. 

Am 15. Febmar wird Breslau von Westen her von den deut- 
schen Streitkràften abgeschnitten und von allen Seiten einge- 
schlossen. Die Besatzung verteidigte die Stadt 11 Wochen lang. 
In ihren Reihen kàmpfte ein aus Ersatztmppen der Waffen-SS 
gebildetes Festungsregiment unter dem Obersten der Waffen-SS 
Besslein an den Brennpunkten des EinschlieBungsringes. Nach 
verzweifeltem Kampf geràt er bei der Kapitulation in sowjeti- 
sche Gefangenschaft. 

* 

Auf verlorenem Posten in Kurland hàlt das VI. SS-Armee- 
korps unter dem Befehl des Generals der Waffen-SS Walter 
Krùger Schulter an Schulter mit den dort stehenden Verbànden 
des Heeres die dortige Front. Es gelang den Sowjets nicht, den 
kurlàndischen Bmckenkopf an irgend einer Stelle einzudmcken. 
Das VI. SS-Armeekorps hatte daran wesentlichen Anteil. Am 
Tage seiner Kapitidation starb sein Kommandierender General 
durch eigene Hand. 

In der Kurmark und in Pommern waren starke Kràfte der 
Sowjets iiber die Linie Posen-Thorn in deutsches Gebiet einge- 
brochen und fanden zunàchst einen leeren Raum vor, in dem 
sich einzelne Verteidigungsinseln hielten. Ende Januar 1945 er- 
hielt der Verfasser den Auftrag, Pommern zu verteidigen und 
dort eine Abwehrfront zu schaffen. 

Bis zum 10. Febmar war dies gelungen. Zwischen Weichsel 
und Oder verteidigte nunmehr eine geschlossene Front das deut- 
sche Land. In Pommern verlief sie von der Oder iiber Pyritz, 
den Madùsee auf Màrkisch-Friedland und GroB-Born, wo sie 
AnschluB an den rechten Fliigel der in Westpreufien stehenden 
2. Armee gefunden hatte. 


220 


221 



Arnswalde, Deutsch-Krone und Schneidemiihl waren einge- 
schlossen. Als der Verfasser den Befehl iiber die sich bildende 
11. Armee iibernahm, trat die Frage, was mit den Besatzungen 
djeser festen Plàtze geschehen solle, als erste an ihn heran. Wie 
iiblich sollten diese »bis zum letzten Mann« verteidigt werden. 
Angesichts der vòlligen Nutzlosigkeit einer solchen MaBnahme 
erhielten die Kommandanten von Schneidemiihl und Deutsch- 
Krone den Befehl zum sofortigen Ausbruch nach Norden. 

Das Einfliegen von 100 Offizieren in die Festung Schneide- 
miihl, das bereits in wenigen Stunden anlaufen sollte, wurde 
verhindert. Die Besatzung von Schneidemiihl konnte sich nur 
noch mit Resten zur 2. Armee durchschlagen, diejenige von 
Deutsch-Krone - darunter ein Fahnenjunker-Regiment - zu 
den neuen deutschen Linien nordwestlich Deutsch-Krone retten. 

Arnswalde wurde seitens der Armee eine gerade eingetrof- 
fene Kònigstiger-Abteilung der Waffen-SS zugefiihrt, die den 
Einschliefiungsring miihelos durchbrechen und die Besatzung ver- 
stàrken konnte. Sie sollte sich dort solange behaupten, bis die 
im Antransport befindlichen, neuen Kràfte der 11. Armee den 
Anschlufi an Arnswalde erreicht haben wiirden. 

Vorerst mufiten jedoch die aus Kurland herangebrachten, 
von den dortigen Kàmpfen schwer mitgenommenen beiden SS- 
Panzergrenadier-Divisionen des III. (Germ.) SS-Panzerkorps 
sich den Raum zum Vorgehen auf Arnswalde zunàchst erkàmp- 
fen. In harten Gefechten konnten die bereits im Vormarsch 
nach Norden begriffenen sowjetischen Angriffskolonnen nach 
Siiden zumckgeworfen werden. Auch sonst gab es an der diin- 
nen Front zahlreiche Gefahrenpunkte. 

Die meiste Sorge bereitete zunàchst ein mssischer Briicken- 
kopf, den sich die Sowjets durch einen Flandstreich bei Kiistrin 
geschaffen hatten. Solange die Oderverteidigung noch nicht ge- 
festigt war, bildete er eine stàndige Bedrohung fur die Nach- 
schubwege der 11. Armee bei Stettin. Schon einmal hatten die 
Sowjets im Flerbst 1944 in genau der gleichen Lage an der Diina 
eine solche Operation tief im Riicken der damaligen deutschen 


Nordfront auf Riga unternommen. Der Versuch mifigliickte, 
weil im letzten Augenblick noch einige schnelle deutsche Ver- 
bànde verfiigbar gewesen waren, um dem Gegner entgegenzu- 
treten. 

Die Sorge, dafi er an der Oder àhnlich verfahren kònnte, 
zwang zu stàndiger Aufmerksamkeit. Kaum war die Abwehr- 
front der 11. Armee in Flinterpommern notdiirftig gefestigt, 
als das Oberkommando des Fleeres von ihr den Angriff nach 
Siiden gegen die Flanke der auf die Oder vorgehenden, starken 
russischen Kràfte verlangte. Bei den vorhandenen, wenigen Di- 
visionen war ein durchschlagender Erfolg des Angriffs nicht zu 
erwarten. Er war nur dann sinnvoll, wenn es gelang, den 
breiten und starken russischen Aufmarsch an der Oder zu stò- 
ren, starke russische Kràfte auf sich zu ziehen und damit einen 
russischen Angriff mit massiven Kràften iiber die Oder und eine 
Operation auf Berlin zu verzògern. Deshalb entschlofi sich das 
Oberkommando der 11. Armee im Gegensatz zu den Absichten 
des Fiihrerhauptquartiers auch nur zu einem Angriff mit be- 
schrànktem Ziel und stellte ihn unverziiglich ein, als erkennbar 
war, dafi der Gegner starke Kràfte nach Norden abgedreht hatte. 

Inzwischen waren Tausende von Fliichtlingen aus Ost- und 
Westpreufien, die durch Pommern abzogen, ziigig nach Westen 
abgeleitet worden. Auch grofie Teile pommerscher Fliichtlings- 
trecks konnten sich dieser Fliichtlingsbewegung anschliefien, da- 
runter die Bewohner von Arnswalde, die durch den Angriff 
des III. SS-Panzerkorps aus der mssischen Umklammemng be- 
freit worden waren. 

* 


Von den Sowjets gedriickt, mufiten die deutschen Kràfte in 
Hinterpommern hinhaltend kàmpfend auf Altdamm und die 
dortigen Stettiner Oderbefestigungen ausweichen. Der Stab der 
11. Armee wurde durch das Oberkommando der 3. Panzerarmee 


222 


223 



ersetzt und nach Neustrelitz verlegt, um dort eine Armee zu 
versammeln 123 , die als Eingreifreserve - sowohl nach Osten 
als auch nach Westen - dienen sollte. 

An der Oder hatten sich die Kàmpfe auf den Bmckenkopf 
von Stettin konzentriert. Tag fùr Tag berannten die Russen die 
dortigen Verteidigungslinien. Tag fur Tag wurden sie abgewie- 
sen und verloren zahlreiche Panzer und schweres Geràt. Ihre 
Verluste an Menschen waren enorm. Doch sonst blieb es an der 
Oderfront ruhig. Die Russen waren auf der ganzen Front mit 
Ubergangsvorbereitungen iiber die Oder beschàftigt. 

Diesen Zeitgewinn nutzte nunmehr das Oberkommando 
der 11. Panzerarmee aus, um nicht nur die eigenen Stabsver- 
bànde einzuspielen, sondern auch durch miindliche Intervention 
des Oberbefehlshabers (also des Verfassers) alle mafigeblichen 
Stellen des Staates auf die unzureichende Besetzung der Oder- 
front hinzuweisen. Traten die Sowjets erst einmal an, dann 
schien eine wirksame Verteidigung der Oder in der vorhande- 
nen Stàrke nicht mehr mòglich. Sollte aber noch eine politische 
Initiative erfolgen, dann war dies nur denkbar, wenn die Oder- 
front hielt. 

So begab sich der Oberbefehlshaber der 11. Panzerarmee von 
Gòring zu Goebbels, von Speer zu Bormann, von Keitel zu Stu- 
dent und Dònitz. Denn jeder von ihnen verlligte noch iiber 
ansehnliche Kiàfte, die an dem Platze, an dem sie standen, 
iiberfliissig waren, an der Oder aber fehlten. 

Sie alle wurden darauf hingewiesen, dafi die Verteidigungs- 
stellung an der Oder die letzte vor Berlin sei und man nicht auf 
ein politisches Wunder 124 oder gar auf einen letzten Widerstand 
in Berlin hoffen kònne, der namentlich von Goebbels offenkun- 
dig vorbereitet wurde. 

Jeder versprach auch, der Oderfront mit seinen Mitteln zu 

123 Die Armee erhielt die Bezeichnung »11. Panzer-Armee«. 

1_4 Roosevelts Erkrankung hatte in Berlin Hoffnungen erweckt, die nach 
dem Tode des Pràsidenten zu den kiilmsten Kombinationen fuhrten. 


helfen. Aber niemand machte wirklich ernst damit. Auch wollte 
keiner hòren, daf.ì der Krieg in wenigen Wochen zu Ende sei 
und die kurze, noch verfligbare Zeit zu Verhandlungen mit dem 
Westen benutzt werden miifite! 

Es war nicht einmal mehr mòglich, das im òstlichen Mecklen- 
burg liegende V2-Korps auf die Oder abzudrehen, wo es von 
gròBtem Nutzen gewesen wàre. tìber Nacht war es - anschei- 
nend nach vorheriger Riicksprache seines Kommandeurs mit dem 
Reichsleiter Bormann - sogar aus seinen Rastràumen heimlich 
nach Siiden abmarschiert, um im Harz gegen die auf Kassel vor- 
dringenden amerikanischen Kolonnen eingesetzt zu werden 125 . 

Selbst der mehrfache Versuch den in Bad Wiessee im Ruhe- 
stand lebenden Feldmarschall v. Blomberg zu bewegen, sich nach 
Liineburg zu seiner Schwiegertochter zu begeben und dort mit 
den vorriickenden Englàndern Verbindung aufzunehmen, miB- 
lang 126 . Das Oberkommando der 11. Panzer-Armee hatte es 
Blomberg nahezidegen versucht, den englischen Feldmarschall 
Montgomery zu veranlassen, auf Berlin zu marschieren, um die 
Stadt vor den Russen zu besetzen. Doch Blomberg versagte sich. 
Seine Antwort war dreimal dieselbe: »Solange Hitler lebt, fiihle 
ich mich an meinen Eid gebunden und werde ohne seine Zustim- 
mung nichts in dieser Richtung unternehmen.« 

Doch weder von Hitler noch von Himmler, der vorher ver- 
handlungsbereit schien und die beiden Oberbefehlshaber der 
nòrdlichen Armeen, v. Manteuffel und Steiner, um Geduld und 
Vertrauen gebeten hatte, war eine Initiative zu erwarten. Alle 
Versuche des Verfassers, die Gesamtlage um Berlin noch im letz- 
ten Augenblick zu àndern und das bevorstehende Ringen mit 
den Sowjets um den Besitz der Stadt zu vermeiden, waren ge- 
scheitert. Seitens der obersten politischen und militàrischen Fiih- 

125 Das V2 Korps hat diesen Einsatzraum niemals erreicht, sondem sich 
vorher in alle Winde zerstreut. 

,2< ’ Der Versuch wurde dreimal und durch drei Oftìziere des Pz. A. O. K. 
11 nacheinander untemommen. Alle haben uberlebt. 


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225 



mng setzte man alle Hoffnungen auf den am 12. April erfolg- 
ten Tod Roosevelts und hoffte auf ein Wunder ... - 

* 

Uberraschend war inzwischen der Stab der 11. Armee in den 
Harz verlegt worden, um dort gegen die Westalliierten Verwen- 
dung zu finden. Der bisherige Oberbefehlshaber wurde durch 
einen neuen Mann ersetzt 127 und blieb allein zuriick. Er sollte 
als Befehlshaber des mckwartigen Heeresgebietes der Heeres- 
gmppe Siid nach Òsterreich gehen, lehnte aber diese Verwen- 
dung unter Berufung auf seine bisherige Dienststellung ab und 
verlangte vom Oberkommando der Wehrmacht das Kommando 
iiber sein altes Panzerkorps zuriick, das inzwischen nach Rau- 
mung des Briickenkopfes von Altdamm hinter die Oder zuriick- 
gezogen worden war, wo es unter dem Kommando des Verfas- 
sers als Panzergmppe bereitstehen sollte. 

Doch schon wenige Tage spater wurden alle drei notdiirftig 
aufgefrischten Panzergrenadierdivisionen einzeln und nachein- 
ander an die verschiedenen, gefàhrdeten Frontstellen siidost- 
wàrts Berlin abgezogen. Die Panzergmppe war damit in alle 
Winde zerstreut, ihr Befehlshaber wiedemm ein General ohne 
Tmppe. 

Inzwischen war die lang erwartete sowjetische Offensive 
zwischen Frankfurt und Stettin am 15. April losgebrochen und 
hatte bei der ostwàrts Berlin kàmpfenden 9. Armee des Generals 
Busse einen tiefen Einbmch in deren Front erzielt. Schon nach 
einigen Tagen schweiften sowjetische Panzer in den Wàldern 
siidostwàrts Berlin. Auch auf dem Nordfliigel dieser Armee 
stiel.ìen starke sowjetische Kràfte auf die Reichshauptstadt vor 
und trennten die Heeresgruppenfront in zwei Teile. Berlin 
drohte die EinschlieBung! 

127 Der Armeestab wurde erneut mnbenannt imd hiefi nunmehr wieder 
AOK 11. Als Befehlshaber wurde General der Inf. Lucht bestimmt. Beson- 
dere Aufgaben hat der Armeestab nicht mehr eifiillen kònnen. 


Himmler, der sich ausserhalb des drohenden Kessels befand 
und keine militàrische Verwendung mehr besaB, bemiihte sich 
nunmehr, jede, selbst die kleinste Tmppe, die er noch im riick- 
wàrtigen Raum auftreiben konnte, nach Berlin hereinzuschicken, 
obwohl er genau wufite, daB er sie nutzlos opferte. 

Die beiden Divisionen des III. SS-Pz.-Korps kàmpften inzwi- 
schen auf zwei verschiedenen Fliigeln der 9. Armee und bemiih- 
ten sich, den Gegner in ihren Kampfabschnitten aufzuhalten. 
Nach wenigen Tagen war die 11. SS-Panzergrenadier-Division 
»Nordland« unter ihrem hervorragenden Divisionskommandeur, 
Generalmajor der Waffen-SS Ziegler, in die AuBenbezirke Ber- 
lins zuriickgeworfen, wàhrend die 23. SS-Panzergrenadier-Di- 
vision »Nederland« mit dort kàmpfenden Teilen der 9. Armee 
eingeschlossen war. 

Alle Versuche des Generalmajors Ziegler, sich nicht nach Ber- 
lin abdràngen zu lassen, wurden durch die hòhere Fiihmng ver- 
hindert. Auch seine spàteren Bemiihungen, nach Zerniemng der 
Stadt durch die Sowjets iiber Spandau nach Westen auszubre- 
chen, wurden unterbunden. Er wurde vielmehr abgesetzt und 
unter scharfe Beobachtung gestellt! 

Trotz klarer Erkenntnis von der Sinnlosigkeit ihres Kamp- 
fes blieb der Besatzung der Stadt nichts anderes iibrig, als bis 
zum bitteren Ende verbissen zu kàmpfen. Die eingeschlossenen 
Teile des III. SS-Panzerkorps siidostwàrts Berlins unter Fiihrung 
des Generalleutnants d.W-SS Wagner, faBten den verzweifelten 
EntschluB, sich nach Westen durchzuschlagen. Unter schweren 
Verlusten und tagelangen Waldkàmpfen erreichten sie mit an- 
deren Teilen der 9. Armee die Elbe und begaben sich in amerika- 
nische Gefangenschaft. 

Inzwischen hatte ihr ehemaliger Kommandierender General 
- der Verfasser - einen neuen Auftrag erhalten. Er sollte aus 
zusammengerafften Tmppen eine Armeegruppe bilden und mit 
ihr von Norden auf Berlin vorstoBen, um den Zerniemngsring 
aufzubrechen. Die wenigen hierflir vorhandenen Tmppen lang- 
ten kaum dazu aus, um gerade noch die Siidflanke der in Meck- 


226 


227 



lenburg kàmpfenden deutschen Truppen zu schiitzen. Zu einem 
Angriff auf Berlin waren sie vòllig unzulànglich. 

Dennoch forderte der nunmehrige Chef des Generalstabes 
des Heeres, General der Inf. Krebs, den Angriff und wurde 
hierin von sàmtlichen nachgeordneten Kommandobehòrden un- 
terstiitzt. 

In einem ebenso dramatischen wie makaberen Gespràch iiber 
eine noch bestehende Dezimeterleitung unterrichtete Krebs den 
Befehlshaber der »Armeegmppe Steiner« davon, dafi nunmehr 
die Entscheidungsschlacht um Berlin unter persònlicher Fùhrung 
Hitlers beginnen werde. Die 12. Armee unter dem General Wenk 
werde an der Elbe Kehrt machen und Berlin von Sridwesten her 
entsetzen. Die 9. Armee unter dem General Busse habe den Auf- 
trag, von Osten auf Berlin zu marschieren und den Einschlie- 
Bungsring von dort aus aufzubrechen: 

»Und Sie«, so fuhr er fort, - »werden von Norden auf 
Spandau vorstofien und damit den Ring um Berlin von Norden 
òffnen.« 

Meine Antwort war folgende: »Mir stellt sich die Lage ganz 
anders dar. Wenk besitzt nur wenige Divisionen, davon noch 
nicht 'mal eine voll kampfkràftige. Busse ist, soweit ich orien- 
tiert bin, eingeschlossen und wird Miihe haben, den eigenen Ein- 
schlieBungsring zu sprengen. Gelingt es ihm, dann kònnen sich 
nur noch Triimmer retten. Ich selbst verfiige zur Zeit nur iiber 
drei Divisionen. Der Angriff ist undurchfùhrbar und sinnlos.« 

In diesem Augenblick brach das Gespràch ab. 

Trotz mehrfacher Bemùhungen, insbesondere des Oberkom- 
mandos der Wehrmacht und des Feldmarschalls Keitel, die Ar- 
meegruppe zum Angriff auf Berlin vorzutreiben, blieb der Ober- 
befehlshaber bei der kategorischen Ablehnung. Auch die auf Ver- 
anlassung des OKW erfolgte Zufùhrung von 5000 nur mit 
Handwaffen ausgeriisteten, hochdekorierten Piloten der Luft- 
waffe und tausend Hitlerjungen aus Schleswig-Holstein, die zur 
Aufflillung seiner schwachen Divisionen dienen sollten, konnten 
ihn nicht umstimmen. Vielmehr wurden sie alle wieder in ihre 


bisherigen Ràume zuiiickgeschickt. Die Piloten sind schlieBlich 
von einer Fallschirmjàger-Ersatzdivision im ìiickwàrtigen Ge- 
biet aufgenommen worden. Der Einsatz dieser im Erdkampf 
ungeiibten Mànner und Jiinglinge wàre selbst in der Defensive 
unverantwortlich gewesen. Diese Bliite unserer Jugend durfte 
nicht einer sinnlosen Operation geopfert werden! - 

Von einem bestimmten Dienstgrad ab, kann sich ein milità- 
rischer Befehlshaber nicht mehr hinter dem Befehl vorgesetzter 
oberster Dienststellen verstecken. Fiir das Gelingen einer Opera- 
tion oder deren MiBerfolg sowie das Wohl und Wehe seiner Sol- 
daten ist er in erster Linie selbst verantwortlich. 

Der Angriff auf Berlin mit schwachen und unerfahrenen 
Truppen war infolge der Kràfteverhàltnisse von vornherein zum 
Scheitern vemrteilt. Er hat Tausende von Soldaten nutz- und 
sinnlos das Leben gekostet. Zudem bemhte der Angriffsbefehl 
auf einer vòlligen Verkennung der Lage. Unter diesen Umstàn- 
den konnte er nur abgelehnt werden, so stark auch der Dmck 
aller Zwischendienststellen auf den Oberbefehlshaber war. Dar- 
aufhin wurde er abgelòst. Das hinderte ihn nicht daran, seinem 
vorgesehenen Nachfolger von der Ubernahme des Kommandos 
abzuraten und die ihm anvertrauten Soldaten selbst riber die 
Elbe und Eide nach Westen zurùckzufuhren. 

So endete diese letzte Schlacht wie ein Phantom, das nur in 
der Phantasie des Fùhrerhauptquartiers bestanden hatte. Jeder 
der drei dazu befohlenen Oberbefehlshaber hatte seiner eigenen 
Lage in eigener Verantwortung sinnvoll Rechnung getragen.. - 

Nach dem KrJege ist an manchen Soldaten die Frage gestellt 
worden, wamm er noch in einer Phase, in der doch alles schon 
verloren zu sein schien, iiberhaupt noch mitgekàmpft hat. Die 
Antwort war und ist einfach: Weil eine frùhere Einstellung des 
Kampfes noch weitere Teile des Deutschen Volkes dem Bolsche- 
wismus ausgeliefert hàtte und die Sowjets ohne Widerstand 
weiter nach Westen hàtten vorgehen kònnen. 


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9. Kapitel 

Der Verrat an der Waffen-SS 

Es ist eine bekannte Tatsache, dafi es in der Waffen-SS 
zwischen einer Anzahl ihrer Kommandeure und Himmler zu 
hàufigen Kontroversen gekommen ist, die das normale Mafi 
mòglicher Differenzen weit uberschritten haben, ja mitunter bis 
an die Grenze des Denkbaren gegangen sind. Riickschauend ist 
es heute noch unverstàndlich, dafi solche Spannungen nicht zur 
Entladung gekommen sind und dafi Himmler, der sich - zum 
mindesten seit 1942/43 - bereits im Besitze einer grofien Macht 
befand, eine solche Opposition iiberhaupt geduldet hat. 

Man wird darauf keine glaubhafte Antwort geben kònnen, 
wenn sie nicht von den Umstànden her erklàrt und von der psy- 
chologischen Ebene her geflmden wird. Hierbei hat nun ein Bon- 
ner Universitàtsprofessor, Hans v. Hentig, aufklàrende Hilfe 
geleistet. Als Wissenschaftler und Ki'iminalpsychologe hat er - 
von wissenschaftlichen Gmndlagen ausgehend - eine psycholo- 
gische Analyse iiber den Charakter Himmlers abgegeben, die 
den ganzen Fragenkomplex am einfachsten zu klàren ver- 
mag. 

»Vorerst ist das Phànomen Himmler«, so schreibt Professor 
v. Hentig am 5. Mai 1963 in der Zeitschrift »Quick«, »nur mit 
Robespierre vergleichbar, der wàhrend der franzòsischen Revo- 
lution aus politischem Fanatismus die summarische Menschenver- 
nichtung erfand 12S . 

Ein unangepafiter Mensch! D. h.: Er greift zum Korsett 
streng moralischer Haltung, neigt zu starren Regeln, zur Uni- 
form. Er ist rùcksichtslos, bmtal und hat einen iibersteigerten 
Geltungsdrang. Darin will er sich auch durch Einwirkung auf 
andere - im Wehtun, wie im Wohltun - spiegeln. Seine 

128 Himmlers Arzt Felix Kersten nennt Himmler auf S. 407 seines 
Buches »Totenkopf imd Treue« eine »schwankende Gestalt, in der sich die 
nigenscliaften eines Wallenstein mit jenen eines Robespierre trafen«. 


schwàchliche Erotik ist ein wesentlicher Impuls flir seinen Macht- 
wunsch. Er hafit menschliche Uberlegenheit, auf die er - der 
Minderwertige - iiberall trifft. Durch die Vernichtung Schwà- 
cherer reagiert er die eigene, innere Belastung ab und schafft sich 
lustvolle Selbsterhebung. 

Er ist ein Kriminaloider, ein Mensch mit tief versteckter, 
verbrecherischer Neigung, der ohne Pràgung durch die Masse in 
ruhigen Zeiten nie zum Tragen gekommen wàre.« Soweit Hans 
v. Hentig. 

Ergànzt man dieses Urteil noch durch eine graphologische 
Untersuchung, die das psychosomatische Institut in Mùnchen 
angestellt hat und zu folgenden Feststellungen kommt: 

»Das Denken làuft ziemlich schematisch ab und orientiert 
sich nach vorgefafiten Meinungen. Es handelt sich um einen see- 
lisch verspannten, innerlich unfreien Menschen, der verbohrt 
und wenig einsichtig ist«, und fligt dann die eigenen Erfahmn- 
gen hinzu, so kann man darin am einfachsten den Schliissel zur 
Antwort auf die Frage finden, wie das Verhàltnis Himmlers zu 
den Kommandeuren der Waffen-SS und iiberhaupt dem ganzen 
Soldatentum zu erklàren ist. 

Dieser Mann hatte gegeniiber der Waffen-SS stets Minder- 
wertigkeitskomplexe. Sie stand fortlaufend am Feinde, leistete 
unter schwierigen Umstànden - wie das ganze Feldheer - Un- 
erhòrtes, fand die Anerkennung prominenter Befehlshaber und 
erntete auch den Lohn flir ihre Leistungen in Form von Belobi- 
gungen und Auszeichnungen aller Art. Schon allein die Tatsache, 
dafi er selbst nichts davon aufzuweisen vermochte, hat in ihm 
nicht nur Komplexe und Neidgeflihle erweckt, sondern steigerte 
in ihm auch die vorhandene, innere Minderqualitàt und veran- 
lafite ihn damm zu einer forcierten Kraftmeierei, die auf ernst- 
hafìe Mànner làcherlich wirkte und der in stàndigem Kampf 
um Leben oder Tod stehenden Tmppe nur ein leichtes Kopf- 
schiitteln entlockte. 

In der Waffen-SS traf er bei Kommandeuren und Tmppe 
allenthalben auf eine gànzlich andere Welt von festgefligter, sol- 


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datischer und menschlicher Uberlegenheit, der er sich zeitweilig 
innerlich beugen muBte, die er aber insgeheim tief hafite. Des- 
halb griff er zu dem Mittel, sich - wie Professor v. Hentig 
schreibt - »durch Einwirkung auf andere im Weh- oder Wohl- 
tun zu spiegeln«, was ihm immer nur zum Teil gelang. Er flihlte, 
dafi er in der Waffen-SS ein Fremdling geblieben war, den man 
zwar ertrug, aber nicht so recht wiirdigte 129 . Nur zu gern woll- 
te er als Soldat anerkannt werden. Doch niemand fand sich, der 
das tat, es sei denn - ein paar Speichellecker. Hatte man doch 
in der Waffen-SS nur zu oft erlebt, wie wenig fundiert seine 
militarischen Ansichten waren und daf.ì er darin selbst von dem 
jiingsten Leutnant widerlegt werden konnte. 

Seine anscheinend mit Energie geladenen Reden waren in der 
Waffen-SS viel zu gut bekannt, als dafi man ihnen noch Be- 
deutung beigemessen hatte. Wufite man doch, wie schnell er seine 
Meinungen anderte und seine Ansichten wechselte. 

Diese psychologische Situation ist die Voraussetzung fìir 
eine sachliche Beurteilung der inneren Beziehungen Himmlers zu 
den Kommandeuren der Waffen-SS. Denn er galt - wie der 
Kommandeur der »Leibstandarte«, Dietrich, ihn òfter genannt 
hat - als ein »Spinnerter«, der nicht immer ganz ernst zu neh- 
men war. 

Deshalb hatte man ihm auch im Frieden zwar Hinterhaltig- 
keiten, aber keine groben Bòsartigkeiten zugetraut, weil er da- 
mals »das Korsett streng moralischer Haltung« angelegt hatte 
und »darin zwar zu starren Regeln« neigte, die sich aber schliefi- 
lich doch kompensieren liefien, wenn sie nicht gar bagatellisiert 
wurden. 

Erst im Kriege beginnt Himmler, seinen »tief versteckten 
verbrecherischen Neigungen« freien Lauf zu lassen und macht 

129 Kersten schildert auf S. 404 des Buches »Totenkopf und Treue« seine 
Beobachtungen ùber die Einstellung der Offz. der W.-SS zu Himmler. 

»Sie lachten uber seine militàrischen Anwandlungen, sein gànzlich unmilità- 
risches ÀuBere und seine unglùckselige Figur«. 


sich von seinen moralischen Hemmungen frei, ohne auf seine 
aufierliche Haltung zu verzichten. 

Da ihm die innere Ablehnung der Waffen-SS nicht verbor- 
gen geblieben war, suchte er nach Gegengewichten und lehnte 
sich an Menschen an, die ihm zu Munde redeten. Die oftmals 
fanatischen Schriften, in denen seine Heimatideologen schwelg- 
ten, sind nur daraus zu erklàren, dafi diese die Front und ihren 
Geist gar nicht kannten und in Vorstellungen lebten, die der 
Welt des Soldaten vòllig fremd waren. 

Aber letzten Endes sagten ihm solche Charaktere doch zu 
wenig zu, als dafi er bei ihnen einen Ausgleich gegeniiber den 
sich ihm versagenden Persònlichkeiten der Waffen-SS gefìmden 
hàtte. Damm zog er immer hàufiger Mànner aus der Allgemei- 
nen SS heran, die sich den Anschein von starken Willensmen- 
schen gaben, Condottieri-Figuren, die in ihrem Charakter Un- 
terwiirfigkeit mit Brutalitàt und Feigheit verbanden und in 
keiner Diktatur fehlen kònnen. 

Bei ihnen konnte Himmler seine hàufige Veràrgemng und 
seinen Unmut iiber die Waffen-SS abreagieren, zumal sie selbst 
mit Neid auf diese sahen und nach Aufgaben militàrischer Art 
suchten, wenngleich sie nicht bereit waren, auf ihre hohen SS- 
Dienstgrade zu verzichten und als Soldaten an der Front zu die- 
nen. Bei ihnen fand er auch am leichtesten Gehòr mit der For- 
mel, mit der er seinen eigenen Fanatismus umkleidete: »Gut ist, 
was Deutschland niitzt!« 

Unter dieser Devise begeht er schliefilich die scheufilichsten 
Verbrechen. Aber er fliichtet sich in die Anonymitàt und voll- 
zieht sie unter dem Siegel schàrfster Geheimhaltung gewisser- 
mafien im Dunkel der Nacht. Er hat seinem Volke hiermit nicht 
»geniitzt«, vielmehr unermefilichen Schaden zugefligt! 

Peinlich genau suchte er sich daflir die Helfershelfer aus und 
wies sie persònlich und ohne Zeugen in ihre verbrecherischen 
Aufgaben ein. Er fand sie in Ehrgeizlingen, Primitiven und Bm- 
talen. Der Rest sind meist ungliickselige Befehlsausflihrer. 


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Vor der Waffen-SS hat Himmler seine verbrecherischen Wei- 
sungen und Handlungen angstlich verborgen. Insgeheim aber 
hinterging er sie schon im Jahre 1941 in schmahlicher Weise, 
um diesen Betmg an ihr in den nachsten Jahren standig fortzu- 
setzen. 

Im Frieden bestanden zwischen der damaligen Verfligungs- 
tmppe und den Wachtmppen der Konzentrationslager iiber- 
haupt keine Beziehungen. Die Distanz war so groB, dafi es kaum 
menschliche Kontakte gab, von kameradschaftlichen oder ge- 
sellschaftlichen ganz zu schweigen. Von der Organisation der KZ 
hatte die VT nur nebelhafte Vorstellungen. Wie das Verhaltnis 
zwischen dem inneren Lagerpersonal - also den eigentlichen 
KZ-Wachtern, die fast durchweg aus alten Haudegen der friihe- 
ren Allgemeinen SS bestanden - und den Wachtruppen, die 
das KZ nicht betreten durften und die àuBere Lagerbewachung 
durchfiihrten, dienstlich geregelt gewesen ist, war der VT unbe- 
kannt 130 . 

Die Angehòrigen der Wachtmppen waren junge Mànner, die 
in einem hilfspolizeilichen Arbeitsverhàltnis standen. Ihrer 
Wehipflicht mufiten sie im Heere geniigen und kehrten dann in 
der Regel in ihr hilfspolizeiliches Arbeitsverhàltnis zuriick und 
blieben Reservisten des Heeres, hatten also auch mit der VT 
selbst wehrmàfiig nichts zu tun. 

Himmler hat oftmals hòhere Offiziere des Heeres zum Be- 
such der damals vorhandenen KZ's eingeladen, sie persònlich 
hemmgefiihrt und ihnen seine Ansichten und Methoden iiber 
eine moderne Sicherheitsverwahmng offen dargelegt, wobei er 
mit Eigenlob nicht gerade sparsam umging. Damals - also bis 
1938 - ist es meines Wissens niemals vorgekommen, daB Offi- 
ziere der VT zu solchen Veranstaltungen eingeladen worden 
sind. Alles, was man damals hòrte, mufite den Glauben erwek- 
ken, dafi die KZ Institutionen des Strafvollzuges waren, in 
denen ein scharfer, aber korrekter Arbeits- und Verwaltungs- 

130 s. IV. Teil, Dokumentation, Abs. B., Aussage Brill. 


betrieb herrsche. Niemand ist auf den Gedanken gekommen, 
dafi sie jemals der Menschenvernichtung dienen sollten. 

Noch im August 1942 hat Himmler zu seinem Busenfreunde 
Felix Kersten erklàrt, die Mannschaflen der KZ hàtten mit der 
Waffen-SS nicht das geringste zu tun. »Das ist eine vollstàn- 
dig eigene Trnppe. Sie tràgt nur die Uniform der SS, aber mit 
besonderen Àrmelstreifen. Etatmàfiig miissen diese jungen Màn- 
ner jedoch irgendwo gefiihrt werden. Sie sind daher auf den 
Etat der Waffen-SS iibemommen (!) worden 131 .« 

In diesem Gespràch nahm Himmler iibrigens auf den Befehl 
Hitlers Bezug, dafi jeder nur das wissen diirfe, was fiir ihn und 
seine Aufgabe unbedingt notwendig sei. »Ich will nicht, dafi die 
Mànner und Offiziere der Waffen-SS mit Dingen belastet wer- 
den, die sie nicht verstehen und nicht beurteilen kònnen.« 

Erst nach dem Kriege erfuhr die Waffen-SS durch die beim 
Niirnberger Prozefi bekannt gewordenen Tatbestànde von der 
im Kriege erfolgten, nominellen Einreihung dieses Personals in 
den Haushalt der Waffen-SS und die sich daraus fiir sie ergeben- 
de geheime Belastung. Es war das eingetreten, was Kersten 
Himmler seinerzeit geantwortet hatte, dafi nàmlich solche Ver- 
filzungen destmktiv, statt konstmktiv wirken miifiten. 

Dieser schamlose Betmg ist aber nicht der einzige, den sich 
Himmler gegeniiber der Waffen-SS geleistet hat. Je mehr er in 
Wehrdingen freie Hand bekam, umso willkiirlicher verfuhr er 
selbst gegeniiber der Armee. So lòste er im Verlauf des Krieges 
die jiingeren Jahrgànge aus dem Wachdienst in den KZ's her- 
aus, um sie dem Frontdienst zuzufiihren und liefi sie durch àltere 
Jahrgànge des Heeres ersetzen, so dafi schliefilich von 34 000 
Wachmannschaften 6000 den àlteren hilfsdienstverpflichteten 
Angehòrigen der Allgemeinen SS oder der Veteranen-Organisa- 
tion des »Kyffhàuser-Bundes« und 24 000 den àltesten Jahr- 
gàngen des Heeres entstammten, die in der Regel Familienvàter 

131 s. Felix Kersten »Totenkopf und Treue« Gesprache in Shitomir im 
August 1942. S. 311 u. 312. 


234 


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waren und damit von Himmler in einen tragischen Konflikt 
zwischen Gehorsam und Gewissen hineingetrieben worden 
sind 132 . 

Als Befehlshaber des Ersatzheeres lieB er sich eine weitere 
Verletzung der Treuepflicht gegeniiber der Waffen-SS zu schul- 
den kommen. So unterstellte er die Kriegsgefangenenlager, die 
nach internationalem Recht nur den Militardienststellen der 
Gewahrsamsmacht unterstehen durften, den »Hòheren SS- und 
Polizeifiihrern« machte diese damit zu Befehlshabern des Kriegs- 
gefangenenwesens und ihrer deutschen Wachtruppen. 

Um den internationalen Rechtsbestimmungen formell zu 
entsprechen, verlieh er diesen neben dem ihnen zustehenden Ti- 
tel »General der Polizei« noch die zusatzliche Bezeichnung »und 
der Waffen-SS« und verwirrte damit erneut das organisatorische 
Bild dieser Trappe, ohne daf.ì diese davon Kenntnis erhielt. Auch 
das war fur sie eine der Uberraschungen, die der Niirnberger 
Prozefi ihr bescherte. 

Zu solchen Hinterhaltigkeiten gesellten sich die offenbaren 
Treuelosigkeiten, die er gegeniiber den Freiwilligen der besetz- 
ten Lànder beging. Als diese jungen Mànner sich freiwillig und 
ohne jede Verpflichtung zum Kampf gegen den Bolschewismus 
und damit zum Wehidienst in den deutschen Streitkràften mel- 
deten, taten sie dies nur in der Hoffnung, sie kònnten durch ih- 
ren Fronteinsatz das ihrige zur zukiinftigen Freiheit ihres Hei- 
matlandes beitragen. Durch Blutopfer wollten sie der Freiheit 
ihres Volkes eine Gasse bahnen. 

Himmler hatte diese Hoffnung immer genàhrt. Mochten die 
Befehlshaber der Freiwilligen aber noch so dringlich auf deren 
Erfiillung hinweisen, ihre Fordemngen wurden iiberhòrt. Ein 
solches Handeln und die Tatsache, daB Himmler noch nicht ein- 
mal den Versuch dazu machte, ihnen wenigstens andeutungs- 
weise eine gewisse Zusicherung fiir deren zukiinftige Erfiillung 
zu geben, haben letztlich dazu gefiihrt, dafi die Freiwilligen in 

132 s. Band 20 der Documents of Major War Criminals Niimberg 1946 
Teil IV Dokumentation, Abschnitt D. 


ihren Vòlkern als Volksverràter betrachtet wurden und als sol- 
che spàter schweren, seelischen und kòrperlichen Drangsaliemn- 
gen ausgesetzt worden sind. 

Nicht weniger leichtfertig ging er - als er bereits die Macht 
dazu hatte - mit dem Schutz derjenigen Volksdeutschen Men- 
schengmppen um, deren Jugend in der Waffen-SS Wehrdienst 
leistete. Zum Schutze Siebenbiirgens war nichts Ernsthaftes ge- 
schehen. Ebenso war es in der Batschka. Nichts war rechtzeitig 
veranlaflt, um die Familien der Freiwilligen in Sicherheit zu 
bringen. Was geschah, erfolgte auf Veranlassung von gerade 
dort zufàllig eingesetzten Frontbefehlshabern im BewuBtsein 
der Verantwortung gegeniiber diesen deutschen Menschen. 

Und schlieBlich entstand in Himmlers Gehirn noch ein 
wahnwitziger Plan, den er mit den Soldaten der Waffen-SS, 
aber auch solchen des Heeres vorhatte. 

»Wenn wir einmal Frieden haben werden«, so sagte er noch 
im April 1945 zu dem Obersten der Waffen-SS Peiper gelegent- 
lich einer dienstlichen Meldung desselben, »dann werden wir in 
Berlin eine glanzvolle Siegesfeier abhalten. Auch Teile der Waf- 
fen-SS werden daran teilnehmen, insbesondere die >Leibstan- 
darte<. 

Aber das sage ich fhnen: wir werden es dann so machen, daB 
Sie alle ihre Waffen abgeben miissen und auf Ubungsplàtze 
verlegt werden, wo exerziert wird, daB es nur so raucht. Die 
>Leibstandarte< wird in Dòberitz untergebracht sein und am 
Tage der Parade von dort nach Berlin marschieren, an der 
Stadtgrenze Gewehre erhalten, an der Parade teilnehmen, durch 
Berlin durchmarschieren und sofort auf einem Berliner Bahnhof 
nach dem Osten verladen werden. Dort werden sie sich an den 
Grenzen eine neue Heimat schaffen. fn Wehrdòrfern werden 
sie zusammenleben und einen lebendigen Wall an der Grenze 
GroBdeutschlands bilden 133 .« 

133 Peiper erzàhlte diese Tatsache dem Verfasser im Januar 1962 ge- 
legentlich der Beisetzung des Generalmajors Kurt Meyer in Hagen (West- 
falen). 


236 


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Ein solcher Plan hatte schon lange in seinem Kopf hemm- 
gespukt. Bereits 1942 hatte er sich geriichtweise an der Front 
hemmgesprochen. Nur wurde er dort nicht ernst genommen. Nie- 
mand konnte es sich vorstellen, dafi im Zeitalter der Technik 
Gedanken erwogen werden konnten, die sich die alte K.u.K. Mi- 
litargrenze auf dem Balkan vor 200 Jahren zum Vorbild neh- 
men wtirde 134 . 

Wer sich aber ernsthafter damit auseinandersetzte, erkannte 
nicht nur das Utopische, sondern auch das Gefàhrliche an die- 
sem Plan. Uber kurz oder lang mufiten solche Siedler entweder 
im fremden Volkstum untergehen oder in einen unversòhnli- 
chen Gegensatz zu dem Gastvolk geraten, das der gleiche Himm- 
ler einmal zu »Untermenschen« hatte degradieren wollen. 

Von der damals an der Front laut gewordenen Opposition 
berichtet der Schriftsteller Jiirgen Thorwald, daB Generale der 
Waffen-SS Himmlers Plan von einem germanischen Ostreich 
schàrfstens angegriffen und offen als »Quark« bezeichnet 
hàtten 135 . 

Genau so scharf wàre Himmlers Broschiire »Der Unter- 
mensch« angegriffen worden. »Unsere Mànner drauBen«, so 
sagte der Chef einer SS-Propaganda-Einheit, Gunter d'Alquen, 
damals zu ihm, »wissen nicht, wo sie ihren Kopf lassen 
sollen. Sie kònnen mir glauben, wenn sie diese Broschiire sehen, 
dann werden sie sehr laut und einfach fragen: Die uns so zu- 
setzen und bessere Panzer haben als wir und auch sonst ganz 
gut in Taktik und Strategie auf der Hòhe sind, das sollten lau- 
ter Untermenschen sein? Was sind wir denn fìir schlechte Ober- 
menschen!« 

134 s. Jiirgen Thorwald »Wen sie verderben wollen« S. 350 u. 351. 

135 Schon im Jahre 1942 hat Himmler seinen Busenfreund Kersten von 
einem solchen Plan unterrichtet. Kersten nimmt dazu auf S. 163 des Buches 
»Totenkopf und Treue« zu Himmlers Geheimsekretàr Dr. Brandt in seiner 
niichternen Art Stellung. 

»Das sind Ideologien, an denen er wenig Freude haben wird, Opposition 
und Widerstand werden die Folge sein«. 


So wahnwitzig solche MaBnahmen und Plàne, die willkiir- 
lich aus einer Reihe anderer herausgegriffen sind, anmuten, so 
teuflisch sind seine Handlungen gegeniiber ganzen Menschen- 
grnppen, insbesondere gegen die Juden gewesen. Hierbei ent- 
wickelt er nicht nur diabolische Gedanken, sondern geht auch 
mit einem teuflischen Raffmement zu Werke. So geschickt er- 
weist er sich in der Geheimhaltung und Tarnung solcher Verbre- 
chen. Fiir sie schafft er eine streng geheime Sonderorganisation, 
mit deren Taten er den deutschen Namen in der ganzen Welt 
geschàndet und nicht nur die Waffen-SS in ein kollektives Zwie- 
licht gestellt 136 , sondern dem ganzen deutschen Volk eine be- 
diiickende Biirde aufgelegt hat. 

Nicht weniger raffiniert verbirgt er das Liebesnest, das er 
sich just zur gleichen Zeit baute, als die Soldaten der Waffen-SS 
im Glauben an eine anstàndige Fiihrung zu Tausenden starben. 
Am Ende betriigt er schlieBlich Alle und Jeden. Seine Familie, 
seinen Fiihrer und sich selbst. 

Doch am 19. Màrz 1945 schlàgt ihm das Gewissen. Klagend 
sagt er zu seinem Vertrauten Kersten: »Die Verluste der Waf- 
fen-SS sind unerhòrt. In der Kriegsgeschichte aller Zeiten gibt 
es keine Armee, die solche Blutopfer gebracht hat. Jeder dritte 
Mann ist tot.« - 

Auf Kerstens Hinweis, daB der Ausgang des Krieges jetzt 
wohl nicht mehr zweifelhaft sei, schlàgt sein Triibsinn in der 
nàchsten Sekunde wieder in einen hemmungslosen Optimismus 
um. Er ergeht sich in wahnwitzigen Phantasien. 

»Sagen Sie das nicht«, erwiderte er. »Noch kann sich alles 
zum Guten wenden. Auch wenn es augenblicklich sehr triibe aus- 
sieht. Sollte aber Anderes iiber uns verhàngt sein, dann ist es am 
besten, wenn inmitten dieses ganzen Weltunterganges die Waf- 
fen-SS bis zum letzten Manne fàllt, wie die Ostgoten am Vesuv. 
Denn was sollen diese Mànner dann noch in dieser trostlos 
werdenden Welt.« 

136 Felix Kersten nennt Himmlers Verhalten gegeniiber der Waffen-SS 
»eine folgenschwere Hypothek« S. 299 des Buches »Totenkopf und Treue«. 


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»Ich nehme an«, antwortete Kersten, »da!3 Sie als erster 
fallen werden, wie einst der letzten Ostgotenkònig, der schwarze 
Teja.« 

Im Mai 1945 verbarg sich Himmler - allein herumirrend 
- unter dem Namen Hitzinger, um sein Leben zu retten und 
nahm Gift, als er schlieBlich entdeckt worden war. 

Wiirde man diesen Mann vor ein Gericht der Waffen-SS 
stellen, so wiirde ihm aus tausenden von Kehlen das Urteil ent- 
gegenschallen: 

»Schuldig des Verrats am Deutschen Volk!« 

»Schuldig des Verrats an der Waffen-SS« 


III. Teil 


Die Folgen 


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10. Kapitel 

Der Kampf gegen die Entrechtung 

Es liegt im Wesen des totalen Krieges, dafi er auch immer 
nur mit der totalen Niederlage des Schwàcheren enden kann. 
Total und brutal, wie er unter Einsatz aller Volkskràfte und 
Mittel bis zur Erschòpfung geflihrt wird, bedeutet auch sein 
Ende die vòllige Niederwerfung des Gegners, die Zerstòmng 
seines gesamten kriegerischen Potentials und die Zerschlagung 
der Wirtschaftskraft des besiegten Volkes. 

Im 18. Jahrhundert waren die Kriege noch reine Kabinetts- 
kriege gewesen. In ihnen kàmpften die Heere um Kabinettsin- 
teressen der Monarchen und um strittige Territorien, iiber deren 
Besitz beim FriedensschluB entschieden wurde. Der Kiieg voll- 
zog sich in den abgezirkelten Formen des damals iiblichen Kon- 
ventionalismus. Mit seinem Ende war auch die Feindschaft zwi- 
schen Monarchen und Heeren begraben. Die Vòlker waren an 
diesem kriegerischen Geschehen nur mittelbar beteiligt, wenn 
sie auch schwer zu leiden hatten, wo immer die Geifiel des Krie- 
ges sie traf. 

Erst das Hòrnersignal der franzòsischen Revolution,»Allons, 
Enfants de la Patrie!«, rief das ganze Volk zu den Waffen. Zum 
ersten Male appellierten die Rufer der Revolution an das Na- 
tionalgefiihl des Volkes, entziindeten in den Herzen der Solda- 
ten einen nationalen Ehrgeiz und stachelten ihre Leidenschaften 
an. Man hàmmerte es ihnen ein, dafi sie den Gegner nieder- 
werfen sollten, um ihm die eigenen, revolutionàren Ideen auf- 
zuzwingen und ihn zur Freiheit und mòglichst zur eigenen 
Staatsform zu bekehren. 


Napoleon kam gleichzeitig als Sieger, Befreier und Herrscher 
in eroberte Lànder, um sich schliefilich als Unterdriicker der Frei- 
heit zu entpuppen. Zunàchst waren zwar seine Friedensschliisse 
am Anfang seines Siegeszuges durch Europa das wohlabgewo- 
gene Ergebnis seiner Kriegfuhrung und einer Politik, die er zu- 
kiinftig weiter verfolgen wollte. Sie waren mafivoll, wenn er 
ein versòhnliches Verhàltnis zu dem Staat anstrebte, den er be- 
siegt hatte, und unerbittlich, wenn er seinen Gegner zu zerschla- 
gen beabsichtigte. 

Im Frieden von Tilsit enthiillte der Kaiser jedoch bereits 
sein diktatorisches Gesicht. Er wollte Preufien vernichten, in- 
dem er es territorial vierteilte und militàrisch so entmachtete, 
dafi es flir ihn keine Gefahr mehr sein oder werden konnte. 

Zwar unterschàtzte er letzten Endes doch die moralischen 
Kràfìe der Besiegten, wie die meisten Gewalthaber im Rausche 
der Macht; aber er làhmte den Staat und den Willen des Kò- 
nigs so sehr, dafi sie ohne elementare Ereignisse zu einer Auf- 
lehnung gegeniiber der Fremdherrschaft kaum fàhig gewesen 
wàren. Nach Napoleons Sturz standen alle Friedensschliisse des 
19. Jahrhunderts noch unter dem Zeichen des Mafihaltens. Kei- 
ner von ihnen bedrohte die Existenz der besiegten Vòlker, wenn 
man ihnen auch strittige Territorien abnahm. 

Erst nach dem ersten Weltkriege, der schon im Zeichen der 
beginnenden Totalitàt stand, iiberschritten die Siegermàchte 
jene Grenzen und kniipften an den Vernichtungsgedanken der 
spàtnapoleonischen Zeit wieder an. Der Frieden von Tilsit und 
der Versailler Vertrag zeigen nach Geist und Methoden manche 
Àhnlichkeiten! 

Zum erstenmal wurde auch hier die alleinige »Schuld« am 
Kiiege dem Besiegten zugeschoben, zum erstenmal auch seine 
militàrischen Befehlshaber als »Kriegsverbrecher« unter Ankla- 
ge gestellt. Damals iiberliefi man sie allerdings noch der besieg- 
ten Nation, die jedoch noch so viel Selbstbewufitsein besafi, dafi 
sie einen Mann wie Hindenburg zwar anklagte, die Anklage 


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243 



aber bald fallen liel.ì. Eine Strafverfolgung nachgeordneter mili- 
tarischer Organe wurde gar nicht ernsthaft erwogen. 

Der zweite Weltkrieg greift iiber diesen Rahmen weit hin- 
aus. Wie im Anfang dieses Zeitalters, so machten auch in dieser 
Spatzeit der Epoche alle Kiiegfiihrenden den Krieg zu einem 
Weltanschauungskrieg, zu einem Kampf der Ideologien. Da- 
durch wurde er in allen seinen Formen und Auswirkungen wahr- 
haft total, denn er war nicht mehr allein auf die Uberwin- 
dung der feindlichen Streitkrafte gerichtet, sondern sollte das 
ganze feindliche Volk niederwerfen. Ihm sollte nicht nur die 
militarische Macht genommen, sondern auch seine Wirtschaft, 
seine Volkskraft und seine Moral so zerschlagen werden, daB 
es fìir mehrere Menschenalter ohnmachtig am Boden liegen wiir- 
de. Demnach richteten sich auch die Kriegsverbrecherprozesse 
nicht allein gegen die individuell schuldig Gewordenen, sondern 
sollten nicht zuletzt Moral und Wiirde des besiegten Volkes tref- 
fen und es seiner Willenskrafìe berauben. 

Nach Ausrottung des deutschen Wehrpotentials war es we- 
der nòtig noch mòglich, die ganze deutsche Armee in den An- 
klagezustand zu versetzen. Der erstrebte Zweck wurde genau 
so gut erreicht, indem man sie in den Augen des Deutschen 
Volkes planmafiig herabsetzte und nur einzelne prominente 
Fiihrungsgruppen aufdie Anklagebank zerrte. 

Die Waffen-SS, die den Alliierten auf dem Kampffeld wohl 
die meisten Schwierigkeiten bereitet hatte, sollte aber nicht so 
billig davon kommen. In ihr beflirchtete man den starksten 
Zusammenhalt, setzte die starkste Kameradschaft voraus und 
meinte, bei ihr auf die starksten Energien zu treffen. Deshalb 
mufite sie vor der ganzen Welt und vor dem eigenen Volk so 
diffamiert werden, dafi sie das Kainszeichen der Geachteten 
nicht mehr loswerden konnte. 

Zwar hatten die feindlichen Soldaten der Waffen-SS nichts 
anderes vorzuwerfen, als dafi sie am besten gekampft 
hatte. Ihre Kampfmoral und ihre kameradschaftlichen Qualità- 
ten waren den feindlichen Soldaten auch zu genau bekannt ge- 


wesen, als dafi man sie deshalb nicht respektiert hàtte. Selbst in 
den Gefangenenlagern hatte man ihre mannhafte Haltung ge- 
geniiber dem Sieger gewiirdigt und ihr deshalb sogar mancherorts 
ein gewisses Wohlwollen gezeigt. Was die Soldaten aber von ih- 
rem soldatischen Gegner dachten, war fur die Politik bedeutungs- 
los. Diese wollte ihre òffentliche Ausschaltung und handelte dem- 
entsprechend. 

Allerdings hatte die Waffen-SS in ihrer Masse im Kriege 
fair gekàmpft. Wie bei jeder Millionenarmee, so war auch sie 
nicht gànzlich gegen vereinzelte Ubergriffe und Kriegsrechtsver- 
letzungen gefeit; doch waren diese so offenkundige Ausnahmen, 
dafi man dieserhalb nicht die ganze Truppe kollektiv verurtei- 
len konnte. Andererseits konnte man sie auch nicht aus dem 
Gesamtrahmen der deutschen Streitkràfte streichen, da man sie 
ja im Kriege zu ihnen gezàhlt und vòlkerrechtlich als einen Teil 
derselben anerkannt hatte. Himmler hatte zwar seinem ganzen 
sicherheitspolizeilichen Apparat im Felde àhnliche Uniformen 
gegeben. Doch auch der amerikanische C.I.C. und C.I.D. und 
der britische Secret Service trugen armeeàhnliche Uniformen, ob- 
wohl auch sie - genau wie die deutschen Sicherheitsorgane - 
mit den Streitkràften nichts gemein hatten. Zudem hatten 150000 
Gefangene der ehemaligen Waffen-SS eidlich bekundet, dafi sie 
weder die Sicherheitspolizei nàher gekannt, noch von ihrem Wir- 
ken und manchen Schandtaten Kenntnis gehabt hàtten. 

Ein mutiger Anwalt hatte diese Erklàmngen dem Niirnber- 
ger Tribunal auf den Tisch gelegt. An ihnen vermag auch heute 
kein Historiker vorbeizugehen. 

Da war aber der »Fall Malmedy«, wird einem oft entgegen- 
gehalten: In der Ardennen-Offensive war die »Panzergruppe 
Peiper« der 1. SS-Panzerdivision »Leibstandarte« nach gelun- 
genem Durchbmch durch die feindlichen Linien tief in das 
feindliche Hinterland vorgestofien und hatte dort eine heil- 
lose Verwimmg hervorgemfen. 

So traf die vorbrechende Panzerspitze am 17. Dezember 1944 


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fruhmorgens auch auf eine feindliche Marschkolonne und zer- 
sprengte sie. Eine Anzahl amerikanischer Soldaten ergab sich, 
andere fliichteten. Die Gefangenen wurden nach mckwàrts ein- 
gewiesen und sollten, wie dies im Panzerkriege iiblich ist, ohne 
Bewachung zuriickmarschieren, wàhrend die Panzerspitze wei- 
terrollte. 

Zehn Minuten spàter folgte die Panzervorhut, erblickte den 
Zug amerikanischer Soldaten im Morgennebel, hielt sie wohl 
fur eine anriickende Feindtmppe und beschofi sie mit MG-Feu- 
er. Erst beim Nàherkommen bemerkte man, dafi es sich um ent- 
waffnete Soldaten handelte, von denen ein Teil nach dem Be- 
richt des amerikanischen Leutnants Larg noch zu fliichten ver- 
sucht hat. 

Spàter wurden an dieser Stelle 71 gefallene amerikanische 
Soldaten aufgefunden. Es konnte niemals festgestellt werden, 
- wie dies auch in der Veròffentlichung des Instituts fur Zeit- 
geschichte »Hitlers Lagebesprechungen« zum Ausdmck kommt - 
welcher von ihnen schon beim ersten gefechtsmàfiigen Zusam- 
menstofi gefallen war, wer spàter bei der Flucht im MG-Feuer 
fiel oder ob jemand widerrechtlich erschossen worden war. 
Trotz der zahlreichen Widerspriiche und Unklarheiten wurde 
die Tmppe angeklagt. 

In der Voruntersuchung legten dann sogar mehrere ange- 
klagte, junge Soldaten ein Gestàndnis ab, widerriefen diese 
Gestàndnisse aber bald wieder glaubwiirdig, da sie ihnen unter 
schwersten kòrperlichen Repressalien, die bis zur bmtalen Pei- 
nigung gingen, abgenòtigt worden waren. 

Mit solchen »Gestàndnissen« glaubte man endlich den Gmnd 
gefunden zu haben, um der Waffen-SS den Prozefi machen und 
der Weltòffentlichkeit den Beweis ihres verbrecherischen Cha- 
rakters liefern zu kònnen. 

Schon Monate vorher hatte der amerikanische First-Lieut- 
nant Pearl - der Untersuchungsflihrer - den Kommandeur 
der »Panzergmppe Peiper« in einem Gefangenlager vernom- 
men und dabei erklàrt: 


»Um eine Handhabe fur die fakultative Ausschaltung der 
gesamten SS zu bekommen, wird man sie in Niirnberg zur ver- 
brecherischen Organisation erklàren. Gegen die Waffen-SS als 
solche habe man zwar nach Haager Landkriegsordnung noch 
keine rechtliche Handhabe. Doch wiirden die Malmedy-Vor- 
kommnisse zweifelsohne dazu beitragen.« 

Wie Pearl es damals voraussagte, wurde die ganze Waffen- 
SS dieserhalb kollektiv vemrteilt. Seitdem lastet dieses Urteil 
als schwere Biirde auf jedem ihrer Soldaten und ihren ganzen 
Sippen. 

* 

Jahre spàter wurden die Bemfssoldaten der ehemaligen Waf- 
fen-SS vor ihrer Entlassung aus dem »automatischen Arrest« 
vor deutsche Spmchgerichte gezerrt. Jetzt mufiten sie schon hò- 
ren, dafi man sie mit den Untaten der KZ-Schergen und ande- 
rer Institutionen Himmlers in Verbindung brachte. Fast durch- 
weg ohne jede individuelle Schuld, wurden die meisten von ihnen 
allein wegen »Zugehòrigkeit zu einer verbrecherischen Organi- 
sation« vemrteilt und erhielten daflir - insbesondere in der 
britischen Zone - Gefàngnisstrafen. 

Allerdings gab es auch Richter, die sich von dem Niirnber- 
ger Verdammungsurteil nicht beeinflussen liefien und die Ange- 
klagten von persònlicher Schuld frei sprachen. Die Spmchkam- 
mern in der amerikanischen Besatzungszone, die von Laienrich- 
tern besetzt waren und meist aus Gegnern des Nationalsozia- 
lismus bestanden - unter ihnen auch zahlreiche Kommunisten 
und undurchsichtige Gestalten - urteilten oftmals gerechter als 
die Spmchgerichte der britischen Zone. Dort hatten die meisten 
Beschuldigten Geldstrafen zu entrichten, obwohl sie sich frei von 
jeder Schuld wufiten und im Augenblick der Entlassung mittel- 
los waren. 

Bei der Riickkehr in das bùrgerliche Leben fanden sie bei 
einer Vielzahl von Menschen bereits ein fertiges, vorgefafites 
Urteil ùber sich und ihre Tmppe vor und mufiten durch eine 


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emeute Verdammungswelle - nur diesmal nicht gerichtlicher, 
sondem òffentlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art - 
hindurch. 

Ihre Familien waren, meist ihrer Wohnungen beraubt, ir- 
gendwo untergekrochen. An ein geregeltes Familienleben war 
in den meisten Fàllen nicht zu denken. Arbeitserlaubnis gab es 
nur fur »niedere« Arbeiten. Gewerbescheine wurden nur in Aus- 
nahmefàllen erteilt. Ehemalige Offiziere waren vom Studium 
ausgeschlossen. Das passive Wahlrecht war ihnen entzogen. Wo 
sie anklopften, um Arbeit zu suchen, blieben die Tiiren ver- 
schlossen. Beamte und Private zeigten ihnen die kalte Schulter. 

GewiB, das ganze deutsche Volk litt damals schwer. Es gab 
Schicksale genug, die nicht minder hart waren. Aber diese wa- 
ren wenigstens nicht mit einer zusàtzlichen Diffamiemng ver- 
bunden. Ihre Bedràngnis hòrte in den meisten Fàllen einmal 
auf. Der entlassene Soldat der Waffen-SS aber muBte jeden 
Augenblick damit rechnen, seine Existenz, die er sich muhsam 
wieder geschaffen hatte, - und mochte sie noch so kùmmerlich 
sein - wieder zu verlieren, wenn es herauskam, daB er Ange- 
hòriger dieser Tmppe war. 

So kam es, daB der eine oder andere unter fremdem Namen 
arbeitete, um solchen Heimtùcken zu entgehen. Wenn er sich zu 
seiner Tmppe bekennen wollte, kam er oft in eine so groBe, 
innere Bedràngnis, daB er lieber schwieg. Wenn er im Kriege in 
schwierigster Lage seinen Mann gestanden hatte und selbst im 
Gefangenenlager ein aufrechter Mann geblieben war, dann 
muBte er jetzt oftmals sein Rùckgrat beugen, wo es um die 
nackte Existenz und das tàgliche Brot fùr Frau und Kinder ging. 

Familien gingen darùber in die Brùche. Ehen gingen aus- 
einander. Die Seelen der Kinder wurden vergiftet, wenn sie in 
den Schulen von den Untaten im Dritten Reich und die Trup- 
pe ihres Vaters dabei in einem Atemzuge nennen hòrten. 

Wie konnten sie auch wissen, daB eine kollektive Bezichti- 
gung schuldlose Soldaten mit Schuldigen in einen Topf warf! 

So wuchsen die Zweifel in den jungen Herzen oder ihre 


Opposition, wenn sie von ihrem Vater hòrten, daB er ehren- 
haft gekàmpft und bei einer untadeligen Tmppe gedient habe. 
Wer aber klàrte die Kinder der Witwen auf, die keine Antwort 
auf diese dràngenden Fragen wuBten und die nur immer wie- 
der versichem konnten, daB ihre Vàter in Gedanken an Familie 
und Heimat einen ehrenvollen Soldatentod gestorben seien? 

Zu der Bedràngnis des tàglichen Lebens und im familiàren 
Kreise kam ein meist allzudùrftig verhùllter, wirtschaftlicher 
und gesellschaftlicher Boykott, in den die Betroffenen zwangs- 
làufig hineingerieten. Denn der normale Bùrger wollte nur un- 
gem mit »Belasteten« umgehen, mochte er auch noch so sehr von 
ihrer persònlichen Integritàt ùberzeugt sein. Konnte er durch 
solchen Umgang nicht selbst in den Verdacht geraten, mit der 
Vergangenheit sympatisiert zu haben? 

Wie oft geschah es, daB er àngstlich jedem Gespràch auswich, 
das auf die Vergangenheit Bezug hatte und der Gespràchspart- 
ner sich dabei offen zu seiner Truppe bekannte! GewiB ist es 
nur eine makabre Angelegenheit, wenn ein solcher Bekenner 
hinterher vertraulich gefragt wurde: »Aber Sie haben doch kei- 
nen umgebracht? Das trau' ich Ihnen gar nicht zu.« 

Natùrlich ist eine solche Frage grotesk, doch ein typisches 
Zeichen fùr die Tatsache, wie sehr die Propaganda die Menschen 
verwirrt und manche Teile der bùrgerlichen Welt schon so stark 
dem kollektivistischen Denken verfallen sind, daB sie keinen 
Unterschied mehr zwischen Soldaten der Waffen-SS und wirk- 
lich Belasteten zu machen vermògen. Die stàndige, verallge- 
meinemde Kollektivbezeichnung »SS« hat viele bereits sugge- 
stiv so negativ beeinfluBt, daB man in jedem Mitbùrger, der ein- 
mal dazu gehòrte, gleichgùltig wo und in welcher Form, von 
vomeherein einen Verbrecher vermutet. 

Eine solche Begriffskollektivisierung, die ein deutscher Bun- 
desminister einmal ein staatspolitisches Problem nannte, zwang 
den Vorstand der »Hilfsgemeinschaft der ehemaligen Soldaten 
der Waffen-SS (HIAG)« zu folgender òffentlichen Erklàrung 
zum Kollektivbegriff »SS«. 


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»In zahlreichen Denkschriften an die Parteien des Bundes- 
tages haben die Sprecher der ehemaligen Waffen-SS den Rechts- 
status unter Beifligung von Gesetzesunterlagen und eidesstatt- 
lichen Erklàrungen dargelegt. 

Heute sehen sie sich zusàtzlich dazu veranlafit, als Antwort 
auf die stàndigen Kollektivbezeichnungen auch zu dem Kollek- 
tiv-Begriff »SS« Stellung zu nehmen. 

1. Die ehemaligen Feind- und Besatzungsmàchte sahen ihre 
wesentlichste Aufgabe darin, das deutsche Volk umzuerziehen. 
Nach Beendigung dieser psychologischen Òffentlichkeitsarbeit 
hat eine gewisse Sensationspresse sie - bewufit oder unbewufit 
- weiter fortgesetzt. Das deutsche Volk hat solche psychologi- 
schen Beeinflussung zunàchst widerspmchslos iiber sich ergehen 
lassen und sich im Laufe der Zeit daran gewòhnt, derartige 
Schlagworte, Kollektivthesen und Meinungen einfach hinzuneh- 
men. Selbst kritisch veranlagte und um die Wahrheitsfmdung 
ernsthaft bemiihte Persònlichkeiten haben sich diesem stàndig 
wachsenden, psychologischen Einflufi nur schwer entziehen kòn- 
nen. Einer der am meisten gebrauchten Kollektivbegriffe solcher 
Art ist die Bezeichnung »SS«. In ihr wird alles iiber einen 
Kamm geschoren, was jemals mit diesem Kennzeichen etwas zu 
tun hatte. 

2. Nach einer 12jàhrigen Entwicklung zwischen 1933 und 
1945 hat es eine Einheit der »SS« nicht mehr gegeben. Die SS 
war làngst zu einer Fiktion, bestenfalls zu einem blassen Tra- 
ditionsbegriff geworden. Seit 1933 hatte die Nationalsozialisti- 
sche Deutsche Arbeiterpartei damit begonnen, das ganze Staats- 
wesen zu durchdringen. Nur wenige lnstitutionen und Staats- 
diener haben sich diesem Zugriff zu entziehen vermocht. In 
diesem Prozefi hatte die damalige SS den Sektor der Polizei 
mit allen ihren Sparten zu durchsetzen, was im Laufe der Jahre 
planmàfiig erfolgt ist. 

3. Vòllig getrennt davon und abseits dieses Exekutivsek- 
tors entstand aus gesetzesschòpferischer Initiative des Staates 
eine militàrische Neuschòpfung, die SS-Verfligungstmppe. Sie 


entwickelte sich unabhàngig und unter einem eigenen Inspek- 
teur zu einem Teil der Streitkràfte. 

4. Im Kriege wurde sie in »Waffen-SS« umbenannt, die als 
Feldtruppe nichts mehr mit der ehemaligen SS zu tun hatte. Sie 
war praktisch aus dem SS-Geflige ausgeschieden. Demnach fehlt 
heute jede innere Berechtigung dazu, sie kollektiv als »SS« zu 
bezeichnen. Mit den polizeilichen lnstmmenten Himmlers kann 
sie nicht in einen Topf geworfen werden. Gegen die Kollekti- 
visiemng des Begriffes »SS« mufi deshalb im Interesse der ge- 
schichtlichen Wahrheit Einspruch erhoben werden. 

gez. K. Meyer 
1. Bundessprecher 

Eine òffentliche Wirkung hat diese Erklàmng, die hier nur 
im Auszuge wiedergegeben werden konnte, nicht gehabt. Die 
Kollektiv-Verdammung ging weiter. 

Das Urteil von Niirnberg zog, je mehr die Zeit fortschritt, 
seine Kreise bis in die Reihen des Staates und der Regiemng. 
Im Jahre 1954 kiindigte der fìir die Auswahl der hòheren Offi- 
ziere fiir die Bundeswehr zustàndige Personalgutachterausschufi 
Sondermafinahmen gegeniiber den ehemaligen Angehòrigen der 
Waffen-SS òffentlich an. Das Verteidigungsministerium forderte 
schàrfste Uberpriifungsrichtlinien. Eine andere hohe Stelle er- 
klàrte òffentlich: »Auch von denen, die sich gewandelt haben 
und gelàutert sind, mufi erwartet werden, dafi sie auf eine Ver- 
wendung in der Bundeswehr verzichten.« 

Niemand aus den Reihen der hòheren Offiziere der Waffen- 
SS hatte sich damm beworben. Weshalb also diese iiberfliissige 
Feststellung? - 

Entgegen dem Gleichheitsgmndsatz des Gmndgesetzes wur- 
den tatsàchlich Ausnahmebestimmungen fìir die Waffen-SS ge- 
schaffen und òffentlich bekannt gegeben. In ihnen wurden die 
ehemaligen hòheren Offiziere vom Wehrdienst ausgeschlossen 
und damit praktisch als »wehrunwiirdig« erklàrt. Mit vollem 


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Recht erklàrte der dienstàlteste Offizier der ehemaligen Waf- 
fen-SS, Generaloberst a.D. Paul Hausser, am 20. Oktober 
1955 in seiner bekannten, maBvollen Art: 

»Die Veroffentlichung, dafi Bewerber im Generals- oder 
Oberstenrang der fmheren Waffen-SS nicht eingestellt werden 
durfen, muB man als einen unfreundlichen Akt empfinden. 
Die Entscheidung flir diese Dienstgrade liegt ja nur in den Hàn- 
den des Personalgutachter-Ausschusses und nicht beim Verteidi- 
gungsministerium. Sie bedurfte also keiner besonderen Erklà- 
rung. Wahrscheinlich ist sie im optischen Sinne flir das Ausland 
erfolgt. DaB der AusschuB eine Priifung von Fall zu Fall ver- 
weigert und diese Bewerber kollektiv verwirft, muB er mit sei- 
nem politischen Gewissen abmachen.« 

Kann es nach solchen kollektiven Ausnahmebestimmungen 
rechtstaatlicher Organe noch wunder nehmen, daB in kriegsge- 
schichtlichen Tatsachenberichten Verbànde der Waffen-SS fast 
regelmàBig verschwiegen werden und eine bekannte Zeitschrift 
diese Methoden wie folgt begriindet? 

»Wir haben uns immer enthalten, das heifie Eisen >Waffen- 
SS< allzuoft anzufassen. Es stehen im In- und Auslande noch 
allzuviele Ressentiments gegen das Stichwort SS. Solche Ressen- 
timents wiirden die Aufnahme eines noch so objektiven Tat- 
sachenberichtes wesentlich stòren.« 

Es »stòrt« ... Und folglich wird die Geschichte einfach zu- 
rechtgebogen, um sie gefàlliger zu machen! 

In die gleiche Richtung weist die Tatsache, daB man im 
Herbst 1962 bei der Errichtung einer Gedenkstàtte fiir die Deut- 
sche Panzerwaffe im Munsterlager neben den Gedenksteinen 
der Panzerdivisionen des Heeres auch solche der Panzerdivi- 
sionen der Waffen-SS, also einem Drittel der gesamten Panzer- 
truppe der deutschen Streitkràfte, errichten wollte. Von unbe- 
kannter Seite ist diese Absicht unterbunden worden. Die fiir die 
Waffen-SS vorgesehenen Gedenksteine lagerten, zu einem Hau- 
fen gestapelt, am Rande der bereits errichteten Gedenkstàtte. - 


So hat sich im Laufe der letzten 17 Jahre im BewuBtsein der 
Zeitgenossen das Niirnberger Urteil fìir die Waffen-SS erschrek- 
kend ausgewirkt. Was damals eine politische MaBnahme sein 
sollte, fiir die man keinen andern Weg gefunden hat als denje- 
nigen der kollektiven Vemrteilung, ist inzwischen zu einer all- 
gemeinen Schuldbezichtigung geworden, die den Einzelnen mit- 
einbezieht, zu der sich selbst die Richter von Niirnberg nicht 
hatten entschlieBen kònnen. 


Nachgerade zu einer Groteske hat sich inzwischen der drei- 
zehnjàhrige Kampf entwickelt, den die Angehòrigen der frii- 
heren Waffen-SS um ihre Gleichberechtigung als rechtmàfiige 
Soldaten der deutschen Streitkràfte fuhren mùssen. Wenn die 
Versorgungsgesetze des Dritten Reiches fur alle Soldaten und 
Beamten weiterhin Giiltigkeit hatten - fur die Angehòrigen 
der ehemaligen Waffen-SS, fùr die jene einmal genau so Giiltig- 
keit besaBen, galten sie nunmehr nicht mehr. Ihren Kameraden, 
die bei der Bundeswehr dienen, stand man ihre fiùher erworbe- 
nen Rechte zwar zu, den iibrigen verweigert man sie. 

Umsonst hatten sie einmal geglaubt, durch Dienstvertràge 
mit dem Deutschen Reich ein bindendes Rechtsverhàltnis auf 
Gegenseitigkeit eingegangen zu sein. Umsonst hatten sie sich 
zum bemfsmàBigen Wehrdienst iiber lange Zeiten ihres Lebens 
verpflichtet. Gefallene hatten einmal geglaubt, ihre Witwen 
und Waisen versorgt zuiùckgelassen zu haben. Das alles er- 
wies sich nunmehr als lllusion. 

Alle Vertràge waren nicht mehr als ein Fetzen Papier. In- 
zwischen haben alle ehemaligen Staatsdiener ihre Rechtsansprù- 
che durchgesetzt, Soldaten des Heeres, der Marine und der Luft- 
waffe, Arbeitsdienst, Polizei, Gestapo, Beamte und wer auch 
immer. Nur die Waffen-SS ist als Siindenbock iibriggeblieben... 

Wer einmal als Bemfssoldat in fremden Heeren gedient und 
in den deutschen Wehrdienst iibergetreten ist, geniefit heute 
die gleichen Rechte, als habe er von Anfang an der Deutschen 


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Armee angehòrt. Den Bemfssoldaten der Waffen-SS hat man 
ihre in Deutschland erworbenen Rechte abgesprochen. 

Es gab Beamte in leitenden Stellungen genug, die ihren 
Sprechern antworteten, erst mògen sie uberhaupt einmal nach- 
weisen, daf.ì sie »rechtmafiige Soldaten des Reiches« gewesen 
seien. 

Langst hatte Bundeskanzler Dr. Adenauer sie òffentlich als 
Soldaten bezeichnet. Auch der verstorbene Oppositionsflihrer 
Dr. Kurt Schumacher hatte die gleiche Ansicht vertreten. Alle 
Parteien des Parlaments haben Verstandnis gezeigt und Zusa- 
gen gemacht, dafi sie ihr Recht erhalten wiirden. 

So geschah es von Novelle zu Novelle, bis nur noch die Fra- 
ge iibrig blieb, wer denn iiberhaupt noch dagegen sei. Wenn es 
aber zur Entscheidung kam, haben sich alle Versprechungen 
immer wieder als Seifenblasen erwiesen. Und niemand weifi, 
wamm. 

Ist die Wirkung der Propaganda etwa bereits so iibermàchtig 
geworden, dafi die Waffen-SS in alle Ewigkeit verdammt sein 
soll? Kann das Recht im Rechtsstaat teilbar sein und bleiben? 


Die Konstruktion des Hans Buchheim 

Bereits 1955 erschien im »Institut fìir Zeitgeschichte« in 
Miinchen die Arbeit eines jungen Historikers, Hans Buchheim, 
die sich unter dem Titel »Die SS in der Verfassung des Dritten 
Reiches« auch mit der Waffen-SS beschàftigte. Regiemngen, 
Behòrden und Parlamente sind mit ihr damals reichlich belie- 
fert worden 137 . 

Zum erstenmal wird in ihr eine neue Version und Deutung 
der Aufgaben, »der SS« erkennbar. Er nennt sie nàmlich »eine 
von Beginn der 20er Jahre bereits planmàfiig entwickelte Schutz- 

137 Sonderdruck: Hans Buchheim »Dic SS in der Verfassung des Drit- 
ten Reiches« und Aprilhefte 1955 der Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte. 


truppe der Diktatur.« Freimiitig stellt der Verfasser zwar am 
Anfang seiner Schrift fest, dafi alles, was im Dritten Reich iiber 
Stmktur und Stellung der SS veròffentlicht worden sei, iiber 
Belanglosigkeiten nicht hinausgegangen wàre und selbst interes- 
sierte Zeitgenossen nur bruchstiickhafte Kenntnisse und nebel- 
hafte oder gar falsche Vorstellungen iiber sie besessen hàtten. Er 
meinte ferner, dafi auch vor dem internationalen Gerichtshof 
in Niirnberg im Spannungsfeld zwischen Anklage und Vertei- 
digung kein zutreffendes Bild dariiber habe entstehen kònnen, 
denn die Anklage habe immer diejenigen Ziige hervorgehoben, 
die geeignet waren, Einzelne zu belasten, die Verteidigung aber 
»virtuose Fàhigkeiten entwickelt, zu parzellieren, was zusam- 
mengehòrt.« Wàre es doch nur so gewesen! 

Buchheim hat die Atmosphàre von Niimberg nicht miter- 
lebt und bei seinem Studium iibersehen, dafi das Verfahren ganz 
anders war. Die Anklage kam vielmehr vorwiegend mit kollek- 
tiven Belastungen, wàhrend die Verteidigung bemiiht gewesen 
sein mufite, diese abzuwehren und das Verfahren auf individu- 
elle Schuldvorgànge zuruckzufìihren. 

Nicht minder offenherzig gibt Buchheim zu, dafi die Quel- 
lenlage fiir das Studium iiber die SS ungiinstig gewesen sei, da 
»wichtige Einzelheiten und wesentliche Zusammenhànge nie ei- 
nen schriftlichen Niederschlag gefunden haben, das meiste auch 
so im Flufi geblieben ist und kaum durchdacht war, dafi nur auf 
Gmnd von Erinnemngen Vieler ein abgemndetes Bild entste- 
hen kann«. 

Solche Erlebnisse scheinen Herrn Buchheim offenkundig je- 
doch nicht in geniigender Anzahl zur Verfiigung gestanden zu 
haben. Denn er beklagt sich spàter dariiber, dafi ein grofier Teil 
der in Frage kommenden und noch lebenden Zeugen ausseror- 
dentlich zuriickhaltend sei, wobei allerdings festgestellt zu wer- 
den verdient, dafi er die wesentlichsten Zeugen gar nicht erst 
angehòrt hat. 

»So mufi man«, schreiht Buchheim, »von der Entstehungs- 
geschichte ausgehen, da diese Anfànge vieles in ihrer spàteren 


254 


255 



Entwicklung erst verstandlich machen«. Damit entwickelt der 
Interpret kiihn sein eigenes Gedankengebàude, bei dem er aus 
einem Rednerschutz von wenigen Mànnem im Jahre 1925 eine 
vom Staat »emanzipierte SS« entwickelt, die in einem schnur- 
geraden Wege entstanden ist und eine verfassungsrechtliche Stel- 
lungjenseits von Staat und Volk eingenommen haben soll. 

In diesem Gedankengebàude bringt Buchheim nun alles un- 
ter, was Himmler jemals in Personalunion kontrolliert hat, von 
der Allgemeinen SS bis zur Polizei, Sicherheitspolizei und Si- 
cherheitsdienst bis zur Waffen-SS mit ihren 38 Felddivisionen. 
Was also in Niirnberg nicht gelungen ist, will Bucliheim wahr 
machen. Er konstmiert ein einlieitlichcs und geschlossenes Bild 
von einer SS 138 , wie sie gerade nicht gewesen ist und stellt 
vòllig voneinander verschiedene Organisationen unter die ein- 
zige Aufgabe des Schutzes der Diktatur. 

Dabei unterlaufen ihm zwangslàufig eine Fiille von entwick- 
lungsgeschichtlichen Fehlern und somit schlieBlich der schwerste, 
den ein Historiker ùberhaupt machen kann: Mit seinen Kon- 
struktionen leugnet er nàmlich das geschichtliche Element der 
Entwicklung nach den Zeitumstànden, dem jeweiligen Milieu, 
den Einfliissen formender und gestaltender Menschen, den jewei- 
ligen Notwendigkeiten der Zeit, dem Wirken von Kràften und 
Gegenkràften, fordernder und hemmender Vorgànge u.a.m. 
Kurz und gut! Buchheim leugnet den Flul.’i der Geschichte iiber- 
haupt. Fiir ihn gibt es nur gestaltete Geschichte, gewissermaBen 
eine Entwicklungsgeschichte nach Plan, der von einem einzigen 
Gehirn ertiiftelt, von stupiden ungeistigen Schattenfiguren aus- 
gefiihrt und von Anfang bis zu Ende - zwei Jahrzehnte hin- 
durch! - unbeeinfluBt von den jeweiligen Zeitverhàltnissen 
konsequent zu Ende gefùhrt worden ist. 

Dabei bezieht sich der Zeitgeschichtlicher auf die Elaborate 
von wirklichkeitsfremden Ideologen, von denen schon Himm- 

138 GroBzugig wird dabei uber die eidliche Aussage des Generaloberst 
a. D. Hausser vor dem Nùrnberger Gericht liinweggegangen. S. IV. Teil, 
Abschnitt B. 


256 





Mi/ ihren Kameraden des Heeres kehrlen auch die diiiamierlen 
Soldaten der Watlen-SS aus Wjàhriger Geiangenschafl zurùck. 



Ehemalige linnische Freiwillige der Wallen-SS ehren ihre Ge- 
lallenen aul dem Soldalenlriedhol in Tampere. 



Der Verurteille von Maìmedy, ehemaliger Kommandeur des 
SS-Panzer-Regiments 1 »LSSAH«, Oberst Jochen Peiper 


lers Vertrauter Felix Kersten gesagt hat: »Schafft erst einmal 
die furchtbaren, alles verderbenden Theoretiker auf der eigenen 
Seite ab, auch die Theoretiker der SS, damit Vemunft einzieht 139 
und schliefit von àufieren Ràngen und Uniformen àhnlicher Art 
auf eine geschlossene innere Stmktur, obwohl es zwischen allem 
nichts Verbindendes mehr gab und Himmlers primitive, rein 
àufierliche Bindemittel làngst versagt hatten. 

Buchheim geht an der Tatsache vorbei, dafi die verschiedenen 
Teile aus Himmlers unorganischen Arbeitsgebieten zwangslàu- 
fig und organische Gesetzmàfiigkeiten nach bestehenden Not- 
wendigkeiten und dort eingeschmolzen wurden, wo sie nach ih- 
rer staatlichen Aufgabe auch organisch hingehòrten. 

So blieb die Geheime Staatspolizei auch im Dritten Reich 
eine Geheimpolizei, wie zuvor in der Weimarer Republik und 
ist niemals »SS« geworden, mochten ihre Beamten auch neben 
ihren Berufstiteln und Beamtenràngen die Dienstgrade der all- 
gemeinen SS geflihrt haben. Die Schutzpolizei war nach wie vor 
das innere Sicherheitsorgan des Staates und ànderte sich auch 
nicht, als einigen ihrer Offiziere Embleme der SS an ihre Unifor- 
men geheftet und zusàtzliche Dienstgrade der Allgemeinen SS 
verliehen wurden. Nach wie vor blieb auch die Allgemeine SS 
ein Wehrverband, wie sie es immer gewesen war. Der Sicherheits- 
dienst wurde Geheimdienst in einem àhnlichen Organisations- 
aufbau, wie etwa das Deuxième Bureaux in Frankreich oder der 
Secret Service in England. 

Von Anfang ihres geschichtlichen Daseins an gehòrte die 
VT oder Waffen-SS zu den deutschen Streitkràften, war inter- 
national als Teil derselben anerkannt und ist im Kriege aus- 
schliefilich im Kampf gegen den àufieren Feind verwendet 
worden. 

So konnte es Buchheim auch nicht gelingen, den Beweis flir 
eine einheitliche »emanzipierte SS« zu erbringen. Die tatsàch- 
liche Entwicklung und die nackten Tatsachen sprechen gegen ihn. 

139 Felix Kersten »Totenkopf und Treue« S. 319. 


257 




Sicherlich wird Buchheim nicht daran gedacht haben, dafi 
er Hunderttausenden von deutschen Soldaten ein geschichtliches 
Unrecht zugefligt hat. Man wird ihm vielleicht auch glauben 
miissen, dafi er der Geschichte einen Dienst erweisen wollte. Aber 
er mafi mit der Elle wirklichkeitsfremder Theoretiker der Ver- 
gangenheit und richtete sich nach den Wunschbildern iiberspann- 
ter Ideologen, denen die Entwicklung damals langst davongelau- 
fen war. 

Der Wahrheitsfindung hat er leider nicht gedient. Irrtum 
oder Verirrung, das ist hier die Frage. 

Die »Generaìaufgabe« des Dr. Neusiiss-Hunkel 

In der Schriftenreihe des lnstituts fiir politische Wissenschaf- 
ten in Marburg a. d. Lahn erschien 1956 eine andere Arbeit aus 
der Feder von Dr. Neusiiss-Hunkel, die sich ebenfalls mit »der 
SS« beschàftigte. Der Leitfaden, den Hans Buchheim fiir dieses 
Generalthema ein Jahr zuvor aufgezeigt hatte, ist zwar auch 
hier unverkennbar. Doch geht der Verfasser eigene Wege, um 
auf seine Art das Kollektiv und die Einheit »der SS« zu bewei- 
sen. Er bleibt nicht an den billigen Himmlerschen Einheitsbe- 
miihungen hàngen, sondern sucht nach geistigen Zusammenhàn- 
gen, um daraus die innere Einheit »der SS« abzuleiten. Trotz 
aller Verschiedenheiten der Einzelaufgaben, die er zugibt, be- 
miiht er sich, dennoch eine »Generalaufgabe« zu konstruieren. 

So muB die problematische »Ordensideologie« Himmlers 
herhalten, um eine solche Verbindung zu schaffen. Der von 
Himmler einmal aufgezeigte Erziehungs- und Ausbildungsgang 
der jungen Offiziere der Waffen-SS, der nur in einigen Fàllen 
und in den ersten Anfàngen sozusagen als Experiment beschrit- 
ten und bald eingestellt wurde, sollte sie bekràftigen. 

Auch Dr. Neusiiss-Hunkel fàllt auf »Kronzeugen« herein, 
wie z. B. Dr. Best vom ehemaligen Sicherheitsdienst, der fìir 
Fragen der Waffen-SS vòllig unkompetent ist und die Truppe 
gar nicht kannte. 


Er fiihrt ferner das »Handbuch der NSDAP« an, das Irr- 
tiimer iiber lrrtiimer enthàlt. Diesem und Dr. Best blieb die Ent- 
wicklung der Waffen-SS verborgen, da diese sich vorwiegend im 
Kriege vollzog und weder Dr. Best noch der Handbuch-Redak- 
teur je Verbindung zur Front besessen hatten. 

Umso gròfier ist denn auch der Irrtum, dem Dr. Neusiiss- 
Hunkel anheimgefallen ist. So behauptet dieser Autor leicht- 
hin, die Waffen-SS habe einerseits eine militàrische, anderer- 
seits eine »Beherrschungsfunktion« gehabt. 

Nun hat die Waffen-SS im Kriege fast durchweg an der 
Front gestanden. Sie besaB weder Besatzungsorgane noch Be- 
satzungsfunktionen und konnte also auch nicht »beherrschen«. 
Diese Tàtigkeit lag vielmehr den Militàrbefehlshabem, den zivi- 
len Kommissariaten oder Polizeiorganen ob. Tatsache ist hinge- 
gen, daB kein General der Waffen-SS iiber seine rein militàri- 
schen Aufgaben hinweg das Recht oder auch nur die Mòglichkeit 
gehabt hat, sich in »Besatzungs- und Herrschaftsfunktionen« 
anderer Dienststellen einzumischen. Jeder mckwàrtige Militàr- 
befehlshaber oder Reichskommissar hàtte sich das energisch 
verbeten. 

An anderer Stelle behauptet Neusiiss-Hunkel gar, die Waf- 
fen-SS habe eine »terroristische Funktion« ausgeiibt, aber er 
gibt zu, daB beim Kampf im Warschauer Ghetto nur zwei in 
Warschau garnisonierende Ersatzbataillone der Waffen-SS be- 
teiligt gewesen sind, wàhrend Heerestruppen daran mit vier 
Einheiten teilnahmen und die Polizei zwei Verbànde gestellt 
hat. 

Auch die Behauptung, daB die Angehòrigen der Allgemei- 
nen SS im Kriege bei der Waffen-SS Dienst getan hàtten, ist 
unzutreffend. Von 260 000 Angehòrigen der Allgemeinen SS 
waren 170 000 beim Heer eingezogen und nur 36 000 von die- 
sem Kontingent der Waffen-SS iiberlassen worden. Die iibrigen 
waren iiberaltert, unabkòmmlich oder im Polizei- und òffentli- 
chen Dienst tàtig. 

Die Irrtiimer des Dr. Neusiiss-Hunkel sind so zahlreich, daB 


258 


259 



es nicht mòglich ist, sie in diesem Rahmen zu widerlegen. Auch 
Dr. Neususs-Hunkel ist es mit seinem Werk nicht gelungen, 
eine nicht vorhanden gewesene Einheit zwischen dem Partei- 
und Polizeiapparat Himmlers und der Waffen-SS nachtràglich 
oder gar eine »Generalaufgabe« nachzuweisen. So schliefit sein 
Buch mit der resignierten Feststellung: 

»Wenn sich auch das Problem der moralischen Beurteilung 
der Mitgliedschaft - sei es SS, sei es >nur< Waffen-SS, wis- 
senschaftlich nicht lòsen làfit, so sollten die realen politischen 
Lòsungsversuche doch angedeutet werden.« 

Welch historische Sorgfalt! 

* 

Der einfache Soldat der ehemaligen Waffen-SS wird es nie- 
mals begreifen kònnen, dafi deutsche publizistische Organe und 
wissenschaftliche Institutionen sich so krampfhaft bemiihen, ihn 
und seine Truppe aus dem Wehrrahmen herauszubrechen. 

Zunàchst wollte man die Waffen-SS als eine »Parteitruppe« 
abstempeln. Der Versuch hierzu begann schon in den Offizier- 
gefangenenlagern. Er scheiterte, da die Besatzungsmàchte nicht 
mitmachten. Auch die Niirnberger Gerichte haben einen solchen 
Gedankengang gar nicht erwogen. Umsomehr versuchten es al- 
lerdings bestimmte Kreise deutscher Landsleute ... 

Sicherlich sind sich diese nicht der Gefàhrlichkeit eines 
solchen Treibens bewufit gewesen. Denn niemand darf anneh- 
men, dafi sie es wagen, eine Million deutscher Soldaten noch 
nachtràglich in eine vòlkerrechtliche lllegalitàt hineinzustofien. 

1955 war diese Behauptung schon zusammengebrochen, als 
das »Institut fùr Zeitgeschichte« in seiner Streitschrift vom April 
1955 selbst zugeben mufite, dafi die SS-Verfùgungstruppe nie- 
mals eine »Parteitruppe« gewesen sei. Darauf entstand eine neue 
Theorie, die weit gefàhrlicher war. Sie wollte die Waffen-SS 
als »Schutztruppe der Diktatur« abstempeln und in einen festen 
Zusammenhang mit dem Himmlerschen Polizeiapparat bringen. 
Sie bemhte weder auf Gesetzen noch Verordnungen, sondern 


auf vagen Hypothesen, virtuosen Gedankengàngen und unbe- 
wiesenen Unterstellungen. 

Man suchte die Theorie durch Indizien aller Art zu unter- 
mauern und nahm Zeugen zu Hilfe, deren Sachkenntnis nicht 
nur umstritten ist, vielmehr bezweifelt werden mufi. 

Schon in Niirnberg haben 150 000 ehemalige Soldaten der 
Waffen-SS das Gegenteil beeidet. Sie konnten es reinen Gewis- 
sens tun. Einerseits bewiesen die Tatsachen etwas anderes; an- 
dererseits aber vermochte auch niemand einzusehen, wamm eine 
in gleicher Front kàmpfende Truppe eine »Schutztmppe der 
Diktatur« gewesen sein sollte, wàhrend die rechten und linken 
Nachbarverbànde anderer Teile des deutschen Feldheeres es of- 
fenbar nicht waren. 

Hiergegen spricht schon die Erfahrung des gesunden Men- 
schenverstandes, der lehrt, dafi eine Diktatur nicht denkbar ist, 
wenn hinter ihr, sobald sie einmal durch revolutionàren Akt an 
die Macht gebracht wurde, nicht auch die bewaffnete Macht steht. 

Keine Polizeiorganisation - erst recht nicht eine milità- 
rische Verfligungstmppe von weniger als Divisionsstàrke! - 
wird eine Diktatur retten kònnen, wenn die Armee dagegen ist. 
Eine intakte Armee, die von sich behaupten wollte, sie sei wi- 
der ihren Willen selbst das Opfer und schliefilich das Werkzeug 
der Diktatur geworden, kònnte wohl kaum den Anspmch 
darauf erheben, mit solcher Behauptung ernst genommen 
zu werden! 

Umso unbegreiflicher ist es fiir den Soldaten der Waffen-SS 
was Bemfene und Unbemfene stàndig bewegt, sich eifrig dar- 
um zu bemiihen, ihm seine Rechtstellung als Soldat mit ebenso 
fadenscheinigen wie absurden Begmndungen abzusprechen. Denn 
selbst wenn man in Rechnung stellt, dafi die Wehrverfassung 
des Dritten Reiches bemerkenswerte Liicken und Unklarheiten 
aufwies, gibt es doch eine Fiille gesetzlicher Rechtsgmndlagen 
und militàrischer Tatbestànde, die gar keinen Zweifel dariiber 
aufkommen lassen kònnten, dafi die Angehòrigen der Waffen- 


260 


261 



SS, um mit den Worten Bundeskanzler Adenauers zu sprechen, 
»Soldaten waren wie jeder andere auch«! 140 . 

Schliefilich hatte der Soldat der Waffen-SS im Frieden in 
der Verfligungstruppe seiner zweijahrigen gesetzlichen Wehr- 
pflicht geniigt, war in die Wehrgesetzgebung und damit in das 
Staatsgefiige eingegliedert, unterlag dem Militarstrafrecht, er- 
hielt Wehrmachtsbesoldung und schliefilich die gleiche Versor- 
gung wie jeder andere Soldat. 

Im Kriege aber hatte er neben den Kameraden des Heeres, 
der Kriegsmarine und der Luftwaffe an allen Fronten in den 
Verbanden des deutschen Feldheeres, unter dessen Befehlsha- 
bern und den gleichen Kommandobehòrden gekampft und dabei 
im Ziel - fìir das offenkundig beide kampften - keinen Un- 
terschied feststellen kònnen. 

Ab 1945 und bis zum heutigen Tag soll nun aber der eine 
ehrenhaft flir das deutsche Volk, der andere jedoch nur flir einen 
Diktator gekampft haben. So behaupten es jedenfalls Publizisten 
und Zeitgeschichtler der Nachkriegszeit. Wer soll das begreifen? 
Wer kònnte das emst nehmen! 

Diffamierungen ohne Ende 

Es wiirde den Rahmen eines Buches iiberschreiten, wollte 
man auf die Ausfiihrungen und Biicher aller Zeithistoriker und 
Publizisten eingehen, die sich mit der Waffen-SS beschaftigen. 
Im wesentlichen wollen sie auch alle dasselbe . 

Wenn aber Walter Gòrlitz in seinem Buch »Die Waffen-SS« 
behauptete, die SS-Verfiigungstmppe habe »jenseits von Gott, 
Menschenrecht und biirgerlicher Sittlichkeit« gestanden, dann mufi 
man ihm den Vorwurf machen, dafi er Behauptungen aufgestellt 
hat, ohne diese Truppe jemals gekannt zu haben. Sonst kònnte 
diese grobe Entstellung der Wahrheit nicht mòglich gewesen 
sein. Denn die SS-VT stammte mit ihrer Mannschaft aus guten, 

140 Walter Gòrlitz »Die Waffen-SS« S. 15, Arani Verlag. 


staatserhaltenden Volkskreisen von bestem Ruf, war in der 
Truppe im besten soldatischen Geist erzogen worden und stach 
gerade durch eine sauber, menschliche Haltung hervor. Geradezu 
absurd ist es, sie als antireligiòs zu bezeichnen. Vielmehr herrsch- 
te bei ihr eine vòllige Toleranz in religiòsen Dingen getreu der 
Worte Friedrich d. Grofien: »In Preufien kann jeder nach seiner 
Facon selig werden«. 

Der Generaloberst der Waffen-SS Sepp Dietrich ist heute 
noch praktizierender Christ katholischer Konfession; der Ver- 
fasser dieses Buches bekennt sich seit jeher zur evangelischen Re- 
ligionsgemeinschaft. 

Der Anteil der Konfessionen und derjenige der »Gottglau- 
bigen« innerhalb der Waffen-SS entsprach dem Volksdurch- 
schnitt: tìber 80 % gehòrten also einer Konfession an. Wie 
stark also die Ehrfurcht vor Gott in den Reihen dieser Soldaten 
gewesen ist, mòge ein Bericht aus einem sowjetischen Gefange- 
nenlager zeigen, in dem die Soldaten der Waffen-SS - frei von 
jedem Verdacht des Zwanges - ein deutliches Zeichen ihrer in- 
neren Demut vor Gott ablegen. 

»Dicht gedrangt safien wir auf unseren zweistòckigen Holz- 
pritschen, engzusammengeruckt, die anderen auf ein paar mit- 
gebrachten Holzbanken. Die Sowjets hatten uns Manner der 
Waffen-SS in einem besonderen Raum zusammengepfercht. 
Kaum dafi wir einen 50 Centimeter breiten Platz zum Schlafen 
hatten. Glatzkòpfig und hohlwangig safien wir herum, wenn 
wir von der schweren kòrperlichen Arbeit des Tages zuruckge- 
kehrt waren. Unsere verblichenen und von der Arbeit ver- 
schwitzten Anziige unterstrichen noch die elendige Verfassung, 
in der wir uns befanden. Doch die Miidigkeit und der knurrende 
Magen hielten uns nicht davon ab, in der Vorweihnachtszeit 
zusammenzumcken und deutsche Weihnachtslieder zu singen. 

Wir wufiten, dafi die russische Lagerfuhrung uns das ankrei- 
dete. Uns war es bekannt, dafi das antifaschistische Aktiv, diese 
deutschen Handlanger der Sowjets, es uns veriibelten, wenn 
Manner aus andern Baracken zu uns heriiberkamen und sich da- 


262 


263 



ran beteiligten. War es doch ein Schlag gegen die verleumderi- 
sche Propaganda und die Hetze, mit denen sie uns verfolgten, 
denn diese Biittel im Dienst der Sowjets wollten iiber uns rich- 
ten und verlieiien dabei taglich die gerade Bahn des Rechts. 
Hier hart an der Grenze Asiens betrachteten sie uns als Frei- 
wild und einer wie der andere versuchte uns bei jeder Gelegen- 
heit zu schikanieren und zu kranken. 

DaB nun die Kameraden aus anderen Baracken zu uns kamen 
und uns besuchten, war der beste Beweis dafiir, dafi ihre Hetze 
nicht angekommen war. Die Kluft, die sie bewufit unter den Ge- 
fangenen schaffen wollten, erwies sich als unwirksam. Denn alle 
kannten uns von der Front und schatzten unsere Moral und 
Haltung auch hier hinter dem Stacheldraht. Und da kam noch 
etwas anderes hinzu, was wohl in russischer Gefangenschaft au- 
fierst selten war. 

Wir besafien ein Gesangbuch, ein regelrechtes kirchliches Ge- 
sangbuch. Es gehòrte einem unserer Jiingsten, einem Freiwilli- 
gen aus dem Warthegau, dem seine Mutter es mitgegeben hatte, 
als er an die Front gegangen war. Durch alle Filzungen bei je- 
dem Lagerwechsel hatte er es gerettet und bis in unser Lager 
durchgeschleust. Jeder von uns bekam das Gesangbuch von Ro- 
bert ausgeliehen und jeder entdeckte dabei Liederverse, die ihm 
bekannt waren und die ihm gerade in der Gefangenschaft beson- 
ders sinnvoll erschienen. Deshalb hiiteten wir das kleine Buch 
wie einen kostbaren Schatz und ein Geschenk, um das uns viele 
in dem damaligen Elend beneideten. 

So sangen wir damals in den Dezembertagen alljahrlich ge- 
meinsame Lieder. Es war nicht schòn, wie wir sangen, aber wir 
sangen aus vollem Herzen. Und es wiirgte manchen in der 
Kehle und manches Auge wurde dabei nafi. Es war nicht leicht 
fìir uns, 5000 Kilometer von der Heimat entfernt und anschei- 
nend fiir alle Ewigkeit gefangen zu sein. Doch sollten wir in 
Verzweiflung verfallen und dumpf vor uns hinbriiten? Sollten 
wir uns in diesen lichtlosen Jahren der harten Gefangenschaft 
innerlich zerbrechen lassen? 


Deshalb sangen wir im Glauben und in der Hoffnung. Und 
wenn wir nur fiir eine Stunde den Hunger und die Kalte, das 
Ungeziefer und den Stacheldraht dariiber vergafien. Mit un- 
serm Zusammensein und gemeinsamen Singen fanden wir die 
Briicke zur Heimat und fuhlten uns mit ihr wieder verbunden. 
Das Gefùhl des Vergessenseins, das uns oft bedriickte, ver- 
schwand dann plòtzlich und wir fùhlten uns als waren wir zu 
Hause. 

War es unsere Jugend, die uns die Kraft dazu gab, denn wir 
waren gemessen am Altersdurchschnitt des Lagers bei weitem 
die Jiingsten oder der tagliche Dmck, der auf uns lastete und 
nach einem Ventil suchte, unsere innerliche Haltung als Men- 
schen auch in dieser bitteren Zeit und in all dem Unbegreifli- 
chen, was uns geschah, beweisen konnten. - Wir wissen es heute 
nicht mehr. Aber was vorher dunkel und ungewifi war, schien 
uns wieder heller, wenn wir das kleine Buch zur Hand nah- 

141 

men «. 

... isoliert in der deutschen Wehrgeschichte 

Klingt es demgegeniiber nicht wie eine schnòde Hafitirade, 
wenn man in dem Werk eines Wehrwissenschaftlers, der in ei- 
nem Teil seines Buches 142 - von der Wandlung des Soldaten 
zum Kriegertum - schreibt, lesen mufi: 

»Schon in der Gestalt der SS trat der Krieger im Rahmen 
moderner Kampfhandlungen in Erscheinung. Aber diese Ru- 
nenmànner, die - typisches Merkmal des Kriegertums - unter 
magisch-totemistischen Zeichen und als Glàubige eines Fiihrer- 
mythos in den Kampf zogen, waren schlechthin Ausgesonderte. 
Sie waren weder vom Staat, noch vom Kriege gezeugt, sondern 
das dàmonische Produkt der dunkelsten und am schwersten 
zu durchschauenden Kràfte der Bewegung. 

141 Aus der Zeitschrift »Die Kameradschaft« Klagenfurt No. 12/62. 

142 Siehe Werner Picht »Vom Wesen des Krieges u. Kriegswesen der 
Dcutschen« Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart S. 247 u. 248. 


264 


265 



Seinem Urspmng und Wesen nach Gegner des Soldatenttims 
war dieser Kerntmpp des Ftihrers nicht als neue Form des 
Frontkampfertums konzipiert, sondern als verschworene Ge- 
meinschaft, die fur jeden Fiihrerauftrag zur Verfìigung stand. 
Als Waffen-SS Seite an Seite mit Formationen der Wehrmacht 
Jahr um Jahr im Feld, erwies sie sich weder bereit noch fàhig, 
eine Amalganisiemng mit der in Volk und Geschichte verwur- 
zelten Armee einzugehen. 

Und auch zum Kriege vermochten sie nicht in organische 
Beziehung zu treten. Das Zerstòrerische ihrer Besessenheit, das 
auch vor der eigenen Existenz nicht Halt machte und das rea- 
listische Kalkiil ablehnte widersprach der Rationalitàt sinnvol- 
ler Kampffiihrung. Ihre Nichtachtung der durch Sittengesetz 
und Standesehre dem soldatischen Tun gezogenen Grenzen ist 
unvereinbar mit der sittlichen Verantwortung, unter der jedes 
legitime Kàmpfertum steht. Ihre Bindung an ein wurzelloses 
und auf sich selbst bezogenes Fiihrertum bedeutete Lòsung aus 
Volks- und Weltordnung und damit aus der Beziehung auf je- 
den zu rechtfertigenden Gehalt der kàmpferischen Aktion. Als 
sinistrer Sonderfall steht diese Spàtform des Kriegertums iso- 
liert in der deutschen Wehrgeschichte.« 

Wir glauben in diesem Buche nachgewiesen zu haben, dafi 
gerade die Waffen-SS in den kritischen Zeiten des Krieges 
ebensoviel Verantwortung wie Moral gezeigt hat. Werner Picht 
ist es vorbehalten geblieben, durch solche Worte eine Million 
deutscher Jugend aus dem deutschen Volk aussondem zu wol- 
len. Ein wahrlich bemerkenswerter Beitrag zur »Bewàltigung 
der Vergangenheit«! 

Gegenbeweis durch Leistung 

Die Soldaten der ehemaligen Waffen-SS haben auf solche 
unfaBlichen Behauptungen eine ebenso einfache wie klare Ant- 
wort gegeben. Sie haben hart gearbeitet und fiir sich und ihre 
Familien eine solide biirgerliche Existenz geschaffen. Sie haben 


ihre Kinder zu ehrlichen Menschen und guten Deutschen erzo- 
gen und sich in ihrer Liebe zu ihrer Heimat und ihrem Volk we- 
der durch persònliche Unbill noch durch kollektive Benachtei- 
ligung beeintràchtigen lassen. 

Sie haben aus ihrer positiven staatsbiirgerlichen Einstellung 
niemals einen Hehl gemacht, sind nicht in Radikalismus oder 
Nihilismus verfallen und haben sich der Mitarbeit fùr die Frei- 
heit des Landes niemals entzogen. 

Die Soldaten der Waffen-SS haben trotz ihier Ausnahme- 
stellung im Wehrwesen der Gegenwart und Einschrànkung ihrer 
Wehrrechte ihre positive Einstellung zur Wehrhaftigkeit ihres 
Volkes niemals verleugnet 143 . In einer gutorganisierten Hilfs- 
organisation haben sie sich der kameradschaftlichen Verpflich- 
tungen gegeniiber den Hinterbliebenen der Gefallenen, der Wit- 
wen und Kriegsbeschàdigten nicht versagt und nach Kràften 
fiir sie gesorgt. Manche von ihnen haben es inzwischen zu Wohl- 
stand und EinfluB gebracht. Viele stehen heute als Àrzte und 
Juristen, als Wirtschaftler und Industrielle, als Redakteure und 
Kiinstler an verantwortlichen Stellen. 

Ihre alten soldatischen Tugenden haben sie auch im biirger- 
lichen Leben bewahrt. Deshalb trifft auch auf sie der Ausspruch 
eines groBen Mannes der Vergangenheit zu, den er seinen eige- 
nen Freiwilligen einmal gewidmet hat: 

»Uberall wo dieser Mensch in langen und schweren An- 
strengungen tàtig war, hinterlàBt er seinen Mitbiirgern das Bild 
eines Mannes, der iiber die irdischen Werte leicht hinweggeht 
und die moralischen Werte vorzieht; das Vorbild eines Mannes, 
der die Verànderlichkeit des Schicksales leicht ertràgt, um nur 

143 Die »Gesellschaft fur Wehrkunde« wie auch die damalige »Deutsche 
Soldatenzeitung«, die sich die Aufgabe gestellt hatten, den ehedem weit- 
verbreiteten »Ohne Mich«-Standpunkt der Bevòlkerung in Wehrfragen 
zu bekàmpfen, sind durch die Initiative eines Angehòrigen der ehemaligen 
Waffen-SS im Jahre 1951 in Miinchen entstanden. Er schied im Interesse 
dieser Organe aus ilmen freiwillig aus, weil er fur einige staatliche Stellen 
infolge seiner ehemaligen Waffenzugehòrigkeit nicht tragbar erschien. 


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den besten Teil seiner Seele bewahren zu kònnen - die Ach- 
tung vor sich selbst und seiner eigenen Ehie. Eine ehrliche Ar- 
beit auch auf bescheidenem Posten geniigt ihm. Ein standiges 
Streben nach Einklang mit dem eigenen Gewissen, diesen Cha- 
rakterzug hat er aus der Verbriidemng mit dem Tode be- 
halten« 144 . 

11. Kapitel 
Das Fazit 

In ewigem Wechsel vollzieht sich in der Geschichte der 
Ubergang von einem Zeitalter zum andern, nach Gesetzen, die 
wir nicht ergriinden kònnen, wie das »Stirb und Werde« in der 
Natur oder das Kreisen der Gestirne. Selten vollzieht sich diese 
Wandlung still und unbemerkt von den Zeitgenossen; meist 
wird sie begleitet von dem Unbehagen der Menschen, ihrer 
Rastlosigkeit, von Hoffnung und Resignation, vom Kampf 
zwischen alten und neuen Ideen, von Krisen, mitunter auch von 
dem Getòse von Revolutionen oder den FanfarenstòBen der 
Kriegstrompeten, deren grellen Klang wir in unserer Epoche 
zweimal vernommen haben. 

Jedesmal hat der Krieg ein politisches und geistiges Triim- 
merfeld hinterlassen, auf dem muhsam wieder aufgebaut wer- 
den muBte. Und diesmal - im zweiten Weltkriege - schien 
es so, als habe sich das Wort Johann Wolfgang Goethes bewahr- 
heitet, als er im letzten Jahre seines Lebens an seinen Freund 
Eckermann schrieb, er sahe die Zeit kommen, in der Gott keine 
Freude mehr an der Welt habe und er abermals alles zusammen- 
schlagen miisse zu einer verjiingten Schòpfung 145 . 

In diese Zeit sind wir hineingeboren, miissen uns mit ihr ab- 

144 Zitat aus Josef Pilsudski »Erinnerungen und Dokumente « Bd. 4. 

145 Brief an Eckermann vom23. Oktober 1828. 


finden und auseinandersetzen. So diirfte es wohl richtig sein, 
was ein deutscher Geschichtsphilosoph sagte: 

»Wir leben in einer verhangnisschweren Zeit. Die grofiar- 
tigste Geschichtsepoche, nicht nur der Faustischen Kultur West- 
europas mit ihrer ungeheuren Dynamik, sondern um dieserwil- 
len der gesamten Weltgeschichte ist angebrochen, gròBer und 
weit furchtbarer als die Zeiten Càsars und Napoleons. 

Aber wie blind sind die Menschen, iiber die dieses gewaltige 
Schicksal hinwegbraust, sie durcheinanderwirbelt, erhebend oder 
vernichtend. Wer von ihnen sieht und begreift, was mit ihnen 
und um sie hemm geschieht? Was wissen sie alle von der Rich- 
tung, in welche ihr eigenes Schicksal sich bewegt« - wenn diese 
Worte wahr sind, dann werden auch noch kommende Genera- 
tionen durch diese Zeit hindurch miissen 146 . 

Die Soldaten der Waffen-SS waren blutjung, als sie 1939 
die Kriegstrommel zu den Fahnen rief. Fiinf Kriegsjahre folg- 
ten, in denen sie tagtàglich um ihr Leben rangen und ihre To- 
ten in fremde Erde betteten. Sie waren auch noch jung, als sie 
aus dem Kriege zuiùckkehrten und eine neue Welt vorfanden, 
die ihnen mit MiBtrauen, wenn nicht gar mit kaltem HaB 
begegnete. 

Unter solchen Umstànden haben sie den Lebenskampf be- 
gonnen und Familien gegiùndet. Ein Teil ihrer Kinder ist in- 
zwischen bereits herangewachsen. Zu der halben Million ehema- 
liger Soldaten, die iiberlebten, haben sich mehr als zwei Millio- 
nen Menschen ihrer Familien hinzugesellt. Sie tragen ihre Na- 
men und damit das Kainszeichen von Niirnberg. Es vergeht 
kaum ein Tag, an dem sie es nicht spiiren, zu Hause und am Ar- 
beitsplatz: in Stunden der MuBe, wenn sie Entspannung im Fern- 
sehen suchen und dabei sehen und hòren miissen, dafi man sie 
kaltschnàuzig und wahrheitswidrig in Zusammenhang mit den 
Greueltaten der Vergangenheit nennt und die Augen ihrer Kin- 

146 Oswald Spengler: Jahre der Entscheidung I. S. 1. »Der politische 
Horizont«. 


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der dann fragend, manchmal auch zweifelnd auf ihnen rahen; 
in der Zeit der Arbeit, wenn die Arbeitskameraden ihnen mit 
unausgesprochenen Fragen, oft auch mit bohrendem Verdacht 
begegnen. Unter solcher Last zu leben, ist oftmals schwerer, als 
an der Front des Krieges zu stehen oder gefangen zu sein, wo 
der Kamerad das gleiche Schicksal teilte. 

Wissen die Zeitgenossen, was es bedeutet, unter einer solchen 
beleidigenden Biirde Flaltung zu bewahren und sich dagegen 
nicht wehren zu kònnen? Wissen sie, wie viel innere Kraft und 
Selbstbeherrschung dazu gehòrt und wie stark das gute Gewis- 
sen sein mnl.i. um einen solchen Alltag zu bewaltigen? 

Weifi man eigentlich noch, dafi es 2 Millionen Verfemter 
gibt, die schuldlos unter einem solchen Schicksal leiden? Ist 
man sich dariiber klar, dafi eine so hohe Zahl Geàchteter selbst 
fùr ein grofies Volk eine Belastung bedeutet, deren Folgen man 
heute noch gar nicht abzuschàtzen vermag? 

Man komme uns nicht mit der Antwort von dem »wider- 
lichen Selbstmitleid, dem wir Deutsche uns nur allzusehr hin- 
geben«. Man rede auch nicht von dem »Freispruch«, den wir von 
der Geschichte erwarten, die nur unter dem unerforschlichen Ge- 
setz des Herrn steht. Damm geht es hier gewifi nicht! 

In diesen seelischen Bezirken und nach 18 Jahren unablàs- 
siger Verfemung sind solche Entgegnungen nicht mehr ange- 
bracht! 

Gewifi mufi man die Geschichte tragen, wie eine grofie 
deutsche Zeitung 147 meinte. Denn auslòschen kann man sie 
nicht, schon gar nicht »bewàltigen«. Aber Geschichte ist Ganz- 
heit und làfit sich nicht teilen oder gar aufteilen, ganz nach Be- 
lieben. 

So sind die Fragen, die sich gerade denen aufdràngen, die 
im Kriege soviel geopfert haben, bei denen ganze Tmppenteile 
ausgelòscht wurden und die schliefilich noch um ihren guten 

147 »Die Welt« Nr. 71/63. 


Namen als Soldaten betrogen worden sind, ernsthaft und ehrlich 
genug. 

Kann man sie von der religiòsen Warte her finden oder 
von der ethisch-moralischen, vielleicht gar von der politischen 
oder philosophischen? Von allen diesen Ebenen her gibt es ge- 
wichtige Argumente. Doch keines kann dem Ganzen gerecht 
werden. Man mufi schon die geschichtlichen Geschehnisse »in 
die grofien Zusammenhànge der Epoche hineinstellen« und nach 
ihren tiefen Griinden forschen, um den historischen Sinn des 
Ganzen und darin vielleicht auch das eigene Schicksal zu begrei- 
fen. Denn Gott und die Stunde sind iiber uns. 

Als die Glocken in allen Stàdten und Dòrfern des Abend- 
landes vor sechs Jahrzehnten ein neues Jahrhundert einlàuteten, 
da waren die Menschen jener Tage noch erfiillt von der Hoff- 
nung, mit dem neuen Jahrhundert einem Zeitalter des Fort- 
schritts und des Gliicks entgegenzugehen. Schon 14 Jahre danach 
waren solche Hoffnungen zerstoben. Der erste Weltkrieg hatte 
die Menschheit in ein Meer von Blut und Trànen gestiirzt. 
Seitdem hat sich die Welt in zunehmendem Mafie veràndert: Re- 
volutionen, ein neuer Weltkrieg und blutige Biirgerkriege sind 
iiber die Vòlker hinweggegangen und haben ihr politisches, wirt- 
schaftliches, soziologisches und religiòses Lebensgefìige veràn- 
dert. Die Menschen sind dariiber nicht »gliicklicher« geworden. 
Denn die Welt ist im Umbmch und in dieser Welt haben wir 
gelebt! 

Wir wissen, dafi Geschichte sich nach hòheren Gesetzen voll- 
zieht als denen menschlichen Vorbedachts. Auch Hitler, der ein- 
mal aus dem Schofie seines Volkes aufstieg wie ein gleifiender 
Meteor und eine Welt bewegte, ist Faktor dieser Geschichte. Er 
und seine Zeit kommen nicht wieder. »Denn Geschichte wieder- 
holt sich niemals. Das gehòrt zu ihrem Urwesen. Sie kennt wohl 
analoge Erscheinungen, parallel laufende Vorgànge, aber nie- 
mals das gleiche Geschehen 148 «. 

148 s. »Die Welt« Nr. 71/63. 


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In unserer Epoche sind wir durch Hòhen und Tiefen, durch 
eine Welt von hoher Moral und tiefer Unmoral, eine Welle 
edelsten Idealismus und furchtbarsten Verbrechens gegangen 
Deshalb brauchen wir ein Fazit, ein menschliches und sittliches, 
ein soldatisches, ein politisches und vielleicht gar ein geschichtli- 
ches, soweit wir dieses von unserem zeitgenòssischen Stand- 
punkt zu ziehen vermògen. Denn wir brauchen in der Gegen- 
wart und Zukunft einen festen Standort und miissen wissen, 
was Giiltiges blieb! 

Was ist also menschlich geblieben? 

Die Soldaten der Waffen-SS haben nach dem Kriege fast 
durchweg vor dem totalen Nichts gestanden. Wer zehn Jahre 
lang voller Tatkraft und starkem persònlichen Einsatz fiir die 
Zukunft seines Volkes und damit fiir die eigene gearbeitet und 
gekampft hat, fiir den war das Fiasko niederschmetternd, zu- 
mal, wenn er kollektive Verfemung und Herabsetzung seines 
eigenen Ich ernten muBte. Das gilt fiir keinen so sehr als fiir den 
Soldaten der Waffen-SS! 

Gemildert wird dieses harte Erlebnis nur durch die Tatsa- 
che, dafi er sich wie der legendare Ritter zwischen Tod und Teu- 
fel im Kampf zwischen Scylla und Charybdis in einer Epoche 
der schwankenden Moral, der Rechtsverleugnung, der Untaten 
und der Unwahrhaftigkeit den eigenen Charakter bewahrte 
und die GewiBheit mit nach Hause nahm, daB er im BewuBt- 
sein seiner treulich und tapfer erflillten Pflicht mit reinem Ge- 
wissen vor seinem Volke stehen und bestehen kann. 

GewiB nicht jeder! Auch in der Waffen-SS hat es Bòse und 
Schlechte, Halt- und Gewissenlose gegeben. Wer wollte es leug- 
nen? Auch bei dieser Truppe sind Kriegsverbrechen vorgekom- 
men. Doch trotz ihrer Millionenzahl waren es nur Wenige, 
die ihrer Truppe Unehre bereiteten; die Masse hat einen an- 
standigen und fairen Kampf geflihrt. Das festzustellen, erfor- 
dert die Gerechtigkeit, gebietet die Pflicht gegeniiber den Toten, 
den Lebenden und den Kommenden. 

Und in der Mehrzahl haben sie auch den Lebenskampf im 


Biirgerrock bestanden und haben sich darin bewahrt. Bedriickt, 
aber nicht verbittert, geduckt vom Alltag, aber nicht gebrochen, 
geàchtet, doch nicht beleidigt, tragen sie heute das Schicksal, das 
ihnen die Nachkriegszeit in ihrer Selbstgerechtigkeit auferlegte. 
Zweifelnd, aber nicht verzagend sind die Soldaten der Waffen- 
SS entschlossen, es zu wenden, um fìir die Wahrheit zu kàmpfen 
und ihr Recht zu suchen. 

In jedem Falle mògen sie sich der Worte erinnem, die einst 
auch ein Einsamer, der Hauptmann Friedrich v. Erckert als sein 
Lebensgesetz auf einen Zettel schrieb, ehe er im Màrz 1908 im 
Kampfum Siidwestafrika fiel: 

»In erster Linie die gròBte Selbstachtung! 

Nichts Gemeines tun. Leib und Seele rein halten. Sich stets 
beherrschen. Selbstlos, heiter und mutig sein. 

Jede Art von Schmerz still tragen. Sich sagen, daB eine ge- 
rade, aufrechte Haltung auch die ÀuBemng einer geraden, auf- 
rechten Seele ist. 

Sich an einfachen Dingen erfreuen. Nichts Unmògliches 
verlangen. An ein erreichbares Ziel aber Geduld, Ausdauer, kon- 
zentrierten Willen verwenden. 

Bleibe nie im Schmutz. Auch der Beste kann gelegentlich hin- 
einfallen; aber drin bleiben braucht niemand. Geduld und Selbst- 
beherrschung machen das Leben angenehm und wiirdig 149 .« 

Als Soldaten haben die Mànner der Waffen-SS in solchem 
Geist, so wie sie erzogen waren, ihre Pflicht getan, ihre ganze 
Kraft und das Leben dafiir eingesetzt, die drohende totale Nie- 
derlage abzuwenden. Daneben haben sie sich bemiiht, an der 

149 Hauptmann Friedrich v. Erckert meldete sich freiwillig zur kaiserl. 
deutschen Schutztruppe, als der groBe Aufstand der Eingeborenen in Sùd- 
westafrika losbrach. Nach einer Reihe siegreicher Gefechte erhielt er 1907 
den Auftrag die letzte Streitmacht der Aufstàndischen durch die Kalahari 
Wuste zu verfolgen und sie zu schlagen. Am 16. Màrz 1908 stellt er sie und 
warf die Aufstàndischen nieder. Er fiel dabei, gab aber der damaligen 
deutschen Kolonie die Ruhe wieder. (Der Dichter Hans Grimm hinterlieB 
seine ergreifende Geschichte der Nachwelt). 


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Spitze des militarischen Fortschritts zu marschieren und Weg- 
bereiter einer modernen, soldatischen Idee zu sein, ohne die ein 
totaler Krieg kaum iiberwunden werden kann. 

DaB es der Waffen-SS nicht gelungen ist, sich damit durch- 
zusetzen und die militarische Konventionalitat schlieBlich doch 
triumphierte, ist nicht ihre Schuld, wenn es auch heute wie eine 
Ironie des Schicksals scheint, daB eine auf Fortschritt bedachte 
Gegenwart gerade ihr - der jiingsten und modernsten Tmppe 
ihrer Zeit - die soldatische Anerkennung versagen und sie ein- 
fach totschweigen mòchte! Haben ihre Gegner etwa die Wahi- 
heit zu fìirchten? 

Vielleicht war sie erst die zweite Welle eines neuen Soldaten- 
tums in einer Zeit, welche die Masse noch nicht iibei"wunden 
hatte und die noch gegen sie stand. Niemals aber war die Waf- 
fen-SS eine politische Tmppe mit politischen Zielen, wie einst 
die SA oder die vergangene Algerienarmee Frankreichs. 

Die Waffen-SS war Schrittmacher eines neuen Wehrdenkens! 
Damm paBte sie in die militarische Welt ihrer Zeit und deren 
Wehrbegriffe nicht hinein. Sie wollte eine Entwicklung vorweg 
nehmen, die weder damals noch heute Wirklichkeit werden 
konnte, weil die Zeit noch nicht reif war. So waren sie also Sol- 
daten zwischen zwei Wehrepochen, keine Spreu, vielleicht aber 
noch unerflillte Saat. 

* 

Politisch ist die Gegenwart iiber die Einheit und Freiheit 
ganzer Landstriche unseres Vaterlandes und der Heimatlander 
vieler unserer Soldaten brutal hinweggeschritten. Was einmal 
Generationen im SchweiBe ihres Angesichts geschaffen haben, 
wurde in wenigen Jahren zusammengeschlagen. GewiB sind 
menschliches und geschichtliches Versagen von der Schuld hier- 
an nicht freizusprechen. Doch wenn Gott und die Geschichte 
wirklich iiber uns sind, dann haben wir nicht das Recht dazu, 
beckmesserisch mit der Elle zu messen, wo die Geschichte mit 
andem, uns unbekannten MaBen den Weg absteckte. 


Vielleicht ist es ihr tieferer Sinn, zwei gegensatzliche Wel- 
ten und Ideologien, die sich seit einem halben Jahrhundert und 
langer in Widerstreit miteinander befinden und die Menschheit 
damm in ewiger Unmhe halten, gegeniiberzustellen und die 
Entscheidung iiber deren Wert oder Unwert von dieser zu for- 
dern. Vielleicht wird die Menschheit in unserer Epoche endgiil- 
tig vor die Frage gestellt, welchen Weg sie in der Zukunft ein- 
schlagen will. 

Schon im Jahre 1853 schrieb der deutsche Theologe und Phi- 
losoph Bauer 150 die seherischen Worte: 

»Es werden iiber Europa imperialistische Diktatoren Herr 
werden, durch die sich die Frage RuBland oder Europa entschei- 
det.« Er fàhrt dann fort: »Die deutsche und die mssische Frage 
sind die beiden einzigen, lebendigen Fragen des neueren Europa. 
Nur ist die letztere schon so genau formuliert, daB ihre Beant- 
wortung der andern voraus gehen wird und von so einer gro- 
Ben Organisation unterstiitzt, daB die Macht, der ihre Leitung 
unterliegt, den Augenblick bestimmen kann, indem sie die Be- 
antwortung herbeiflihren und den gordischen Knoten durch- 
schlagen wird.« 

Vielleicht sind die Jahre der letzten Entscheidungen schon 
angebrochen und das, was wir bisher erlebten, war nur die erste 
Phase der groBen geistigen Auseinandersetzung gewesen, die in 
dem Kampf der Ideologien zweier Weltmachtgmppen sichtbar 
geworden ist. Ùber unser Land und das Schicksal ihier Menschen 
hinweg haben West und Ost erste Tuchfùhlung miteinander ge- 
nommen und niemand weiB, wohin der Weg sie flihren wird. 

Dennoch zeichnet sich heute - trotz des Wirrwarrs der Ge- 
genwart, trotz mancher falscher Tòne und falscher Entwick- 
lungen ein Weg nach vorwàrts ab. Wo wàre dies erkennbarer, 
als aus der Haltung einer Jugend, die dem Alten abgeschworen 
hat und das Neue erwartet, wenngleich sie auch nach aufien dem 
schnòden Materialismus der Zeit verfallen zu sein scheint! 

150 Bruno Bauer 1809—1882. 


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In einem verjiingten Europa beginnt das Neue Gestalt an- 
zunehmen, einem Europa freier und vereinter Vaterlander, das 
die Soldaten der ehemaligen Waffen-SS schon einmal in ihrem 
Herzen trugen, bevor es die richtige Form gewinnen konnte. Sie 
haben es Seite an Seite erstrebt, dabei gelitten und erduldet und 
ihr Sehnen mit ihrem Blute besiegelt. 

Hitler versuchte das Werk der Einigung zu seinem und unser 
aller Ungliick mit Gewalt und Unterwerfung, also mit Mit- 
teln der Vergangenheit, die keine Berechtigung mehr besaBen. 
Ein Zeitalter, das nach Recht und Freiheit schrie, wollte er mit 
Unrecht und Gewalt meistern. Darum mufite er scheitern. 

Derzeit vollzieht sich der Weg in eine andere Richtung, nach 
neuen MaBstaben und mit andern Methoden. Organisch und 
freiwillig versuchen sich die Vòlker Europas in eine neue Ord- 
nung einzufligen. GewiB unter Schwierigkeiten und Reibungen 
aller Art! 

Aber jeder spiirt, daB es Steuermanner gibt, welche die To- 
talitat dieses Umschwunges begreifen und den richtigen Weg 
zu beschreiten entschlossen sind: Wahre Staatsmanner, die das 
Steuer in das neue Fahiwasser zu lenken verstehen und das Ge- 
setz der europaischen Geschichte im XX. Jahrhundert nach 
vorn tragen wollen. Und es gibt eine Jugend, die einer neuen, 
europaischen Idee der Gleichberechtigung seiner Vòlker in Wiirde 
und Freiheit glàubig zu folgen bereit ist. 

Eine europàische Renaissance erhellt den dunklen Horizont 
der Gegenwart und wirft den goldenen Schimmer der anbre- 
chenden Morgenròte schon iiber die zweifelnden Menschen und 
Vòlker Europas. 

In diesem Ringen um neue Ordnung und Formung kònnen 
die Soldaten der ehemaligen Waffen-SS - wollen sie ihrem Ge- 
setz folgen - nichts anderes tun, als sich mit ihren Herzen in 
die vordere Linie zu stellen. Dieses Wort gilt fur alle jene, die 
sich selbst treu bleiben wollen. Ihre Kinder werden ihrem Bei- 
spiel folgen, um an einem neuen Europa mitzubauen, das allein 
Deutschlands Zukunft verbiirgt. 


Was einst unter widerspruchsvollen und wechselhaften Kon- 
turen keine endgiiltige Form finden durfte und durch Verblen- 
dung einer in ihrem Denken mckwàrtsgerichteten politischen 
Fiihrung nur hoffnungsvoller Anfang sein konnte und unerfull- 
ter Traum bleiben sollte, wird einmal Wirklichkeit werden; eine 
Wirklichkeit voller Jugendfrische und Kraft, weil ihr Weg ge- 
schichtliche Kontinuitàt beweist und zwingend organisch ist. 

So wird das letzte Ergebnis des gewaltigen Aderlasses trotz 
Schmerzen und Trànen, Enttàuschung und Bitterkeit am Ende 
doch die Erfùllung unserer Wùnsche und Tràume, unseres Wag- 
nisses und unserer Hoffnungen wie unseres Kampfes sein. 

Der Schritt in das Neue ist oft nur unter Opfern mòglich. 
Er muB iiber Irrlehren, Irrwege und Irrtùmer hinweg, ehe das 
bessere Morgen anbricht und dessen klare Formen fùr alle Welt 
sichtbar werden. 

Alle Geschichte ist Kampf um das bessere Neue, das mit 
Sicherheit kommt, auch wenn ihre retardierenden Faktoren zeit- 
weilig Riickschritt bedeuten. Wir tragen die Uberzeugung, als 
junge Tmppe modernen Geistes uns der Geschichte gestellt und 
ihren Auftrag begriffen zu haben. 

Die Geschichte aber ist auch ein gerechter Richter. Wir unter- 
werfen uns ihrem Urteil. Mòge sie der Waffen-SS Gerechtigkeit 
widerfahren lassen. 


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IV. Teil 


Dokumentation 



Vorbemerkungen 


Abschnitt A 


1. Der Verfasser des Buches »Das Deutsche Heer von 1939 
bis 1945«, Oberst i. G. der Bundeswehr, Wolf Keilig, stellt auf 
Seite 11 des Sammelteils N. 141 beziiglich der Waffen-SS gmnd- 
sàtzlich fest: 

»In seiner Rede vor dem Reichstag (nach dem Westfeldzug. 
Anm. d. Verf.) sprach Hitler erstmalig bei der Erwàhnung der 
SS-VT von der »Waffen-SS«. Diese neue Bezeichnung wurde 
damit fiir die Truppe verbindlich und nunmehr allgemein ge- 
braucht.« 

In der Folgezeit verschmolzen die SS-VT Divisionen, die SS- 
Totenkopfverbànde (aufier den KZ-Verbànden) und die SS- 
Polizei-Division zu einer organisatorisch einheitlichen Tmppe. 

2. Da Keilig alle greifbaren amtlichen Unterlagen zur Ver- 
fùgung stehen, mufi man auch die zahlenmàfiige Entwicklung 
der Waffen-SS zu ihrer noch feststellbaren Endstàrke als halb- 
offizios bewerten. Demnach zàhlte die Waffen-SS: 


1940 

100 000 Mann 

1942 

330 000 Mann 

Ende 1940 150 000 Mann 

1943 

540 000 Mann 

1941 

220 000 Mann 

1944 

910 000 Mann 

3. Den 

Anteil der Luftwaffe 

und Kriegsmarine am Aufbau 


der Waffen-SS durch Versetzungen beziffert Keilig wie folgt: 

Luftwaffe 40 000 Mann - Kriegsmarine 5 000 Mann. 

Die Versetzungen vom Herr zur Waffen-SS sind nicht an- 
gegeben. Die Versetzungen von der Waffen-SS zu den anderen 
Teilen der deutschen Streitkràfte haben sich in engen Grenzen 
gehalten. 

4. Fiir die Aufschliisselung der Waffen-SS nach Volks und 
Staatszugehorigkeit durften die Angaben des Sachbearbeiters 
fiir Mannschaftspersonalien der Waffen-SS, Brill, vor dem In- 
ternationalen Militàrgericht in Niirnberg am meisten zutreffen. 

(s. hierzu auch Felix Steiner »Die Freiwilligen« Idee und Opfer- 
gang. S. 373). 


Truppeniibersicht iiber die Verbànde der Waffen-SS 


FELDTRUPPE 

I. Oberste Kommandobehorden 

Vom Heer; 

Oberkommando Heeresgruppe G 

Oberbefehlshaber: Generaloberst d. Waffen-SS Hausser 

Oberkommando 7. Armee 

Oberbefehlshaber, zeitweilig 
Generaloberst der Waffen-SS Hausser. 

Oberkommando 11. Panzer-Armee 

Oberbefehlshaber: General der Waffen-SS Steiner. 

Oberkommando Armeegruppe Steiner 

Oberbefehlshaber: General der Waffen-SS Steiner. 

Von der Waffen-SS 

Oberkommando 6. SS-Panzer-Armee 

Oberbefehlshaber: Generaloberst der Waffen-SS Dietrich. 


II. Korps-Stàbe 


I. SS-Panzerkorps »LSSAH« 
II. SS-Panzerkoips 

III. SS-Panzerkorps 

IV. SS-Panzerkorps 

V. SS-Gebirgskorps 


X. SS-Armeekorps 

XI. SS-Armeekorps 

XII. SS-Armeekorps 

XIII. SS-Armeekorps 

XIV. SS-Aimeekorps 


VI. SS-Freiwilligen-Armeekorps 

VII. SS-Panzerkorps 
IX. SS-Waffen-Gebirgskorps 


XV. SS-Armeekorps 

XVII. SS-Armeekorps 
XVIII. SS-Armeekorps 


280 


281 



III. Divisionen 


1. Panzertruppe 

1. SS-Panzerdivision »LSSAH« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. »LSSAH« Nr. I 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »LSSAH« Nr. 2 
SS-Panzer-Rgt. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Sturmgeschutz Abtlg. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Werfer-Abtig. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Panzer-Aufklarungs-Abtlg. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Fla-Abtlg. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Panzerjàger-Abtlg. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Panzer-Pionierbatl. »LSSAH« Nr. 1 
SS-Panzer-Nachrichtenabdg. »LSSAH« Nr. 1 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz in Polen, Westen, Griechenland, Osten, Westen, Ungam 

2. SS-Panzer-Division »Das Reich« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. »Deutschland« Nr. 3 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »DF« Nr. 4 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 2 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 2 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 2 
SS-Werfer-AbUg. Nr. 2 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 2 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 2 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 2 
SS-Panzer-Naclirichten-Abtlg. Nr. 2 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: in Polen, Westen, Jugoslawien, Osten, Westen, Ungam 

3. SS-Panzer-Division »Totenkopf* 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 5 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 6 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 3 
SS-Panzerjàger-Ablg. Nr. 3 


SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 3 
SS-Werfer-Abtlg. Nr. 3 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Ablg. Nr. 3 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 3 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 3 
SS-Panzer-Nachrichten-Abtlg. Nr. 3 
auBerdem SS-Stunngeschutz-Batterie Nr. 3 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: Westen, Osten, Ungarn 

4. SS-Pol. -Panzergrenadier-Division 

SS-Pol.-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 7 
SS-Pol.-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 8 
SS-Pol.-Panzer-Abtlg. Nr. 4 
SS-Pol.-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 4 
SS-Pol.-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 4 
SS-Pol.-Fla-Abtlg. Nr. 4 
SS-Pol.-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 4 
SS-Pol.-Pionierbad. Nr. 4 
SS-Nachrichten-Abtig. (mot.) Nr. 4 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: Westen, Osten, Griechenland, Pommem, WestpreuBen 

5. SS-Panzer-Division »Wiking * 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 9 
SS-Panzergrenadier-Rgt. 10 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 5 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 5 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 5 
SS-Werfer-Abtlg. Nr. 5 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 5 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 5 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 5 
SS-Panzer-Naclirichten-Abtlg. Nr. 5 
auBerdem SS-Stunngeschiitz-Batterie Nr. 5 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

fntegrierter Verband aus Reichsdeutschen, Dànen und Hollàn- 
dem, zeitweilig Finnen als nationaler Verband 
Einsatz: Osten, Ungam 


282 



9. SS-Panzer-Division »Hohenstaufen« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 19 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 20 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 9 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 9 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 9 
SS-Werfer-Abtig. Nr. 9 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 9 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 9 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 9 
SS-Panzer-Nachrichten-Abtlg. Nr. 9 
auBerdem SS-Sturmgeschutz-Batterie Nr. 9 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: im Osten, Westen, Ungarn 


10. SS-Panzer-Division »Frundsberg« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 21 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 22 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 10 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 10 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 10 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 10 
SS-FIa-Abtlg. Nr. 10 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 10 
SS-Panzer-Naclrrichten-Abtlg. Nr. 10 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: im Osten, Westen, Pommern, Sachsen 


11. SS-Panzer-Division »Nordland« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. »Norge« Nr. 23 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »Danmark« Nr. 24 
SS-Panzer-Abtlg. »Flennann v. Salza« Nr. 11 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 11 
(zeitweilig mit 5. SS-Panzer-Abtig. Nr. 503 
als SS-Panzer-Rgt. »H. v. S.« Nr. 11 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 11 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 11 


SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 11 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 11 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 11 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Integrierter Verband aus Reichsdeutschen, Siebenburgern, Dà- 
nen und Norwegern 

Einsatz: Balkan, Osten, Pommern, Berlin 
In Berlin untergegangen 


12. SS-Panzer-Division »H.J.« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 25 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 26 
SS-Panzer-Rgt. Nr. 12 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 12 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 12 
SS-Werfer-Abtig. Nr. 12 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 12 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 12 
SS-Panzer-Pionierbatl. Nr. 12 
SS-Panzer Nachrichten-Abtlg. Nr. 12 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: im Westen und Ungarn 


16. SS-Panzergrenadier-Division »RFSS« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 35 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 36 
SS-Panzer-Abtig. Nr. 16 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 16 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 16 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 16 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 16 
SS-Nachrichten-Abtlg. mot)Nr. 16 
SS-Pionierbatl. Nr. 16 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: Italien und Balkan 


284 



17. SS-Panzergrenadier-Division »Gòtzv. Berlichingen« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 37 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 38 
SS-Panzer-Abtig. Nr. 17 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 17 
SS-Panzer-Artillerie-Rgt. Nr. 17 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 17 
SS-Panzer-Aufklàrungs-Abtlg. Nr. 17 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 17 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 17 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: im Westen 


18. SS-Panzergrenadier-Dìvision »H.W.« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 39 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 40 
SS-Panzer-Abtig. Nr. 18 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 18 
SS-Panzer-Artilleric-Rgt. Nr. 18 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 18 
SS-Aufklàrungs-Abtlg. (mot)Nr. 18 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot)Nr. 18 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 18 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Integrierter Verband aus Reichsdeutschen und Ungamdeutschen 
Einsatz: im Osten 


23. SS-Panzergrenadier-Division »Nederland« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. »de Ruither« Nr. 47 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »General Seyffarth« Nr. 48 
SS-Stunngeschutz-Abtlg. Nr. 54 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 23 
SS-Artillerie-Rgt. (mot) Nr. 54 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 23 
SS-Aufklàmngs-Abtlg. Nr. 54 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 54 


SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 23 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Integrierter Verband aus Reichsdeutschen, Siebenburgem 
und Hollàndern 

Einsatz: Balkan, Osten, Pommern, sùdostwàrts Berlin 

31. SS-Panzergrenadier-Division »Bòhmen und Màhrem 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 78 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 79 
SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 80 
SS-Panzer-Abtlg. Nr. 31 
SS-Sturmgeschùtz-Abtlg. Nr. 31 
SS-Artillerie-Rgt. (mot)Nr. 31 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 31 
SS-Aufklàmngs-Abtlg. (mot) Nr. 31 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 31 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 31 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Einsatz: Tschechoslowakei 

32. SS-Panzergrenadier-Division »30. Januar« 

SS-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 83 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »Schill« Nr. 86 
SS-Panzergrenadier-Rgt. »Falke« Nr. 87 
SS-Artillerie-Rgt. (mot) Nr. 32 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 32 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 32 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 32 
Versorgungs- und Sanitàtstmppen 

Einsatz: sùdostwàrts Berlin 

38. SS-Panzergrenadier-Division »Nibelungen« 
als Kampfgruppe eingesetzt mit: 

1 SS-Panzergrenadier-Rgt. »N« Nr. 38 
1 SS-Panzer-Abtlg. »N« Nr. 38 
SS-Artillerie-Rgt. (mot) »N« Nr. 38 

Einsatz: Sùddeutschland 


286 



In Aufstellung begriffene Panzertmppen 

26. SS-Waffen Paniergrenadier-Division (Ungarische Nr. 2) 

SS-Waffen-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 64 
SS-Waffen-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 65 
SS-Waffen-Panzer-ArtiUerie-Rgt. Nr. 26 

Die Division wurde aus nationalungarischen Freiwilligen 
gebildet. Ihre Aufstellung wurde nicht abgeschlossen. Sie ist in 
Ungarn untergegangen. 

27. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division »Langemarck« 

SS-Freiw. Panzergrenadier-Rgt. Nr. 67 
SS-Freiw.-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 68 
SS-Freiwilhgen-ArtiUerie-Rgt. (mot) Nr. 27 
SS-Freiw.-Panzeijàger-Abtlg. Nr. 27 
SS-Freiw.-Pionierbatl. (mot) Nr. 27 
SS-Freiw.-Nachrichten-Abtlg. (mot.) Nr. 27 
Versorgungs- imd Sanitàtstiuppen 

Nationaler flàmischer Verband 
Einsatz: als Sturmbrigade im Osten; als Division noch an der 
Oderfront eingesetzt 

28. SS-Freiwiììigen Panzergrenadier-Division »Waììonie« 

SS-Freiw.-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 69 
SS-Freiw.-Panzergrenadier-Rgt. Nr. 70 
SS-Freiw.-Aitillerie-Rgt. Nr. 28 
SS-Freiw.-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 28 
SS-Freiw.-Pionierbatl. (mot) Nr. 28 
SS-Freiw.-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 28 
SS-Freiw.-AufMàrungs-Komp. »Wa!lonie« 

Versorgungs- imd Sanitàtstiuppen 

Nationaler wallonischer Verband 
Einsatz: als Sturmbrigade im Osten; als Division in Pommern 

33. SS-Freiwiììigen Grenadier-Division (mot.) »Charlemagne« 
Franzòsische Freiwilligen-Formation rein nationaler Zusam- 
mensetzung war 1941 als Inf.Rgt. in der 7. Inf.-Div. im Einsatz. 


288 


Nach Neuaufstellung als Sturmbrigade (mot.) erneut an der 
Ostfront. 

1945 vor AbschluB der Formiemng als Division in Hinter- 
pommern bei der 2. Armee eingesetzt. Teile verteidigten spàter 
Kolberg, ein neuformiertes Sturmbatl. gehòrte zu den Verteidi- 
gungskràften Berlins. 

2. Kavallerie 

8. SS-Kavallerie-Division »Florian Geyer« 

SS-Kav.-Rgt. Nr. 15 
SS-Kav.-Rgt. Nr. 16 
SS-Kav.-Rgt. Nr. 17 
SS-Kav.-Rgt. Nr. 18 
SS-Aitillerie-Rgt. (mot)Nr. 18 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 18 
SS-Panzer-Aufklànmgs-Abtlg. Nr. 8 
SS-Panzeijàger-Abtlg. Nr. 8 
SS-Pionierbatl. (mot) Nr. 8 
Versorgimgs- imd Sanitàtstruppen 

Einsatz: im Osten und Ungarn; in Budapest untergegangen 

22. SS-Freiwilligen Kavallerie-Division »Maria Theresia« 

SS-Freiw.-Kav.-Rgt Nr. 52 

SS-Freiw.-Kav.-Rgt. Nr. 53 

SS-Freiw.-Kav.-Rgt. Nr. 54 

SS-Freiw.-Kav.-Rgt. Nr. 55 

SS-Freiw.-Aitillerie-Rgt. (mot) Nr. 22 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 22 
SS-Freiw.-Panzer-Aufklànmgs-Abtlg. Nr. 22 
SS-Freiw.-Panzeijàger-Abtlg. Nr. 22 
SS-Freiw.-Pionierbatl. (mot) Nr. 22 
SS-Nachrichten-Abtlg. Nr. 22 
Versorgimgs- imd Sanitàtstiuppen 

Die Division bestand durchweg aus ungarischen Volksdeut- 
schen. Sie trug deshalb die Zusatzbezeichnung »Freiwillige«. 
Spezialeinheiten waren Restdeutsche. 

Einsatz: in Ungarn; in Budapest untergegangen. 


289 



37. SS-Wqffen Kavallerie-Division 


SS-Waffen-Kav.-Rgt. Nr. 93 
SS-Waffen-Kav. Rgt. Nr. 37 
SS-Waffen-Kav.-Rgt. Nr. 94 

In der Anfangsphase der Aufstellung eingesetzt und in Bu- 
dapest untergegangen. Der Verband bestand aus Nationalungarn 

3. Gebirgstruppe 

6. SS-Gebirgs-Division »Nord« 

SS-Gebirgsjager-Rgt. Nr. 11 
SS-Gebirgsjager-Rgt. Nr. 12 
SS-Gebirgs-Aitillerie-Rgt. Nr. 6 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 6 
SS-Gebirgs-Aufklanmgs-Abtlg. (mot) Nr. 6 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 6 
SS-Gebirgs-Pionierbatl. Nr. 6 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 6 
aufierdem: SS-Stmmgeschutz-Batterie Nr. 6 
Gebirgs-, Versorgimgs- imd Sanitatstmppen 

Einsatz: in Lappland, Nordnorwegen, Westen 

7. SS-Freiw. Gebirgsdivision »Prinz Eugen« 

SS-Freiw.-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 13 
SS-Freiw.-Gebirgs-Artillerie-Rgt. Nr. 7 
SS-Freiw.-Gebiigsjàger-Rgt. Nr. 14 
SS-Fla-Abtlg. Nr. 7 

SS-Freiw.-Gebirgs-Aufklàrungsabtlg. (mot) Nr. 7 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 7 
SS-Nachrichten-Abtlg. (mot) Nr. 7 
aufierdem: SS- Stiumgeschiitz-Abtlg. Nr. 7 
Gebirgs-, Versorgungs- und Sanitàtstmppen 

Volksdeutscher Verband aus dem Banat 
Einsatz: Jugoslawien, Montenegro, Kioatien 
Bei der Kapitulation nach Waffenstreckung als Nachhut der 
Herresgmppe Balkan, grol.ìenteils untergegangen. 


13. SS-Waffen Gebirgsjager-Division »Handschar* 


SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 27 
SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 28 
SS-Waffen-Gebirgs-Aitillerie-Rgt. Nr. 13 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 13 
SS-Waffen-Gebirgs-Aufklànmgsabt. (mot)Nr. 13 
SS-Waffen-Gebirgs-Pionierbatl. Nr. 13 
SS-Nachriditen-Abtlg. Nr. 13 
SS-Waffen-Gebirgsversorgungs- imd Sanitàtstmppen 

Nationaler Verband, vorwiegend Mohammedaner aus Bosnien 
Einsatz: Jugoslawien 

21. SS-Wqffen Gebirgsjdger-Division »Skanderbeg« 

SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 50 
SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 51 
SS-Waffen-Gebirgs-Aitillerie-Rgt. Nr. 21 
SS-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 21 
SS-Waffen-Gebirgs-Aufklànmgs-Abtlg. (mot)Nr. 21 
SS-Waffen-Gebirgs-Pionierbatl. Nr. 21 
SS-Nachrichten-Abtlg. Nr. 21 

Nationaler Verband, vorwiegend Albaner 
Einsatz: Balkan 

23. SS-Waffen Gebirgsjàger-Division »Kama« 

SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 56 
SS-Waffen-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 57 
SS-Waffen-Gebiigsjàger-Rgt. Nr. 58 

Nationaler Verband, vorwiegend Kroaten (in Aufstellung) 

24. SS-Gebirgs-Division »Karstjdger« 

SS-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 59 
SS-Gebirgsjàger-Rgt. Nr. 60 

Die Aufstellung konnte nicht abgeschlossen werden. Die Ver- 
bànde operierten als Kampfgruppen im Karstgebirge und wa- 
ren darauf spezialisiert. 


291 



4. Infanterie 


14. SS-Waffen-Grenadier-Division (Ukrainische Nr. 1) 

SS-Waffen-Grenadier-Rgt. (ukr) Nr. 29 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. (ukr) Nr. 30 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. (ukr) Nr. 31 
SS-Waffen-Fusilier-Bad. Nr. 14 
SS-Waffen-Pionierbad. Nr. 14 
SS-Waffen-Artillerie-Rgt. Nr. 14 
SS-Waffen-Panzerjàger-Abtig. Nr. 14 
SS-Waffen-Nachrichten-Abtlg. Nr. 14 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Nationaler Verband 
Einsatz: Osten 

15. SS-Waffen-Grenadier-Division (Lettische Nr. 1) 

SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 32 (lett. Nr. 1) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 33 (lett. Nr. 2) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 34 (lett. Nr. 3) 
SS-Waffen-Fusilier-Batl. Nr. 15 
SS-Waffen-Pionierbatl. Nr. 15 
SS-Waffen-Artillerie-Rgt. Nr. 15 
SS-Waffen-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 15 
SS-Waffen-Nachrichten-Abtlg. Nr. 15 

Nationaler Verband 

Einsatz: Osten und Hinterpommern, Teile in Berlin 

19. SS-Waffen-Grenadier-Division, (Lettische Nr. 2) 

SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 42 (lett. Nr. 4) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 43 (lett. Nr. 5) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 43 (lett. Nr. 6) 
SS-Waffen-Fùsilier-Batl. Nr. 19 (lett. Nr. 6) 


SS-Waffen-Pionierbatl. Nr. 19 
SS-Waffen-Artilleric-Rgt. Nr. 19 (lett. Nr. 2) 
SS-Waffen-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 19 
SS-Waffen-Nachrichten-Abtlg. Nr. 19 

Nationaler Verband 

Einsatz: Osten. In Kurland untergegangen 


20. SS-Waffen-Grenadier-Division (Estnische Nr. 1) 

SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 45 (Estn. Nr. 1) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 46 (Estn. Nr. 2) 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 47 (Estn. Nr. 3) 
SS-Waffen-Fùsilier-Batl. Nr. 20 
SS-Waffen-Pionier-Batl. Nr. 20 
SS-Waffen-Artilleric-Rgt. Nr. 20 (Estn. Nr. 1) 
SS-Waffen-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 20 
SS-Waffen-Nachrichten-Abdg. Nr. 20 
dazu: SS-Sturmgeschùtzbatterie Nr. 20 
SS-Waffen Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Nationaler Verband 
Einsatz im Osten und in Schlesien 


29. SS-Waffen Grenadierdivision »Itaiien« 

Nationaler Verband aus Italienern (nicht voll einsatzbereit) 
Einsatz: Italien 

30. SS-Waffen Grenadier-Division 

SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 75 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 76 
SS-Waffen-Grenadier-Rgt. Nr. 77 
SS-Waffen-Fùsilier-Komp. Nr. 30 
SS-Waffen-Pionierbatl. Nr. 30 
SS-Waffen-Artillerie-Rgt. Nr. 30 
SS-Waffen-Panzerjàger-Abtlg. Nr. 30 



SS-Nachrichten-Abtlg. Nr. 30 
Versorgungs- und Sanitàtstruppen 

Die Division war im wesentlichen aus Volksdeutschen der un- 
garischen Batschka gebildet. Einsatz: Westungam. 

34. SS- Waffen Grenadier-Division »Landstorm Nederland« 

Nationaler Verband, der kurzfristig aufgestellt wurde 
Einsatz: in Elolland 

35. SS-Pol.-Grenadier-Division 

Aus zusammengerafften Polizeiverbànden in Ersatzeinheiten 
der Waffen-SS kurzffistig aufgestellt. 

Einsatz: an der Oderfront. Bei Elalle aufgerieben. 

AuBerdem 1 Bewàhrungseinheit in Brigadestàrke (Brigade Dir- 
lewanger), in der ausschlieBlich straffàllige Waffen-SS und Elee- 
resangehòrige verwendet wurden. 

Einsatz: Oderraum 


IV. Fiihrungstruppen 

a) SS-Fallschirm-Bataillon mit Leichtgeschiitz-Zug 
500,501,502,700 

b) SS-Ski-Bataillon 506 und Norwegisches Ski-Jàger- 
Bataillon (nationale Einheit) 

c) SS-Jagdverbànde Ost, Siidost und Nordwest. 
(Kommandotruppen) 

d) schwere Artillerie-Abteilungen (mot.) 501, 502, 503, 504, 505 
Panzer B-Batterien 501, 506, 507, 

B-Lehr-Batterie 


e) Flak-Abtig. 550 z.b.V. 

Abtlg. Fuhrer-H.-Qu. 

Abtlg. Feldkdo.-Stelle Hochwald. 

f) schwere Panzer-Abteilungen (Kònigstiger), 501, 502, 503 
schwere Panzeijagd-Abteilungen (Tigerjagdpanzer), 560, 561 

g) Werfer-Abteilungen 501, 502, 503, 504, 505, 506 

h) Nachrichtentruppen 
Fùhrungs-Nachrichten-Regiment 500 
Nachrichten-Rgter. 501, 502, 503 

i) Panzer-Instandsetzungskompanien z.b.V. 1,2,3 

k) Dolmetscher-Abteilung 

l) Wachbataillon Berlin, Hochwald, SS-Fùhrungs-Hauptamt 


HEIMATTRUPPEN 

(Ausbildungs- und Ersatzdienststellen) 

I. Kommandobehorden 

a) SS-Fùhrungshauptamt und Waffen-Inspektionen 

b) 6 Befehlshaber der Waffen-SS als regionale Kdo.-Stellen der 
Ausbildungs- und Ersatz-Verbànde 

c) Sanitàtsamt der Waffen-SS 

d) Waffenamt der Waffen-SS 


II. Ausbildungs- und Ersatzverbànde 

SS-Panzergrenadier-Ausbildungs- und Ersatz-Batl. 1, 2, 3, 4, 5 
SS-Gebirgs-Ausbildungs- und Ersatz-Batl. Nr. 6 
SS-Karst.-Ausbildungs- und Ersatz-Abtlg. Nr. 8 


294 


295 



SS-Panzergrenadier-Ausbildungs-u. Ersatzbatl. 9, 10, 11, 12 
SS-Inf.-Geschiitz-Ausbildungs- und Ersatzbtl. Nr. 13 
SS-Panzergrenadier-Ausb,-u. Ersatzbatl. 16, 17,18, 19, 20 
SS-Gebirgsjàger-Ausb. und Ersatzbatl. Nr. 21 
SS-Ausbildungs- und Ersatzbatl. 22, 23, 24, 25, 26, 28, 29 
SS-Panzergrenadier-Ausbildungs- u. Ersatzbatl.30,32,33,34,35 
SS-Inf.-Geschiitz-Ersatzbatl. Nr. 1, Nr. 2 
SS-Werfer-Ausbildungs-Ersatzbatl. Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 
SS-Aufklàrungs- und Ersatzbatl. Nr. 1, Nr. 2 
SS-Artl.-Ausbildungs- und Ersatzregt. Nr. 1, Nr. 2 
SS-Fla-Ausbildungs- und Ersatz-Rgt. Nr. 1 
SS-Pionier-Ausbildungs- und Ersatzbatl. Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 
SS-Nachrichten-Ausbildungs- und Ersatz-Rgt. Nr. 1, Nr. 2 
SS-Kraf tf ahr,- und Ersatz-Abtig. 

SS-Sanitàts-Ausbild.- und Ers.-Abtlg. 

SS-Veterinàr Ersatz-Abtlg. 

SS-Instandsetzungs-Ersatz-Abtlg. 


Artillerie-Schule 1 
Artillerie-Schule II 
Panzerjàger-Schule 
Kavallerie-Schule 
Sanitàts-Schule 
Ingenieur-Schule (W) 


Ingenieur-Schule (K) 

Nachschub-Schule 

Verwaltungs-Schule 

Lehrschmiede 

Nachrichten-Schulen 1 -3 

Pionierschule 


C. Lehranstalten 

Kraftfahrtechnische Lehranstalt 
Waffentechnische Lehranstalt 


D. Lehrtruppen 

Panzergrenadier-Lehrregiment 

Artillerie-Lehr-Rgt. 

Pionierlehrbataillon 


IV, Kommandanturen, Nachschubeinheiten und Depots 


III. Schulen und Lehrtruppen 


A. Fiihrer schulen 

Offz. (SS-Junker) Schulen 6 Komp.-Fuhrer-Schule 1 

Uffz.-Schulen 7 Àrztliche Akademie 1 


B. Waffenschulen 

Panzertruppenschule Waffengrenadierschule 

Panzergrenadierschule Sturmartl. - Schule 


Transportkommandanturen 

Nachschubkommandanturen 

Standort- und Truppen-Ubungsplatzkommandanturen 

Wirtschaftslager und Truppen-Nachschublager 

Flauptsanitàtslager 

Kradfahrparke 

Flauptveterinàrpark 

Lazarette 

Genesungsheime 

Flauptpferdepark 

Pferdeparke 

Pferdelazarette 

Bauleitungen usw. 


296 


297 



Abschnitt B 


Auszug aus den Aussagen der Zeugen der Waffen-SS vor dem 
Internationalen Militàrtribunaì in Niìrnberg am 5. und 6./8. 
1946 (s. Bd. XX der Documents of the Major War Criminals 

S. 3711471) 


Am 5. und 6. August 1946 wurden vom Internationalen 
Gerichtshof in Niirnberg die Zeugen der Waffen-SS zu der 
Kollektiven Anklage der Waffen-SS durch dieses Gericht eidlich 
vernommen. 

Es waren: 

1. Der Generaloberst der Waffen-SS, Paul Hausser, ehemal. 
Oberbefehlshaber einer Heeresgmppe 

2. Der SS-Obersturmbannflihrer (Oberstleutnant der Waffen- 
SS), Brill, Leiter des Erganzungsamtes der Waffen-SS 

3. Der Generalmajor der Waffen-SS Dr. Reinecke, Chefrichter 
im Hauptamt fùr das Gerichtswesen. 

AuBerdem hatten 150000 Soldaten der Waffen-SS aller Ka- 
tegorien aus den Gefangenenlagern der westlichen Siegermachte 
eidesstattlich schriftliche Erklàmngen vor den Gerichtsoffizie- 
ren der Lager im Beisein des Rechtsanwaltes Dr. Babel abgege- 
ben und dem Gericht zugesandt. 135 000 von ihnen sind als 
formgerecht und giiltig bewertet worden. 

Die Aussagen der Zeugen Hausser, Brill und Dr. Reinecke 
wurden beschworen. Sie sind im Originaltext im Band XX der 
Dokumente des Niirnberger Militàrtribunals festgelegt. 

Hier kònnen sie nur auszugsweise wiedergegeben werden. 


298 


Als erster wird der Zeuge Brill aufgemfen und iiber die 
Stàrken der Waffen-SS befragt. 

Seite 371: 

»Bei Kriegsende war die Waffen-SS noch ca. 550 000 Mann 
stark; bis Ende Oktober 1944 sind 320 000 Mann gefallen 
oder schwerstverletzt worden.« 

Seite 375: 

»Aus politischen Griinden traten die wenigsten in die Waf- 
fen-SS ein. Von 1942 ab war das Freiwilligenprinzip nicht mehr 
zu halten. Von diesem Zeitpunkt ab wurde die Mehrzahl ein- 
gezogen.« 

Seite 376: 

»Wir haben einen jungen Mann, der weder der SA noch der 
Allgemeinen SS angehòrte, lieber genommen und bei uns einge- 
stellt, als einen alten Parteigenossen.« 

Seite 377: 

»Die allgemeine SS war ein freiwilliger Verein, die Waffen- 

SS eine Tmppe. In der Waffen-SS dienten etwa 

400 000 Reichsdeutsche 

300 000 Volksdeutsche 

200 000 Angehòrige anderer Vòlker« 

Seite 378: 

»Wir hatten keine Verbindung mit der Partei und nur we- 
nige Parteigenossen in unsem Reihen.« 

Seite 379: 

»Im Jahre 1944 wurde die Masse der noch Kriegsverwen- 
dungsfàhigen aus den Wachmannschaften der Konzentrations- 
lager herausgezogen und fùr den Wehrdienst frei gemacht. Bis 
dahin wurden die Wachmannschaften aus Notdienstverpflichte- 
ten der Allgemeinen SS und des ehemaligen Frontkàmpferbun- 
des >Kyffhàuser< gestellt. 1944 kam ein starkes Kontingent aus 
der Wehrmacht. Es handelte sich meines Wissens zunàchst um 
10 000 Mann. Spàter mehr.« 

Seite 380: 

»Meines Wissens setzten sich die Wachverbànde in den KZs 


299 



im Jahre 1944 aus 6000 Notdienstverpflichteten, 7000 Volks- 
deutschen, 7000 Heeresangehòrigen und einer Anzahl von Luft- 
waffenangehòrigen zusammen. Das Ergànzungsamt der Waffen- 
SS und andere Dienststellen der Waffen-SS uberhaupt haben 
keine Verbindung mit der obersten Spitze der KZ gehabt. Nie- 
mand von uns hatte einen Einblick.« 

Seite 382: 

»Heinrich Himmler hatte ein doppeltes Gesicht. Wir legen 
schàrfste Verwahrung gegen eine Identifiziemng mit ihm und 
seinen Verbrechen ein. Die Alliierten haben uns Mànnern der 
Waffen-SS mit der Aufdeckung dieser Verbrechen ein grofies 
Ràtsel aufgegeben.« 

Seite 386: 

»Die Waffen-SS ist nur hòchst selten und dann in Ausnahme- 
fàllen und in kleinen Verbànden zur Partisanenbekàmpfung 
verwendet worden.« 

Als zweiter Zeuge tritt der Generaloberst Pauì Hausser vor 
die Schranken des Gerichtes. Rechtsanwaìt Dr. Pelkmann fragte 
ihn, ob die SS-Verfligungstruppe als politische Kerntmppe ge- 
dacht sei. 

Seite 393: 

Hausser: »Das trifft nicht zu. Die Verfligungstmppe hatte 
weder politische noch polizeiliche Aufgaben. Sie entwickelte sich 
allmàhlich zu einer Versuchstmppe, welche die bewàhrten, sol- 
datischen Tugenden mit den Anforderungen eines sozialisti- 
schen Zeitalters vereinigte, insbesondere das Verhàltnis zwi- 
schen Offizier und Mann, den Aufstieg von unten ohne beson- 
dere wissenschaftliche Examina und unter Ablehnung jeglicher 
Exklusivitàt neu gestaltete«. 

Seite 397: 

»Schon im Frieden war die Belehrung und Ausbildung iiber 
die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung 
ein Ausbildungsfach. Im Kriege war es nicht anders.« 


Seite 400: 

»Am Partisanenkrieg war die Waffen-SS kaum beteiligt.« 

Seite 405: 

»Anklàger Elvyn Jones verweist auf die Rede Himmlers vor 
dem Offizierskorps des Panzerkorps Hausser nach der Schlacht 
von Charkow im April 43 und zitiert daraus: 

>Diese ausgezeichnete Tmppe, der der Ruf des Schreckens 
und des Terrors bei den Kàmpfen um Charkow voranging, 
wollen wir niemals schwach werden lassen.< 
und fàhrt fort: 

»Und Ihre Einheiten gaben diesem Schreckensmf stàndig 
neue Nahiung. Stimmt das?« 

Hausser: »Nein. Ich habe gerade das Gegenteil gesagt. Ich 
habe es als eine Beschimpfung betrachtet, daB unsere Erfolge 
vom Terror abhàngen sollen. Ich habe im Gegenteil gesagt, daB 
die Erfolge nur durch den tapferen Einsatz von Fiihrer und 
Mann erkàmpft worden seien. 

Die Anklage kettet die Waffen-SS an Himmler und einen 
kleinen Teil von Verbrechern. Sie empfindet das als besonders 
bitter. Denn sie glaubt in ihrer Masse anstàndig und fair ge- 
kàmpft zu haben. Sie riickt von diesen Verbrechen und dem, der 
sie veranlafit hat, weit ab. Ich bitte das Hohe Gericht, hòren 
Sie auf die ÀuBemngen und das Urteil der Frontsoldaten auf 
ihrer Seite. Ich glaube, daB diese uns ihre Achtung nicht versa- 
gen werden. Wo besondere Vorkommnisse vorgekommen sind, 
da waren es Ausnahmen. Die Waffen-SS empfindet es als unge- 
recht, daB sie anders behandelt wird, als die Masse der deutschen 
Wehrmacht.« 

Seite 437: 

Anklàger Elvyn Jones kommt noch einmal auf Himmlers 
Rede von Charkow zu sprechen und auf die Einheit der SS als 
Orden. - Ist das nicht ein wahrheitsgetreues Bild der SS? 

Hausser: »Er sagte nicht - es wàre so - sondern es muB so 
sein und muB so werden. Denn er merkte, daB diese Einheit nicht 
vorhanden war.« 


300 


301 



Elvyn Jones: 

fragt nach Hitlers ÀuBerung iiber die »Staatstruppenpolizei«. 

Hausser: »Das sind Zukunftsgedanken, die niemals verwirk- 
licht worden sind.« 

Seite 450: 

Rechtsanwalt Pelkmann kommt auf Elvyn Jones Fragen 
noch einmal zuriick. 

Hausser: »Ich kenne diese nur aus miindlicher Mitteilung. 
Sie war an Heeresdienststellen gegangen, um anscheinend deren 
Bedenken iiber die Waffen-SS zu beschwichtigen.« 

Seite 451/52: 

Rechtsanwaìt Pelkmann: 

»Kennen Sie einen General namens Steiner?« 

Hausser bejaht. 

Rechtsanwaìt Pelkmann: 

Ich lese Ihnen jetzt das SS-Affidavit No. 1 vor. 

>Wir waren auf einen angeblichen Spion aufmerksam ge- 
macht worden« sagt der Zeuge Walter Kalweit aus, »und ver- 
suchten dabei die Tiir des Nachbarhauses zu òffnen, wo er sich 
aufhalten wiirde. Es gelang uns nicht. Darauf brachen wir ein 
Fenster auf, kletterten in das Haus hinein und durchsuchten es 
vergeblich. Als wir den Irrtum erkannten, verlieBen wir das 
Haus wieder durch das Fenster. Zwei Stunden spater wurden 
wir von zwei Feldwebeln der Feldgendarmerie der Division 
>Wiking< verhaftet. Auf dem Wege zum Divisionsgericht fragten 
wir die Feldpolizei nach dem Gmnde unserer Verhaftung, wo- 
rauf sie antworteten: Die Ukrainische Besitzerin des Hauses 
habe sich beim Divisionsstab beschwert und der Divisionskom- 
mandeur General Steiner darauf hin eine sofortige Untersu- 
chung beantragte.< 

>Beim Divisionsgericht wurden G. und ich durch einen Rich- 
ter vernommen. Dabei erklarte uns der Divisionsrichter, daB 
ein Tagesbefehl des Generals Steiner der ganzen Division ein 
anstandiges und einwandfreies Verhalten gegeniiber der Zivil- 
bevòlkemng zur Pflicht gemacht habe. Man habe geglaubt, daB 


wir dagegen verstoBen hatten. Doch nunmehr seien wir gerecht- 
fertigte.< 

»Kònnen Sie, Herr Zeuge, bestatigen, daB dies die Gmnd- 
haltung aller an der Front eingesetzten Verbande der Waffen-SS 
und derjenigen im riickwartigen Gebiet gewesen ist.« 

Hausser: »Steiner war einer der ersten Kommandeure, der 
unter mir die VT aufgebaut hat. Ich kenne seine strengen Auf- 
fassungen. Diese Auffassung ist von allen Kommandeuren der 
VT und den Angehòrigen der Waffen-SS angewendet worden.« 

Es folgt der Zeuge Reinecke und sagt aus: 

Seite 468: 

»Die Gerichte hatten scharfstens auf Recht und Sitte gehal- 
ten. Auf den Unteroffiziers- und Offiziersschulen ware iiber 
Militarrecht und die Genfer Konvention regelmaBig unterrich- 
tet worden.« 

Seite 469: 

»Himmler ist ein Eingriff in die Rechtssprechung der Waf- 
fen-SS nicht mòglich gewesen. Wenn er einmal - und das kam 
aufierst selten vor - ein Verfahren hat an sich ziehen wollen, 
dann hat sich stets der Rechtsstandpunkt des jeweiligen Ge- 
richts durchgesetzt.« 


302 


303 



Abschnitt C 

Eidesstattliche Erklàrungen militàrischer Sachverstàndiger zum 
Rechtsstatus der Waffen-SS und Ausziige aus denfiir sie gulti- 
gen Gesetzen und Verordmmgen 


Wilhelm Francis Ochsner Miinchen 15, den 4. 5.1958 

Generallt. a. D, Platenstr. 5/1 

Betrifft: Anerkennung der Waffen-SS als Teil der regularen 
Streitkrafte des deutschen Reiches. 

Vom April 1934 bis Marz 1937 war ich Referent fur die 
Friedensorganisation des Fleeres in der Gmppe II (Frieden) der 

2. Abt. Genst. d. Heeres, der Heeresorganisationsabteilung. Der 
Leiter der Gmppe II war damals der jetzige Gen.d.Inf. a. D. 
Walter Biihle. 

Als Bearbeiter der Friedensorganisation d. 2. Abt. Genst. 
d.H. stelle ich fest: 

1. Der erste Verband der SS, der von der Heeresorganisat.- 
Abt. erfafit wurde, war das Rgt. »Leibstandarte SS Adolf Hit- 
ler«. Dieses Rgt. war 1933 aufgestellt worden und wurde von 
unserer Gmppe III. (Mobilmachung) - damaliger Leiter war 
der jetzige Gen. d. lnf. a. d. Stapf - in die Mobilmachungsvor- 
bereitungen fùr 1934 eingearbeitet. 

Damit war also schon 1934 die Waffen-SS als Teil der regu- 
laren Streitkrafte des deutschen Reiches anerkannt. 

2. Aus dem Gesetz iiber die Wehrhoheit des Reiches, das am 
16. 3. 1935 verkiindet worden ist, geht einwandfrei hervor, dafi 
die Verbande der »SS-Verfùgungstruppe«, seit Herbst 1940 
»Waffen-SS« genannt, von vornherein zu den stehenden Streit- 
kraften des Reiches gezahlt worden sind. Das Heer sollte da- 
nach 36 Divisionen umfassen, damnter 1 Div. der SS. 


3. Diese Verkiindigung der damaligen Reichsregiemng ist 
vòlkerrechtlich von allen kriegflihrenden Feindstaaten aner- 
kannt worden. Bei ihm rechnet die Waffen-SS zu den regulà- 
ren Streitkràften des deutschen Reiches, nicht etwa zu Freischa- 
ren oder Partisanen oder dergl. 

4. Am 1. 9. 1939 sind alle Tmppenteile der SS-Verfligungs- 
truppe einschl. ihrer Ersatzformationen mobil gemacht worden. 
Die Tmppenteile der SS (VT) sind beim Heer im Feld einge- 
setzt worden. Die Tmppenteile der SS (VT) einschl. ihrer Er- 
satzformationen traten mit Kriegsausbruch entsprechend den 
Mobilmachungsbestimmungen taktisch unter den Befehl des 
Oberbefehlshabers des Heeres. 

Darnach ist kein Zweifel, dafi die Waffen-SS als Teil der 
regulàren Streitkràfte des deutschen Reiches von 1934 an anzu- 
erkennen ist. 

Das erklàre ich hiermit an Eides statt. 

Wilhelm-Francis Ochsner 
Generallt. a. D. 

Miinchen, den 5. Febmar 1962 


URNr. 559/1962 

Ich beglaubige die Echtheit der vorstehenden Unterschrift 
von Herrn Wilhelm-Francis Ochsner, Generalleutnant a. D. in 
Miinchen 15, Platenstrafie 5, 

iiberzeugend ausgewiesen durch Vorlage seines Reisepasses, aus- 
gestellt von der Stadt Miinchen am 19. 10. 1955 unter Nr. A 
31387/55. 

Miinchen, den flinften Februar neunzehnhundertzweiund- 
sechzig. 

(Mittenzwei) 

Notar 


304 


305 



Friedrich Sixt 

Generalleutnant a. D. Icking/Isartal, den 28. Mai 1958 

Erklàrung 

Im Herbst 1937 wurde ich in die 2. (Org.) Abteilung des 
Generalstabs des Heeres im OKH versetzt und mit der Leitung 
der Gmppe III (Kriegsheer und Mobilmachung) beauftragt. 

Ich fand damals hinsichtlich der SS-Verfligungstmppe fol- 
gende Lage vor, an der sich bis zu meinem Ausscheiden aus der 
Org. Abt. im April 1940 grundsàtzlich auch nichts ànderte: Die 
SS-Verfligungstmppe war Bestandteil der regulàren Streitkràfte 
des Deutschen Reiches. Es waren deshalb alle Vorbereitungen zu 
ihrem etwa erforderlichen Einsatz im Rahmen des Heeres ge- 
troffen. Die Gliedemng, Ausriistung und Ausbildung der Ver- 
fligungstmppe war auch nach den Richtlinien des OKH in die 
Mobilmachungsvorbereitungen einbezogen. Ich erinnere mich ei- 
ner Reihe dienstlicher Besprechungen in diesen Richtungen mit 
dem lnspekteur der SS-Verfligungstmppe, Gmppenflihrer Haus- 
ser und seinem Stabschef Jiittner. 

gez. Friedrich Sixt 

Kurt Brennecke Bonn, den 8.2.1962 

Gen. d. Inf. a. D. Nachtigallenweg 42 

Eidesstattliche Erklàrung 

Diese Erklàmng bezieht sich auf die Zeit von Mai 1935 bis 
Oktober 1938, in der ich Chef des Generalstabes des VII. Ar- 
meekorps (Wehrkreiskommando VII) in Miinchen war. 

Die Folgen einer unrichtigen »eidesstattlichen Erklàrung« 
sind mir klar. 

Zur Sache: 

1. Die SS-Standarte »Deutschland« lag damals in einer Ka- 
serne auf dem Oberwiesenfeld. Eines Tages brachte der Kom- 


mandierende General des VII. A. K., Gen. v. Reichenau, mei- 
nes Wissens aus Berlin den Auftrag mit, das Generalkommando 
habe sich kiinftig damm zu kiimmern, daf.ì bei der Standarte 
»Deutschland« eine der Tmppenausbildung angcpal.ìte militàri- 
sche Gefechtsausbildung durchgefiihit wiirde. Das genaue Da- 
tum dieser Unterrichtung durch den Kommandierenden General 
ist mir nicht mehr bekannt. 

2. Die Uberpriifung des Standes der Gefechtsausbildung er- 
folgte durch Teilnahme an Besichtigungen der verschiedensten 
Ausbildungsstufen. Uber das Ergebnis wurde von Zeit zu Zeit 
an das OKH berichtet. Nach meiner Erinnemng wohnte in 
der Regel der Kommandierende General persònlich den Besich- 
tigungen bei. Es ist mòglich, dafi auch die Kommandeure der 
7. Division und der 1. Gebirgsdivision gelegentlich mit einer 
Teilnahme beauflragt waren. 

Kurt Brennecke 


Kurt Brennecke Bonn, den 8. 2.1962 

Gen. d. Inf. a .D. Nachtigallenweg 42 

Eidesstattliche Erklàrung 

Diese Erklàmng bezieht sich auf die Zeit von 1943 bis 
KriegsschluB, in der ich Kommandeur der »Lehrgànge fur hò- 
here Truppenfuhrung« (Divisionsflihrer und Kommandierende 
Generale mit Koipschefs) war. 

Die Folgen einer unrichtigen eidesstattlichen Erklàmng sind 
mir klar. 

Zur Sache: 

In der genannten Zeit hatte ich etwa 25 Lehrgànge durch- 
zuflihren. Durchschnittlich war jeder Lehrgang mit etwa 20 bis 
25 angehenden hòheren Fiihrern beschickt. Unter diesen befan- 
den sich auch gelegentlich 2 bis 4 hòhere SS-Fiihrer (Standarten- 


306 


307 



flihrer und dariiber), die zu einer Frontverwendung im Rahmen 
eines Brigade- oder Divisionsfiihrers vorgesehen waren. 

Die Teilnehmer erhielten die iibliche Einweisung in neueste 
taktische, technische und Fiihmngsanschauungen. Ferner wurden 
die Fiihrungserfahmngen auf den verschiedenen Kriegsschau- 
platzen und in den verschiedenen Frontabschnitten ausgetauscht. 

Ein abschliefiendes Beurteilungsrecht und Qualifikations- 
recht zur hòheren Tmppenfiihmng hatte ich fiir alle Teilnehmer 
abgelehnt, da hierzu die Zeit zu kurz und das Urteil der Front- 
vorgesetzten zu wichtig und entscheidend war. Lediglich bei 
Teilnehmern, die nach der positiven oder negativen Seite vòl- 
lig aus dem Rahmen fielen, berichtete ich. 

Kurt Brennecke 

Abschnitt D 

Gesetzliche Grundlagen 

Fur die SS-VT besafien folgende Gesetze und Rechtsverord- 
nungen bindende Giiltigkeit: 

a) Rechtsverordnung des Fiihrers und Reichskanzlers 
iiber die Aufstellung der SS-VT im Jahre 1934 

b) Dienstvertrag der Angehòrigen der SS-VT zum Dienst- 
in der SS-VT mit dem Deutschen Reich. 

c) Besoldungsordnung C (Wehrmachtsbesoldungsordnung) v. 

15. 5. 40 

d) Wehrmachtsfiirsorge und Versorgungsgesetz 

e) Militdrstrafgesetz 

f) Verordnung iiber Musterung und Aushebung 
vom 17. 4.1937. 

g) Wehrgesetz vom 21. 5.1935 

h) Bestimmungen iiber den freiwill. Eintritt in die Wehr- 
macht (W. E. B.) 

i) H.D. V. 3/4 R Ges. H. 37 I S. 545 

iiber Waffengebrauch der Wehrmacht 


k) Einsatzwehrmachtsgebiihren-Gesetz, E.W.SS v. 28. 8. 1939 

l) Personenstand- Gesetz vom 3.11. 3 7 

m) H.D.V 131 Neudruck v. 24. 10. 39 
§ 326 Standortdienstvorschrift 

n) Bestimmungen iiber Wehrkarteiwesen 

o) Reichsleistungsgesetz 

p) H.D.V. 81/15 S 9 (2) 

Bei den Freiwilligen flir die Wehrmacht einschl. W.SS wird 
unterschieden 

a) Bewerber flir Offz.-Laufbahn Langer dienende 

b) Bewerber fùr Uffz.-Laufbahn Freiwillige pp. 

q) Wehrmachtstransportleistungsgesetz W.E.O. 

Weder in dem Reichsbeamtengesetz noch im Polizeibeam- 
tengesetz ist jemals ein Zweifel gelassen, dafi Heer pp. und 
SS-VT. (W.SS) rechtsgleich seien. 

Die SS-VT war international, als zu den Streitkràften des 
Reiches gehòrig angemeldet, und zwar 

a) beim Intern. Roten Kreuz 

b) bei den Regierungen anl. Machte (vergl. Botschafter 
Erich Kordt, Wahn u. Wirklichkeit S. 67). 

c) Ihre Angehòrigen sind sowohl in Polen als auch im 
Frankreichfeldzug demgemafi behandelt worden. 


Reichsgesetzblatt 
Teil I Nr. 27 vom 26. Marz 1936 

Verordnung iiber die Mustemng und Aushebung 
vom 21. Marz 1936 (Auszug) 

Auf Gmnd des §37 Abs. 2 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 
1935 (Reichsgesetzbl. I S. 609) und des Erlasses des Fiihrers und 
Reichskanzlers vom 22. Mai 1935 iiber die Ubertragung des 


308 


309 



Verordnungsrechts nach dem Wehrgesetz (Reichsgesetzbl. I 
S. 615) wird die nachstehende Verordnung erlassen, die an die 
Stelle der Verordnung iiber die Musterung und Aushebung 1935 
vom 29. Mai (Reichsgesetzbl. I S. 697) tritt. 

Erster Teil, Wehrpflicht, 1. Abschnitt Dienstpflicht 
§ 2: Gestellungspflicht zur Musterung und Aushebung 
(2) Von den Verpflichtungen nach § 1 Abs. 3 sind die Dienst- 
pflichtigen befreit, die bei Beginn der Dienstpflicht in der Wehr- 
macht, in der Landespolizei oder in der SS-Verfugungstruppe 
aktiv dienen. 

Zweiter Teil, Ersatzwesen, 3. Abschnitt Musterung 
§ 40: Personalpapiere 

(1) Der Dienstpflichtige soll zur Musterung mitbringen: 
i) den Nachweis iiber geleisteten aktiven Dienst in der Wehi- 
macht, Landespolizei oder SS-Verfiigungstruppe, 
k) den Aufnahmeschein als Freiwilliger in der Wehrmacht oder 
SS- Verfiìgungstrnppe. 

§ 45: Einzelheiten zum Mustemngsverfahren 

(1) Bei Dienstpflichtigen, die durch Vorlage des Aufnahme- 
scheins nachweisen, dafi sie bei einem Tmppenteil der Wehrmacht 
oder SS-Verfiigungstruppe als Freiwillige angenommen sind, 
werden nur die Eintràge in den Wehrstammblàttern und -karten 
gepriift und ergànzt. Sie werden nicht mehr àrztlich untersucht. 
Sie erhalten den Wehrpafi nach § 49 Abs. 3. 

Dritter Teil, SchluBvorschriften 
§72 

(1) Diese Verordnung tritt am 1. April 1936 in Kraft. Gleich- 
zeitig tritt die Verordnung iiber die Mustemng und Aushebung 
1935 vom 29. Mai 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 697) aufier Kr'aft. 

Berlin, den 21. Màrz 1936 

Der Reichskriegsminister v. Blomberg 


Reichsgesetzblatt 

Teil I vom 16. Februar 1937, Nr. 21 

Verordnung iiber das Erfassungswesen vom 15. Febmar 1937 

Teil II 

§ 6: Anmeldepflicht 

(1) Der Dienstpflichtige hat sich entsprechend der durch die 
Kreispolizeibehorde erlassenen òffentlichen Bekanntmachung bei 
der polizeilichen Meldebehòrde am Ort seines dauernden Auf- 
enthaltes persònlich zur Anlegung des Wehrstammblatts zwecks 
Ableistung des Reicharbeitsdienstes und des aktiven Wehrdien- 
stes anzumelden. 

(4) Von der Verpflichtung nach Abs. 1 bis 3 sind die Dienst- 
pflichtigen befreit, die zu diesem Zeitpunkt bereits Reichsar- 

beitsdienst leisten oder in der Wehrmacht oder SS-Verfugungs- 
truppe aktiv dienen. 

§ 8: Vorlage der Personalpapiere 
1) Der Pflichtige soll zur Anmeldung mitbringen: 
q) Den Nachweis iiber geleisteten aktiven Dienst in der Wehr- 
macht, Landespolizei oder SS-Verfugungstruppe, 
p) Den Annahmeschein als Freiwilliger der Wehrmacht, des 
Reichsarbeitsdienstes oder der SS-Verfiigungstruppe. 

§ 30: Dienststellenmeldung 

1) Die Tmppenteile der Wehrmacht, die Einheiten der SS-Ver- 
fiigungstruppe und die Abteilungen des Reichsarbeitsdienstes 

haben die Dienststellenmeldung (Formblatt 5) zu erstatten und 
unter Beachtung der Vorschriften des § 5 dem Standesbeamten 
des Geburtsorts des Dienstpflichtigen zu iibersenden. 

Berlin den 15. Februar 1937 

Der Reichskriegsmin. u. Oberbef. d. Wehrmacht 
v. Blomberg 

Der Reichsminister des Innern 
Frick 


310 


311 



Reichsgesetzblatt 
Teil 1 

Ausgegeben zu Berlin den 26. April 1937 Nr. 52 

Verordnung iiber die Musterung und Aushebung 
vom 17. April 1937 (Auszug) 

Teil I Wehrpflicht 

1. Abschnitt: Dienstpflicht 

§ 2: Gestellungspflicht zur Mustemng und Aushebung 

2. Von den Verpflichtungen nach § 1 Abs. 3 sind die Dienst- 
pflichtigen befreit, die bei Beginn der Dienstpflicht in der Wehr- 
macht oder in der SS-Verfugungstruppe aktiv dienen. 

3. Die Dienstpflichtigen, die wàhrend der Aushebung Reichs- 
arbeitsdienst leisten, sind von der Verpflichtung, sich zur Aushe- 
bung zu stellen, befreit, wenn sie den Annahmeschein als Frei- 
williger der Wehrmacht oder der SS-Verfugungstmppe besitzen. 

§ 45: Einzelheiten zum Mustemngsverfahren 

1. Bei Dienstpflichtigen, die durch Vorlage des Annahmescheins 
und Wehrpasses nachweisen, daB sie von einem Truppenteil der 
Wehrmacht, der SS-Verjugungstruppe oder dem Reichsarbeits- 
dienst als Freiwillige aufgenommen sind, werden nur die Ein- 
tràge in den Wehrstammblàttem und -karten usw. geprùft und 
ergànzt. Sie werden nicht mehr àrztlich untersucht. Das gleiche 
gilt fur Bewerber fur die Offizierslaufbahn der Wehrmacht, die 
im Besitz eines Ausweises nach § 25 Abs. 6 oder eines Annahme- 
scheins als Offiziersanwàrter sind. 

Der Reichsminister des Innem Der Reichskriegsminister und O.d.W. 
Frick v. Blomberg 


Reichsgesetzblatt 
Teill vom 21. 4.1938 

Verordnung zur Àndemng der Verordnung ùber die Mustemng 
und Aushebung vom 14. 4.1938 Artikel I Abs. 2 

(2) Dienstpflichtige RAD-Angehòrige... zur Aushebung sind 
sie nur vorzustellen, wenn sie nicht den Annahmeschein als Frei- 
willige zur Wehrmacht oder der SS-Verfùgungstmppe besitzen. 

Artikel IV 

(3) Zu diesem Zweck haben sich alle tauglichen und bedingt 
tauglichen Ersatzreservisten I zur Aushebung zu stellen. Befreit 
hiervon sind die als Offiziersanwàrter der Wehrmacht oder SS- 
Verfiùgungstruppe angenommenen und die als Bewerber fùr die 
Offizierslaufbahn zugelassenen Ersatzreservisten I. 


Reichsgesetzblatt 

Teill 

Nr. 127, ausgegeben zu Berlin, den 26. November 1937 

Verordnung ùber die Wehrùberwachung 
vom 24. November 1937 

Auf Gmnd des §37 Abs. 2 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 
1935 (Reichsgesetzbl. I S 609) und des Erlasses des Fùhrers und 
Reichskanzlers vom 22. Mai 1935 ùber die Ùbertragung des 
Verordnungsrechts nach dem Wehrgesetz (Reichsgesetzblatt I 
S. 615) wird folgende Verordnung erlassen: 

§1 

Die in Wehrùberwachung stehenden Personen. 

(1) Im Frieden wird die Wehrùberwachung nach § 19 des Wehr- 
gesetzes wirksam bei den Wehrpflichtigen des Beurlaubtenstan- 
des (d.B.): 


312 


313 



b) die als Freiwillige der Wehrmacht, des Reichsarbeitsdienstes 
oder der SS-Verfugungstruppe angenommen sind. 

§ 20: Schlul.ìbestimmung 

Diese Verordnung tritt am 1. Dezember 1937 in Kratt. 

Berlin, den 24. November 1937 

Der Reichskriegsminister Der Reichsminister des Innern 

und O.d.W. Frick 

v. Blomberg 


Deutsches Beamtengesetz vom 26.1.1937 (Auszug) 

§ 82: Ruhegehaltsfàhig ist auch die Zeit in der ein Beamter 
vor seiner Ernennung nach Vollendung des 27. Lebensjahres 
1. im Dienst der Wehrmacht oder im Vollzugsdienst der Polizei 
gestanden hat usw. 

Durchflihrungsverordnung zuNr. 1: 

1. Dienst in der Wehrmacht (Nr. 1) ist der Dienst als Soldat in 
der ehem. und neuen Wehrmacht. 

Als Dienst in der Wehnnacht gilt auch der Dienst in der 
Waffen-SS (vgl. auch ErlaB des Reichsmin. der Finanzen vom 
22. 11.1940 A 4220-16456 IV R Bes. Bl. S 293) 


Reichsgesetzblatt 

Teill 

Ausgegeben zu Berlin, den 13. Januar 1933, Nr. 3 (Auszug) 

Verordnung iiber das Meldewesen 
(Reichsmeldeordnung) 

Vom 6. Januar 1938 

Anlage 1 Anmeldung bei der Polizeilichen Meldebehòrde. 


314 


Die unverheirateten Angehòrigen der Wehnnacht i/nd der 
SS-Verfiigungstruppe sind von der Meldepflicht befreit, solange 
sie in einer Kaserne oder einer anderen Unterkunft der Wehr- 
macht, der SS-Verfugungstruppe wohnen. 

Der Reichsminister des Innern 
Frick 


Reichsgesetzblatt 

Teill 

Ausgegeben zu Berlin, den 6. September 1938 
Nr. 137 

Fiirsorge- und Versorgungsgesetz fìir die ehemaligen 
Angehòrigen der Wehrmacht und ihre Hinterbliebenen 

- Wehrmachtsfiirsorge- und Versorgungsgesetz - 
(WFVG) 

vom 26. August 1938, Seite 1124 
Anwendung des Gesetzes auf ehemalige Angehòrige der SS- 
V erfiigungstmppe. 

§201 

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die dazu ergehenden 
Durchfiihiungsbestimmungen und erganzenden Vorschriften fin- 
den auf die Angehòrigen der SS-Verfiigungstruppe entsprechen- 
de Anwendung. 

(2) § 126 gilt auch beim Eintritt eines ehemaligen Soldaten in 
die SS-Verfiigungstmppe oder eines ehemaligen Angehòrigen 
der SS-Verfiigungstruppe in die Wehrmacht. Bei der Wieder- 
entlassung wird die Fiirsorge und Versorgung nach der Gesamt- 
dienstzeit in der Wehrmacht und in der SS-Verfiigungstruppe 
bemessen. 


315 



Berlin, den26. August 1938 

Der Fiihrer und Reichskanzler 
Adolf Hitler 

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht 
Keitel 

Der Reichsminister der Finanzen 
Graf Schwerin von Krosigk 

Der Reichsminister des Innem Der Reichsarbeitsminister 

in Vertretung in Vertretung 

Dr. Stuckart Dr. Krohn 


316 






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Dom 15.9.1958 kl. 26.1o.193e „„ 

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ifi’tmn | M) 


Abschrift von der Abschrift 
Oberkommando des Heeres Chef H. Riist 
(Befehlshaber des Ersatzheeres) 

23 b 12/SS-Truppenabt. II b 2 Berlin W 35, den 29. 3. 1944 

WV 

An 

Stellv. Gen. Kdo. III A.K. mit 2 N.A. 

Stellv. Gen.Kdo. VIII A.K. mit 1 N.A. 

SS-Hauptamt mit 2 N.A. 

zu: Amt B1 4 (a) Az. 21a 

ln 7 mit 2 N.A. und 2 Personalakten 

zu: 25 h 3810 (Ia3) 

vom 16. 11. 43 

Mit sofortiger Wirkung werden in die Waffen-SS zum SS- 
Fuhrungshauptamt / Amt II / Org. Abt. I E/ Berlin-Wilmers- 
dorf, Kaiserallee 188, versetzt: 

1. Oberfunkmeister Karl Rogall, geb. 23. 7. 1913 

2. Oberfunkmeister Heinz Hasche, geb. 31.5. 1915 

von der Heeresnachrichtenschule II, Glatz, z. Zt. zum Stab der 
Nachrichtenausbildungsabteilung 3, Stahnsdorf bei Berlin, kom- 
mandiert. 

Die abgeschlossenen Personalpapiere sind unmittelbar 
der neuen Dienststelle zu iibersenden. 

Zusatz fur das SS-Hauptamt: 

Es wird gebeten, als Ersatz die namhaft gemachten SS-Pz. 
Gren. Heinrich Seemann, geb. 31.3.1926 und Josef Win- 
disch, geb. 31. 8. 1926, ins Heer zur Pz. Ers. Abt. 5, Neuruppin, 
zu versetzen und 3 Abdrucke der Versetzungsverfligung hierher 
zu senden. 

Im Auftrage 
gez. Reinhard 

Fiir die Richtigkeit der Abschi'ift: 

Dienststempel gez. Tanneberger 

(Nachr. Ausb. Abt. 3) techn. Inspektor (N) 


321 




Geheim! 


Abschnitt E 


Oberleutnant Liebermann 

wird dem E.I./I.R. 96 (II./LR. 301) Standort Deutsch-Krone 
zugeteilt. 

Abfahrt von Stettin 14,37 Uhr iiber Stargard 
Ankunft in Deutsch-Krone 18.57 Uhr 
Dienstreiseausweis anliegend. 

Unterkunft zunàchst fiir die Nacht 24725. 9. im Hotel ist durch 
den Truppenteil sichergestellt. 

Abholung am Bahnhof Deutsch-Krone 
wird geregelt durch E.I./I.R. 96 

Fiir das Generalkommando 
Der Chef des Generalstabes 

J.A. 

Stettin, den 24.9.1938 Oberstleutnant 


Denkschriften zum Rechtsstatus der Waffen-SS 

Auszug aus Zusammenstellung (Entwurf) 

Bundesarchiv v. 8. 2. 55 (II A 16 V. 416/55 

Die Waffen-SS war ihrem ganzen Wesen nach eine rein mili- 
tàrische Truppe. Ihre Divisionen unterstanden gmndsàtzlich 
dem SS-Fiihrungshauptamt (Kommandoamt der Waffen-SS). 
In taktischer Hinsicht waren sie aber dem Befehl der Wehr- 
macht unterstellt und bildeten zusammen mit anderen Heeres- 
divisionen Armeekorps und Armeen. Sie wurden aus Reichsmit- 
teln fìnanziert, durch Verwaltungsorgane der SS ergànzt, aus- 
geriistet und versorgt, unterlagen eigener Personalbewirtschaf- 
tung (die Offìziere der Waffen-SS (SS-Fiihrer) hatten Planstel- 
len im Reichshaushalt) und eigener Gerichtsbarkeit. 

7. Unterstellung der Waffen-SS fììr den Kampfeinsatz im Heere 
Zur »Sicherstellung einer reibungslosen Zusammenarbeit« 

wurde vom Oberkommando der Wehrmacht im Einvernehmen 
mit dem Reichsfiihrer-SS (SS-Fiihrungshauptamt) unter dem 
20.11.1942 u. a. festgelegt (H.M. 1942 S. 577 Nr. 1035): 

a) Teile der Waffen-SS sind fiir die Kriegsdauer in die Wehr- 
macht eingegliedert und fiir den Kampfeinsatz dem Heere 
unterstellt. Diese Unterstellung gilt aber nur fiir die Zeit 
ihres Einsatzes im Operationsgebiet; 

b) Werden Verbànde bzw. Einheiten der dem Heere unterstellten 
Teile der Waffen-SS in das Heimatkriegsgebiet verlegt oder 
befinden sich Angehòrige dieser Verbànde im Heimatkriegs- 
gebiet (Urlauber, Verwundete usw.) so unterstehen sie fiir 
die Zeit ihres Aufenthaltes im Heimatkriegsgebiet dem 
Reichsfiihier-SS. 

8. Sonderbestimmungen fiir die Waffen-SS bei Verwendung im 
Rahmen des Heeres. 


322 


323 



Durch die Waffen-SS wurden SS-Standortkommandanturen, 
SS-Standortdlteste und SS-Standortfiihrer eingerichtet bzw. ein- 
gesetzt. In SS-Standorten, in denen keine SS-Standortkomman- 
danturen eingerichtet bzw. keine besonderen SS-Standortalte- 
sten eingesetzt waren, waren die Kommandeure der Waffen-SS- 
Ersatztruppenteile SS-Standortalteste. Befand sich in dem Ur- 
laubs- oder Aufenthaltsort weder eine SS-Standortkomman- 
dantur der Waffen-SS noch ein -Standortaltester der Waffen-SS 
dagegen ein SS-Oberabschnitt oder SS-Abschnitt, so hatte 
die Meldung des Urlaubers bei dieser SS-Dienststelle zu erfol- 
gen. In allen anderen Orten meldete sich der Urlauber usw. der 
Waffen-SS bei der zustandigen Wehrmachtstandortkommandan- 
tur oder dem Wehrmachtstandortaltesten (H.M. 1942 S. 577 
Nr. 1035; M.V.Bl.1943 S. 66 Nr. 53). 

Im Sommer 1941 wurden Truppenwirtschaftslager der Waf- 
fen-SS eingerichtet (O.K.H. v. 21.6.41; EWGG. Bd. IV S. 136). 

Fiir die Durchfuhrung von Entlassungen der Waffen-SS-An- 
gehdrigen wegen Dienstunfahigkeit (DU.) und zur Betreuung 
dieser Dienstunfàhigen bis zum Entlassungstage war die SS- 
Entlassungsstelle (SS-Est.) Mittweida/Sa. bestimmt. Die SS-Est. 
fùhrte ihre Aufgaben in sinngcmàl.ìer Anwendung der in der 
Anlage 1 der H.Entl.Best. (H.Dv. 82/5b) gegebenen Bestim- 
mungen durch M.V.Bl.1943 S. 590 Nr. 469). 

Nach Vereinbamng mit der Wehrmachtsauskunftstelle bear- 
beitet die »AuskimftssteUe fiir Kriegsverluste der Waffen-SS« 
in Bamberg, Neue Residenz, ausschliefilich die Verluste der 
Waffen-SS (L. V. Bl. 1944 S. 792 Nr. 1539). 

Die nach H.Dv. 21, II. Teil, Ziffer 51 abgeschlossenen Trup- 
penkrankenbiicher der dem Heere unterstellten Einheiten der 
Waffen-SS und die nach H.V.Bl. 1940 Teil C Nr. 291 von den 
Lazaretten des Feldheeres abzugebenden Krankenblàtter iiber 
Angehorige der Waffen-SS waren gem. Vfg. O.K.H. (Ch H 
Riist u. BDE) vom 9. 7. 1941 nicht mehr an das Zentralarchiv 
fìir Krankenurkunden, sondern ab sofort an die »SammeìsteIìe 
fiir Krankenurkunden der Waffen-SS« in Berlin NW 7, Fried- 


richstr. 129, Block F, zu senden. Die Sammelstelle fiir Kranken- 
urkunden der Waffen-SS hatte die eingehenden Krankenblàtter 
baldmòglichst zum Verbleib an das Zentralarchiv fìir Kranken- 
urkunden abzugeben, nachdem sie fìir den eigenen Gebrauch 
Photokopien gefertigt hatte. Die Tmppenkrankenbiicher ver- 
blieben bei der Sammelstelle flir Krankenurkunden der Waffen- 
SS (L.V.Bl.1941 S. 572 Nr. 917). 

Fiir die Ob.d.H. unterstellten Divisionen der SS und Poìizei 
galten bei Kriegsbeginn mit dem Tage ihrer Unterstellung unter 
den Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres die Kass,- und 
Abr.Best. bei besonderem Einsatz ohne Einschrànkung. 

Die SS-VT-Division (mot.) wurde fìir die Abrechnung und 
Rechnungslegung der Abr. Int. X in Hamburg zugeteilt. Fiir 
alle unbaren Zahlungen dieser Einheiten war die Heeresstand- 
ortkasse Hamburg zustàndig. 

Die Polizei wurde fiir die Abrechnung und Rechnungslegung 
der Abr.Int. III in Berlin zugeteilt. Fiir alle unbaren Zahlungen 
dieser Einheiten war die Heeresstandortkasse Berlin zustàndig. 

Die SS-T-Division wurde fiir die Abrechnung und Rech- 
nungslegung der Abr.Int. VII in Miinchen zugeteilt. Fiir alle un- 
baren Zahlungen dieser Einheiten war die Heeresstandortkasse 
Miinchen zustàndig. 

Die Leibstandarte SS »Adolf Hitler« - aufierhalb der 
Gliedemng der o.a. SS-Divisionen mit dem 1.11.1939 dem Ob. 
d.H. unterstellt - wurde fiir die Abrechnung und Rechnungs- 
legung der Abr.Int. III in Berlin zugeteilt. Fiir alle unbaren 
Zahlungen der Leibstandarte war die Heeresstandortkasse Ber- 
lin zustàndig. 

Das Gesetz iiber die Besotdung, Verpflegung, Unterbringung, 
Bekìeidung und Heilfùrsorge der Angehòrigen der Wehrmacht 
bei besonderem Einsatz - Einsatz-Wehrmachtsgebiihrnisgesetz 
(EWGG) - vom 28. 8. 1939 (RGBl. I S. 1531) fand auch An- 
wendung auf die der Wehrmacht unterstellten SS- und Polizei- 
einheiten. 

Die Zahlung der Friedensgebiihrnisse nach § 3 EWGG. lag 


324 


325 



nach wie vor den Friedens-SS- und Polizeidienststellen ob. 
(O.K.H. vom 10.11. und 27.12.1939; EWGG. Bd. I S. 255). 
Mit Wirkung vom 15. 9.1942 ab wurden alle Friedens- und 
Kriegsbesoldungsstellen der Waffen-SS aufgelòst und zur »Be- 
soldungsstelle der Waffen-SS, Dachau« zusammengelegt (H.V. 
Bl. 1942 TeilCNr. 663). 

Die 2. VO. zum EWGG. vom 28. 2.1940 (RGBl. I S. 447) 
regelte die Kriegsbesoldung an die nicht zum Friedensstand ge- 
hòrenden Angehòrigen der Wehrmacht und der Waffen-SS in 
Dienstgraden der Gehaltsempfànger. Die nicht berufsmàfiigen 
Angehòrigen der Waffen-SS hatten somit die Mòglichkeit, nach 
§ 1 zwischen Kriegsbcsoldung und Beibehaltung ihrer bisheri- 
gen Gebiihrnisse zu wàhlen, weil die Waffen-SS als Verband 
nach Besoldungsordnung C abgefunden wurde. 

Die zur Waffen-SS einbemfenen Behòrdenbediensteten wa- 
ren sowohl hinsichtlich der Weitergewàhmng ihrer Dienstbe- 
ziige als auch hinsichtlich des Abzuges eines Ausgleichsbetrages 
in gleicher Weise wie die zur Wehrmacht einbemfenen Behòr- 
denbediensteten zu behandeln. Das galt auch fiir die auf Gmnd 
der Notdienstverordnung (vgl. RGBl. 1938 I S. 1441) zur Waf- 
fen-SS einbemfenen Behòrdenbediensteten, und zwar fiir die 
Zeit ab 1. Oktober 1939, soweit sie wàhrend dieser Zeit eine 
Barentschàdigung in Hòhe des entsprechenden Wehrsoldes erhal- 
ten hatten (H.V.Bl. 1940 Teil B Nr. 457). 

Im Einvernehmen mit dem Reichsfiihrer-SS wurde durch den 
Chef des Oberkommandos der Wehrmacht mit Verfiigung vom 
17.1.1945 (H.M. 1945 Nr. 49) das Rang- und Vorgesetzten- 
verhdltnis zwischen Angehòrigen der Wehrmaclìt und der Waf- 
fen-SS geregelt. Die Bestimmungen iiber Rang- und Vorgesetz- 
tenverhàltnis der Soldaten (H.Dv. 82/9, M.Dv. 15 O.B. Heft 6, 
L.Dv. 3/11) galten sinngemàfi. Die Gegeniiberstellung der Rang- 
gmppen, Rangklassen und Dienstgrade der drei Wehrmachtteile 
(Anlage zu vorgenannter H.Dv. usw.) wurde ergànzt. 


Vergleichende Ubersicht 

der Rangkìassen und Dienstgrade im Heer und in der Waffen-SS 


Lfd.-Nr. Heer 


Waffen-SS 


1 

2 

3 

4 

5 


6 

7 

8 


9 


10 

11 

12 

13 

14 


Rangklassen: Generale 


Generalfeldmarschall 

Generaloberst 

General. d.lnf. usw. 

Generalleutnant 

Generalmajor 


Oberstgmppenfiihrer und General- 
oberst der Waffen-SS 
Obergruppenfiihrer und General d. 
Waffen-SS 

Gmppenfiihrer und Generalleut- 
nant der Waffen-SS 
Brigadefiihrer und Generalmajor 
der Waffen-SS 


Rangklassen: Stabsoffiziere 

Oberst Oberfiihrer, Standartenfiihrer 

Oberstleutnant Obersturmbannfiihrer 

Major Sturmbannfìihrer 

Rangkìassen: Hauptleute und Rittmeister 

Hauptmann, Rittmeister, Hauptsturmfiihrer 


Rangklassen: Leutnante 

Oberleutnant Obersturmfiihrer 

Leutnant Untersturmfìihrer 

Rangklassen: Unteroffìziere mit Portepee 
Stabsfeldwebel usw. Sturmscharfiihrer 

Oberfàhnriche, Ober- SS-Standarten-Oberjunker, 

feldwebel usw. Hauptscharfiihrer 

Feldwebel usw. Oberscharfiihrer 


326 


327 



Rangkìassen: Unteroffìziere ohne Portepee 

15 Fàhnriche, Unterfeld- SS-Standartenjunker, Scharfuhrer 
webel usw. 

16 Unteroffizier, OberjàgerUnterscharflihrer 


Rangkìassen: Mannschaften 


17 Stabsgeffeiter 

18 Obergefreiter 

19 Gefreiter 

20 Oberschiitze usw. 

21 Schiitze usw. 


Rottenfìihrer 

Rottenfiihrer 

Sturmmann 

SS-Panzergrenadier 

SS-Gebirgsjàger 


Denkschrift zur Gleiehberechtigung der ehem. Waffen-SS 

zwecks Vorlage an die Parteien des Bundestages 
(Auszug) 

Die bisherigen Entscheidungen des Bundesgesetzgebers, der 
Gerichte und Verwaltungsbehorden hinsichtlich der SS-Verfii- 
gungstmppe (spàter Waffen-SS) stiitzen sich vorwiegend auf 
Nachkriegspublikationen, die aus den verschiedensten Griinden 
den klaren gesetzlichen Realitàten in keiner Weise Rechnung 
tragen. So stellt z. B. der Finanzminister des Landes Nordrhein- 
Westfalen in einem Widerspmchsbescheid vom 4.1.60 fest, es 
sei in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, dafi die SS- 
Verfiigungstmppe (VT) eine Gliedemng der NSDAP und der 
Dienst in ihr somit kein òffentlicher Dienst war. 

In wohltuendem Gegensatz zu den bisherigen Veròffentli- 
chungen verschiedener Autoren stehen die meisten mit Quellen- 
angaben belegten Ausfiihmngen iiber die VT/Waffen-SS im 
Band 5 der Schriften des Bundesarchivs (Wehrgesetz und Wehr- 


dienst 1935-1945. Das Personalwesen in der Wehrmacht. Fla- 
rald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1960 - nachstehend ab- 
gekiirzt: Bd. Archiv 5). Bedauerlicherweise ergibt auch dieses mit 
wissenschafilicher Objektivitàt geschriebene Werk noch kein ab- 
geschlossenes Bild iiber die Verfiigungstmppe/Waffen-SS, da 
auch das dem Bundesarchiv zur Verfiigung stehende Quellenma- 
terial offensichtlich noch liickenhafi ist. 

Zur Klàrnng der Kernfragen sei daher zusammenfassend 
auf folgende Tatsachen hingewiesen. 

In Ubereinstimmung mit § 2 des Wehrgesetzes hatte Hitler 
die Wehrmacht wiederholt als »alleinigen Waffentràger der Na- 
tion« bezeichnet. Durch die Aufstellung der SS-Verfiigungstmp- 
pe hatte er jedoch nach Ansicht gewisser Kreise in der Heeres- 
fiihrung diese Zusage gebrochen. Dieses geht u. a. aus folgender 
ÀuBemng des Oberbefehlshabers des Heeres, Generaloberst von 
Fritsch, hervor: »Die SS-Verfiigungstmppe ist der lebendige 
MiBtrauensbeweis gegen das Heer und seine Fiihrung« (s.H. 
Foertsch, »Schuld und Verhàngnis« S. 148). Eine àhnliche Auf- 
fassung wird auch von General Speidel in seinem Buch »Invasion 
1944« vertreten. Abgesehen davon, daB die in den Jahren 1933/ 
1934 in die VT eintretenden Freiwilligen auf Gmnd miindlicher 
ÀuBemngen z. T. der Ansicht waren, ihr Tmppenteil wiirde 
nach Beendigung der getarnten Aufmstung in das Heer iiberge- 
fiihrt, war sich der Einzelne iiber die geschilderten Gegensàtze 
und ihre tieferen Ursachen selbstverstàndlich nicht im klaren. 

Nun gab es auBer der VT noch bewaffnete Polizeiverbànde, 
SS-Totenkopfverbànde und bewaffnete SA-Einheiten. Wamm 
hat man nicht auch in diesen Verbànden, sondern nur in der VT 
ein Konkurrenzunternehmen des Heeres (was sie angesichts ihrer 
geringen Friedensstàrke - 1939 etwa 20 000 Mann - gar nicht 
sein konnte) oder einen zweiten »Waffentràger« gesehen, wenn 
sie, wie man heute behauptet, eine Parteiformation gewesen ist? 


328 


329 



Ausbildung und Verwendung der SS-Verjugungstruppe. 

Die Truppenteile der VT waren von Anfang an wie die ent- 
sprechenden Verbande des Heeres gegliedert und ausgeriistet. 

Die Ausbildung erfolgte - wie auch auf den Junkerschulen 
(Kriegsschulen) - ausschlieBlich nach den Ausbildungsvorschrif- 
ten des Heeres. 

In diesem Zusammenhang kònnen auch die Erklàmngen der 
Generalltne. a. D. Ochsner und Sixt, beide Referenten im Gene- 
ralstab d. Heeres in den Jahren 1934-1939, nicht iibergangen 
werden. 

Der staatliche Charakter ergibt sich auch aus der Tatsache, 
dafi die Dienstvertrdge mit dem Deutschen Reich abgeschlossen 
wurden und dafi die Truppe aus Reichsmitteln finanziert und 
besoldet wurde. 

Der Ausbildung entsprechend und in Ubereinstimmung mit 
den Mobilmachungsplànen fand die VT von ihrem ersten Ein- 
satz (Òsterreich 1938) an bis Kriegsende ausschliel31ich Verwen- 
dung im Rahmen des Heeres. 

Dienst in der Verfugungstruppe = Wehrdienst. 

Da die Ausbildung ausschliel31ich auf eine militàrische Ver- 
wendung abgestellt war, ist nur logisch, dal3 die gesetzliche ak- 
tive Dienstpflicht (§ 8 WG) durch den Dienst von gleicher Dauer 
in der Verfligungstmppe als erflillt galt (s. Bd.Archiv 5 S. 109 
mit Hinweis auf §§ 8, 11 und 12 der ErfVO 1937 - RGBl. I 
S. 205, § 2 der Must. VO 1937 - RGBl. I S. 469 und Fiihrer- 
erlaB vom 17. 8 .1938). 

»Diese Bestimmung galt nicht fiir die SS-Totenkopfverbàn- 
de, in die nur solche Soldaten eingestellt werden durften, die 
ihrer aktiven Dienstpflicht in der Wehrmacht geniigt hatten«. 
(Bd.Archiv 5 S. 159 Anm. 18). 

Im iibrigen mul3 darauf hingewiesen werden, dal3 die VT 
auch schon in der »Verordnung iiber die Mustemng und Aus- 
hebung« vom 26. 3. 36 (RGBl. I S. 203) genannt ist, deren § 2 
Abs. 2 wie folgt lautet: »Von den Verpflichtungen nach § 1 Abs. 


3 sind die Dienstpflichtigen befreit, die bei Beginn der Dienst- 
pflicht in der Wehrmacht, in der Landespolizei oder in der SS- 
Verfugungstruppe aktiv dienen.« 

Nach § 1 der VO von 1935 (RGBl. I S. 697), in der die VT 
noch nicht ausdriicklich erwàhnt ist, wurden erstmalig die 
Wehrpflichtigen der Jahrgànge 1914 und 1915 zur Mustemng 
und Aushebung herangezogen. Wehrpflichtige dieser Jahrgànge 
dienten zu dieser Zeit bereits als Freiwillige in der VT. Allein 
die Tatsache, dal3 sie niemals zur Ableistung der Wehrpflicht 
zur Wehrmacht eingezogen wurden, beweist, dal3 die in den Ver- 
ordnungen der spàteren Jahre fùr die VT-Angehòrigen ausge- 
sprochene Befreiung praktisch schon 1935 bestand. 

Von der Verkiindung der Wehrhoheit ab konnte als Anwàr- 
ter in die Polizei nur noch eingestellt werden, wer vorher seiner 
gesetzlichen Wehrpflicht geniigt hatte. Der Wehrdienst wurde 
in Ziff. 3 der vorl. Durchf. VO zu § 13 des Deutschen Polizei- 
beamtengesetzes vom 24. 6. 37 (RGBl. I S. 653) wie folgt nàher 
umrissen: 

Als Wehrdienst gilt der Dienst als Soldat in der ehemaligen 
und neuen Wehrmacht des Altreiches, in der bewaffneten Macht 
der ehem. òsterr.-ungar. Monarchie, in der provisorischen 
deutschòsterr. Wehrmacht und im ehem. òsterr. Bundesheer so- 
wie der Dienst in der SS-Verfùgungstruppe«. 

Die Durchfiihrungsbestimmungen zu § 54 des Wehrmacht- 
fùrsorge- und Versorgungsgesetzes (WFVG) vom 29.9.38 
RGBl. I S. 1293) bestimmt in gleicher Weise: 

»Der Dienst in der SS-Verfùgungstruppe steht dem aktiven 
Wehrdienst gleich«. 

Nach der Verordnung iiber das Erfassungswesen (RBGl. I 
S. 205 v. 1937) wurde gem. §§11 und 12 beim Eintritt in die 
SS-Verfiigungstmppe ein Freiwilligenschein ausgestellt, der den 
Vermerk 

Freiwiììigenschein zum Eintritt in den aktiven Wehrdienst 

tmg. 


330 


331 



Vgl. auch Bundesarchiv a.a.O. S. 95: »In der SS-Verfii- 
gungstruppe entstand 1934 neben der Wehrmacht eine soldati- 
sche Truppe eigener Art.« 

In dem Ruhegehaltsbescheid flir den Obersturmbannflihrer 
Geisler, der 1938 wegen Dienstunfahigkeit aus der VT mit le- 
benslanglicher Dienstzeitversorgung entlassen wurde, heifit es: 
»Sie scheiden mit dem 31. 10. 1938 auf Grund des Wehrgesetzes 
vom 21. Mai 1935 aus dem aktiven Wehrdienst aus.« 

In diesem Zusammenhang ist nicht ohne Interesse, dafi nach 
§ 64 des Soldatenversorgungsgesetzes (BGBl. I 1957 S. 785) flir 
einen Bemfssoldaten der Bundeswehr als ruhegehaltfàhige 
Dienstzeit unter anderem auch die Zeit gilt, die er »im sonsti- 
gen deutschen Wehrdienst, wenn durch ihn die gesetzliche Wehr- 
pflicht erfìillt werden konnte«, verbracht hatte. Nach dem ein- 
deutigen Wortlaut dieser Bestimmung des SVG ist also die 
Dienstzeit in der VT/Waffen-SS ab 1.10.34 fur Soldaten der 
Bundeswehr ruhegehaltfdhig. Es ist schwer erkennbar, wie diese 
gesetzliche Vorschrift aus dem Jahr 1957 mit der Lesart von der 
VT als »Parteigliedemng« in Ubereinstimmung zu bringen ist. 
Noch weniger ist einzusehen, wamm den Angehòrigen der VT/ 
Waffen-SS nach dem G 131 jegliche Soldateneigenschaft abge- 
sprochen wird, obwohl sie sich bereits im Frieden als Freiwillige 
zu einer Wehrdienstzeit von mindestens 4 Jahren verpflichteten 
und im Kriege vom 1. Tage an als Frontsoldaten ihre Pflicht er- 
fùllten. 

Ergànzung, Einberufung und Wehriiberwachung 
»Die SS-Verfligungstmppe ergànzte sich durch eigene Wer- 
bung von làngerdienenden Freiwilligen aus der Zahl der Wehr- 
pflichtigen. ... Fiir die Annahme und Einstellung galten die Be- 
stimmungen fìir làngerdienende Freiwillige der Wehrmacht. Die 
Einbemfung nahmen die Wehrbezirkskommandos mit Gestel- 
lungsbefehl vor«. (Bd. Arch. 5 S. 159). 

Die VT-Angehòrigen wurden nach Abschlufi ihrer Dienst- 
zeit zur Reserve entlassen und in den Beurlaubtenstand der 


Wehrmacht iibergefiihrt. Sie unterlagen der Uberwachung durch 
die Wehrersatzbehòrden. Fiir alle Soldaten der VT wurden die 
fìir das Heer giiltigen Wehrunterlagen (Wehrstammbuch, Wehr- 
pafi) in Zusammenarbeit mit den zustàndigen Wehrersatzbehòr- 
den erstellt). 

Versorgung 

Bis zum 30. 9. 1938 wurde die Versorgung der VT von den 
Versorgungsàmtern IV Berlin und Miinchen durchgefiihrt. (Bd. 
Arch. 5 S. 321) Gmndlage hierfLir bildete unter anderem ein 
Erlafl des Reichs- und Preufiischen Arbeitsministers vom 6.2.37 
(Reichsarbeitsblatt 17. Jg. Nr. 8 v. 15. 3. 37 - Teil V Reichs- 
versorgungsblatt). Dieser Erlafi bestimmt, dafi die Angehòrigen 
der SS-Verfiigungstruppe und ihre Hinterbliebenen Versorgungs- 
gebiihrnisse nach den gleichen Gmndsàtzen erhalten wie die An- 
gehòrigen der Wehrmacht und deren Hinterbliebene. 

Bei Dienstbeschàdigung ist das Reichsversorgungsgesetz an- 
zuwenden. 

Zu dem versorgungsberechtigen Personenkreis gehòren »Fiih- 
rer, Unterfiihrer und Mànner der SS-Verfiigungstmppe, mit 
denen nach nàherer Anordnung des Reichs- und Preufiischen 
Ministers des Innern, dem die Tmppe verwaltungsmàfiig unter- 
stellt ist, Dienstvertràge abgeschlossen worden sind«. 

SS-Verfiigungstruppe - Waffen-SS 

Im Gesetz zu Art. 131 GG (§§ 67, 72) ist lediglich die Waf- 
fen-SS, nicht dagegen die SS-Verfiigungstmppe angesprochen. 
Hieraus wird von Gerichten und Obersten Landesbehòrden der 
Schlufi gezogen, dafi die Verfiigungstruppe vom Gesetzgeber 
bewufit ausgeschlossen worden ist. 

Die hierfiir zu Grnnde liegende und insbesondere auch vom 
Bundesminister des Innern zum Ausdmck gebrachte Ansicht 
làfit sich wie folgt zusammenfassen: 

1. Die Waffen-SS ist erst im Jahre 1940 »gcgrundct« worden 
oder »entstanden«. 


332 


333 



2. Die »Vorganger-Organisationen« (SS-Verfligungstmppe und 
SS-TotenkopfVerbànde) gehòrten beide weder der Wehr- 
macht noch der Polizei an, sondern waren vielmehr Teile 
der SS und Gliederungen der Partei. 

Es geht also vòllig an den Tatsachen vorbei, wenn heute be- 
hauptet wird, die Waffen-SS sei eine Neuschòpfung. Es lag le- 
diglich eine Namensànderung vor, die hinsichtlich der Verfli- 
gungstmppe, die bereits seit der Verkiindung der Wehihoheit 
im Màrz 1935 auch vòlkerrechtlich zu den Streitkràtten des 
Deutschen Reiches gehòrte, weder rechtliche noch sonstige Aus- 
wirkungen hatte. 

Die in der Verfiigungstruppe mit dem Deutschen Reich ab- 
geschlossenen Dienstvertràge galten unveràndert auch fiir die 
Waffen-SS weiter. Die Bezeichnungen VT und Waffen-SS wur- 
den 1940 und spàter, auch in dienstlichen Verfiigungen, Schrei- 
ben etc., noch nebeneinander gebraucht. Im Wehrpafi Ziirn 
(Anlage 1) tragen die Dienstgrade auf Bl. 22 noch bis Dezem- 
ber 1941 den Zusatz »der SS-VT«. 

Aus den obigen Ausfiihrungen geht hervor, dafi 

1. mit dem 1.1.40 als »Geburtstag« der Waffen-SS ein voll- 
kommen willkiirlicher Zeitschnitt eingefiihrt wurde 

2. fiir eine Trennung von Verfiigungstmppe und Waffen-SS so- 
wie fiir eine rechtlich unterschiedliche Behandlung beider jeg- 
liche Gmndlage fehlt. 

Eine stichhaltige Begmndung hierfiir ist bisher in keiner der 
diesbeziiglichen Entscheidungen gegeben worden und angesichts 
der eindeutigen Sach- und Rechtslage auch nicht mòglich. 

Auffallend ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche 
Behandlung von VT/Waffen-SS und Reichsarbeitsdienst. Nach 
der VV Nr. 5 zu § 181 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) wird 
bei den unter § 55 G 131 fallenden versorgungsberechtigten 
RAD-Fiihrern auch die im Arbeitsdienst der NSDAP (NSAD 
bzw. FAD) ab 1.7.34 verbrachte Dienstzeit als ruhegehaltfà- 
hig angerechnet und demgemàfi auch beim Befordemngsschnitt 
nach § 110 BBG beriicksichtigt. Dariiber hinaus wird im Rahmen 


der Nachversichemng nach § 72 G 131 die Dienstzeit im NSAD 
bereits ab 1. 2.1933 angerechnet. 

Dieser Vergleich diirfte in eindringlicher Weise deutlich ma- 
chen, in welchem Ausmafi hier der Gmndsatz der Gleichheit 
vor dem Gesetz verlassen wurde. 

Es wàre an der Zeit, die VT/Waffen-SS, die auch nach dem 
Urteil des Bundesarchives eine rein militàrische Truppe war und 
die sich ausschliefilich aus Wehrpflichtigen im Alter von 18-20 
Jahren ergànzte, nicht lànger kollektiv mit Dingen zu belasten, 
mit denen sie nichts zu tun hatte und fùr ihre Angehòrigen und 
insbesondere deren Hinterbliebene eine gesetzliche Regelung her- 
beizuflihren, die den klaren Gegebenheiten entspricht. 

Gutachten 

des Bundestags-Abg. Oberst a. D. Alfred Burgemeister 

(CDU) 

an seine Fraktion auf Grund seiner Studien 

»Bereits im Rahmen der zweiten Novelle zum 131 er Gesetz, 
die am letzten Sitzungstage der zweiten Legislaturperiode im 
Juli 1957 verabschiedet wurde, hatte die Fraktion die ehrliche 
Absicht, in das Gesetz eine Regelung flir die ehem. Angehòrigen 
der Waffen-SS mit aufzunehmen. Diese Absicht mifilang infolge 
des Verhaltens der SPD, die damals behauptete, dafi durch die 
Einbeziehung der Angehòrigen der Waffen-SS jàhrliche Mehr- 
ausgaben von 35 000 000 DM entstehen wiirden. Da dieser Be- 
trag nicht im Haushalt 1957/58 eingeplant war, hàtte die Vor- 
lage zunàchst noch dem Haushaltsausschufi iiberwiesen werden 
miissen, was nicht mehr mòglich war und damit die Absetzung 
der gesamten Novelle bedeutet hàtte. 

Unser Kollege Rasner hat damals im Plenum auf die Zwangs- 
lage hingewiesen, die sich aus dieser Situation ergab, und hat 
ausgesagt, dafi die Regelung fur die Angehòrigen der ehem. 
Waffen-SS im dritten Bundestage von uns sofort aufgegriffen 
wiirde. 


334 


335 



Nach Zusammentritt des 3. Bundestages wurde ich von der 
Fraktion damit beauftragt, Erhebungen iiber den Kreis der in 
Frage kommenden Personen der ehem. Waffen-SS durchzufiih- 
ren und Unterlagen zu beschaffen, die fur die Beurteilung dieses 
Komplexes dienen kònnen. 

In zahlreichen Gesprachen mit sachverstandigen Angehòri- 
gen der ehem. Waffen-SS wie auch mit Soldaten ist versucht 
worden, den Uberblick zu gewinnen. Dabei hat sich als erstes 
herausgestellt, daB eine Regelung fiir die Waffen-SS iiberhaupt 
sinnlos ist, weil diese Truppenbezeichnung erst ab Januar 1940 
gilt und zu diesem Zeitpunkt niemand mehr bemfsmàBig ein- 
gestellt wurde. Deswegen muB eine Regelung, wenn sie erfolgen 
soll - abgestellt werden auf die ehemaligen Angehòrigen der 
SS-Verfiigungstmppe. 

Ich habe mich bemiiht, iiber die Angehòrigen dieser Tmppe, 
wie iiber Entstehen, Ausbildung und Einsatz dieser Truppe, Un- 
terlagen zu bekommen. 

Aus den mir vorliegenden umfangreichen Unterlagen und 
Dokumenten ergeben sich Tatsachen, die allen Angehòrigen der 
Fraktion bekannt sein miissen, wenn in der Fraktion dariiber 
zu entscheiden ist, ob diese ehem. Angehòrigen der SS-Verfii- 
gungstmppe in die Regelung des 131er Gesetzes mit einbezogen 
werden sollen. 

Nach meiner Uberzeugung sollte dies geschehen. Wamm ich 
dieser Uberzeugung bin, wollen Sie bitte in beiliegenden Ausfiih- 
rungen nachlesen. 

Mit freundlichen GriiBen gez. Burgemeister 

Sachliche Feststellungen iiber die ehemalige Waffen-SS im 
Zusammenhang mit Fragen des 131er Gesetzes. 

1. Die Bezeichnung »Waffen-SS« ist erst wàhrend des Krie- 
ges entstanden. Sie wurde nicht amtlich durch Gesetz oder Ver- 
ordnung verfiigt, sondern hat sich aus dem Sprachgebrauch er- 
geben. Erstmals wurde der Begriff »Waffen-SS« durch Hitler in 
seiner Reichstagsrede nach AbschluB des Frankreich-Feldzuges 


im Juni 1940 gebraucht und dann in die amtliche Sprachregelung 
iibernommen. 

2. Diese Waffen-SS ist aus einem Teil der sogenannten be- 
waffneten SS-Verbànde, nàmlich der SS-Verfiigungstmppe, her- 
vorgegangen. 

3. Zu den bewaffneten SS-Verbànden gehòrten auBer der 
SS-Verfìigungstruppe noch die Totenkopf-Verbànde. 

4. Wegen der verschiedenartigen Aufgaben und wegen der 
dann tatsàchlich auch unterschiedlichen Verwendung muB zwi- 
schen der SS-Verfiigungstmppe und den Totenkopfverbànden 
sehr scharf unterschieden werden. Fiir die 131er Gesetzgebung 
spielen nur die ehem. Angehòrigen der SS-Verfiigungstmppe 
eine Rolle. 

5. Die SS-Verfiigungstmppe sollte nach der Planung des 
Gesetzes iiber den Wiederaufbau der Deutschen Wehrmacht vom 
16. Màrz 1935 im Rahmen des Heeres eine von den vorgesehe- 
nen 36 Divisionen stellen. Diese Absicht kam in der Rede Hit- 
lers zum Ausdmck, die er am Volkstrauertage des Jahres 1935 
hielt und in der der Wiederaufbau der Wehrmacht proklamiert 
wurde. Gegen diese Ankiindigung machte sich jedoch dann in 
der Wehrmacht sofort eine starke Opposition spiirbar, die Adolf 
Hitler veranlaBte, diese seine Absicht nunmehr nicht offiziell, 
sondern getarnt durchzufìihren. Daher wurde die in der Rede 
vorgebrachte Ankiindigung, daB die 36. Division eine SS-Divi- 
sion sein sollte, nicht in das Wehrgesetz mit aufgenommen. 
Tatsàchlich ist aber eine 36. Division nie aufgestellt worden. 
Daraus ergibt sich, daB diese Div. fùr die SS-Verfligungstmppe 
tatsàchlich geplant war und lediglich aus Verschleiemngsgriinden 
nicht im Wehrgesetz selbst genannt wurde. 

Auf Gmnd der sich aus der Opposition in der Wehrmacht 
ergebenden Tarnung wurde die Aufstellung der SS-Verfligungs- 
truppe mit einem Geheimbefehl des Fiihrers und Reichskanzlers 
vom 17. August 1938 Anlage zu Nr. 1164/38 g. Kdos. WFA/L 
II durchgefiihrt. 

In diesem Befehl heifit es u. a.: 


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»Die SS-Verfligungstmppe ist weder ein Teil der Wehrmacht 
noch der Polizei. Sie ist eine stehende bewaffnete Tmppe zu 
meiner ausschliefilichen Verfugung. Als solche und als Gliede- 
rung der NSDAP ist sie weltanschaulich und politisch nach den 
von mir flir die NSDAP und Schutzstaffeln gegebenen Richt- 
linien durch den Reichsfìihrer SS auszuwàhlen, zu erziehen und 
durch Einstellung von Freiwilligen, die ihrer Arbeitsdienstpflicht 
geniigt haben, aus der Zahl der Wehrpflichtigen zu ergànzen. 

... Die Dienstverpflichtung der Freiwilligen betràgt 4 Jahre. 
Fiir SS-Untertuhrer kann die Dienstverpflichtung verlàngert 
werden. Fiir SS-Fiihrer (Offiziersgrade) gilt eine Sonderver- 
pflichtung. Die gesetzliche aktive Dienstpflicht (§ 8 des Wehr- 
gesetzes) gilt durch Dienst von gleicher Dauer in der SS-Ver- 
fiigungstmppe erfiillt. 

... Gesamtstàrke, Gliedemng und Ausmstung der SS-Ver- 
fiigungstmppe richten sich nach den Aufgaben, die ihr im Frie- 
den und im Mob.-Falle zufallen kònnen. 

Fiir den Mob.-Fall sind die Standarten und selbstàndigen 
Sturmbanne wie die entsprechenden Einheiten einer Infanterie- 
Division bzw. Infanterie-Division (mot.) des Heeres gegliedert 
... Fiir die Stàrke und Ausmstung der Stàbe und Einheiten der 
SS-Verfiigungstruppe sind die Friedensstàrken und Ausriistungs- 
Nachweisungen des Heeres mafigebend. 

. . . Der Oberbefehlshaber des Heeres bereitet die SS-Verfii- 
gungstmppe auf ihre Verwendung im Rahmen des Kriegsheeres 
vor. Er gibt hierfiir die notwendigen Weisungen, regelt die Zu- 
sammenarbeit mit den Wehrersatzbehòrden, unterstiitzt die Aus- 
bildung und besichtigt. Er ist ermàchtigt, diese Befugnisse auf 
nachgeordnete Stellen zu iibertragen und mir nach vorherigem 
Benehmen mit dem Reichsfiihrer SS und Chef der Deutschen 
Polizei iiber den Stand der Gefechtsausbildung vorzutragen. 

Ein zeitlicher Austausch von Offizieren bzw. Fiihrern zwi- 
schen Heer und SS-Verfiigungstmppe ist in gegenseitigem Ein- 
vemehmen durchzufiihren, sobald es die Offiziers-(Personal-) 
Lage erlaubt. 


Die SS-Junkerschulen einschl. der SS-Àrztlichen Junker- 
schule bilden den Fiihrernachwuchs fiir die bewaffneten Teile 
der SS und fiir die deutsche Polizei heran. 

Die Junker, die mindestens ein Jahr Frontdienst in der SS- 
Verfiigungstmppe geleistet, dann die SS-Junkerschulen und den 
Zugtiihrerlehi'gang mit Erfolg besucht haben, demnach iiber 
zwei Jahre unter den Waffen gedient haben, haben damit ihre 
Wehrpflicht (§ 8 des Wehrgesetzes) erfiillt. 

Bei Dienstleistung bzw. Ubernahme in die Wehrmacht wer- 
den Fiihrer und Fuhreranwàrter, die den Zugfiihrerlehrgang mit 
Erfolg besucht haben, mit dem Dienstgrad eingegliedert, der 
ihrem Dienstgrad bei den bewaffneten Teilen der SS bzw. der 
Polizei entspricht. «. 

Dieser Sonderbefehl unterstreicht m. E. sehr deutlich die ur- 
spriingliche Absicht, nàmlich eine SS-Division innerhalb der 
Wehrmacht zu bilden. Um die Offiziere der Wehrmacht zu be- 
schwichtigen, mufite man aber diese Absicht tarnen. 

Die Gliedemng, Ausriistung und Bewaffnung entsprach ge- 
nau der des Heeres. 

Der Ersatz wurde im Einvernehmen mit den Wehrersatzbe- 
hòrden aus den zur Einbemfiing heranstehenden Wehrpflichti- 
gen - auf der Gmndlage der Freiwilligkeit -ausgesucht und 
geworben. Die Freiwilligen mufiten nicht vorher schon Mit- 
glieder der allgemeinen SS oder der Partei gewesen sein. Der 
ganze Aufbau erfolgte also genau so wie bei den Einheiten der 
Wehrmacht. Es galten die gleichen gesetzlichen Gmndlagen fiir 
Einstellung und Entlassung wie bei der Wehrmacht. 

Beziiglich der Geldwirtschaft, heifit es in dem angezogenen 
Geheimbefehl: »Die SS-Verfiigungstmppe erhàlt ihre Geldmit- 
tel durch das Reichsinnenministerium, ihr Haushalt bedarf der 
Mitpriifung durch das Oberkommando der Wehrmacht.« 

Die Geldmittel hàtten genauso gut durch das Reichskriegs- 
ministerium zugewiesen werden kònnen. Aber auch hier verlang- 
te die Tarnung eine andere Lòsung. 

Fiir die Klàmng der Frage, inwieweit die ehemaligen bemfs- 


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mafiigen Angehòrigen der SS-Verfligungstmppe (spàter Waf- 
fen-SS) in die Regelungen des 131er Gesetzes mit einzubeziehen 
sind, ist es wichtig herauszustellen, dal.ì 

a) der Personalbedarf fùr die Einheiten der SS-Verfligungs- 
tmppe aus den Reihen der Wehrpflichtigen angeworben wurde 
und dafi die so Geworbenen nicht bereits Parteimitglieder oder 
Angehòrige der allgemeinen SS gewesen sein muBten; 

b) die Werbung erfolgte (wie bei der Wehrmacht) durch Zu- 
sichemng entsprechender VersorgungsmaBnahmen bei làngerer 
Dienstverpflichtung; 

c) der Eintritt in die Verbànde der SS-Verfìigungstmppe 
erfolgte auf Gmnd eines Dienstvertrages. Der Freiwillige muBte 
sich zu entsprechend langer Dienstzeit verpflichten und bekam 
daflir entsprechende Leistungen des Staates (nicht aber der 
NSDAP) zugesichert. Der so abgeschlossene Dienstvertrag 
wurde nicht mit der NSDAP, sondern mit dem Deutschen Reich 
abgeschlossen. Damit entspricht diese vertragliche Regelung ge- 
nau derjenigen der Wehrmacht. Fiir den einzelnen Bewerber 
war es der Staat und nicht die NSDAP, mit denen ein Vertrag 
geschlossen wurde. Diese Tatsache kann durch mir vorliegende 
Verpflichtungsscheine eindeutig belegt werden. 

Das, was fiir die Werbung und Einstellung von Freiwilligen 
gesagt wurde, gilt auch fiir die Fiirsorge und Versorgung nach 
dem Ausscheiden aus dem Dienst der SS-Verfìigungstruppe. 

Im Reichs-Gesetz-Blatt I Seite 1607 wurden am 10. Nov. 
1938 die Durchfdhrungsbestimmungen fiir die Handhabung der 
Fiirsorge und Versorgung fiir die Angehòrigen der SS-Verfìi- 
gungstmppe im einzelnen festgelegt. Auch sie zeigen eine vòl- 
lige Ubereinstimmung mit den gleichen Bestimmungen fiir die 
Wehrmacht. So muBte der Angehòrige der SS-Verfiigungstruppe 
bei seinem VertragsabschluB mit dem Deutschen Reich die tìber- 
zeugung gewinnen, daB er unter gleichen Bedingungen und Vor- 
aussetzungen in den Dienst des Staates iibernommen wurde wie 
der Soldat der Wehrmacht. 

Er erwartet daher auch jetzt die gleiche Behandlung wie der 


Soldat, mit dem er im Kriege Schulter an Schulter die gleichen 
- oft schwere - Leistungen vollbracht hat. 

Wenn auch - aus Tarnungsgmnden - die SS-Verfìigungs- 
truppe nach dem genannten Geheim-Befehl eine Sonderstellung 
zwischen Polizei und Wehrmacht einnahm, so kann auf Gmnd 
der schon genannten Tatsachen nicht bestritten werden, daB dem 
zu Werbenden gegeniiber nicht die NSDAP, sondem der Staat 
als Werber auftrat und daB der Geworbene die Uberzeugung 
haben muBte, òffentlichen Dienst fur den Staat und nicht fiir die 
Partei zu leisten. Dies geht auch aus der Zuweisung der Geld- 
mittel durch den Reichsinnenminister hervor. Fiir die SS-Ver- 
fiigungstmppe war ein besonderer Titel im Reichshaushaltsplan 
beim Reichsinnenminister enthalten. Die Einstellung in die SS- 
Verfiigungstmppe konnte nur im Rahmen vorhandener Plan- 
stellen erfolgen. Die Kassenfiihrung, die Einnahmen und Ausga- 
ben wurden durch den Reichsrechnungshof kontrolliert. Die Be- 
soldung der Angehòrigen der SS-Verfìigungstruppe erfolgte nach 
der nur fìir die Soldaten geltenden Besoldungsordnung C des 
Reichsbesoldungsgesetzes. 

Der § 201 des Wehrmachtsfìirsorge- und Versorgungsgesetzes 
lautet: 

»(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die dazu erlas- 
senen Durchfiihrungsbestimmungen und ergànzenden Vorschrif- 
ten finden auf die Angehòrigen der SS-Verfiigungstmppe ent- 
sprechend Anwendung. 

(2) § 126 gilt auch beim Eintritt eines ehemaligen Soldaten 
in die SS-Verfiigungstmppe oder eines ehem. Angehòrigen der 
SS-Verfiigungstmppe in die Wehrmacht. 

Bei der Wiederentlassung wird die Fiirsorge und Versorgung 
nach der Gesamtdienstzeit in der Wehrmacht und in der SS- 
Verfìigungstruppe bemessen. 

(3) Der Reichsminister des Innern kann im Einvernehmen 
mit dem Oberkommando der Wehrmacht und dem Reichsmini- 
ster der Finanzen abweichende Vorschriften erlassen«. 


340 


341 



Entstehen der SS-Verfiigimgstmppe: 

Die SS-Verfligungstrappe wurde - wie schon eingangs be- 
tont - bei Wiedereinfuhrung der Wehrpflicht im Jahre 1935 
gegràndet. Sie wurde gebildet aus 

der Leibstandarte Adolf Hitìer in Berlin-Lichterfelde unter 
dem Kommando von Sepp Dietrich, 

der SS-Standarte Deutschland in Miinchen und Ellwangen 
unter dem Kommando des damaligen Obersturmbannfiihrers - 
spàteren Generals der Waffen-SS - Steiner, 

der SS-Standarte Germania in Hamburg, Arolsen, Soltau 
unter dem Kommando des damaligen Obersturmbannfiihrers 
Demelhuber. 

Vorgànger dieser Standarten waren sogenannte politische Be- 
reitschaften der SS. Die damaligen Obersturmbannfiihier Stei- 
ner und Demelhuber waren Offiziere des ersten Weltkrieges, die 
erst 1935 als Obersturmbannfiihrer in die SS-Verfiigungstruppe 
eintraten und keine friihe Mitglieds-Nr. der NSDAP hatten. 

Der nach langjàhrigem Dienst planmàfiig aus der Wehr- 
macht ausgeschiedene Generalleutnannt Hausser wurde 1934 ge- 
fragt, ob er bereit sei, die Einrichtung und Leitung der SS-Jun- 
kerschulen zu iibemehmen. 

Generalleutnant Hausser willigte - im Einvernehmen mit 
dem Oberkommando der Wehrmacht - ein und stellte 1934 in 
Bad Tòlz und 1935 in Braunschweig Junkerschulen auf. Spàter 
wurde er als Inspekteur fiir die Ausbildung der gesamten SS- 
Verfiigungstrappe verantwortlich gemacht. 

Die Pràfungen an den SS-Junkerschulen erfolgten im Bei- 
sein von Offizieren des Heeres. Die so abgelegten Pràfiingen 
wurden von der Wehrmacht vorbehaltlos anerkannt. 

Nach dem Anschlufi Òsterreichs kam eine weitere Standarte, 
die Standarte »Der Fiihrer« hinzu. 

Sie stand unter dem Kommando von Georg Keppler, der 
ebenfalls Offizier des ersten Weltkrieges war und auch erst 1935 
als Sturmbannfiihrer in die SS-Verfiigungstrappe eintrat. 


Zum Aufbau der SS-Verfiigungstrappe wurden vom dama- 
ligen Reichskriegsministerium wie vom Reichsminister des In- 
nern (Polizei) Offiziere und Beamte freigegeben und abgestellt. 
(Reichskriegsministerium 25 h 71 V III 3 b vom 20. Mai 1936). 

Tatsàchlich wurde die SS-Verfiigungstrappe (spàter Waffen- 
SS) nur im Rahmen des Heeres eingesetzt und verwendet. Sie ist 
zu keiner Zeit etwa mit Bewachungsaufgaben von Konzentra- 
tionslagern o.a. beauftragt gewesen. Eine polizeiàhnliche Ver- 
wendung ist nie erfolgt. 

Im Frieden wurde die SS-Verfiigungstrappe dreimal und 
dabei jedesmal im Rahmen des Heeres und unter dem Befehl 
des Oberbefehlshabers des Heeres eingesetzt, wobei den SS-Ver- 
bànden Verbindungsstàbe des Heeres zugeteilt wurden. 

1. bei der Eingliederang Òsterreichs im Màrz 1938, 

2. bei der Eingliederang des Sudetenlandes September 1938, 

3. bei der Besetzung der Tschechoslowakei Màrz 1939. 

Bei der Mobilmachung im August 1939 wurde die SS-Ver- 
fLÌgungstrappe wiederam dem Oberbefehlshaber des Heeres un- 
terstellt. Dafiir wurde nachstehender Befehl gegeben: 

»OKW 6 KW/WF A L 11 Nr. 2039/ g Kdos. vom 19. Au- 
gust 1939 geh. Anlage: 

Die Truppenteile der SS-Verfiigungstrappe, deren Eingliede- 
rung in das Heer im Mobilmachungsfalle vorgesehen ist, wer- 
den mit sofortiger Wirkung dem Oberbefehlshaber des Heeres 
unterstellt. Ihre Verwendung regelt der Oberbefehlshaber des 
Heeres nach den von mir gegebenen Weisungen. 

gez. Adolf Hitler« 

Festgestellt sei in diesem Zusammenhange, dafi bei der Mo- 
bilmachung im August 1939 die Verbànde der SS-Verfligungs- 
trappe noch nicht in der Lage waren, eine volle Division (mot) 
nach den Stàrke- und Ausriistungsweisungen des Heeres zu stel- 
len. 

Daraus geht hervor, dafi der Personenkreis der berafsmàfii- 
gen Angehòrigen dieser Trappe, der allein nur fiir die Regehing 


342 


343 



durch das 131er Gesetz in Frage kommt, zahlenmàfiig sehr be- 
grenzt war, da die Gesamtstàrke dieser Truppe bei Kriegsaus- 
bmch mit etwa 10000 Mann angenommen werden mufi. 

Daflir kommen flir das G. 131 wiederum nur diejenigen in 
Betracht, die sich zu làngerer Dienstzeit (mehr als zehn Dienst- 
jahre) bemfsmàfiig verpflichtet hatten, nàmlich Unteroffiziere 
und Offiziere, die etwa ein Drittel der Gesamtstàrke ausmachen. 
Danach kònnten etwa (rund gerechnet) 750 Offiziere und 2500 
Unteroffiziere flir eine Versorgung in Frage kommen. 

Wàhrend des Krieges sind - wie mir von mafigebenden ehe- 
maligen Angehòrigen der SS-Verfligungstmppe versichert wur- 
de - bemfsmàfiige Verpflichtungen nicht mehr vorgenommen 
worden. 

6. SS-Totenkopfverbànde. Zur Klarstellung der Unter- 
schiede zwischen den Teilen der bewaffneten SS-Verbànde nach- 
stehend Angaben iiber die SS-Totenkopfverbànde, die nicht fiir 
eine Regelung durch das 131er Gesetz in Frage kommen. 

Die Totenkopf-Verbànde waren - wie die SS-Verfiigungs- 
tmppe - ein Teil der bewaffneten SS-Verbànde, jedoch mit an- 
derer Einsatz- und Verwendungsabsicht. 

tìber sie heifit es in dem schon zitierten Geheimbefehl Hit- 
lers vom 17. August 1938: 

»Die SS-Totenkopfverbànde sind weder ein Teil der Wehr- 
macht noch der Polizei. Sie sind eine stehende bewaffnete Tmppe 
der SS zur Lòsung von Sonderaufgaben polizeilicher Natur, die 
zu stellen ich mir von Fall zu Fall vorbehalte. Als solche und 
als Gliedemng der NSDAP sind sie weltanschaulich und poli- 
tisch nach den von mir fiir die NSDAP und die Schutzstaffeln 
gegebenen Richtlinien auszuwàhlen, zu erziehen und durch Ein- 
stellung von SS-tauglichen Freiwilligen, die ihrer Wehipflicht 
gmndsàtzlich in der Wehrmacht geniigt haben, zu ergànzen.« 

Daraus ergibt sich zum Unterschied gegeniiber der SS-Ver- 
fiigungstmppe 

a) dafi die Totenkopfverbànde betont fiir Polizeiaufgaben 
vorgesehen waren. 


b) vor Eintritt in die Totenkopfverbànde mufiten Freiwil- 
lige ihrer Wehrpflicht in der Wehrmacht geniigt haben, wàhrend 
der Dienst in der SS-Verfiigungstmppe als Wehrdienst galt. 

Allerdings kamen nach Ausbmch des Kiieges auch Angehò- 
rige der Totenkopf-Verbànde in die Reihen der SS-Verfiigungs- 
truppe (Waffen-SS). Aus den vier Totenkopf-Standarten Ober- 
bayem, Thiiringen, Brandenburg und Ostmark wurde nach 
Kriegsausbmch im Oktober 1939 eine SS-Totenkopf-Division 
gebildet. 

Die Angehòrigen dieser Division kommen aber fìir die Re- 
gelung nach dem 131er Gesetz deswegen nicht in Frage, weil sie 
nicht schon vor Kriegsausbmch zur SS-Verfiigungstmppe gehòr- 
ten. Nur solche Angehòrigen der SS-Verfiigungstmppe (spàte- 
ren Waffen-SS), die vor Kriegsausbmch sich zu bemfsmàfiigem 
Dienst in der SS-Verfiigungstmppe verpflichteten, kommen fiir 
eine Einbeziehung in das 131er Gesetz in Frage. Somit eriibrigen 
sich m. E. weitere Untersuchungen iiber die Stellung der SS-To- 
tenkopfverbànde. 

Abschliefiende Stellungnahme: 

Fiir die Beurteilung der Frage: ob der bemfsmàfiige Dienst 
in der SS-Verfiigungstmppe als òffentlicher Dienst gilt, kann 
m. E. nur das Vertragsverhàltnis herangezogen werden, dafi da- 
mals zwischen dem Deutschen Reich einerseits und den Freiwil- 
ligen andererseits begriindet wurde. 

Dieses Verhàltnis haben die Freiwilligen damals in dem gu- 
ten Glauben begriindet, genauso gesichert zu sein wie die Sol- 
daten. Fiir taktische Erwàgungen Hitlers, die heute im Vorder- 
gmnd stehen, kann man m. E. nicht die ehem. Angehòrigen der 
SS-Verfìigungstruppe verantwortlich machen. 

gez. Burgemeister 


344 


345 



PERSONENREGISTER 


Adenauer, Dr. h.c, ehem. Bundes- 
kanzler 10, 254, 262 
d Alquen, Kdr.d.SS-Kriegsberichter 
238 

Aldinger, Ord. Offz. Rommels 189 
Arlt, Dr., Major d. W.-SS 179 
Artemenko, Sowj. Generalmajor 157 

Babel, Justizrat, Rcchtsanwalt 298 
Ballauf, Generalmajor d. W.-SS 
102 

Bartels, Dr., Amtschef 139 
Bauer, Biuno, Theologe und Phi- 
losoph 275 

Beck, Deutscher Generalstabschef 
43, 45,46, 52,74,140 
Bemadotte, Franzòs.Marschall 116 
Besslein, Oberst d. W.-SS 221 
Best, Dr., Reichskommissar 258/9 
Beumelburg, Schriftsteller 29 
Bittrich, General d. W.-SS 11, 102, 
159, 160, 187, 188, 189, 190, 194, 
196 ff„ 218 ff. 

Blank, Hcrbert, Schriftsteller 23, 
30,51 

v. Blomberg, Reichskriegsminister 

43,44, 48, 50, 54, 55,225,310, 

311,312,314 

Bor, Publizist, 38, 74, 142 

Bormann, NS-Reichsleiter 224 f. 

v. Brandis, Major 23 

v. Brauchitsch, Oberbefehlshaber 

des Heeres 142 

Braun, PreuBischer Ministerpràsi- 

dent 44 

Brennecke, General 306, 307, 308 
Brill, Amtschef 298 f. 

Bmchmuller, Oberst, Artillerieex- 
perte 133 


Bruning, Reichskanzler 35, 44 
Buchheim, Historiker 77, 254, 255, 
256, 257, 258 

v. Biilow, Major d. W.-SS 98 
Burgemeister, Oberst a. D., M.d.B. 

(CDU) 335-345 
Busch, Feldmarschall 165 
v.d. Bussche, General 34 
Busse, General 226 
Buttlar, Freiw. d. W.-SS 201 ff. 

Carnot, Franz. Revolutionsgeneral 
49 

Chester Wilmot, Brit.Militarschrift- 
steller 182/3 

v. Derfflinger, Kurf.-Brandenburg. 

Feldmarschall 116 
Dieckmann, Oberstlt. d.W.-SS 172 
Dietrich, Generaloberst d. W.-SS 
117, 186,187,215,216, 221,232 
263, 281 

Dònitz, GroBadmiral 224 
Dòrffler-Schuband, Generalmaj. d. 

Waffen-SS 98 
Dollmann, General 115 

Eberbach, Gen. d. Pz.-Truppen 
190, 196 

v. Eichhom, Feldmarschall 179 
Eckennann, Freund Goethes 268 
Eicke, General d. W.-SS 115 
v. Erckert, Hptm.Kaiserl.Schutz- 
truppe 273 

Erfurth, General, Militarschriftsteller 
34,48, 52 

Froeschmann, Rechtsanwalt 133 
Foertsch, Hermann, General 49, 

50, 54, 57,71,329 


Foltmann, General 119 
Frick, Reichsinnenminister 311, 
312,314,315 

v. Fritsch, Generaloberst 43, 44, 
48, 68,71,72 

Fùller, Brit.Generalmaj. 31 
Furbach, Major 24 

Gambetta, Franz.Freischarenfùh- 
rer 25 

Ganzenmùller, Dr.-Ing., Staats- 
sekretar im R. f. Verkehr 195 
de Gaulle, Franz.General, Staats- 
prasident 31, 196 
Gebhardt, Prof.Dr., Generalarzt d. 
W.-SS 190 

George, Heinrich, PreuB.Staats- 
schauspieler 87 
Gesele, Kdr. einer Stunnbrig. d. 
W.-SS 102 

Gessler, Dr„ Reichswehnninister 
45 

Geyr v. Schweppenburg, General 
d. Pz.-Truppen 195 
Gille, General d. W.-SS 174, 194, 
216 

v. Gneisenau, PreuB. Feldmar- 
schall 30, 193 

Goebbels, Reichspropagandamini- 
ster 224 

Gòring, Reichsmarschall u. Ob. 
d.L. 224 

Gòrlitz, Publizist 57, 262 
v. Goethe, Joh.Wolfg. 268 
Gollancz, Brit.Verleger 200 
Goetze, Oberst d.W.-SS 98 
Groener, General, Rcichswehr- 
minister 35, 40 

Grothmann, Obstlt. d.W.-SS 102 
Guderian, Generaloberst, Deut- 
scher Generalstabschef 45, 215 


Gùnsche, Pers. Adjutant Hitlers 158 

Halder, Generaloberst, Deutscher 
Generalstabschef 38, 74, 142,146 
147 

v. Hammerstein-Equord, General- 
oberst und Chef d.H.L. 48 
Harzer, Oberst d.W.-SS 102, 198 
Hausser, Generaloberst d.W.-SS 
63, 78, 81, 82, 91, 96, 98, 99, 100, 
101, 122, 173, 187, 195, 196, 252, 
256, 281,298, 300, 301 
Heiber, Publizist 169 
Heim, Generalleutnant 144/5, 216 
Heinrici, Generaloberst 49 
v. Hcntig, Univ.Prof., Krim.Psych. 
230 ff. 

Hesse, Kurt, Oberst 33 
Heusinger, Deutscher NATO-Ge- 
neral 191 

Himmler, Rcichsfùhrer SS, Reichs- 
innenminister 55, 58 ff„ 62 ff„ 
67, 76 ff„ 86, 130,167, 170, 178 f„ 
186, 190, 210 ff, 227, 230 ff„ 247, 
251,257, 260, 300 f., 303 
Hitler, Rcichskanzler 36 f., 39, 40, 
42, 48 ff, 53 f., 56 ff, 65, 70, 
71, 73, 75, 77 f., 91, 104 ff, 112 f., 
117, 132, 138, 141 ff, 146 ff, 169, 
181, 190, 208, 213 f, 217, 276, 
280,316 

Hoeppner, Generaloberst 190 
de l'Homme de Courbière, Major 
24 

Hossbach, General 67 
Hube, Generaloberst 194 

Jeschonnek, Generaloberst und 
Generalstabschef d.L. 77 
Jodl, Generaloberst und Chef des 
Wehrmachtsfùhrungsstabes 38, 
215 

Jòrchel, Oberst d. W.-SS 102 


346 


347 



Johns, Elvyn, Anklàger in Nùrn- 

berg 78,301,302 

Junger, Emst, Schriftsteller 29 

Keilig, Oberst i. G. der Bundes- 
wehr 280 

Keitel, Feldmarschall, Chef OKW 
224, 228,316 

Keller, Oberst d.W.-SS 102 
Kempf, General 112 
Keppler, General d.W.-SS 102 
Kersten, Medizinalrat 63/4, 77, 

230, 232, 235, 239, 240, 257 
v. Kielmannsegg, Graf, General 
der Bundeswehr 191 
Kleinheisterkamp, General d. W,- 
SS 102 

v. Kleist, Feldmarschall 99,156 
Klietmann, Dr., Historiker 56 
Koller, General d.F., General- 
stabschef d.L. 117,208 
Kònig, Franz.General 208 
Kordt, Erich, Dcutscher Botschaf- 
ter 57 

Krebs, General, Dcutscher Gene- 
ralstabschef 228 
Krolm, Dr., Staatssekretàr im 
Reichsarbeitsmin. 316 
Kriiger, Walter, General d.W.-SS 
102,221 

Kumm, Generalmajor d.W.-SS 
102, 162-164 

Lanz, General 100 
Lettow, Oberst d.W.-SS 98 
Liddell Hart, Brit.Militàrschriftstel- 
ler 31, 92, 140, 146, 148, 208 
Lombard, Generalmajor d.W.-SS 
190 f„ 217 
Lucht, General 226 
Ludendorff, General und General- 
quartiermeister 28, 47 


v. Manteuffel, General 225 
v. Manstein, Feldmarschall 99, 
100, 115,155 

Marshall, US-General und amerik. 

Generalstabschef 208 
Marius, Ròmischer Feldherr 49 
v.d.Marwitz, PreuB. Generalleut- 
nant 30 

Marx, Oberst der Rcichswehr 28 
Meyer, Kurt, Generalmajor d.W,- 
SS 251 

Model, Feldmarschall 162 ff„ 194, 
200 

Montgomery, Brit. Feldmarschall 
196 f„ 199, 225 

v. Montigny, Frh., Generalmajor 
d.W.-SS 98 

v. Moltke, Graf, PreuB.Feldmar- 
schall und Generalstabschef 25, 
30,45 

Mùller, SS-Gruppenfùhrer 191 
Mùller, Thomas, Oberst d. W.-SS 
102 

Mùller-Hillebrandt, Generalleut- 
nant d. Bundeswehr 86 
Mùlverstedt, Generalleutnant 
d. W.-SS u. Pol. 115 
Murat, Franz.Rcitergeneral 116 

Napoleon Bonaparte, Kaiser der 
Franzosen 46, 116, 243 
NeusùB-Hunkel, Dr„ Historiker 
258 ff. 

Ney, Franz.Marschall 116 

Ochsner, Generalleutnant 86, 304, 
330 

Oster, Achim, Oberst i. G. der 
Bundeswehr 105 

Paetel, PolitSchriftsteller 98 
v. Paris, Oberstleutnant d. W.-SS 
98 


Pearl, US-Oberleutnant 246 f. 
Peiper, Oberst d.W.-SS 237, 245 f. 
Pelkmann, Dr„ Rechtsanwalt 300, 
302 

Philippi, Generalleutnant 144 f„ 
216 

Phleps gen. Stolz, General d. W,- 
SS 173 

Picht, Militàrhistoriker 265 f. 
Pilsudski, Marschall von Polen und 
Staatschef 268 

Ramcke, General 117 
v. Reichenau, Feldmarschall 47, 

49 

Rcinecke, Dr„ Generalmajor und 
Chef richter der W.-SS 298, 303 
v. Rcyher, General und preuB. Ge- 
neralstabschef 116 
Ritter, Major 28 

Roehm, Stabschef der SA 40 ff„ 
45 f„ 49 f. 
v. Rohr, Major 23 
Rommel, Feldmarschall 187 ff. 
Rogge, Admiral der Bundesmarine 
130 

Roosevelt, US-Staatspràsident 224 
Rumolir, Generalmajor d. W.-SS 
217 

Ruoff, Generaloberst 1511'. 

Ruoff, Joachim, Oberst d.W.-SS 
102 

Schaeffler, Dr„ Sportdozent 92 
v. Schamliorst, PreuB.Kriegsmini- 
ster 30 ff. 

Schauwecker, Schriftsteller 29 
v. Scheele, Frh. Generalmajor d. 
W.-SS 98 

v. Schleicher, General der Reichs- 
wehr, Reichskanzler 34, 40 


v. Schlieffen, Graf Feldmarschall 
und preuB. Generalstabsschef 
46,73 

Schònfelder, Oberst d. W.-SS 102 
Schmidt-Richberg, Generalmajor 
175 

v. Scholz, Generalleutnant d. W,- 
SS 102 

Ritter v. Schramm, Oberstleutnant 
187 

Schùtzeck, Oberst d. W.-SS 102 
Schumacher, Dr. Vorsitzender der 
SPD 254 

Schukow, Sowjetmarschall 161 
v. d. Schulenburg, Graf, Regie- 
rungspràsident 185 f. 
Schulze-Kossens, Oberstlt. d. W,- 
SS, Pers. Adjutant Hitlers 54, 
58,71, 128 

Schwab, Prof. Dr.-Ing. Generalma- 
jord. W.-SS 133 ff„ 137 
v. Seeckt, Generaloberst und Chef 
d. HL 21,32,34,40 
Shandruck, ukrainischer General 
179 

Sinka, estnischer Oberstleutnant 
218 

Sixt, General 306, 330 
Skalka, Dr„ Divisionsarzt d. W,- 
SS 198 

Soldan, Major 18 
Speer, Rcichsminister fùr Riistung 
224 

Speidel, Dr„ General der Bundes- 
wehr 187 f„ 191, 329 
Spengler, Geschichtsphilosoph 269 
Student, Generaloberst 224 
v. Stùlpnagel, General 34, 112 
Sulla, Ròmischer Feldherr 49 
Schwerin v. Krosigk, Graf, 
Reichsfmanzminister 316 


348 


349 



Thorwald, Schriftsteller 178,180, 
238 

v. Treuenfeld, Generalleutnant d. 
W.-SS 194 

Ulrich, Kurt, Oberst d.W.-SS 218 
Urquhart, Brit. Generalmajor 197, 
206 f. 

Voss, Dr., Generalmajor d.W.-SS 
98 

Wagner, Generalleutnant d. W,- 
SS 227 


Wawrack, Brit.Divisionsarzt 198 
Wenk, General 228 
Wheeler-Bennett, Brit. Militar- 
sdiriftsteller 36 

Witt, Generalmajor d.W.-SS 102, 
172 

Yorck v. Wartenburg, Graf, PreuB. 
Generalfeldmarschall 30, 101 

Zehender, Generalmajor d. W.-SS 
102,217 

Ziegler, Generalmajor d. W.-SS 
227 


Militàrischer Werdegang des Verfassers in Stichworten 

Aus einer in OstpreuBen ansàssig gewesenen Salzburger Emi- 
grantenfamilie stammend, Eintritt im Màrz 1914 nach bestan- 
dener Reifeprufung als Fahnenjunker in das 5. (ostpreuBische) 
Infanterie- Regiment v. Boyen Nr. 41 in Tilsit. 

Mit dem Regiment ins Feld, Fàhnrich. Kàmpfe an der ost- 
preuBischen Grenze, bei Tannenberg, an den masurischen Seen 
und in Litauen. November 1914 schwerverwundet. 

27. 1. 1915 Leutnant mit Patent vom 18. Juni 1913. Eisernes 
Kreuz II. Klasse. 

Nach Wiederherstellung in die Festungs-MG-Abt. 1 versetzt. 
Friihjahr 1916 an die kurlàndische Front. Kompanieflihrer in der 
Maschinengewehi'-Scharfschutzen-Abteilung 46. Kàmpfe an der 
Diina. Angriff und Einnahme von Riga. Eisernes Kreuz I. Klas- 
se. 1918 in gleicher Stellung Teilnahme an der groBen Schlacht 
in Frankreich. Kàmpfe bei Wytschaete, im Flouthoulster Wald 
und am Kemmel. Abwehrschlacht zwischen Arras und Noyon. 
Demobil in Danzig. 

Januar 1919 Kompanieflihrer im ostpreufiischen Freiwilli- 
genkorps. 1921 Reichswehrinfanterie-Regiment Nr. 1. 1922 

Wehrkreispriifung bestanden. Ausfall des Fùhrergehilfenlehr- 
ganges. 

1923 bis 1930 in verschiedenen Stàben, sechs Generalstabs- 
reisen unter Leitung der Obersten Freiherr v. Fritsch, Feige, v. 
Bonin, Flòppner und v. Reichenau. 

1. Dezember 1927 zum Flauptmann befòrdert. Regiments- 
Adjutant I.-R. 1 in Kònigsberg, 1932 Kompanie-Chef im Regi- 
ment. 

1933 als Ausbildungsleiter zur Landespolizei-Inspektion West 
unter Versetzung zu den Offizieren zur besonderen Verwendung 
des Chefs der Fleeresleitung. Dezember 1933 Abschied aus der 
Reichswehr erbeten und mit dem Charakter als Major und der 
Uniform des 1. preuBischen Infanterie-Regiments erhalten. 


350 


351 



1934 Ausbildungsreferent beim Chef des Ausbildungswesens 
in Berlin. August 1934 Chef des Ausbildungsamtes. Nach Auf- 
lòsung infolge proklamierter Wehrfreiheit April 1935 Uberflih- 
rung in die SS-Verfligungstmppe - Bataillonskommandeur III/ 
SS-Regiment 1 in Ellwangen-Jagst. Juni 1936 Regiments-Kom- 
mandeur SS-Regiment »Deutschland« in Miinchen. 

1938 bis 1940 Teilnahme an den Einsàtzen in der Tschechei, 

in Polen und in Frankreich. - Spange zum EK I und II. -Rit- 
terkreuz des Eisemen Kreuzes. 

November 1940 Generalmajor der Waffen-SS und Divisions- 

Kommandeur der 5. SS-Panzergrenadier-Division »Wiking«, 

1941 mit der Division ins Feld. - Kàmpfe in der Ukraine 
und im Don-Bas. - Deutsches Kreuz in Gold. - Januar 1942 

zum Generalleutnant befordert. - Kàmpfe in der Kuba-Steppe 
und im Kaukasus. - November 1942 Fiihrer des III. (Branden- 

burgischen) Panzerkoips. - Eichenlaub zum Ritterkreuz, - Fe- 
bmar 1943 Kàmpfe bei der Heeresgmppe Don. - 

Mai 1943 Kommandierender General des III. (germ.) SS- 

Panzerkorps. - Kàmpfe vor Leningrad, an der Narwa und in 
Estland. - August 1944 Schwerter zum Ritterkreuz - Kàmpfe 
in Kurland. - 

Januar 1945 Oberbefehlshaber der 11. Armee - Kàmpfe 
in Pommern und an der Oder. - Màrz 1945 Oberbefehlshaber 
der 11. Panzerarmee - April 1945 Kommandierender General 
des III. SS-Panzerkorps. Alsdann kurzfristig Oberbefehlshaber 
der »Armeegmppe Steiner« - Kàmpfe nòrdlich Berlin und in 
Mecklenburg. 

3. Mai 1945 in englische Gefangenschaft - 27. April 1948 

aus Gefangenschaft und Interniemng entlassen. 

Seitdem wohnhaft in Miinchen. Als Schriftsteller tàtig. 

Werke: »Die Wehridee des Abendlandes«, (1952), »Von 

Clausewitz bis Bulganin«, (1956); »Die Freiwilligen, Idee und 
Opfergang« (1958), Roman »Als ihre Welt zerbrach« (1962), 
noch nicht erschienen. »Die Armee der Geàchteten« (1963). 


352